Online-Verkauf von Medikamenten einer Apotheke(8.4.2024) Die Vereinbarung zwischen einem Apotheker und einem Online-Marktplatz, wonach der Online-Marktplatz E-Rezepte von Kunden für Over-The-Counter-Medikamente (OTC) einlöst und der Apotheker dafür dem Online-Marktplatz 10 % des Nettoverkaufspreises zahlt, verstößt zwar nicht gegen § 11 Abs. 1 a Apothekengesetz (Verbot entgeltlichen Rezeptmakelns), ist aber nach § 8 Satz 2 Apothekengesetz (Verbot der Gewinnbeteiligung Dritter) verboten (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 13. März 2024 – 6 U 418/22).

Der Fall:

Die neuen E-Rezepte versprechen Einnahmequellen für Online-Dienstleister, die dem Kunden auf einem virtuellen Marktplatz für Medikamente die Möglichkeit eröffnen, diese E-Rezepte auch online einzulösen. Die Online-Dienstleister vermitteln dann den Kontakt zu einem Apotheker, der die Medikamente dann an den Kunden versendet. Dafür erhält der Online-Dienstleister ein Entgelt von dem Apotheker.

Konkret bot eine Gesellschaft niederländischen Rechts eine solche Online-Dienstleistung für Apotheken an - die monatliche Grundgebühr betrug rund 400 EUR und für jeden vermittelten Verkauf eines Medikaments verlangte der Online-Dienstleister ein Entgelt von 10 % des Nettoverkaufspreises.

Gegen dieses Angebot des Online-Dienstleisters ging die berufsständische Organisation der niedergelassenen Apotheken im Kammerbezirk Nordrhein vor. Es gehört zu ihren Aufgaben, die Einhaltung der Berufspflichten der Apotheker zu überwachen. Die Organisiation meinte, dies verstoße u.a. gegen das Verbot des entgeltlichen Rezeptmakelns sowie das Verbot der Gewinnbeteiligung Dritter. 

Die Entscheidung:

Das Landgericht und das Oberlandesgericht verurteilten den Online-Dienstleister, es zu unterlassen, niedergelassenen Apotheken in Deutschland einen Vertrag über eine Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin oder von einem mit der Klägerin verbundenen Unternehmen betriebene Plattform zur Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln anzubieten, diesen Vertrag abzuschließen oder diesen Vertrag zu vollziehen, wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Bestellungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden und die teilnehmenden Apotheken hierfür an die Klägerin eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10% des Nettoverkaufspreises bezahlen.

Denn verboten nach § 8 Satz 2 Apothekengesetz sind laut Gericht solche Vereinbarungen zwischen einem Apotheker und einem Dritten, bei denen die Vergütung für dem Apotheker sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist. Unter dieses etwas nebulös formulierte Verbot fallen auch Vereinbarungen über das entgeltliche Zurverfügungstellen eines Online-Marktplatzes, wenn das Entgelt am Verkaufspreis des Medikaments orientiert ist, so das Landgericht und das Oberlandesgericht Frankfurt. Grund für dieses Verbot ist, dass die berufliche Verantwortung und Entscheidungsfreiheit des Apothekers nicht durch unangemessene vertragliche Bedingungen, die ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit von Dritten bringen, beeinträchtigt werden sollen. Dieses Verbot greift immer dann ein, wenn der Apotheker dem Dritten eine umsatzabhängige Vergütung bezahlt (mithin greift das Verbot nicht ein bei vom Apotheker zu zahlenden monatlichen Grundgebühren für Online-Dienste oder etwa der Miete für die Apothekenräume, denn diese Vergütungen sind nicht umsatzabhängig).

Praxisanmerkung:

Nicht nur Online-Dienstleister haben das Apothekengesetz zu achten, sondern selbstverständlich auch die Apotheker. Daher kann ein Apotheker nur solche Online-Dienste für den Verkauf von OTC-Medikamenten nutzen, die lediglich eine monatliche Grundgebühr für das Einlösen von E-Rezepten verlangen, nicht aber solche, die eine prozentuale Beteiligung am Nettoverkaufspreis fordern.

 

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe im Wortlaut:

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe – Kammer für Handelssachen I – vom 08. Dezember 2022, Az.: 13 O 17/22 KfH, im Kostenpunkt aufgehoben, in der Sache geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage der Beklagten wird die Klägerin verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft gegenüber der Klägerin an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,

niedergelassenen Apotheken in Deutschland einen Vertrag über eine Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin oder von einem mit der Klägerin verbundenen Unternehmen betriebene Plattform zur Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln anzubieten, diesen Vertrag abzuschließen oder diesen Vertrag zu vollziehen,

wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Bestellungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden und die teilnehmenden Apotheken hierfür an die Klägerin eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10% des Nettoverkaufspreises bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten erster Instanz trägt die Klägerin 2/5 und die Beklage 3/5. Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Eine Vollstreckung der Verurteilung zur Unterlassung kann abgewendet werden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 €. Die Abwendungsbefugnis entfällt, wenn die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des genannten Betrages leistet. Im Übrigen können die Parteien die gegen sie gerichtete Vollstreckung wegen der Kosten jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 200.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

A.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagten keine Unterlassungsansprüche wegen behaupteten unlauteren Wettbewerbs gegen sie zustehen. Die Beklagte macht im Wege der Widerklage solche Unterlassungsansprüche – hauptsächlich gestützt auf behauptete Verstöße gegen das Gesetz über das Apothekenwesen (ApoG) und, hinsichtlich des Widerklageantrags Ziff. 1.2, hilfsweise wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV – geltend.


Die in den Niederlanden ansässige Klägerin, die dem D-Konzern angehört, betreibt eine Online-Plattform (nachfolgend auch: Marktplatz oder Online-Marktplatz), über die insbesondere niedergelassene Apotheken (nachfolgend auch: teilnehmende Apotheken) apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (sog. Over the Counter(OTC)-Arzneimittel) und andere nach § 1 a Abs. 10 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (ApoBetrO) zulässige Produkte, wie etwa Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel (sog. Beauty und Personal Care(BPC)-Produkte), anbieten und verkaufen können. Die Klägerin selbst bietet keine Apothekenprodukte an. Die konzernangehörige Versandapotheke D nutzt den Marktplatz der Klägerin ebenfalls.
Zudem sollen die teilnehmenden Apotheken über den Marktplatz der Klägerin auch das Einlösen von Rezepten anbieten können, womit es Patienten ermöglicht wird, rezeptpflichtige Arzneimittel (sog. Rx-Arzneimittel) von den am Marktplatz der Klägerin teilnehmenden Apotheken zu erhalten.

Online-Marktplätze, auf denen ausschließlich Gesundheitsprodukte angeboten werden, sind vergleichsweise neu, werden aber mittlerweile von verschiedenen Betreibern, auch Zusammenschlüssen von Apotheken, angeboten oder sind geplant. Beispiele sind etwa die Plattformen „gesund.de“ und „apotheken.de“. Auf diesen Plattformen sollen – ebenso wie auf dem Marktplatz der Klägerin – zukünftig von Patienten auch rezeptpflichtige Arzneimittel bei teilnehmenden Apotheken erworben werden können, sobald das elektronische Rezept (nachfolgend: E-Rezept) flächendeckend verpflichtend eingeführt ist.

Das E-Rezept wird seit September 2022 schrittweise in Deutschland eingeführt und ist seit dem 1. Januar 2024 von Ärzten für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die an gesetzlich Versicherte verordnet werden, zu nutzen. Arztpraxen übermitteln die Verordnungsdaten elektronisch an den zentralen E-Rezept-Server, der von der Gematik GmbH (nachfolgend: Gematik) betrieben wird (vgl. insb. § 334 SGB V und § 360 Abs. 10 SGB V), deren Gesellschafter die Spitzenorganisationen bzw. -verbände des deutschen Gesundheitswesens sind. Patienten erhalten einen Zugangscode in Papierform oder elektronisch (sog. E-Rezept-Token; vgl. § 360 Abs. 9 SGB V), den sie, ggf. unter Nutzung einer E-Rezept-App, wie sie auch von der Gematik zur Verfügung gestellt wird (https://www.das-e-rezept-fuer-deutschland.de/app), einer Apotheke ihrer Wahl (vor Ort oder online) bereitstellen können. Die Apotheke kann damit die Verordnungsdaten vom zentralen E-Rezept-Server laden und die Medikamente ausgeben oder liefern. Für Patienten wird es dementsprechend möglich sein, E-Rezepte bzw. den E-Token in einer App zu empfangen und elektronisch an Apotheken, auch an reine Versandhandelsapotheken, wie etwa D oder das Unternehmen R, weiterzuleiten, damit diese ihnen die verordneten Arzneimittel nach Hause liefern.

Die Klägerin hat angekündigt, von den teilnehmenden Apotheken (vorbehaltlich aktueller Sonderkonditionen) für die Nutzung ihres Marktplatzes eine monatliche Grundgebühr von 399,00 € und zusätzlich auf Bestellungen von Produkten, die apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind (OTC-Produkte), eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10 °% des Nettoverkaufspreises verlangen zu wollen (nachfolgend auch: beanstandete Vertragskonditionen).
Dementsprechend hat sie einen sog. Partnervertrag mit entsprechenden Konditionen – jedenfalls nach Ablauf gesondert eingeräumter sog. Startkonditionen – im Januar 2022 mit einem in Nordrhein-Westfalen niedergelassenen Apotheker abgeschlossen (Anlage B1).
Die Beklagte ist die berufsständische Organisation der Apothekerinnen und Apotheker im Kammerbezirk N (§ 1 Nr. 2 HeilBerG NW). Aufgabe der Beklagten ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG NW u.a. die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zu treffen. Teil ihrer Aufgabe ist es, die Einhaltung der für Apotheken relevanten gesetzlichen Normen zu prüfen und zu überwachen. Hierzu gehört auch die Frage, ob Apotheken, die mit Dritten Verträge über Leistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Apotheken schließen, die für Apotheken geltenden Normen, insbesondere nach dem Apothekengesetz, einhalten. Ist dies nicht der Fall, so hat die Beklagte u.a. die Aufgabe, die Einhaltung der Normen auf Grundlage des Wettbewerbsrechts durchzusetzen.

Die Beklagte hat die Klägerin (damals noch firmierend unter T) mit dem als Anlage K1 vorgelegten Anwaltsschreiben im September 2021 wegen der (damals angestrebten) Vereinbarung der beanstandeten Vertragskonditionen abgemahnt und erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

Die Klägerin hat als Reaktion hierauf die hier gegenständliche negative Feststellungsklage erhoben.

Die Klägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, die Beklagte wolle transparenten Wettbewerb auf Online-Plattformen verhindern. Die Apotheken nutzten ihren Marktplatz freiwillig. Ebenso wie Apotheken aus wirtschaftlichen Gründen Werbung schalteten, Einkaufsgemeinschaften gründeten, Apothekenkooperationen beiträten, Marketingagenturen bezahlten und Lieferdienste für den Botendienst einsetzten, würden sich die Partnerapotheken dafür entscheiden, am Marktplatz der Klägerin teilzunehmen, um Kunden, die ihre Apothekenprodukte über eine mobile App kaufen wollten, ein modernes Verkaufsangebot machen zu können. Die beanstandeten Vertragskonditionen verstießen nicht gegen § 11 Abs. 1a ApoG. Die Klägerin habe entgegen der Darstellung der Beklagten nicht angekündigt, „für“ die Übermittlung von Verschreibungen eine monatliche Grundgebühr fordern zu wollen, wie dies die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung in Ziff. 1.1 suggeriere („hierfür“). Vielmehr beziehe sich die monatliche Grundgebühr auf die Nutzung der durch den Marktplatz bereitgestellten digitalen Infrastruktur insgesamt. Insoweit fehle es bereits an einer Begehungsgefahr.

Die monatliche Gebühr sei zudem kein „Vorteil" im Sinne von § 11 Abs. 1a ApoG, den die Klägerin, gerade „für“ das Sammeln, Vermitteln und Weiterleiten von Rezepten erhalte, sondern ein angemessenes Entgelt für die Bereitstellung der Marktplatzinfrastruktur. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 11 Abs. 1a ApoG nicht die Erbringung von Dienstleistungen, die sich mittelbar auch auf E-Rezepte bezögen, gegen Entgelt per se verbieten wollen.

Ein Vorteil im Sinne von § 11 Abs. 1a ApoG liege daher nur vor, wenn der Zuwendung eine Vereinbarung zugrunde liege, die bewusst unausgeglichen mit dem Ziel einer Wettbewerbsbevorzugung geschlossen werde. Diese Voraussetzung liege hier offensichtlich nicht vor. Die Vorschrift schütze gerade nicht vor jeder digitalen „Bewegung" eines E-Rezepts gegen Entgelt, sondern nur vor einer solchen, die durch verbotene Zuweisung nach § 11 Abs. 1a ApoG die Apothekenwahlfreiheit einschränken oder gefährden könne. Verkaufsplattformen seien allerdings grundlegend von Maklertätigkeiten abzugrenzen. Wesenskern einer Maklertätigkeit sei die aktive Einflussnahme des Maklers auf die Kaufentscheidung der beteiligten Vertragsparteien. Ein Online-Marktplatz stelle demgegenüber im Kern eine Werbeleistung dar. Die Klägerin sei in die Vertragsbeziehungen zwischen Apotheken und Kunden nicht eingebunden. Die Apotheken entschieden unabhängig, welche Produkte sie zu welchen Bedingungen auf dem Marktplatz anböten, wie sich aus Ziff. A. III. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertrags nach Anlage B1 ergebe, und welche Verkäufe sie tätigten. Ein Vertrag mit den Patienten kommt erst dann zustande, wenn die Apotheke Bestellungen, die über den Marktplatz bei ihr eingingen, annehme. Der Kunde – und nicht die Klägerin – gebe eine Bestellung bei der Apotheke seiner Wahl auf. Auch bei der geplanten Möglichkeit zur Bestellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel über den Marktplatz entscheide allein der Kunde, an welche Apotheke er sein Rezept zur Einlösung sende. Anders als die Beklagte wiederholt pauschal behaupte, vermittele die Klägerin keine Verschreibungen und leitet auch keine Verschreibungen weiter. Die Klägerin stellt in diesem Szenario nur die technische Infrastruktur zur Verfügung, die es den Kunden auch ermögliche, beliebige Apotheken auszuwählen und elektronische Rezepte an diese weiterzuleiten. Solche Marktplatzleistungen seien nach der Rechtsprechung im Kern Werbeleistungen. 

