(8.10.2020) Eine Schadensersatzklausel in einem Behandlungsvertrag zwischen einer Patientin und einer Kurklinik, die bei Abbruch der Kur einen Schadensersatzpflicht der Patientin vorsieht, ist absolut unwirksam (Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Oktober 2020 – III ZR 80/20). Die Patientin ist also frei darin, die Behandlung jederzeit auch ohne Gründe zu beenden. 

Korruption unter Ärzten führt zu HonorarrückforderungenDer Fall:

Die Planung in einer Kurklinik verlangt Verläßlichkeit. Die Klinik hat ein erhebliches Interesse daran, dass Patienten die vereinbarte Kur auch durchführen. Bei vorzeitigen Beendigung einer Behandlung kann die Kurklinik die freiwerdenden Behandlungskapazitäten möglicherweise nicht neu besetzen, muss aber die laufenden Kosten für Gebäude und Personal etc. weiter zahlen. Aus diesem Grund hat eine Kurklinik in Brandenburg folgende Schadensersatzklausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Behandlungsvertrags für Patientinnen in einer Mutter-Kind-Kur aufgenommen: 

Tritt die Patientin, ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit, die Abreise vor Beendigung der Maßnahme an, so kann der Einrichtungsträger Ersatz für den erlittenen Schaden verlangen. Der Ersatzanspruch ist unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und möglichen anderweitigen Verwendungen pauschaliert und beträgt 80 % des Tagessatzes für jeden vorzeitig abgereisten Tag. Es bleibt der Patientin unbenommen, den Nachweis zu führen, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist. Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB bleibt hiervon unberührt.

Eine Mutter von vier Kindern unterzeichnete den Behandlungsvertrag und trat am 28.2.2018 mit ihren vier Kindern ihre Kur in der Kurklinik an. Die Kur sollte bis zum 21.2.2018 dauern (21 Tage). Aber zehn Tage vor Ende der geplanten Kur verließ die Mutter die Klinik. Über die Gründe besteht zwischen Klinik und der Mutter Streit.

Die Klinik verklagte die Mutter auf Schadensersatz in Höhe von rund 3.000 EUR.

Das Amtsgericht Strausberg wies die Klage als unbegründet an, ebenso verwarf das Landgericht Frankfurt/Oder die dagegen gerichtete Berufung der Klinik. Die Klinik legte Revision zum BGH ein, um diese für sie wichtige Frage geklärt zu wissen.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kur-Vertrag ist seinem inhaltlichen Schwerpunkt nach ein Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB. Behandlungsverträge sind besondere Dienstverhältnisse. Solche Dienste höherer Art kann der Patient jederzeit frei kündigen, § 627 Abs. 1 BGB. Kündigt der Patient, hat die Klinik nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Anspruch auf Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen.

Diese Grundsätze des Dienstvertragsrechts will die Schadensersatzklausel der Kurklinik aufhebeln. Das ist unwirksam. Zum einen, weil es gegen wesentliche Grundgedanken des Dienstvertragsrechts verstößt, § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Zum anderen weil die Klausel eine Ersatzpflicht in jedemm Fall vorsieht, also auch, wenn die Mutter unverschuldet kündigt - eine Schadensersatzpflicht ohne Verschulden widerspricht aber dem allgemeinen Grundatz des Haftungsrechts, wonach man nur bei verschulden haftet (siehe § 280 Abs. 1 BGB).

Praxisanmerkung:

Die Behandlungsseite kann durchaus bestimmte vertragliche Klauseln nutzen, um zum Beispiel ein Ausfallhonorar zu erhalten, wenn der Patient nicht zur Behandlung kommt. Dies setzt aber voraus, dass ein "Ausfallhonorar" (und nicht wie hier ein "Schadensersatz") vereinbart wurde zwischen Arzt und Patient und dass der Arzt eine reine Bestellpraxis betreibt. 

Da Kur- Rehabilitationskliniken nicht lediglich als Bestellpraxis arbeiten, bleibt diesen Kliniken also nur der Weg, unerwartet frei gewordene Behandlungsplätze schnellstmöglichst neu zu vergeben. Dies kann z.B. durch engen Kontakt mit den Sozialarbeiterinnen in den orthopädischen Kliniken gewährleistet werden. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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