Das zum 1.1.2012 gültige Versorgungsstrukturgesetz bringt diverse rechtliche Änderungen für den Arzt. So bringt das Gesetz Klarheit bei Heilversuchen, Praxisbesonderheiten für Heilmittel, Verbesserungen für Ärzte bei Regressen, Rückumwandlung von Angestelltensitz in einen selbständigen Vertragsarztsitz, Einzug von Zulassungen durch die KV in überversorgten Gebieten, Neuerungen für MVZ, eine Lockerung des Nebenbeschäftigungsverbotes, und die Aufhebung der Residenzpflicht.

1. Heilversuch kann Kassenleistung werden

Nach § 2 Abs. 1 SGB V neuer Fassung kann der Krankenversicherte bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit Leistungen beanspruchen, wenn eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Entwicklung des Krankheitsverlaufes besteht und nach allgemein anerkannten medizinischen Standards eine entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht. Zwar werden diese vielen Rechtsbegriffe einigen Stoff für Streitigkeiten bringen. Der Arzt oder der Behandelnde haben nun aber die Möglichkeit, vor Beginn der Behandlung einen Kostenübernahmeantrag zu stellen bei der Krankenversicherung und durch die Antwort Rechtssicherheit zu erhalten.

2. Vereinheitlichung der Praxisbesonderheiten bei Heilmitteln geplant
Was im Rahmen von Regressen als Praxisbesonderheit gilt, wird von KV zu KV anders gesehen. Dies bringt für den Arzt erhebliche Rechtsunsicherheiten. Die KBV und die Spitzenverbände sind nun durch § 84 Abs. 8 Satz 2 ff SGB V aufgefordert, die Praxisbesonderheiten einheitlich festzulegen.

3. Wirtschaftlichkeitsprüfung durch KV: Beratung vor Regress

Nunmehr muss die KV den Arzt zwingend beraten, bevor sie ihn wegen erstmaliger Überschreitung der 25%-Grenze in Regress nehmen kann. Dies sieht nunmehr § 106 Abs. 5a SGB V vor. Diese Regelung dürfte gerade jungen Ärzten die Angst vor der Niederlassung nehmen. Dies dürfte auch das gesetzgeberische Ziel gewesen sein.

4. Angestelltensitz kann in selbständigen Vertragsarztsitz rückumgewandelt werden

Dies ermöglicht der neue § 95 Abs. 9b SGB V. Voraussetzung ist ein Antrag des den zweiten Sitz innehabenden Arztes beim Zulassungsausschuss, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem halben oder ganzen Versorgungsauftrag entspricht. Dies gibt gerade Berufsausübungsgemeinschaften die Möglichkeit, eine neue Zulassung an einen Praxisinhaber (Senior) zu binden, dabei einen Juniorpartner mit Zulassung zu testen ohne ihn danach mit seiner Zulassung wieder ziehen lassen zu müssen.

5. Einzug von Zulassungen durch die KV in überversorgten Gebieten
Nach § 103 Abs. 3a SGB V neuer Fassung kann der Zulassungsausschuss eine Zulassung hier einziehen, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist und der Zulassungsausschuss dem ausscheidenden Vertragsarzt oder dessen Erben eine Entschädigung nach dem Verkehrswert zahlt. Ausnahmen gelten, wenn Angehörige des ausscheidenden Vertragsarztes sich um den Sitz bewerben. Die Frage der jeweiligen Höhe des Verkehrswertes wird sicherlich zu einigen Rechtsstreitigkeiten zwischen dem ausscheidenden Arzt und dem Zulassungsausschuss führen. Das lange diskutierte Vorkaufsrecht für die Zulassung ist damit vom Tisch.
Andere Ärzte können gegen diese Entscheidung des Zulassungsausschusses direkt beim Sozialgericht Klage erheben.

6. Neuerungen für MVZ
Neue MVZ können nunmehr nur noch in der Form der Personengesellschaft, eingetragenen Genossenschaft oder als GmbH betrieben werden, nicht mehr aber als Aktiengesellschaft. Bisher als AG betrieben MVZ genießen Bestandsschutz.
Wichtig ist, dass ein MVZ nunmehr nur noch durch einen dort angestellten ärztlichen Leiter geführt werden darf. Dies kann auch in Teilzeit geschehen.
Gegründet werden darf ein MVZ nunmehr nur noch durch zugelassene Ärzte, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen und gemeinnützige Träger, nicht aber durch Physiotherapeuten oder Pflegedienste.

7. Lockerung des Nebenbeschäftigungsverbotes

Nach § 20 Ärzte-ZV neuer Fassung können nunmehr Vertragsärzte mehr als 13 Stunden in der Woche neben ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit arbeiten.  

8. Residenzpflicht aufgehoben
§ 24 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV wurde gestrichen, so dass die Residenzpflicht (Arzt muss seine Wohnung so wählen, dass er für die ärztliche Versorgung der Versicherten an dem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht, was die Rechtsprechung als 30Minuten-Fahrtzeit-Grenze ansah) gefallen ist.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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