Arzt und Patient mit Masken kurz vor der Corona-Schutzimpfung(1.8.2023) Niedergelassene Ärzte, die während der Corona-Pandemie Corona-Schutzimpfungen verabreicht haben, handelten in Ausübung der ihnen insoweit übertragenen hoheitlichen Aufgaben als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne des Art. 34 GG, § 839 BGB. Haftungsansprüche wegen Impfschäden sind daher an das jeweilige Bundesland zu richten und nicht gegen den impfenden Arzt selbst (Landgericht Dortmund, Urteil vom 1.6.2023 - 4 O 163/22). 

Der Fall: 

Ein damals 32 Jahre alter Mann, der schon zuvor sich mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca und dem von Biontech/Pfizer hatte impfen lassen, ließ sich am 15.12.2021 von einer Mitarbeiterin der beklagten niedergelassenen Ärztin mit dem Impfstoff von Moderna "boostern". Kurze Zeit darauf klagte er über Herzbeschwerden. Er wurde ab dem 5.1.2022 in einer Klinik stationär behandelt wegen eines Herzmuskelleidens. Im Einzelnen ist streitig, wie der Kläger von der Beklagten aufgeklärt wurde und worunter er nun leidet. Der Kläger behauptet zudem, die Klägerin habe die Hygienevorschriften bei der Impfung missachtet. Er behauptet massive Impfschäden erlitten zu haben und macht Schmerzensgeldansprüche in einer Größenordnung von 400.000 € und vorgerichtliche Anwaltskosten von über 10.000 € geltend. 

Die Entscheidung:

Das Landgericht Dortmund ließ sich auf die Diskussion, ob die Ärztin den Kläger falsch aufgeklärt oder die Impfung falsch verabreicht hatte, gar nicht erst ein. Vielmehr stellte das Gericht fest, dass die beklagte Ärztin hier eine hoheitliche Aufgabe wahrgenommen habe, als sie dem Kläger die Corona-Schutzimpfung verabreichte. In diesem Fall greife zu Gunsten der beklagten Ärztin das Haftungsprivileg des Art. 34 GG, § 839 BGB. Deshalb wies das Landgericht Dortmund die Klage als unbegründet ab. 

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger hier in Berufung gehen wird. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. 

Praxisanmerkung:

Die Bundesrepublik Deutschland hat 2021 verzweifelt versucht, so vielen Bürgern wie möglich eine Schutzimpfung gegen das Corona-Virus zu verabreichen. Der Staat empfahl die Impfung also nicht lediglich, er wollte sie auch selbst "an den Mann bringen", um die Pandemie einzudämmen und das Leben seiner Bürger zu schützen. Da der Staat selbst nicht genügend Impfzentren ausrüsten konnte, bat er die niedergelassenen Ärzte um Hilfe. Insofern ist der vom Landgericht Dortmund eingenommene Standpunkt, diese Ärzte als Beliehende des Staates anzusehen, richtig und nachvollziehbar. 

Das Landgericht Dortmund beschreitet hier rechtliches Neuland und ist damit - soweit dem Verfasser bekannt - das erste Gericht in Deutschland, das zu Gunsten des impfenden niedergelassenen Arztes das Haftungsprivileg des Art. 34 GG anwendet, wobei es sich auf entprechende Stimmen in der Literatur stützt (Heiden in NJW 2022, 3737 und Dutta in NJW 2022, 649). Das Landgericht Ravensburg hatte dagegen bei seiner Entscheidung vom 16.3.2023 die Frage des Haftungsprivilegs für Beamte oder Beliehene noch außer Acht gelassen und einen ähnlich gelagerten Fall nach BGB-Haftungsgrundsätzen beurteilt (aber im Ergebnis die Klage gleichwohl als unbegründet abgewiesen - LG Ravensburg, Urteil vom 16.3.2023 – 3 O 1/23). Auch das Landgericht Heilbronn (Landgericht Heilbronn, Urteil vom 14.02.2023 – Wo 1 O 65/22) diskutierte einen ähnlichen Fall zivilrechtlich und nicht nach Art. 34 GG (und wies die Klage ebenso letztlich als unbegründet ab).

Der Kläger ist gleichwohl nicht schutzlos gestellt. Er kann Aufopferungsansprüche gegen das Land NRW nach § 60 des Infektionsschutzgesetzes geltend machen. Dies beinhaltet vor allem umfangreiche Versorgungsansprüche und Ansprüche auf Hilfen. Allerdings beinhaltet dies keine Schmerzensgeldansprüche, um die es hier dem Kläger in dem besprochenen Gerichteverfahren vorrangig ging. Außerdem muss der Kläger nachweisen, dass der Arzt bei der Impfung seine Amtspflichten verletzt hat, also ihn zum Beispiel falsch aufklärte oder gegen Hygienevorschriften verstieß. Dieser Nachweis ist erfahrungsgemäß schwierig. Des weiteren muss der Kläger nachweisen, dass sein konkreter Schaden genau auf diesem Fehler bei der Impfung beruht. Zusammengenommen ist es schwer, Impschäden auf Grund einer Corona-Schutzimpfung nachzuweisen. Soweit dem Verfasser bekannt, sind bisher die meisten Haftungsverfahren gescheitert.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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