Ferner verstoße die Zahlungspflicht der teilnehmenden Apotheken von 10 % des Nettoumsatzes für den Verkauf von OTC-Produkten über den Marktplatz der Klägerin nicht gegen § 8 Satz 2 ApoG. Ein von der Nutzungsintensität abhängiges Entgelt entspreche dem Interesse der Apotheken, weil sie nicht mit hohen Fixkosten belastet würden, deren Amortisation unsicher sei. Da sich ihre Kosten an den Umsätzen orientierten, seien diese für die Apotheken vorhersehbar und beherrschbar. Der Marktplatzvertrag sei weder Mietvertrag noch Darlehensvertrag und auch kein mit diesen Rechtsgeschäften vergleichbarer „Vermögenswert", sondern, wie auch aus den Definitionen in § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG und in § 312l Abs. 3 BGB ersichtlich, ein Dienst. Die Marktplatzteilnahme bringe die Partnerapotheken zudem nicht in wirtschaftliche Abhängigkeit. Die Transaktionsgebühr von 10% falle – unstreitig – nur beim Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln und Apothekenprodukten an. Apotheken generierten jedoch rund 83 % ihres Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Jegliche Verkäufe außerhalb des Marktplatzes würden – ebenfalls unstreitig – von der Transaktionsgebühr von vornherein nicht erfasst. Die Partnerapotheken könnten ihre Teilnahme am Marktplatz zudem jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit einmonatiger Frist kündigen.

Das Marktplatzangebot der Klägerin verstoße schließlich auch nicht gegen das Kartellverbot nach Art. 101 AEUV. Der Rückgriff der Beklagten auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Portal booking.com gehe im Ansatz fehl. Eine vom Bundesgerichtshof dort beanstandete „Bestpreisklausel“ sei im Angebot der Klägerin – unstreitig – gerade nicht vorgesehen. Folglich könne es auch keine mittelbaren Auswirkungen auf die Preisgestaltung der Apotheken bei Verkäufen außerhalb des Marktplatzes der Klägerin durch die Transaktionsgebühr geben, die die Klägerin bei Verkäufen von rezeptfreien Produkten über den Marktplatz erhebe. Es komme hinzu, dass eine Rückwirkung „enger Bestpreisklauseln“ nach der Verordnung (EU) 2022/720 der Kommission vom 10. Mai 2022 über die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (Vertikal-GVO) vom angeblichen Kartellverbot ohnehin freigestellt sei. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus Artikel 5 Abs. 1 lit. d Vertikal-GVO, der – gerade in Abgrenzung zu den freistellungsfähigen engen Einzelhandel-Paritätsverpflichtungen – nur die weiten Einzelhandel-Paritätsverpflichtungen zu den nicht freigestellten Beschränkungen zähle.

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte keine Ansprüche gegen die Klägerin hat, es ab sofort zu unterlassen, niedergelassenen Apotheken in Deutschland einen Vertrag über eine Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin betriebene Plattform zur Bestellung von Arzneimitteln anzubieten, diesen Vertrag abzuschließen oder diesen Vertrag zu vollziehen,
wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Verschreibungen, insbesondere elektronische Verschreibungen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden und die teilnehmende Apotheke hierfür eine monatliche Grundgebühr von mindestens EUR 399,00 pro Apotheke an die Klägerin bezahlt.

Den ursprünglich angekündigten weiteren Klageantrag Ziffer 1.1.2, entsprechendes festzustellen, „wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Bestellungen von Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden, und die teilnehmende Apotheke hierfür an die Klägerin eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10% des Nettoverkaufspreises bezahlt", hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht mit Blick auf die von der Beklagten erhobene Widerklage für erledigt erklärt. Dem hat sich die Beklagte angeschlossen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage hat die Beklagte zuletzt beantragt (Abweichungen gegenüber dem Feststellungsantrag der Klägerin durch Unterstreichen hervorgehoben),

1. die Klägerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft gegenüber der Klägerin an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu verurteilen, es ab sofort zu unterlassen, niedergelassenen Apotheken in Deutschland einen Vertrag über eine Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin oder einem mit der Klägerin verbundenen Unternehmen betriebene Plattform zur Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln anzubieten, diesen Vertrag abzuschließen oder diesen Vertrag zu vollziehen,

1.1 wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages eine Marktplatz-Infrastruktur, über die Verschreibungen, insbesondere elektronische Verschreibungen, an die teilnehmende Apotheke übermittelt werden, zur Verfügung gestellt wird und die teilnehmenden Apotheken hierfür eine monatliche Grundgebühr von EUR 399,00 pro Apotheke an die Klägerin bezahlen;

1.2 wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Bestellungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden und die teilnehmenden Apotheken hierfür an die Klägerin eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10% des Nettoverkaufspreises bezahlen;

2. die Klägerin zu verurteilen, die auf Basis dieses Vertrages bereits von den Apotheken für die Vermittlung von Arzneimittelbestellungen gem. Ziff. 1.1 und 1.2 geleisteten Provisionen an die jeweiligen Apotheken zurückzuzahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgebracht, die Klägerin, deren Konzernschwester D ein marktmächtiger Mitbewerber der niedergelassenen Apotheken sei, wolle die Bekanntheit ihrer Marke einsetzen, um Arzneimitteltransaktionen, bei denen „sie" als im Ausland ansässige Versandapotheke aufgrund der Lieferdauer für den Patienten nicht interessant sei, an inländische Apotheken zu vermitteln und hieran wirtschaftlich zu partizipieren. Ein derartiges auf Partizipation an den Erträgen der Vor-Ort-Apotheken ausgerichtetes Geschäftsmodell sei im Bereich des Arzneimittelvertriebs in Deutschland nicht vorgesehen.

Die beanstandete Vertragskondition nach Widerklageantrag Ziff. 1.1 verstoße gegen § 11 Abs. 1a ApoG. Sinn und Zweck der betriebenen Plattform sei, Verschreibungen, insbesondere in Zukunft in elektronischer Form, zu sammeln und diese an Apotheken zu vermitteln. Somit gehe die Leistung der Klägerin über eine schlichte Werbeleistung hinaus. Nach der Gesetzesbegründung solle gerade verhindert werden, dass attraktive und marktstarke Plattformen die Patienten dazu veranlassten, die Plattform als Vermittler für die Verschreibungen in Anspruch zu nehmen, wenn hierdurch die Apotheken in eine mittelbare wirtschaftliche Abhängigkeit gelangten, weil sie dazu getrieben würden, sich dieser Plattform anzuschließen. Die Klägerin lasse sich für die Vermittlung der Verschreibungen einen Vorteil versprechen. Ausreichend sei dabei jeglicher Vorteil, der in irgendeinem Zusammenhang mit der Vermittlung der Verschreibung stehe, so auch der Abschluss eines Vertrages, auf den kein Anspruch bestehe.

Die daneben vorgesehene und mit Widerklageantrag Ziff. 1.2 angegriffene Umsatzbeteiligung verstoße gegen § 8 Satz 2 ApoG. Es mache keinen Unterschied, ob die umsatzbezogene Beteiligung sich aus dem Mietverhältnis eines Ladenlokals ergebe oder aus der digitalen Verbreitung der Leistungsangebote. Auf tatsächlicher Ebene sei die Bereitstellung eines virtuellen Verkaufsraums für eine Apotheke an eine mietvertragliche Gestaltung angelehnt. Die verlangten 10 % des Nettoumsatzes entsprächen etwa der Hälfte des Gewinns aus der Gruppe der OTC-Produkte. Durch diese Gestaltung bestehe die mittelbare Gefahr, dass es zu einer Abhängigkeit der Apotheke von den Umsätzen über das klägerische Portal komme und sich die Apotheke nachträglichen Änderungen der Konditionen, die ausweislich der Verträge nicht zuletzt aufgrund der kurzen Kündigungsfristen jederzeit drohten, ausgeliefert sehe. Es handele sich bei § 8 Satz 2 ApoG um einen abstrakten Gefahrenabwehrtatbestand zum Schutz der pharmazeutischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Apotheken letztlich mit dem Ziel des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung.

Die Unzulässigkeit der Regelung über die Transaktionsgebühr ergebe sich vorliegend zudem aus Art. 101 AEUV iVm Art. 4 a Vertikal-GVO (2022). Anders als bei „normalen“ Plattformen, wie etwa booking.com oder Immoscout.de, beschränke sich die Leistung der Klägerin nicht auf die vermeintliche Vermittlung von Angebot und Nachfrage. Vielmehr agiere die zum Konzern der Klägerin gehörende niederländische Versandapotheke D als unmittelbarer Wettbewerber der Apotheken ebenfalls auf der von der Klägerin betriebenen Plattform. Dies führe dazu, dass der Streitfall auch unter dem Aspekt zu beurteilen sei, dass durch die Transaktionsgebühr unmittelbar der Wettbewerb zwischen den teilnehmenden Apotheken einerseits sowie der Versandapotheke „D“ andererseits beeinträchtigt werde.

Wenn für die nicht preisgebundenen Arzneimittel eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10% vereinbart werde, so wirke diese wie eine Mindestpreisvorgabe für die teilnehmenden Apotheken. Dies führe dazu, dass es den Apotheken, die auf der Plattform ihrer Leistungen anböten, nicht möglich sei, in einen echten Preiswettbewerb zu der deutlich größeren, mithin relativ marktmächtigen Versandapotheke D zu treten.

Wie sich aus Art. 2 Abs. 4 und Abs. 6 Vertikal-GVO (2022) ergebe, fänden etwaige Freistellungen keine Anwendung, weil es sich um eine vertikale Vereinbarung auch in Bezug auf die Bereitstellung von Online-Vermittlungsdiensten handele, bei der der Anbieter der Online-Vermittlungsdienste zugleich ein Wettbewerber auf dem relevanten Markt für den Verkauf der vermittelten Waren oder Dienstleistungen sei. Zumindest aus diesem Grund sei die Provisionsregelung unzulässig.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Entscheidungsgründe ergänzend verwiesen wird, die Klage, soweit in der Hauptsache nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung noch anhängig, mangels Feststellungsinteresse abgewiesen und die im Wege der Widerklage geltend gemachten auf Unterlassung gerichteten Ansprüche – unter Abweisung der Widerklage im Übrigen – zugesprochen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei im noch rechtshängigen Umfang mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Dieses sei durch die von der Beklagten als „Abmahner“ im Wege der Widerklage erhobenen Unterlassungsklage, die nach der mündlichen Verhandlung nicht mehr einseitig zurückgenommen werden könne, entfallen. Widerklage und Feststellungsklage beträfen – auch nach der klarstellenden Formulierung des Widerklageantrags in der mündlichen Verhandlung – denselben Streitgegenstand. Aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten, welcher zur Auslegung ihres Antrags heranzuziehen sei, sei von Anfang an hervorgegangen, dass sie sich gegen das Geschäftsmodell der Klägerin richte, wonach die teilnehmenden Apotheken an die Klägerin für die Teilnahme am Online-Marktplatz die genannte Grundgebühr bezahlten, wobei mit den Worten „Verschreibungen ... an die teilnehmende Apotheke übermittelt werden" der Bezug zu den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1a ApoG hergestellt werde. Auf gerichtlichen Hinweis habe die Beklagte daher das Wort „hierfür" aus dem Antrag herausgenommen.

Die Widerklage sei zulässig. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 8 Nr. 3 Brüssel Ia-VO und die Beklagte sei nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG klagebefugt. Die Widerklage sei hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsansprüche auch begründet. In der Zahlung der monatlichen Grundgebühr liege ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG, wenn im Rahmen der Vertragsdurchführung Verschreibungen an die teilnehmende Apotheke übermittelt würden.

Der Schutzzweck des § 11 Abs. 1a ApoG sei nach der Gesetzesbegründung primär ein öffentlicher, nämlich das Allgemeininteresse an der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Dafür sei nach der Wertung des Gesetzes ein flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken erforderlich. Der Schutz subjektiver Apothekenwahlfreiheit sei nur ein „Reflex“ der primär auf den Schutz von Allgemeininteressen gerichteten Norm. Dementsprechend sei das Makelverbot auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass ein Vermitteln einer Verschreibung zulässig sei, wenn das (individuelle) freie Apothekenwahlrecht gewahrt bleibe. Vor diesem Hintergrund sei die von der Klägerin angebotene Marktplatzinfrastruktur zur Übermittlung von Verschreibungen gegen Grundgebühr als Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG anzusehen. Die Klägerin betreibe über den Marktplatz ein „Vermitteln/Weiterleiten“ von Rezepten an Apotheken. Der Vorgang sei unter den Begriff des „Rezeptmakelns" aus der Gesetzesbegründung zu subsumieren. Die Klägerin stelle den Apotheken mit dem Vertrag ein „Partner-Netzwerk" zur Verfügung, wie es einleitend in den AGB der Klägerin heiße.

Ziel dieses Netzwerks sei es, Partner (Apotheken) mit Kunden (Patienten) zusammenzubringen, damit diese einen Vertrag schließen könnten. Die Klägerin zeige den Patienten als Nutzern ihrer Plattform nur solche Apotheken an und mache sie potentiellen Kunden „zugänglich“, die mit ihr einen Vertrag geschlossen hätten. Welche weiteren Selektionskriterien aktuell oder in der Zukunft auf der Internetseite oder in der App der Klägerin Anwendung fänden, sei nicht bekannt. Aus praktischen Gründen ausgeschlossen sei aber jedenfalls, dass die Klägerin dem Patienten sämtliche denkbaren Apotheken für die Einlösung des Rezepts gleichgeordnet anzeige. Somit könne schon durch die Reihenfolge der Anzeige eine kriterienbasierte Vorauswahl erfolgen. Welche Kriterien dabei als „sachgerecht" angesehen würden, liege – wie bei sämtlichen Online-Marktplätzen – in der Hand des Marktplatzbetreibers.

Dieser Sachverhalt sei „zwanglos“ unter den Gesetzeswortlaut zu subsumieren. Bei der Plattform handele es sich zudem unionsrechtlich um einen Online-Vermittlungsdienst i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 lit. e Vertikal-GVO, was ebenfalls indiziere, dass von einer „Vermittlung" gesprochen werden könne.

Auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes werde der beschriebene Vorgang von den Tatbestandsmerkmalen des „Sammelns“ und des „Vermittelns/Weiterleitens“ von Verschreibungen oder E-Rezept-Token an Apotheken erfasst. Rezepte zu „makeln", wie es in der Gesetzesbegründung heiße, meine die berufs- oder gewerbsmäßige Beeinflussung des Wegs von Rezepten aus der Arztpraxis in die Apotheke. Wer dies tue, sei Dritter nach § 11 Abs. 1, Abs. 1a ApoG. Der hier gegenständliche Partnervertrag weise entsprechende Elemente auf.

Wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin – nach Ansicht der Kammer zutreffend – im Termin ausgeführt habe, werde sich der Markt voraussichtlich so entwickeln, dass die Apotheken, die das Bedürfnis der Kunden nach „Convenience", also insbesondere Lieferung nach Hause, befriedigen könnten, ihre Umsätze erhalten oder steigern könnten – dies auch gerade dank der Teilnahme an einer solchen Plattform, wie derjenigen der Klägerin –, während andere Apotheken, die dies nicht könnten, vermutlich Umsatzeinbußen erleiden würden. Aus Sicht der Kammer sei zu ergänzen, dass dies erst recht angesichts der bevorstehenden Einführung des E-Rezepts gelte. Dieses werde für viele Patienten einen Anreiz darstellen, von vornherein in der „digitalen Welt" zu verbleiben und somit auch die Apotheke online – auf einer entsprechenden Plattform – auszuwählen. Zudem sei die Nachfrage nach Arzneimitteln kaum elastisch, so dass das Auftreten von Online-Marktplätzen für Apotheken im Wesentlichen dazu führen werde, dass die vorhandenen Umsätze (vorbehaltlich von Preissteigerungen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und OTC-Produkten) nur umverteilt würden. Dies zusammengenommen bedeute aber, dass einträte, was der Gesetzgeber zu verhindern beabsichtige, nämlich ein „Apothekensterben" mit der Folge einer Aushöhlung der wohnortnahen Präsenzversorgung. Denn seien solche Marktplätze, wie derjenige der Klägerin, erst einmal am Markt etabliert, stünden Apotheken vor der Wahl, sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen zu beteiligen oder Verschreibungen zu verlieren.

Die Vergütung für die Dienste der Klägerin stelle auch einen Vorteil dar, der „dafür", also zumindest auch, für das Sammeln und Vermitteln gewährt werde. „Vorteil" meine in einem weiten Sinne jede unentgeltliche Leistung materieller oder immaterieller Art, welche die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Vorteilsempfängers objektiv verbessere und auf die er keinen Anspruch habe.

Dieser Vorteil werde auch „für" das Rezeptmakeln versprochen. Im Hinblick auf den am Allgemeininteresse orientierten Gesetzeszweck komme es nicht darauf an, ob die Parteien subjektiv einen solchen Vorteil für das Rezeptmakeln vereinbart hätten, sondern darauf, ob objektiv Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass die Vergütung einen solchen Vorteil darstelle. Wie bei den strafrechtlichen Vorschriften nach §§ 299a, 299b StGB meine die sog. „Unrechtsvereinbarung" einen objektiven Zusammenhang zwischen Leistung und Vorteil. Dieser objektive Zusammenhang liege darin, dass die Klägerin die monatliche Grundgebühr als Gegenleistung dafür erhalte, den Partnerapotheken eine technische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, mit deren Nutzung die Apotheken das Ziel verfolgten, dank des eröffneten Vertriebskanals (E-)Rezepte von Patienten zu erhalten.

Für ihre anderslautende Ansicht könne sich die Klägerin nicht auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2020 (NVwZ-RR 2021, 281) über die Nichtannahme einer gegen § 11 Abs. 1a ApoG gerichteten Verfassungsbeschwerde stützen. Auch wenn dort die Möglichkeit einer einschränkenden Auslegung der Vorschrift des § 11 Abs. 1a ApoG erwogen werde, nehme doch das Bundesverfassungsgericht eine solche Auslegung gerade nicht selbst vor, denn diese sei den Fachgerichten vorbehalten.

Ferner liege ein Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG und damit ein weiterer Rechtsbruch nach § 3a UWG darin, dass sich die Klägerin für die Übermittlung von Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der teilnehmenden Apotheke eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10% des Nettoumsatzes versprechen lasse. Mit dieser Regelung sollten sog. partiarische Rechtsverhältnisse, in denen sich der Gläubiger die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten des Betriebsinhabers der Apotheke zunutze mache und an den Früchten der Apotheke partizipiere, vermieden werden. Mit den hier gegenständlichen Partnerverträgen würden den teilnehmenden Apotheken Vermögenswerte überlassen. Die Klägerin vermittle digitale Räumlichkeiten für die Apothekentätigkeit. Darin liege die Überlassung eines Vermögenswertes, was Ähnlichkeit mit einem Mietvertrag aufweise. Ohne Erfolg berufe sich die Klägerin darauf, die umsatzabhängige Vergütung werde nur für einen kleinen Teil des Apothekenumsatzes verlangt, so dass es zu keiner wirtschaftlichen Abhängigkeit kommen könne. Es handele sich bei § 8 Satz 2 ApoG um einen abstrakten Gefahrenabwehrtatbestand, der unmittelbar dem Schutz der pharmazeutischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Apothekern und mittelbar der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung diene. Eine grundsätzliche Eignung zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Apothekenbetriebsführung genüge. Mithin komme es nicht darauf an, ob die Umsatzbeteiligung bezogen auf einen kleineren Teil des Apothekensortiments aktuell zu einer Verletzung des Schutzzweckes der Norm führe.

Auf die Vorschriften nach Art. 101 AEUV i.V.m. Art. 4a Vertikal-GVO (2022), deren kartellrechtliche Prüfung ohnehin dem Landgericht Mannheim vorbehalten sei (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 ZuVOJu BW), komme es danach nicht entscheidungserheblich an. Der auf Rückzahlung vereinnahmter Zahlungen gerichtete Widerklageantrag sei demgegenüber unzulässig und damit abzuweisen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich zuletzt noch gestellten Anträge weiterverfolgt.

Die Klägerin macht unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, das angefochtene Urteil untersage der Klägerin generell, einen gebührenpflichtigen Online-Marktplatz für Apothekenprodukte zu betreiben. Ein absolut wirkendes Marktplatzverbot habe der Gesetzgeber aber auch mit der Einführung von § 11 Abs. 1a ApoG nicht beabsichtigt. Danach solle § 11 Abs. 1a ApoG ein „kommerzielles Makeln“ von Rezepten verhindern. Das Landgericht setze sich nicht ansatzweise mit der umfangreichen (höchstrichterlichen) Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Online-Marktplätzen und zur Einordnung von Marktplatzleistungen als Werbeleistungen auseinander.

Entgegen der durch nichts belegten Behauptung im angefochtenen Urteil nehme die Klägerin „keine Beeinflussung des Wegs von Rezepten aus der Arztpraxis in die Apotheke vor“. Offenbar wolle das Landgericht eine „Beeinflussung“ des Wegs von Rezepten darin sehen, dass die Klägerin den Patienten als Nutzern der Plattform nur solche Apotheken anzeige, die an der Plattform der Klägerin teilnehmen. Eine „Beeinflussung“ solle nach der Ansicht des Landgerichts nur dann nicht gegeben sein, wenn dem Patienten sämtliche denkbaren Apotheken für die Einlösung der Verschreibung gleichgeordnet angezeigt würden. Dies sei allerdings praktisch ausgeschlossen, wie auch das Landgericht einräume. Daher zeige auch die E-Rezept App der Gematik, die die Gesamtverantwortung für die medizinische Telematikinfrastruktur trage, den Patienten, die Rezepte über diese App einlösen wollten, nicht alle angeschlossenen Apotheken gleichgeordnet an, sondern sortiere diese etwa nach ihrer Nähe zum Standort des Patienten so:

(Es folgt eine Abbildung, auf der beispielhaft eine Liste von vorgeschlagenen Apotheken in der Nähe des Kunden zu sehen ist, in denen ein Rezept eingelöst werden kann) 

Allein der Umstand, dass bei der Plattform der Klägerin nur Partner angezeigt würden, sei deshalb keine Einflussnahme auf den „Weg des Rezepts aus der Arztpraxis in die Apotheke“. Mit diesem Argument wäre jede Werbung und der Betrieb eines Onlineauftritts durch einen Dienstleister für eine Apotheke gegen Entgelt eine verbotene Einflussnahme.

Das angefochtene Urteil stehe zudem hinsichtlich der Transaktionsgebühr im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung zu § 8 Satz 2 ApoG. Dass das Angebot eines Vertrages über die Nutzung einer Online-Plattform, bei dem der Apotheker dem Plattformbetreiber für jeden Verkauf von nichtverschreibungspflichtigen Produkten eine Transaktionsgebühr in Form einer prozentualen Beteiligung am Verkaufspreis zahle, nicht unter die von § 8 Satz 2 ApoG erfassten Rechtsgeschäfte fällt, sei vom OLG Naumburg für den Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln über den Amazon-Marktplatz entschieden. In jenem Fall habe eine Vergütung von Amazon in Höhe von 15 % pro verkauftem (nicht rezeptpflichtigen) Produkt in Rede gestanden. Der Bundesgerichtshof habe die anhängigen Revisionsverfahren (I ZR 222/19 und 223/19) mit Beschluss vom 12. Januar 2023 ausgesetzt, und den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung zu ebenfalls relevanten datenschutzrechtlichen Fragen ersucht. Der Vorlage an den Gerichtshof hätte es nicht bedurft, wenn der BGH in der Marktplatzteilnahme des Apothekers einen Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG gesehen hätte. Das Landgericht habe zudem zu einem typischen Sachverhalt, der zu einer abstrakten Gefahr für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Apotheker führen könnte, keinerlei Feststellungen getroffen.

Zudem ergebe sich aus dem jüngst ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. Februar 2024 (C-606/21), dass die Widerklage insgesamt keinen Erfolg haben könne. Der Klägerin könne danach als Erbringerin eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ im Sinne der maßgeblichen europarechtlichen Vorschriften der Betrieb des hier gegenständlichen Marktplatzes und der Abschluss von Verträgen mit Apotheken zu den beanstandeten Vertragskonditionen an dem Marktplatz nicht untersagt werden.

Der Feststellungsantrag werde rein vorsorglich weiterverfolgt. Die Auffassung des Landgerichts, der noch gegenständliche Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresse nach der erhobenen Widerklage unzulässig, könne nur dann zutreffen, wenn der Streitgegenstand von Feststellungsantrag und Unterlassungsantrag identisch seien. Daran bestünden in doppelter Hinsicht Zweifel.

Das Landgericht habe in seinem Urteil unterstellt, dass die Klägerin „Apotheken den als Anlage B1 vorliegenden Vertrag anbiete“.

Das sei ein anderer Sachverhalt als der, den die Klägerin ihrem Feststellungsantrag zugrunde gelegt habe. Der von der Beklagten als Anlage B1 vorgelegte Partnervertrag datiere auf den 12. Januar 2022 und betreffe nicht den Marktplatz in der Gestalt, in der ihn die Beklagte mit der 4 Monate zuvor versendeten Abmahnung vom 20. September 2021 angegriffen habe und „der Gegenstand der negativen Feststellungsklage sei“.

Das Landgericht habe zwar in seinem, den diesbezüglichen Tatbestandsberichtigungsantrag der Klägerin zurückweisenden Beschluss vom 17. Januar 2023 erklärt, der „Vortrag der Klägerin musste als nicht entscheidungserheblich auch nicht in den Tatbestand aufgenommen werden“ und „die Feststellungen [im Urteil] schließen es auch nicht aus, dass die Klägerin zu anderen Zeiten Verträge mit Partnerapotheken geschlossen hat, die mit dem Vertrag aus B1 nicht insgesamt identisch sind“. Für den Fall, dass es doch auf die Unterschiede ankommen sollte, sei die Aufrechterhaltung des Feststellungsantrags vorsorglich geboten.

Der Feststellungsantrag und der Widerklageantrag Ziff. 1a seien zudem auch nicht deckungsgleich, wie ihre Gegenüberstellung zeige.

In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin den Antrag ohne das Wort „hierfür“ gestellt, im Urteilstenor sei somit ein offensichtliches Schreibversehen unterlaufen. Es mache selbstverständlich einen Unterschied, ob eine Gebühr „für“ („hierfür) „die Übermittlung von Verschreibungen“ gezahlt werde oder aber für die „Bereitstellung einer Marktplatz-Infrastruktur".

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte keine Ansprüche gegen die Klägerin hat, es ab sofort zu unterlassen, niedergelassenen Apotheken in Deutschland einen Vertrag über eine Aufschaltung der Apotheke auf eine von der Klägerin betriebene Plattform zur Bestellung von Arzneimitteln anzubieten, diesen Vertrag abzuschließen oder diesen Vertrag zu vollziehen, 

wenn im Rahmen der Durchführung des Vertrages Verschreibungen, insbesondere elektronische Verschreibungen, an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden und die teilnehmende Apotheke hierfür eine monatliche Grundgebühr von mindestens EUR 399,00 pro Apotheke an die Klägerin bezahlt;

2. die Widerklage abzuweisen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Bereits die Gestaltung des Marktplatzes, wie er über die entsprechende App der Klägerin aufrufbar sei (Anlage BB1), zeige, dass dieser im Wesentlichen darauf angelegt sei, den Patienten und die Apotheke digital zu verbinden, damit Rezepte eingelöst werden könnten.

Wie gewohnt sollten die Patienten – unter Ausnutzung der Bekanntheit der Marke – „D“ aufsuchen, verbunden mit der Möglichkeit, im Falle der unverzüglich benötigten schnellen Lieferung, die „die Klägerin“ aus den Niederlanden zwangsläufig nicht leisten könne, die verschriebenen Arzneimittel von einer der an die Plattform angeschlossenen Apotheken zu erhalten. Dies könne jedoch nur dann funktionieren, wenn die Klägerin zu diesem Zweck die Verschreibungen an die angeschlossenen Apotheken weiterleite.

