Arzt und Patient mit Masken im Gespräch wegen der Aufklärung über Risiken einer Covid19-Impfung(25.2.2023) Bei der Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Pfizer-BioNTech COVID-19 Vakzin "Comirnaty" erfüllt der impfende Arzt seine Aufklärungspflicht, wenn er nach vorheriger schriftlicher Aufklärung mittels Merkblatt jedem Impfling die Möglichkeit gegeben hat, im mündlichen Arztgespräch vor der Impfung Nachfragen zu stellen und weitere Informationen einzuholen (Landgericht Heilbronn, Urteil vom 14.02.2023 – Wo 1 O 65/22). Da die beklagte Ärztin diese Anforderungen erfüllt hatte, wies das Gericht die gegen sie gerichtete Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgled einer Patientin, die nach der Impfung über eine Hirnhautentzündung klagte, als unbegründet ab. 

Der Fall:

Die Klägerin war 2020/2021 Auszubildende in einem Pflegeheim. Die dortige Pflegedienstleiterin hatte der Klägerin am 21.12.2020 das offizielle „Aufklärungsmerkblatt zur Schutzimpfung gegen COVID-19 mit mRNA-Impfstoff“ (Stand: 09.12.2020) sowie den Bogen „Anamnese, Einwilligung“ ausgehändigt . Auf dem Anamnesebogen beantwortete sie alle Fragen mit „nein“ und kreuzte folgende Stellen an:
- Ich habe keine weiteren Fragen.
Folgende Stellen kreuzte die Klägerin nicht an:
- Ich lehne die Impfung ab.
- Ich verzichte ausdrücklich auf das ärztliche Aufklärungsgespräch.

Am Tag der ersten Impfung, dem 16.01.2021, gab die Beklagte den in Reihe zu ihr tretenden Pflegemitarbeitern Gelegenheit, Fragen zu stellen. Davon haben viele Mitarbeiter Gebrauch gemacht. Einige haben sich dabei sogar gegen die Impfung entschieden. Die Beklagte impfte schließlich die Klägerin am 16.01.2021 und am 06.02.2021 mit dem Impfstoff des Unternehmens Biontech/Pfizer gegen COVID-19.

Ab dem 07.02.2021 klagte die Klägerin über neurologische Beschwerden, die sie mit der Impfung in Zusammenhang bringt. Sie macht nun mit ihrer Klage geltend, nicht genügend aufgeklärt worden zu sein und verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld. 

Die Entscheidung:

Das Landgericht wies die Klage als unbegründet ab. Ein Aufklärungsfehler der impfenden Ärztin sei nicht zu erkennen. 

Bei öffentlich empfohlenen Routineimpfungen (z.B. Polio, Diphterie, Tetanus) kann es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügen, wenn der Arzt dem Patienten nach schriftlicher Aufklärung Gelegenheit zu weiteren Informationen durch ein Gespräch gibt - er kann dazu Merkblätter an den Patienten übergeben und muss kein mündliches Aufklärungsgespräch führen. Die Covid-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff war zwar öffentlich empfohlen von der STIKO, aber gleichwohl keine solche Routineimpfung, weil der mRNA-Impfstoff nur vorläufig zugelassen war. Gleichwohl war der Impfstoff Gegenstand breiter öffentlicher Diskussion, hochbegehrt und wurde bei über 70 % der Bevölkerung verimpft. Deshalb wendet das Landgericht hier die von dem Bundesgerichtshopf entwickelten Grundsätze zur Routineimpfung auch auf die Impfung mit dem mRNA-Wirkstoff "Comirnaty" an. Mithin erfülle der impfende Arzt hier seine Aufklärungspflichten, wenn er nach vorheriger schriftlicher Aufklärung mittels Merkblatt jedem Impfling die Möglichkeit gegeben hat, im mündlichen Arztgespräch vor der Impfung Nachfragen zu stellen und weitere Informationen einzuholen. Würde man dagegen verlangen, dass vor jeder Impfung ein persönliches ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch erforderlich ist, wäre dies logistisch kaum zu leisten gewesen und hätte die Impfkampagne erheblich verzögert. 

Praxisanmerkung:

Die detaillierte Entscheidung wählt einen pragmatischen Weg zu der rechtlichen Aufarbeitung des Massenphänomens der Covid19-Impfung. Sie ist auch nachvollziehbar und vertretbar begründet. Ob hier Rechtsmittel eingelegt werden und ob die Entscheidung des Landgerichts dann der rechtlichen Überprüfung durch die Rechtsprechung der höheren Gerichte standhalten wird, bleibt abzuwarten. Es erscheint jedenfalls fraglich, die Impfung mit Pfizer-BioNTech COVID-19 Vakzin "Comirnaty" Anfang 2021, sprich nur rund 1 Jahr nach Markteinführung des Impfstoffes, rechtlich wie eine Routineimpfung zu behandeln. Andererseits ist fraglich, ob der Patientin im weiteren Verfahren der in der Praxis oft schwierige Nachweis gelingt, dass sie bestimmte Beschwerden hat und dass diese gerade auf der Impfung beruhen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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