Sämtliche Vorteile für die Apotheken bestünden darin, sich insbesondere mit Blick auf die sukzessive Einführung des E-Rezeptes Neukunden, die ihre elektronische Verordnung ohne einen Gang in die Apotheke einlösen möchten, zu gewinnen, hierdurch den (Rezept-)Umsatz zu steigern und sich hier gegenüber den Mitbewerbern einen Vorsprung zu sichern. Auch der Kunde werde in den Blick genommen, denn für diesen sei kein Weg mehr umsonst, da dieser hinsichtlich der ihm verschriebenen Arzneimittel sofort sehe, welche Apotheke diese verfügbar habe.

Aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. Februar 2024 (C-606/21) ergebe sich nichts Abweichendes, weil dieses sich nur mit der Frage befasse, ob nach nationalem Recht der Onlinehandel mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln generell untersagt werden könne. Ein solcher Verbotsantrag sei nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Vielmehr verdeutliche der demnächst in Kraft tretende § 360 Abs. 16 SGB V, dass der Betrieb eines Online-Markplatzes, auf dem dem Nutzer nur die ein Entgelt entrichtenden Apotheken als potentielle Bezugsquellen angezeigt würden, auch durch § 11 Abs. 1a ApoG verboten sei, weil hierdurch eine Vorauswahl erfolge und die das Entgelt entrichtenden Apotheken bevorzugt würden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13. März 2024 verwiesen.

B.

Randnummer81
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Randnummer82
Die mit der Berufung weiterverfolgte Feststellungsklage ist unzulässig (I.).

Randnummer83
Die zulässige Widerklage (II.) ist – soweit sie auf die Berufung der Klägerin noch vom Senat zu beurteilen war – hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs, der auf einen behaupteten Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG wegen der Forderung einer monatlichen Grundgebühr gestützt wird, unbegründet (III.). Soweit die Beklagte einen solchen Anspruch auf einen Verstoß der Klägerin gegen § 8 Satz 2 ApoG wegen der geforderten Transaktionsgebühr für OTC-Produkte stützt, ist die Widerklage demgegenüber begründet (IV.).

Randnummer84
I. Die Feststellungklage der Klägerin ist unzulässig.

Randnummer85
Wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, ist das notwendige Feststellungsinteresse nach Klageerhebung entfallen.

Randnummer86
1. Auch die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Unterlassungsanspruchs setzt ein Feststellungsinteresse voraus.

Randnummer87
Darunter ist das Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zu verstehen. Dieses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Ungewissheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Bei einer negativen Feststellungsklage kann eine solche Gefährdung darin liegen, dass sich der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt (vgl. BGH, GRUR 2020, 755 Rn. 96 - WarnWetter-App mwN), wie dies insbesondere durch eine (wettbewerbsrechtliche) Abmahnung erfolgen kann.

Randnummer88
Kommt es zu einer solchen Abmahnung und erhebt der Abgemahnte deswegen eine negative Feststellungsklage, so ist das Feststellungsinteresse auch dann zu bejahen, wenn er möglicherweise auch Leistungsklage, gerichtet auf die Unterlassung weiterer Abmahnungen, erheben könnte. Jedoch entfällt das Rechtsschutzbedürfnis bzw. das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage, wenn der Abmahner seinerseits eine zulässige Leistungsklage erhebt und diese nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (BGHZ 99, 340, 341 - Parallelverfahren I; BGH, GRUR 1994, 846, 848 - Parallelverfahren II; GRUR 2006, 217 Rn. 12 - Detektionseinrichtung I). Damit werden parallele Verfahren und widerstreitende Entscheidungen zum gleichen Streitgegenstand vermieden (BGH, GRUR 2006, 217 Rn. 12 - Detektionseinrichtung I). Die einseitige Klagerücknahme ist dann nicht mehr möglich, wenn zur Hauptsache mündlich verhandelt worden ist (vgl. § 269 Abs. 1 ZPO) oder wenn der Kläger darauf verzichtet hat (BGH, GRUR-RR 2010, 496 (Ls.) = BeckRS 2010, 20763 (Volltext); ebenso Zapfe, WRP 2011, 1122).

Randnummer89
Voraussetzung für ein vollständiges Entfallen des Feststellungsinteresses der negativen Feststellungsklage ist danach, wie die Klägerin im Ansatz zutreffend geltend macht, dass der Streitgegenstand der – ggf. als Widerklage – erhobenen Leistungsklage demjenigen der negativen Feststellungsklage vollständig entspricht, wobei unabhängig davon – sofern die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen – daneben auch weitere Streitgegenstände mit der Widerklage zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden können.

Randnummer90
2. Ausgehend hiervon ist das Feststellungsinteresse mit der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht über die im Wege der Widerklage erhobene Leistungsklage vollständig entfallen.

Randnummer91
Denn bei zutreffender Auslegung von Klage- und Widerklageantrag ist auch hinsichtlich des – insoweit noch interessierenden – behaupteten Verstoßes gegen § 11 Abs. 1 a ApoG ihr jeweiliger Streitgegenstand identisch.

Randnummer92
a) Der noch geltend gemachte Feststellungsantrag richtet sich in der Sache dagegen, dass sich die Beklage eines Unterlassungsanspruchs berühmt, der darauf zielt, der Klägerin zu untersagen, einen Vertrag mit einer in Deutschland niedergelassenen Apotheke über die Aufschaltung auf einen Online-Marktplatz zu schließen, wenn bei der Vertragsdurchführung eine entsprechende Marktplatz-Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, hierfür eine monatliche Grundgebühr von 399,00 Euro pro Apotheke anfällt und über die Marktplatz-Infrastruktur auch Verschreibungen für rezeptpflichtige Medikamente, insbesondere elektronische Verschreibungen, an die teilnehmende Apotheke übermittelt werden können.

Randnummer93
Wie die Klägerin ausdrücklich geltend macht, ist ihre noch rechtshängige negative Feststellungsklage nicht auf den Fall begrenzt, dass der Vertrag über die Aufschaltung auf den Marktplatz dem zwischen den Parteien im vorliegenden Rechtsstreit beispielhaft diskutierten Vertrag nach der Anlage B1 und den dort genannten Vertragskonditionen in allen Einzelheiten entspricht. Gegenstand des – insoweit nicht auf eine konkrete Verletzungsform – bezogenen negativen Feststellungantrags ist vielmehr jeder Vertrag über die Teilnahme an einem Online-Marktplatz gegen die genannte monatliche Grundgebühr, wenn dabei auch (elektronische) Verschreibungen an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden können, ohne dass es auf sonstige Vertragsbedingungen ankommt.

Randnummer94
b) Dies entspricht dem Gegenstand des Widerklageantrags Ziff. 1.1 in der zuletzt geltend gemachten Fassung.

Randnummer95
Denn auch dieser ist weder seinem Wortlaut noch der Sache nach auf den nur beispielhaft für die mittlerweile erfolgte Vereinbarung der beanstandeten Vertragskonditionen als Anlage B1 vorgelegten Vertrag beschränkt. Vielmehr knüpft auch der spiegelbildlich geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Beklagten nur daran an, dass eine Marktplatz-Infrastruktur gegen das genannte Entgelt zur Verfügung gestellt wird, sofern über diese (auch) Verschreibungen an teilnehmende Apotheken übermittelt werden können.

Randnummer96
Einschränkungen auf weitere Vertragskonditionen und/oder Handlungen der Klägerin, die zum konkreten Gegenstand des zu untersagenden Verhaltens gemacht werden sollen, enthält der Unterlassungswiderklageantrag Ziff. 1.1 nicht. Solche lassen sich auch dem sonstigen Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen.

Randnummer97
c) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass nach der Wiedergabe des Widerklageantrags Ziff. 1.1 – in Einklang mit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht protokollierten Fassung dieses Antrags (AS I 94) – im Tatbestand des angegriffenen Urteils (LGU S. 4 = AS I 135) – und entgegen der Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (LGU S. 7 = AS I 138) – dort das Wort „hierfür“ nach wie vor enthalten ist.

Randnummer98
Denn dieses bezieht sich erkennbar auf die monatliche Grundgebühr, die dafür gezahlt werden soll, dass eine Marktplatzinfrastruktur bereitgestellt wird, über die (auch) Verschreibungen für Arzneimittel übermittelt werden können. Ob eine solche Grundgebühr unter das Verbot des § 11 Abs. 1a ApoG fällt, weil dadurch der Klägerin ein Vorteil für („hierfür“) eine der dort genannten Handlungen gewährt bzw. versprochen wird, ist demgegenüber eine Rechtsfrage.

Randnummer99
Diese Umschreibung des zu untersagenden Verhaltens im Unterlassungsantrag ist daher – wie das Landgericht richtig ausgeführt hat – nicht in dem Sinne zu verstehen, dass damit der Wortlaut des gesetzlichen Verbotstatbestands, der nach Ansicht der Beklagten den geltend gemachten Unterlassungsanspruch begründen soll, in den Antrag aufgenommen wurde, was grundsätzlich nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt (vgl. BGH, GRUR 2019, 813 Rn. 23 - Cordoba II).

Randnummer100
In diesem Sinne war auch die vorgerichtliche Abmahnung und ist der hieran anknüpfende negative Feststellungsantrag sinnvollerweise zu verstehen.

Randnummer101
d) Danach bedeutet auch die klarstellende Aufnahme im Widerklageantrag Ziff. 1.1, dass eine „Marktplatz-Infrastruktur zur Verfügung gestellt“ wird, entgegen der Auffassung der Klägerin keine Abweichung vom Streitgegenstand ihres Feststellungsantrags.

Randnummer102
Denn Gegenstand der vorgerichtlichen Abmahnung sowie der hierauf bezogenen negativen Feststellungsklage, die den Wortlaut der Abmahnung wiederholt, war der Sache nach stets nur eine solche digitale Marktplatz-Infrastruktur, wie sich bereits aus dem vorstehenden „allgemeinen“ Teil des Unterlassungsantrags ergibt, wonach ein Vertrag über eine „Aufschaltung auf eine von der Klägerin betriebenen Plattform“ Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sein soll. Damit ist erkennbar – worüber die Parteien sich in der Sache auch einig sind – eine digitale Marktplatz-Infrastruktur gemeint.

Randnummer103
e) Der Zusatz „apothekenpflichtig“ in Bezug auf die relevanten Produkte betrifft ebenfalls lediglich eine Klarstellung, die der Sache nach ebenso im noch rechtshängigen Feststellungsantrag enthalten ist.

Randnummer104
Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, die allein Gegenstand des Widerklageantrags Ziff. 1.1 sind, versteht sich dies von selbst. Auch im Übrigen ergibt sich aus den in den Ausführungen zur Begründetheit der jeweiligen Unterlassungsansprüche herangezogenen Normen des Apothekengesetzes, dass die Beklagte – bereits mit ihrer Abmahnung – die Wahrung der Unabhängigkeit niedergelassener Apotheken und damit die Ausgabe apothekenpflichtiger Medikamente in den Blick genommen hat.

Randnummer105
f) Soweit Widerklageantrag Ziff. 1.1 über den noch gegenständlichen Feststellungsantrag dadurch hinausgehen sollte, dass der Klägerin Vertragsabschlüsse zu den beanstandeten Konditionen auch dann untersagt werden sollen, wenn die Plattform nicht von der Klägerin, sondern von einem „mit der Klägerin verbundenen Unternehmen“ betrieben wird, ändert dies nach dem vorstehend Gesagten an der Identität der Streitgegenstände nichts, auch wenn der negative Feststellungsantrag diesen Zusatz nicht aufweist. In diesem Zusammenhang kann daher dahinstehen, ob damit überhaupt ein zusätzlicher Gegenstand in das Verfahren eingeführt wird (vgl. dazu unten unter B. IV. 3 der Gründe).

Randnummer106
II. Die Widerklage ist zulässig.

Randnummer107
a) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gegeben.

Randnummer108
Diese folgt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wegen der deliktischen Natur der geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel la-VO (vgl. dazu ausführlich Senat, GRUR-RR 2022, 272 Rn. 26 ff. - Faktencheck-Hinweis) sowie wegen der Privilegierung der Widerklage, sofern diese – wie im Streitfall – auf denselben Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird, aus Art. 8 Nr. 3 Brüssel la-VO.

Randnummer109
b) Der Widerklageantrag Ziff. 1.1 genügt dem Bestimmtheitserfordernis.

Randnummer110
aa) Dies gilt zunächst für die Umschreibung des beanstandeten Verhaltens mit der Wendung des „Zurverfügungstellen einer Marktplatz-Infrastruktur“.

Randnummer111
Aus dem Gesamtzusammenhang des Widerklageantrags, wonach Gegenstand ein Vertrag sein soll, bei dessen Durchführung eine teilnehmende Apotheke auf eine „Plattform aufgeschaltet“ wird, ergibt sich hinreichend deutlich, dass hiermit die Bereitstellung einer digitalen Plattform, über die die teilnehmenden Apotheken (rezeptpflichtige) Medikamente über das Internet potentiellen Kunden anbieten können, gemeint ist, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen. Dementsprechend nimmt auch das zur Konkretisierung des Klageantrags ergänzend heranzuziehende Vorbringen (vgl. dazu BGH, GRUR 2019, 813 Rn. 27 - Cordoba III) der Beklagten nur auf solche digitalen Plattformen Bezug.

Randnummer112
bb) Daraus, dass nach wie vor das Wort „hierfür“ in Bezug auf die Zurverfügungstellung der Marktplatzinfrastruktur als Gegenleistung für die monatliche Grundgebühr im Widerklageantrag enthalten ist, folgt nach dem vorstehend Ausgeführten ebenfalls nichts Abweichendes.

Randnummer113
Denn hiermit wird nicht, wie bereits dargelegt, der Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 1a ApoG wiederholt, sondern das beanstandete Verhalten umschrieben, wonach keine Grundgebühr in der genannten Höhe verlangt werden darf, wenn über die bereitgestellte Marktplatz-Infrastruktur (auch) Rezepte an die teilnehmenden Apotheken übermittelt werden.

Randnummer114
c) Auch der Widerklageantrag Ziff. 1.2 ist hinreichend bestimmt.

Randnummer115
Nach der Klarstellung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Berufung, die Widerklage werde insoweit hauptsächlich auf den behaupteten Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG und hilfsweise auf den behaupteten Verstoß gegen Art. 101 AEUV gestützt, genügt der Widerklageantrag 1.2 dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Randnummer116
aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf insbesondere ein mit einer Klage bzw. Widerklage verfolgter Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, die andere Partei sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was verboten ist.

Randnummer117
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klagepartei in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klagepartei die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGHZ 194, 314 = GRUR 2013, 401 Rn. 18 - Biomineralwasser; GRUR 2019, 746 Rn. 32 = WRP 2019, 874 - Energieeffizienzklasse III). Zu dem Lebenssachverhalt, der die Grundlage der Streitgegenstandsbestimmung bildet, rechnen Tatsachen, die bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (vgl. BGH, GRUR 2020, 755 Rn. 25 - WarnWetter-App).

Randnummer118
Von einem einheitlichen Streitgegenstand ist auszugehen, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden kann, selbst wenn diese einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich sind. Der Streitgegenstand wird damit durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht, unabhängig davon, ob einzelne Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs kannten und hätten vortragen können. Eine Mehrheit von Streitgegenständen liegt dagegen vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. zum Ganzen BGH, aaO Rn. 26 mwN - WarnWetter-App).

Randnummer119
Liegen danach mehrere Streitgegenstände vor, wird die Bestimmtheit des Klageantrags durch die Angabe der Reihenfolge gewährleistet, in der diese zur Überprüfung durch das Gericht gestellt werden. Diese Angabe kann noch im Laufe des Verfahrens nachgeholt werden (vgl. nur BGH, GRUR 2019, 284 Rn. 12 - Museumsfotos).

Randnummer120
bb) Gemessen hieran sind die behaupteten Verstöße gegen § 8 Satz 2 ApoG einerseits und Art. 101 AEUV andererseits mit Blick auf ihre verschiedenen sachlichen Entstehungsvoraussetzungen verschiedene Klagegründe und damit unterschiedliche Streitgegenstände.

Randnummer121
Denn die Lebensvorgänge, die einerseits einen Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG begründen sollen, wofür eine etwaige Konkurrenz durch die D und Fragen zur Wettbewerbsbeschränkung keine Rolle spielen, und andererseits zu einem kartellrechtswidrigen Verhalten nach Art. 101 AEUV führen sollen, sind durch die jeweiligen materiell-rechtlichen Regelungen sinnvoll voneinander trennbar und erkennbar unterschiedlich ausgestaltet.

Randnummer122
Die danach erforderliche Klarstellung der Reihenfolge ihrer Geltendmachung hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung über die Berufung vorgenommen.

Randnummer123
d) Die Klagebefugnis der Beklagten ergibt sich, wie das Landgericht zutreffend und von der Berufung nicht angegriffen festgestellt hat, aus § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG (vgl. zur Klagebefugnis der hiesigen Beklagten auch BGH, GRUR 2022, 391 - Gewinnspielbewerbung II).

Randnummer124
III. Der mit Widerklageantrag Ziff. 1.1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist unbegründet.

Randnummer125
Ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, § 3a UWG besteht insoweit nicht, weil die Klägerin durch Vereinbarung der durch Unterlassungsantrag Ziff. 1.1 beanstandeten Vertragskondition mit einer teilnehmenden Apotheke nicht gegen § 11 Abs. 1a ApoG verstößt.

Randnummer126
Das sog. „Verbot des Rezeptmakelns“ nach § 11 Abs. 1a ApoG steht dem Bereitstellen einer digitalen Infrastruktur, über die teilnehmende Apotheken gegen eine monatliche Grundgebühr (auch) rezeptpflichtige Arzneimittel an Kunden verkaufen können, wenn das (E-)Rezept vom Kunden unter der Nutzung der durch den Dritten bereitgestellten digitalen Infrastruktur an die von ihm gewählte jeweilige Apotheke gesendet werden kann, nicht generell entgegen.

Randnummer127
1. Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bereits aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 29. Februar 2024 (C-606/21 - Doctipharma SAS, GRUR-RS 2024, 3022; vorgelegt als Anlage BK1) zur Auslegung des Art. 85c der RL 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die RL 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung (nachfolgend: Humanarzneimittel-RL).

Randnummer128
Dieses Urteil befasst sich nur mit der Zulässigkeit von nach nationalen Vorschriften vorgesehenen generellen Verboten von Fernabsatzgeschäften in Zusammenhang mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (OTC-Produkte). Diese sind nicht Gegenstand des Widerklageantrags Ziff. 1.1 bzw. des § 11 Abs. 1a ApoG, der sich nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien ausschließlich mit Rx-Medikamenten befasst.

Randnummer129
a) Nach Art. 85c Abs. 1 Humanarzneimittel-RL ist es nach nationalen Rechtsvorschriften gerade zulässig, das Angebot verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der außer Kraft getretenen RL 98/34/EG bzw. der inhaltsgleichen Art. 1 Abs. 1 lit. b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (nachfolgend: Info-RL) zu verbieten („unbeschadet nationaler Vorschriften“).

Randnummer130
b) Auch wenn in Deutschland kein generelles Verkaufsverbot von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Wege des Fernabsatzes besteht (vgl. § 11a ApoG), bleibt es dem nationalen Gesetzgeber nach Art. 85c Abs. 1 Humanarzneimittel-RL dennoch unbenommen, anstatt eines generellen Verbots, – als milderes Mittel – für bestimmte Sachverhalte bzw. Verhaltensweisen ein solches Verbot nach nationalem Recht vorzusehen.

Randnummer131
Das mit dem Widerklageantrag Ziff. 1.1 beanstandete Verhalten ist daher der Klägerin entgegen ihrer Ansicht nicht allein deswegen erlaubt, weil sie nach ihrer Behauptung die in Art. 85c Abs. 1 Humanarzneimittel-RL aufgestellten Voraussetzungen für einen Vertrieb apothekenpflichtiger Produkte im Fernabsatz als Dienst der Informationsgesellschaft erfüllt. Auch die Vorschrift des Art. 85c Abs. 2 Humanarzneimittel-RL, die mögliche Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung des Vertriebs von Medikamenten im Fernabsatz normiert, findet insoweit keine Anwendung. Aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 85c Abs. 1 Humanarzneimittel-RL („Unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen das Angebot verschreibungspflichtiger Arzneimittel […] verboten wird“) folgt vielmehr, dass ein Verbot in Bezug auf verschreibungspflichtige Arzneimittel keiner Rechtfertigung nach Art. 85c Abs. 2 Humanarzneimittel-RL bedarf.

Randnummer132
Danach ist allein nach nationalem Recht zu beurteilen, ob der Klägerin das mit dem Widerklageantrag Ziff. 1.1 angegriffene Verhalten wegen eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 1a ApoG zu untersagen ist. Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, führte dies im Streitfall zu keinem abweichenden Ergebnis, weil der Widerklageantrag Ziff. 1.1 auch ohne die zusätzliche Berücksichtigung der vom Gerichtshof in dem genannten Urteil aufgestellten Vorgaben, die sich nach Ansicht der Klägerin zu ihren Gunsten auswirken, aus den nachfolgenden Gründen keinen Erfolg hat.

Randnummer133
2. § 11 Abs. 1 a ApoG, eingeführt durch das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) vom 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115), geändert durch das Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege vom 03.06.2021 (BGBl. I S. 1309), lautet:

Randnummer134
Es ist für die in Absatz 1 Satz 1 genannten Dritten unzulässig, Verschreibungen, auch Verschreibungen in elektronischer Form oder elektronische Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form, zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren.

Randnummer135
Während Adressat der in § 11 Abs. 1 ApoG normierten Verbote nur der Inhaber der Erlaubnis zum Betrieb der Apotheke bzw. dessen Personal ist und die dort genannten weiteren beteiligten Personen nicht Täter eines entsprechenden Verstoßes sein können (vgl. dazu und zu abweichenden Ansichten in der Literatur Mand, A&R 2023, 3, 4), hat der Gesetzgeber mit § 11 Abs. 1a ApoG einen eigenständigen Verbotstatbestand im Apothekengesetz geschaffen, dessen Adressat nicht der Erlaubnisinhaber, sondern der Dritte im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG ist (vgl. hierzu Wesser, GuP 2022, 81, 87 f.).

Randnummer136
3. Die Tathandlungen des „Sammelns“ von (elektronischen) Verschreibungen bzw. des „Vermittelns“ oder „Weiterleitens“ solcher Verschreibungen an Apotheken werden im Gesetz nicht näher definiert.

Randnummer137
In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte die entsprechende Vorschrift folgende Fassung:

Randnummer138
Es ist für die in Absatz 1 Satz 1 genannten Dritten unzulässig, Verschreibungen, auch in elektronischer Form, zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren.

Randnummer139
Zu dieser heißt es in der Begründung (BT-Drucksache 19/18793, S. 137):

Randnummer140
Das kommerzielle Makeln von Rezepten wird untersagt. Es kann nicht nur die freie Apothekenwahl beeinträchtigen, sondern auch zu erheblichen Verwerfungen im Apothekenmarkt führen, die eine flächendeckende Versorgung durch wohnortnahe Apotheken gefährden. Die Apotheken können zunehmend unter wirtschaftlichen Druck geraten, da sie sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen beteiligen müssen oder Verschreibungen verlieren. Es ist zu befürchten, dass derartige Geschäftsmodelle mit der Einführung der elektronischen Verordnung an Bedeutung gewinnen werden, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteuert.

Randnummer141
Ausweislich dieser Gesetzesbegründung sollen die in § 11 Abs. 1a ApoG normierten Verbote Verhaltensweisen, die neben der freien Apothekenwahl zumindest auch die – im Allgemeininteresse liegende – flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch wohnortnahe Apotheken abstrakt gefährden können (vgl. Mand, A&R 2023, 3, 7; Wesser, GuP 2022, 81, 87), unterbinden.

Randnummer142
4. Gleichzeitig heißt es im Zusammenhang mit der Einführung des E-Rezepts und der hierzu von der Gematik betriebenen Schnittstelle, über die Patienten E-Token an die jeweilige Apotheke übermitteln können, (BT-Drucksache aaO, S. 129; Hervorhebungen durch Unterstreichen nur hier):

Randnummer143
Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Schnittstellen in den Komponenten und ihre Nutzung durch Drittanbieter zu regeln. Hierdurch kann ein Zugang für Drittanbieter von Mehrwertanwendungen ermöglicht werden, soweit die Verfügbarkeit, Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit der Telematikinfrastruktur und insbesondere des elektronischen Rezeptes nicht beeinträchtigt werden. Insoweit wird unter Beachtung des grundlegenden Anspruchs an die Sicherheit der Telematikinfrastruktur, des öffentlichen Gesundheitsschutzes und der Datensicherheit ein angemessener Rahmen für die Teilnahme von Drittanbietern von Mehrwertanwendungen zugelassen. Auch unter Geltung des Makelverbotes nach § 11 des Apothekengesetzes bleibt die Möglichkeit Dritter gewahrt, unter Nutzung der Schnittstelle Mehrwertangebote anzubieten, die nicht die unzulässige Beeinflussung der freien Apothekenwahl durch Gewährung oder Versprechen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne der apothekenrechtlichen Bestimmungen zum Gegenstand haben.

Randnummer144
5. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 1a ApoG („dafür“) und der zu seiner Auslegung heranzuziehenden Gesetzbegründung stellen die Forderung, die Annahme des entsprechenden Versprechens und die Annahme der Zahlung einer monatlichen Grundgebühr in der hier gegenständlichen Höhe für das Bereitstellen einer digitalen Marktplatzinfrastruktur, über die (auch) (E-)Rezepte bzw. E-Token durch den Kunden unter Inanspruchnahme dieser digitalen Infrastruktur an die Apotheke des Vertragspartners übertragen werden können, falls der Patient diese auswählt, jedenfalls keinen Vorteil dar, der gerade „für“ die in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Handlungen gefordert, vereinbart oder gewährt wird.

Randnummer145
a) Der Senat kann in diesem Zusammenhang mangels Entscheidungserheblichkeit offenlassen, ob die Klägerin (E-)Rezepte bzw. den E-Token deswegen im Sinne von § 11 Abs. 1a ApoG „weiterleitet“, weil sie unstreitig eine technische Infrastruktur bereitstellt, die dies jedenfalls – ggf. unter Nutzung der von der Gematik bereitgestellten Schnittstelle – technisch (mit)ermöglicht.

Randnummer146
aa) Eine ausschließlich am offenen Anspruchswortlaut des § 11 Abs. 1a ApoG orientierte Auslegung könnte allerdings dafürsprechen, dass bereits eine solche (unterstützende) Tätigkeit im Rahmen der Übermittlung des Rezepts bzw. des E-Tokens vom Kunden an die Apotheke unter den Begriff des „Weiterleitens“ fällt (dafür Mand, A&R 2023, 3, 7 f.; kritisch demgegenüber: Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 335), weshalb auch bei Rezepten in Papierform deren postalische Beförderung oder die Einschaltung eines Botendienstes jeweils gegen Entgelt vom Wortlaut der Norm als potentielle Tathandlung erfasst wäre (vgl. hierzu auch BVerfG, NVwZ-RR 2021, 281 Rn. 14) und dementsprechend das Postunternehmen durch Forderung, Sich-Versprechen-Lassen und Annahme des Portos für die Beförderungsleistung des Rezepts gegen das Verbot verstoßen würde. Die von der Beklagten zuletzt angeführte Regelung in § 129 Abs. 5g SGB V trägt zur Auslegung des § 11 Abs. 1a ApoG demgegenüber nichts bei, weil es dort um die zusätzliche Vergütung der Apotheke für die – hier nicht interessierende – Auslieferung eines verschreibungspflichtigen Medikaments per Botendienst geht.

Randnummer147
bb) Wollte man demgegenüber – wie das Landgericht im angefochtenen Urteil – zusätzlich eine Beeinflussung durch den Dritten (hier der Klägerin) „auf Weg des Rezepts“ verlangen (ähnlich Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 335, die zusätzlich auf ein „gezieltes“ und „ohne Entscheidung des Nutzers“ erfolgendes Verhalten des Dritten abstellen), kann der Senat eine solche in der bereitgestellten Marktplatzinfrastruktur nicht erkennen.

Randnummer148
Denn nach dem der Entscheidung über die Berufung zu Grunde zu legenden Sachverhalt führt die Klägerin – bildlich gesprochen – über die von ihr bereitgestellte digitale Infrastruktur lediglich den vom Kunden bereits festgelegten „Weg des (E-)Rezepts“ an die von ihm ausgesuchte Apotheke aus.

Randnummer149
Eine Beeinflussung dieses Vorgangs, der über die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur und der technischen Voraussetzungen für den „Onlinehandel“ hinausgeht, zeigt die Beklagte nicht auf. Solches behauptet sie zwar wiederholt pauschal. Dem ist die Klägerin aber detailliert unter konkreter Erläuterung der technischen Funktionsweise ihrer über die App bereit gestellten Marktplatz-Infrastruktur entgegengetreten, ohne dass sich die Beklagte damit näher auseinandergesetzt hat oder einen Beweis für ihre gegenteilige Behauptung angeboten hätte.

Randnummer150
Ebenso kann offen bleiben, ob bereits darin, dass der Patient als Ziel der Weiterleitung „seines“ Rezepts lediglich eine der Apotheken auswählen kann, die mit der Klägerin einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben, und nicht jede andere Apotheke, ein solcher Einfluss „auf den Weg des Rezepts“ (im Sinne der vorzitierten Literaturmeinungen) liegt.

Randnummer151
b) Im Streitfall kann mangels Entscheidungserheblichkeit weiter dahinstehen, ob in der hier in Rede stehenden Bereitstellung der digitalen Marktplatzinfrastruktur durch die Klägerin ein „Vermitteln“ von (E)-Rezepten zu sehen ist.

Randnummer152
aa) Wie bereits ausgeführt, könnte hierfür der weite Anspruchswortlaut sprechen sowie der Umstand, dass eine Maklertätigkeit, die der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung als vergleichbare Tätigkeit im Blick hat, auch in dem reinen Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags liegen kann (vgl. § 652 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB).

Randnummer153
bb) Ebenso erfüllt die Bereitstellung der hier in Rede stehenden digitalen Marktplatz-Infrastruktur möglicherweise, wie das Landgericht meint, die Definition des Online-Vermittlungsdienstes nach Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (P2B-VO) bzw. nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 lit. e Vertikal-GVO.

Randnummer154
Auf diese Begriffsbestimmung nehmen allerdings weder der Wortlaut des § 11 Abs. 1a ApoG noch die Gesetzesbegründung Bezug, so dass zweifelhaft ist, ob aus dieser, im anderen Zusammenhang erfolgten Definition des „Online-Vermittlungsdienstes“, Rückschlüsse für eine der von § 11 Abs. 1a ApoG erfassten Handlung, der andere Zielsetzungen im Blick hat, gezogen werden können (dafür: Mand, A&R 2023,3, 8; ablehnend: Braun, A&R 2023, 119, 124).

Randnummer155
c) Jedenfalls wird die hier gegenständliche monatliche Grundgebühr in Höhe von 399 Euro, die die teilnehmenden Apotheken für die Nutzung der Marktplatz-Infrastruktur insgesamt bezahlen sollen, nicht als Vorteil gerade für („dafür“) die hier in Rede stehenden Handlungen, in denen die Beklagte ein „Weiterleiten“ oder „Vermitteln“ von elektronischen Verschreibungen sieht, versprochen bzw. gewährt.

Randnummer156
aa) Nach Auffassung des Senats ist eine einschränkende Auslegung zumindest dieses Tatbestandsmerkmals vor dem Hintergrund der ambivalenten gesetzgeberischen Zielsetzungen geboten (so im Ergebnis auch Mand, A&R 2023, 3, 9 f.; Braun, A&R 2023, 119, 124 ff; Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 331 f.).

Randnummer157
Denn die Annahme, jede Gegenleistung der Apotheke (oder eines Dritten), die sich mittelbar auch auf eine der – weit verstandenen – in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Handlungen bezieht, sei schon wegen dieses mittelbaren Bezugs nach § 11 Abs. 1a ApoG untersagt, läuft auf das vollständige und generelle Verbot von kommerziellen Angeboten Dritter hinaus, über die Apotheken auch (E-)Rezeptbestellungen abwickeln können (so auch Jahn, GRUR-Prax 2023, 112). Ein generelles Verbot, insbesondere digitaler Verkaufsplattformen, bei denen sich Kunden unbeeinflusst mit dem ihnen ausgestellten E-Rezept an eine Apotheke ihrer Wahl wenden und bei dieser Bestellungen der verordneten, verschreibungspflichtigen Medikamente aufgeben können, lässt sich der Gesetzesbegründung, wonach Mehrwertdienste Dritter auch unter Nutzung der von der Gematik bereitgestellten Schnittstelle trotz der Einführung des § 11 Abs. 1a ApoG gerade zulässig sein bzw. bleiben sollen, nicht entnehmen.

Randnummer158
Dementsprechend hebt der Gesetzgeber im Zusammenhang mit den Ausführungen zu Mehrwertangeboten hervor, dass solche nicht durch § 11 Abs. 1a ApoG erfasst werden sollen, „die nicht die unzulässige Beeinflussung der freien Apothekenwahl der Patienten durch Gewährung oder Versprechen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne der apothekenrechtlichen Bestimmungen zum Gegenstand haben“ (vgl. BT-Drucksache 19/18793, S. 129). Insofern ist die subjektive Apothekenwahlfreiheit der Patienten entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur ein bloßer „Reflex“ des Schutzes von Allgemeininteressen durch § 11 Abs. 1a ApoG, sondern wird vom Gesetzgeber mit Blick auf die von ihm auch unter der Geltung des § 11 Abs. 1a ApoG nach wie vor für zulässig erachteten Mehrwertangebote als jedenfalls vergleichbar wesentlich bzw. bedeutsam angesehen (vgl. dazu auch Braun, A&R 2023, 119. 123 f., der umgekehrt die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ein flächendeckendes Netz von Vor-Ort-Apotheken als „Reflex“ der durch § 11 Abs. 1a ApoG geschützten subjektiven Apothekenwahlfreiheit bezeichnet).

Randnummer159
(1) Eine extensive Auslegung der Norm sowohl hinsichtlich der erfassten Handlungen als auch des Vorteilsbegriffs – bzw. des erforderlichen Zusammenhangs zwischen Vorteil und Tathandlung – würde aus Sicht des Senats zu unverhältnismäßigen Eingriffen in grundrechtliche geschützte Positionen – sei es als Berufungsausübungsregelung in Art. 12 GG bei deutschen Staatsbürgern, oder, mit den gleichen Anforderungen an eine Rechtfertigung des Eingriffs, in Art. 2 Abs. 1 GG bei ausländischen Unionsbürgern, sofern man für diese die entsprechende Anwendung von sog. „Deutschengrundrechten“ verneinen wollte (vgl. hierzu Sachs/Mann, 9. Aufl. 2021, GG Art. 12 Rn. 33 und 34 sowie Rn. 38 mwN; vgl. auch BVerfG, GRUR 2012, 53 Rn. 72 ff. - Le-Corbusier-Möbel zur entsprechenden Anwendung des Art. 19 Abs. 3 GG auf juristische Personen mit Sitz im EU-Ausland, für die insofern Art. 12 GG entsprechend gilt) – von Anbietern solcher Dienste führen, weil dadurch etwa auch rein postalische Beförderungen und andere „neutrale“ Handlungen von der Verbotsnorm erfasst wären, ohne dass durch diese Verhaltensweisen die subjektive Apothekenwahlfreiheit der Patienten oder ein ausreichendes Versorgungsnetz durch ortsnahe Apotheken abstrakt gefährdet wäre.

Randnummer160
(a) Insbesondere wird die wohnortnahe Versorgung durch niedergelassene Apotheken in Fällen, in denen ein mittelbarer Vorteil in Form der monatlichen Grundgebühr für die technische Weiterleitung der (elektronischen) Verschreibung auf dem Marktplatz für eine vom Kunden zuvor gewählte Apotheke gewährt wird, für sich genommen nicht abstrakt gefährdet. Gleiches gilt, sofern der Kunde eine Apotheke auf der Onlineplattform aus einer Übersicht verschiedener Apotheken, vergleichbar der Auswahl aus einer Branchenübersicht oder der Werbung – sofern rechtlich für Apotheken zulässig (vgl. dazu näher Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Odörfer, 42 Aufl., UWG § 3a Rn. 1.191 f., 1.192) – in einer (regionalen) Zeitung, frei auswählt und bei dieser eine Bestellung aufgibt.

Randnummer161
(b) Die wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln durch ortsansässige Apotheken wird ggf. durch den schon jetzt zulässigen Onlinehandel mit Medikamenten (vgl. § 11a ApoG) generell gefährdet, was durch die gesetzgeberisch gewollte Einführung des E-Rezepts mit Blick auf verschreibungspflichtige Medikamente noch forciert werden könnte.

Randnummer162
Der Onlinehandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ist allerdings – worauf die Klägerin zu Recht hinweist – gerade nicht gesetzlich generell verboten. Dementsprechend lässt sich auch der Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 1a ApoG vor dem Hintergrund der ambivalenten Zielsetzungen nicht entnehmen, dass jede Teilnahme von Apotheken an einer gebührenpflichtigen Plattform, durch die digitale Infrastruktur zum Betrieb eines solchen Handels bereitgestellt wird, generell, d.h. ohne Prüfung der Vertragsbedingungen im Gesamtkontext des Einzelfalls (vgl. dazu Wesser, GuP 2022, 81, 88), untersagt werden soll.

Randnummer163
(2) Daher ist es zur Verwirklichung des § 11 Abs. 1a ApoG zusätzlich erforderlich, dass der gewährte Vorteil entweder aufgrund der festgestellten Umstände objektiv oder nach dem feststehenden subjektiven Willen der Beteiligten konkret dafür gewährt wird, dass der Dritte die in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Handlungen gerade zu Gunsten des Versprechenden vornimmt, und er deshalb hierfür den versprochenen Vorteil erhalten soll.

Randnummer164
Es muss demnach ein Konnex zwischen dem Vorteil und den in § 11 Abs.1a ApoG genannten Handlungen bestehen. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Vertragsbedingungen und insbesondere das Vergütungsmodell so ausgerichtet sind, dass ein Entgelt gerade für einen steuernden Einfluss des Dritten auf den Weg von Rezepten zur Apotheke gezahlt wird (vgl. Mand, A&R 2023, 3, 9).

Randnummer165
bb) Dies ist bei der angegriffenen Marktplatzinfrastruktur, wie sie im Streitfall der Beurteilung zu Grunde zu legen ist, nicht der Fall.

Randnummer166
(1) Die monatliche Grundgebühr knüpft nicht an einzelne Übertragungsvorgänge im Zusammenhang mit der – unterstellten – tatbestandsmäßigen Weiterleitung und/oder Vermittlung von Verschreibungen an (etwa in Form einer Umsatzbeteiligung), sondern fällt unabhängig davon – und damit gleichsam „neutral“ – an, ob eine teilnehmende Apotheke solche überhaupt anbietet bzw. wie viele solcher Medikamente sie verkauft. Die Grundgebühr wird einheitlich und einschließlich für die Nutzung der digitalen Infrastruktur zum Verkauf anderer Produkte erhoben.

Randnummer167
Jedenfalls wenn eine in diese Sinne „neutrale“ Grundgebühr, die nicht an bestimmte Leistungen des Dritten im Zusammenhang mit (E)-Rezepten anknüpft, für die bereitgestellte Infrastruktur gezahlt wird und zudem nicht objektiv überhöht ist, weshalb sie auch nicht der Sache nach gerade auf das „Makeln“ von (E)-Rezepten angelegt ist, ist dies kein „Vorteil“ gerade für („hierfür“) die Vornahme eine der in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Handlungen (so im Ergebnis auch Mand, A&R 2023, 3, 9 f.; Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 331; Braun A&R 2023, 119, 125; Jahn, GRUR-Prax 2023, 212).

Randnummer168
(2) Ein objektives Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung, das Rückschlüsse auf eine Zahlung der monatlichen Grundgebühr gerade „für“ die genannten Handlungen zulassen könnte (vgl. die vorstehend zitierten Fundstellen), hat die für den Verstoß gegen § 11 Abs. 1a ApoG darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht mit Substanz aufgezeigt.

Randnummer169
Auch insoweit hat sie lediglich pauschal – und ohne Beweisantritt – behauptet, die teilnehmenden Apotheken würden auf der Plattform der Klägerin nicht bzw. erst am Ende des Bestellvorgangs sichtbar, weshalb die monatliche Grundgebühr überhöht sei. Dem ist die Klägerin unter detailliertem Vorbringen zur Funktionsweise der App, insbesondere unter Bezugnahme auf einen Gleichrang der teilnehmenden Apotheken neben der Konzerngesellschaft D, entgegengetreten. Hiermit hat sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt.

Randnummer170
Unabhängig davon ist der von der Beklagten begehrte Unterlassungsanspruch – wie ihn das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung gewährt hat – ohnehin nicht auf eine bestimmte Ausgestaltung – etwa hinsichtlich der Reihenfolge der Anzeige der teilnehmenden Apotheken – der digitalen Plattform beschränkt. Vielmehr soll der Klägerin generell untersagt werden, eine solche Plattform gegen eine monatliche Grundgebühr in der hier in Rede stehenden Höhe zu betreiben, sofern niedergelassene Apotheken auf dieser Rx-Medikamente anbieten und vertreiben können und die E-Rezepte bzw. E-Token hierzu unter Nutzung der von der Klägerin bereitgestellten technischen Infrastruktur vom Patienten an die ausgewählte Apotheke übermittelt werden.

Randnummer171
(3) Unerheblich sind in diesem Zusammenhang die Überlegungen der Beklagten und des Landgerichts zu einer eventuell drohenden Marktmacht der Klägerin als Anbieterin der hier gegenständlichen Onlineplattform und einer daraus resultierenden möglichen „Ausbeutung“ teilnehmender Apotheken, wie dies bei anderen Plattformen – etwa booking.com – nach dem Beklagtenvorbringen bereits heute der Fall sein soll.

Randnummer172
Denn der hier geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht auf solche – möglicherweise rechtlich zu beanstandende – nicht näher dargelegten „ausbeuterischen“ Vertragskonditionen gerichtet, sondern zielt generell auf die Untersagung der Bereitstellung einer digitalen Verkaufsplattform an niedergelassene Apotheken zu der genannten monatlichen Grundgebühr, wenn darüber (auch) (E-)Rezepte eingelöst werden können.

Randnummer173
Unabhängig davon können generell-abstrakte Überlegungen zu Gefahren im Zusammenhang mit dem Betrieb von Onlineplattformen durch andere Anbieter keinen gesetzlichen Unterlassungsanspruch gegen die Klägerin tragen, der jedenfalls eine – hier ohnehin nicht konkret geltend gemachte – Erstbegehungsgefahr erfordern würde. Ebenso wenig gibt es, wie bereits ausgeführt, ein generelles gesetzliches (präventives) Verbot von Onlineverkaufsplattformen.

Randnummer174
(4) Das strafrechtliche Verständnis zu den vergleichbaren Tatbestandsmerkmalen des § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) und des § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen), sofern dieses bei der Auslegung des § 11 Abs. 1a ApoG zu berücksichtigen sein sollte (vgl. zum Streitstand Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 325, 330 f. mwN), führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

Randnummer175
Denn neben der Gewährung eines Vorteils, der, wie das Landgericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, auch im Abschluss eines mit Blick auf Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich ausgeglichenen Vertrags liegen kann, auf den der Täter keinen Rechtsanspruch hat (vgl. BGH, StV 2019, 42), muss eine Unrechtsvereinbarung hinzutreten, die auf die unlautere Bevorzugung eines Anderen abzielt (vgl. BGH, NJW 2003, 2996, 2997 f.). Für § 11 Abs. 1 a ApoG führte dies zu dem Prüfungsschritt, dass zur Erfüllung des Tatbestands der gewährte Vorteil mit den Tathandlungen („Sammeln“, „Vermitteln“ oder „Weiterleiten“ von Verschreibungen) inhaltlich-funktional im Sinne einer konkreten Unrechtsvereinbarung verknüpft sein muss („dafür“).

Randnummer176
Dies ist aus den bereits genannten Gründen im Streitfall zu verneinen.

Randnummer177
cc) Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof (BGH, GRUR 2011, 343 - Zweite Zahnarztmeinung) bereits entschieden, dass in dem Verhalten eines Zahnarztes, der auf einer Internetplattform ein Gegenangebot zu dem Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag eines Kollegen abgab, den ein Patient dort eingestellt hatte, und sich verpflichtete, dem Betreiber der Internetplattform im Falle des Zustandekommens eines Behandlungsvertrags mit dem Patienten einen Teil seines Honorars als Entgelt für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes abzugeben, kein – nach berufsrechtlichen Vorschriften – unzulässiges Versprechen eines Entgelts „für“ die Zuweisung von Patienten lag, weshalb der Betreiber der Internetplattform nicht wettbewerbswidrig handelte. Vielmehr erhielt der Betreiber das Entgelt von den Zahnärzten nicht – so der Bundesgerichtshof – als Provision „für“ die Vermittlung von Patienten, sondern für die Ermöglichung der „Nutzung des virtuellen Marktplatzes” (vgl. BGH, aaO Rn. 22 mwN und Leitsatz - Zweite Zahnarztmeinung).

Randnummer178
Diese Überlegungen sind auf den Streitfall, in dem gegen eine monatliche Grundgebühr eine Marktplatzinfrastruktur genutzt werden kann, über die auch verschreibungspflichtige Medikamente von Apotheken angeboten werden können, nach Ansicht des Senats übertragbar.

Randnummer179
dd) Auch dass auf dem Marktplatz der Klägerin nur die ein Entgelt entrichtenden teilnehmenden Apotheken den potentiellen Kunden angezeigt werden, ist vor dem Hintergrund dieses Auslegungsergebnisses ohne Bedeutung.

Randnummer180
Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Teilnahme an dem Online-Marktplatz grundsätzlich jeder Apotheke offensteht. Zudem hat die Klägerin insoweit unwidersprochen darauf hingewiesen, dass auch die von der Gematik bereitgestellte App zur Einlösung von E-Rezepten – für den Nutzer zuerst sichtbar – zunächst wohnortnahe Apotheken auflistet. Es ist weder sinnvoll noch möglich, sämtliche Apotheken, die deutschlandweit potentiell zur Lieferung des verschriebenen Medikaments bereit wären, in einer App – noch dazu im Gleichrang – aufzulisten. Dies ist bereits in der „analogen“ Welt nicht gewährleistet und gefährdet für sich genommen weder die Apothekenwahlfreiheit noch die flächendeckende Versorgung der Patienten durch wohnortnahe Apotheken.

Randnummer181
ee) Der Verweis des Landgerichts auf von der Klägerin potentiell beeinflussbare Kriterien zur Reihenfolge der Anzeige der Apotheken in ihrer App führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung.

Randnummer182
Solche Kriterien, für die zudem ein Vorteil gewährt werden müsste, sind weder konkret vorgetragen noch festgestellt und zudem nicht Gegenstand des Widerklageantrags Ziff. 1.1.

Randnummer183
ff) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht für die teilnehmenden Apotheken auch ein potentieller Mehrwert, der nach der Gesetzesbegründung unter Nutzung der Schnittstelle zur Übermittlung von (E)-Rezepten auch unter der Geltung des § 11 Abs. 1a ApoG zulässigerweise bereitgestellt werden kann.

Randnummer184
Denn hierdurch können Apotheken am Wettbewerb um Kunden, die ihre Medikamente unter Nutzung digitaler Angebote erwerben wollen, teilnehmen, ohne eigene digitale Infrastruktur vorhalten bzw. aufbauen zu müssen, und hierdurch in Konkurrenz zu reinen Versandapotheken treten.

Randnummer185
gg) Aus der bevorstehenden Einfügung des – zum Schluss der mündlichen vor dem Senat noch nicht verkündeten und in Kraft getretenen – § 360 Abs. 16 SGB V in der Fassung, die diese Norm durch das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz- DigiG), zu dem der Bundesrat am 2. Februar 2024 beschlossen hat, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen, voraussichtlich erhalten wird, ergibt sich ebenfalls keine abweichende Beurteilung.

Randnummer186
Auf diese noch nicht in Kraft getretene Regelung kann das mit Widerklageantrag Ziff. I. 1 geltend gemachte Verbot nicht gestützt werden. Aus ihr ergeben sich auch keine relevanten Rückschlüsse für eine einschränkende Auslegung des hier allein maßgeblichen § 11 Abs. 1a ApoG.

Randnummer187
(1) § 360 Abs. 16 SGB V wird mit Inkrafttreten des Digital-Gesetzes voraussichtlich wie folgt lauten (vgl. Art. 1 Nr. 62 Buchst. l DigitalG-Entwurf):

Randnummer188
(16) Die Bereitstellung und der Betrieb von informationstechnischen Systemen, die den Anwendungsfall der Übermittlung von elektronischen Verordnungen oder elektronischen Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen nach diesem Buch außerhalb der Telematikinfrastruktur enthalten, ist untersagt. Satz 1 umfasst nicht:

Randnummer189
1-3 (…)

Randnummer190
4. die Bereitstellung informationstechnischer Systeme durch Anbieter mit denen Versicherte elektronische Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen direkt an Apotheken übermitteln können, wenn dabei der Stand der Technik gemäß den Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Schutzbedarf der Daten eingehalten wird; dabei dürfen keine Apotheken oder Gruppen von Apotheken bevorzugt werden und der Verzeichnisdienst der Gesellschaft für Telematik sowie normierte Schnittstellen der Gesellschaft für Telematik sind für die diskriminierungsfreie Anbindung zu nutzen; dies erfordert eine technische Komponente zur Authentifizierung beim Anbieter des informationstechnischen Systems und einen Antrag bei der Gesellschaft für Telematik.

Randnummer191
§ 11 Absatz 1 und 1a des Apothekengesetzes sowie § 31 Absatz 1 Satz 5 bis 7 sind zu beachten. Absatz 2 Satz 5 bleibt unberührt.

Randnummer192
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich dem (voraussichtlichen) Gesetzeswortlaut nicht entnehmen, dass eine digitale Infrastruktur, bei der alle die hier in Rede stehende Grundgebühr entrichtenden Apotheken als potentielle Lieferanten durch den Patienten gewählt werden können, deswegen gegen § 11 Abs. 1a ApoG verstößt. Eine unzulässige Diskriminierung ergibt sich nicht allein daraus, dass bei einer kommerziell betriebenen Plattform nur die das Entgelt entrichtenden Apotheken dem Nutzer als potentielle Bezugsquelle zur Auswahl stehen.

Randnummer193
Mit der Einführung des § 11 Abs. 1a ApoG sollten kommerzielle Mehrwertangebote, wie bereits ausgeführt, gerade nicht generell verboten werden. § 11 Abs. 1a ApoG mit den vorstehenden genannten Zielsetzungen ist allerdings nach der beabsichtigten Fassung des § 360 Abs. 16 SGB V zu beachten. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch die grundsätzlich zulässigen entgeltpflichtigen Mehrwertangebote im Blick hatte. Vor diesem Hintergrund stellt allein der Umstand, dass auf einer gebührenpflichtigen digitalen Markplatzinfrastruktur dem Patienten nur die das Entgelt entrichtenden Apotheken zur Auswahl zur Verfügung stehen, keine „Bevorzugung von Apotheken oder Gruppen von Apotheken“ dar. Ein solches wäre nur anzunehmen, wenn von den an der Plattform der Klägerin teilnehmenden Apotheken einzelne Apotheken oder Gruppen sachwidrig bevorzugt würden. Dies ist im Streitfall allerdings nicht geltend gemacht, insbesondere nicht zum Gegenstand der Sachanträge der Widerklage gemacht, und deshalb nicht Gegenstand der durch die Berufung angegriffenen Verurteilung durch das Landgericht, das schlechthin jedes Angebot einer Marktplatz-Infrastruktur verbietet, über die auch Verschreibungen an Apotheken übermittelt werden können und die Apotheke hierfür eine monatliche Grundgebühr von EUR 399,00 verspricht.

Randnummer194
(3) Daraus, dass nach der Begründung zum Digital-Gesetz-Entwurf durch den neuen § 360 Abs. 16 SGB V – über dessen Wortlaut hinaus – eine Einlösung des E-Rezepts diskriminierungsfrei bei allen Apotheken ermöglicht werde (vgl. BT-Drs. 20/9048, S. 128), lässt sich auch in diesem Zusammenhang nicht entnehmen, dass bei einer gebührenpflichtigen Plattform, die nicht das „Makeln von Rezepten“ im Sinne von § 11 Abs. 1a ApoG zum Gegenstand hat, zu fordern wäre, dass sämtliche Apotheken, die bundesweit für eine Lieferung eines verschreibungspflichtigen Medikaments in Betracht kämen, noch dazu im Gleichrang, aufgelistet werden müssen. Dies ist, wie die Beklagte unwidersprochen ausgeführt hat, bei der von der Gematik bereitgestellten E-Rezept-App ebenfalls nicht gewährleistet und auch in der „analogen“ Welt nicht umsetzbar.

Randnummer195
Ein solche Anforderung ergibt sich daher auch nicht daraus, dass mit Inkrafttreten des neuen § 360 Abs. 16 SGB V der Verzeichnisdienst der Gematik nach § 313 SGB V für die Anbindung der Apotheken beim Betrieb eines informationstechnischen Dienstes, über den (auch) E-Rezepte bzw. E-Token von Versicherten direkt an Apotheken übermittelt werden können, zu nutzen ist. Insofern sind zwar die nach den Vorgaben des § 313 SGB V standardisiert in dem Verzeichnisdienst der Gematik hinterlegten Daten der Apotheken zu nutzen, um eine diskriminierungsfreie Anbindung sicherzustellen, damit etwa einzelne Apotheken durch die Verwendung von im Verzeichnis nach § 313 SGB V nicht zur Hinterlegung vorgesehenen Daten keinen Vorteil gegenüber anderen Apotheken erreichen können. Daraus folgt aber nicht, dass alle bundesweit im Verzeichnisdienst der Gematik gelisteten Apotheken bei dem Betrieb eines informationstechnischen Systems, mit dem Versicherte (auch) E-Token direkt an eine Apotheke übermitteln können, dem Nutzer potentiell als Lieferanten in Betracht kommende Apotheken angezeigt werden oder zur Auswahl zur Verfügung stehen müssten.

Randnummer196
Weil der Gesetzgeber ausweislich der Begründung zu § 11 Abs. 1a ApoG kommerzielle Angebote gerade nicht generell verbieten wollte, insbesondere dann nicht, wenn sie nicht die freie Apothekenwahl beeinträchtigen, ist die über den Wortlaut des künftigen § 360 Abs. 16 SGB hinausgehende Begründung zu Art. Art. 1 Nr. 62 Buchst. l DigitalG daher ebenfalls in dem Sinne zu verstehen, dass alle Apotheken, die auf an einer digitalen Verkaufsplattform teilnehmen und hierüber (auch) verschreibungspflichtige Medikamente anbieten können, diskriminierungsfrei zur Auswahl des Nutzers stehen müssen. Denn gerade im Zusammenhang mit grundsätzlich zulässigen entgeltpflichtigen Leistungen ist es erkennbar nicht sinnvoll, dass Apotheken, die diese nicht in Anspruch nehmen wollen, dennoch vom Leistungsanbieter kostenlos aufgeführt werden müssen.

Randnummer197
(4) Allenfalls könnte die vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung auch erfordern, dass alle Apotheken diskriminierungsfrei Zugang zu der Plattform haben müssen. Aber auch insoweit ist ein dagegen eventuell verstoßendes Verhalten nicht Gegenstand der hier angegriffenen und zur Überprüfung durch den Senat stehenden Verurteilung der Klägerin durch das Landgericht. Insbesondere ist in keiner Weise thematisiert, an welchen tatsächlichen Voraussetzungen der (zu verkündenden) Ausnahmevorschrift es fehlen soll. Zu keinem der relevanten Gesichtspunkte (wie insbesondere Erreichen des Stand der Technik gemäß den Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Einhaltung des Schutzbedarfs der Daten, keine Bevorzugung von Apotheken oder Gruppen von Apotheken, Nutzung des Verzeichnisdiensts der Gesellschaft für Telematik, Nutzung von normierten Schnittstellen der Gesellschaft für Telematik für die diskriminierungsfreie Anbindung, Authentifizierung beim Anbieter des informationstechnischen Systems und Antrag bei der Gesellschaft für Telematik) ist auch nur ansatzweise eine (Erstbegehungs-)Gefahr für Zuwiderhandlung der Klägerin gegen die erst künftig in Kraft tretenden Vorschrift vortragen oder sonst erkennbar. Insbesondere gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte, dass die Klägerin ihre Plattform nach Inkrafttreten des geänderten Gesetzes nicht nach dessen Vorgaben betreiben wird.

Randnummer198
hh) Auf weitere einzelne Vertragskonditionen des Vertrags nach Anlage B1 kommt es vor dem Hintergrund des – wie bereits mehrfach ausgeführt – nicht auf diese vermeintliche Verletzungsform beschränkten Unterlassungswiderklageantrags nicht an.

Randnummer199
Vielmehr soll der Klägerin generell untersagt werden, gegen eine monatliche Grundgebühr von 399 Euro die genannte Online-Marktplatzinfrastruktur bereitzustellen, wenn hierüber auch (E-)Rezepte eingelöst werden können. Eine Verknüpfung dieser Konditionen mit denjenigen des Unterlassungsantrag Ziff. 1.2 oder den weiteren Vertragskonditionen des Vertrags nach Anlage B1 stellt die Beklagte demgegenüber nicht zur gerichtlichen Entscheidung.

Randnummer200
IV. Demgegenüber ist die Widerklage begründet, soweit die Beklagte wegen der vertraglichen Verpflichtung der teilnehmenden Apotheken zur Zahlung einer Gebühr von 10 % des Nettoverkaufspreises für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (OTC-Produkte) einen Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG geltend macht.

Randnummer201
1. Nach § 8 Satz 2 ApoG sind Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer Stillen Gesellschaft und Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für den Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichtet sind, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge unzulässig Diese Formulierung des Gesetzes („ausgerichtet“) weist auf die Zielsetzung hin, Geschäfte zur Umgehung des Verbots zu verhindern (vgl. BGH, NJW 2004, 1523, 1524; Urteil vom 22. Oktober 1997 = WM 1998, 609 = NJW-RR 1998, 803, 804).). Auf diese Weise sollen partiarische Rechtsverhältnisse ausgeschlossen werden, in denen sich der Gläubiger die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten des Apothekeninhabers zu Nutze macht und an den Erlösen der Apotheke nicht nur mit einem festen periodischen Betrag (wie beispielsweise der Vermieter der Geschäftsräume durch eine monatlich fixe Miete), sondern mit einem Bruchteil des Umsatzes oder Gewinns (wie ein stiller Teilhaber mit seinem Anteil gem. § 231 Abs. 1 HGB) an dem erwirtschafteten Unternehmenserfolg des Apothekers partizipiert. Die berufliche Verantwortung und Entscheidungsfreiheit des Apothekers sollen nicht durch unangemessene vertragliche Bedingungen, die ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit von Dritten bringen, beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 C 30.13, PharmR 2015, 446, 449). Zur Beurteilung, ob ein partiarisches Rechtsverhältnis vorliegt, ist das Gesamtgefüge der Vereinbarungen zu betrachten (vgl. BGH, Urteil vom 04. Mai 2023 - IX ZR 157/21, juris Rn. 34; Spickhoff/Sieper, Medizinrecht, 4. Aufl., § 8 ApoG Rn. 3).

Randnummer202
Für die Annahme eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist allerdings die Höhe der vereinbarten Gegenleistung nicht entscheidend, wenngleich sie auch – je nach den Umständen des Einzelfalls – ein Indiz sein kann. Vielmehr muss sich aus dem Gesamtgefüge der Vereinbarungen lediglich ergeben, dass die Parteien die Gegenleistung am Umsatz oder Gewinn ausgerichtet haben und der Dritte dadurch an den Erträgnissen der Apotheke pro rata teilhat. In der Regel geschieht dies dadurch, dass die Parteien einen bestimmten prozentualen Anteil am Umsatz oder Gewinn festlegen, so dass die Gegenleistung je nach der Entwicklung dieser Verhältnisse in ihrer Höhe variiert (BGH, NJW-RR 1998, 803, 804 f.; zur Gewerberaummiete). Für die Verwirklichung des Tatbestand des § 8 Satz 2 ApoG genügt es dabei, dass die Parteien in ihren Vorstellungen von einem Zusammenhang zwischen Gegenleistung und dem Umsatz oder Gewinn ausgegangen sind und diese Verknüpfung in den Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BGH, Urteil vom 04. Mai 2023 – IX ZR 157/21, juris Rn. 36; NJW 2004, 1523, 1524; WM 1998, 609, 612).

Randnummer203
2. Gemessen daran verstößt die hier vorgesehene Umsatzbeteiligung in Höhe von 10 % des Verkaufspreises von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittelen (OTC-Produkte) gegen § 8 Satz 2 ApoG.

Randnummer204
a) Dabei kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob der Vertrag, der zwischen der Klägerin und den teilnehmenden Apotheken geschlossen wird, im Schwerpunkt als Mietvertrag zu qualifizieren ist (so Mand, A&R 2022, 219, 223 f.) und wegen der beispielhaften ausdrücklichen Nennung im Gesetz („insbesondere“) unter den Anwendungsbereich des § 8 Satz 2 ApoG fällt.

Randnummer205
b) Denn selbst wenn man von einem typengemischten Vertrag ausgeht, der im Schwerpunkt dem Dienstvertrags- oder Werkvertragsrecht (vgl. zu letzterem bei Verträgen über die Bereitstellung von „Softwarelösungen“ BGH, NJW 2010, 1449 Rn. 27; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. August 2002 – 1 U 250/01, juris Rn. 40 f.;) zuzuordnen sein sollte, ist der Anwendungsbereich des § 8 Satz 2 ApoG eröffnet.

Randnummer206
Die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur zum Vertrieb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel stellt – unabhängig vom Vertragstyp – jedenfalls einen Vermögenswert dar, der der teilnehmenden Apotheke während der Vertragsdauer überlassen wird.

Randnummer207
aa) Nach § 8 Satz 2 3. Var. ApoG sind Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für „sonst überlassene Vermögenswerte“ am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, generell unzulässig. Insoweit nennt das Gesetz nur beispielhaft („insbesondere“) Mietverträge. Auf diesen Vertragstyp ist der Verbotstatbestand daher nicht beschränkt. Erfasst ist grundsätzlich jeder Vertrag, der die Überlassung eines Vermögenswertes an die Apotheke zum Gegenstand hat. Ein „Überlassen“ setzt dabei, wie bereits der beispielhaft genannte Mietvertrag zeigt, keine (dingliche) Rechtsübertragung voraus. Vielmehr genügt insofern (auch) die tatsächliche Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit bzw. -befugnis eines Vermögenswertes.

Randnummer208
Der Begriff des „Vermögenswerts“, der nicht auf die Überlassung eines körperlichen Vermögensgegenstandes abstellt, ist vor dem Hintergrund der Zielsetzung des Gesetzesgebers, partiarische Vergütungsmodelle und entsprechende Umgehungsgeschäfte zu verhindern, weit auszulegen. Dazu zählt grundsätzlich jeder materielle oder immaterielle Vermögenswert, den der Apotheker wirtschaftlich zum Betrieb seiner Apotheke einsetzen (vgl. zu letzterem BGH, NJW-RR 1998, 803, 805) und hierdurch Umsatz bzw. Gewinn erwirtschaften kann, weshalb ihm bereits als solchem – auch ohne die Realisierung der dem überlassenen Vermögenswert ggf. innewohnenden Chance auf weitere Gewinne – ein das Vermögen des Apothekers mehrender wirtschaftlicher Wert beizumessen ist.

Randnummer209
bb) Hierunter fällt, wie das Landgericht richtig erkannt hat, die Bereitstellung der Nutzungsmöglichkeit der digitalen Infrastruktur der Klägerin zur Einrichtung eines „virtuellen Verkaufsraums“, über die die teilnehmenden Apotheken sich potentiellen Kunden präsentieren und Verkäufe, insbesondere im Onlinehandel, tätigen können.

Randnummer210
(1) Denn diese Nutzungsmöglichkeit wird ihnen während der Vertragsdauer im Rahmen der Vertragsbestimmungen – ähnlich wie bei einem gemieteten Geschäftsraum – zur Verfügung gestellt, also überlassen, und verkörpert bereits als solche einen wirtschaftlichen Wert, weil die Apotheken sich solche Möglichkeiten ansonsten unter Einsatz eigener finanzieller Mittel erst schaffen müssten (anders Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023 325, 327, die hierin eine bloße „Umsatzchance“ ohne eigenen wirtschaftlichen Wert sehen wollen). Auch bei einem durch Mietvertrag überlassenen Geschäftsraum kann der Apotheker durch diesen „allein“ keine weiteren Umsätze erzielen, sondern nutzt diesen, ebenso wie vermietete Einrichtungsgegenstände, für seine weitere wirtschaftliche Tätigkeit. Gleichwohl mehren diese überlassenen Vermögenswerte als solche das Vermögen des Apothekers, weil er ansonsten selbst für eine entsprechende Infrastruktur, die dem Betrieb der Apotheke dienen kann, sorgen müsste. Dasselbe gilt beispielsweise im Fall der Einräumung einer Lizenz an einem Immaterialgüterrecht wie einer Marke oder Etablissementsbezeichnung gegen eine als Anteil an Umsatz oder Gewinn der Apotheke bemessene Lizenzgebühr.

Randnummer211
(2) Aus der von der Klägerin hauptsächlich im Zusammenhang mit der Auslegung von § 11 Abs. 1a ApoG erörterten Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 5. April 2013 – 4 U 18/13, GRUR-RR 2013, 338) zur Vereinbarkeit der Erhebung einer Transaktionsgebühr durch den Betreiber eines Internetportals, das Rechtsanwälten die Möglichkeit bietet, unter anderem Terminsvertreter zu finden, wobei sich der Betreiber dafür im Erfolgsfall eine Transaktionsgebühr entrichten lässt, mit § 49 b Abs. 3 Satz 1 BRAO, folgt im Streitfall nichts Anderes.

Randnummer212
Denn die dort relevante Rechtsfrage, ob der Portalbetreiber vom Rechtsanwalt einen „sonstigen Vorteil“ für die „Vermittlung eines Auftrags“ erhält, was in der genannten Entscheidung mit Blick darauf, dass der Protalbetreiber lediglich das „Medium für die Vermittlung“ der Übernahme der Terminsvertretung bereitstelle (vgl. OLG Karlsruhe aaO, 338), verneint worden ist, hat mit der hier maßgeblichen Auslegung des § 8 Satz 2 ApoG und der Frage, was unter einem „sonstigen überlassenen Vermögenswert“ im Sinne des Gesetzes über das Apothekenwesen zu verstehen ist, nichts gemeinsam. Denn selbst wenn die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur auch eine, wie die Klägerin meint, „Werbeleistung“ beinhalten sollte, änderte dies nichts an dem Auslegungsergebnis, dass die während der Vertragsdauer dem Apotheker eingeräumte schuldrechtliche Nutzungsbefugnis der digitalen Infrastruktur (zugleich) als „überlassener Vermögenswert“ im Sinne des § 8 Satz 2 ApoG anzusehen ist.

Randnummer213
(3) Der Umstand, dass die Softwarelösung, die die Einrichtung dieser digitalen Verkaufsplattform ermöglicht, von der Klägerin (oder einem weiteren Dienstleister) bereitgestellt und „kontrolliert“ wird, ändert an dieser Bewertung ebenfalls nichts (anders wiederum Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023 325, 327).

Randnummer214
Denn während der Vertragsdauer hat die Klägerin der teilnehmenden Apotheke die vertraglich vereinbarte digitale Infrastruktur zur Nutzung des „virtuellen Verkaufsraums“ funktionsfähig bereitzustellen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall nicht von der Überlassung eines Geschäftsraums oder Einrichtungsgegenstandes im Rahmen eines Mietvertrags, den der mietende Apotheker ebenfalls nur im Rahmen der vertraglichen Regelungen nutzen kann und insbesondere nicht eigenmächtig „umbauen“ darf.

Randnummer215
(4) Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit den in § 8 Satz 2 ApoG beispielhaft genannten Mietverträgen ausgeführt, dass das Verbot der Umsatzmiete nicht nur für die Anmietung der Apothekenbetriebsräume, sondern für Mietverträge aller Art gilt, die dem Betrieb der Apotheke dienen, insbesondere auch für die Miete der Einrichtungsgegenstände (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 803, 805). Auch insoweit unterscheidet sich die Bereitstellung der virtuellen Verkaufsplattform nicht von der Vermietung sonstiger Gegenstände bzw. Vermögenswerte, die dem Betrieb und der weiteren Erwerbstätigkeit des Apothekers dienen.

Randnummer216
(5) Vor diesem Hintergrund ist es auch unerheblich, dass der Gesetzgeber in anderem Zusammenhang (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG und in § 312l Abs. 3 BGB) „Online-Marktplätze“ als „Dienste“ bezeichnet.

Randnummer217
Denn selbst die Qualifikation des hier in Rede stehenden Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und den teilnehmenden Apotheken als im Schwerpunkt dienstvertragsrechtlich steht aus den bereits genannten Gründen der Anwendung des § 8 Satz 2 ApoG nicht entgegen, sofern – wie hier – mit der Einräumung einer schuldrechtlichen Nutzungsbefugnis an einem Vermögensgegenstand gegen Entgelt dessen Voraussetzungen erfüllt sind.

Randnummer218
Im Übrigen befassen sich die von der Klägerin zitierten Normen mit dem – hier nicht interessierenden – Verhältnis von Verbrauchern bzw. potentiellen Kunden und Plattformbetreiber.

Randnummer219
c) Die als Vermögenswert anzusehende Online-Marktplatzinfrastruktur wird im Streitfall umsatzabhängig überlassen.

Randnummer220
aa) Nach der mit Unterlassungswiderklageantrag Ziff. 1.2 beanstandeten Vertragsbedingung partizipiert die Klägerin mit 10 % an den für OTC-Produkte getätigten Umsätzen. Diese Vergütung wird gerade für die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur gewährt (vgl. auch Anlage B1, AGB unter Ziff. IV „Entgelt“: Der Partner zahlt an den Marktplatzbetreiber für die Nutzung des Marktplatzes ein Entgelt. Das Entgelt setzt sich zusammen aus einer monatlichen Grundgebühr und (außer bei ärztlich verordneten Produkten) einer Transaktionsgebühr).

Randnummer221
bb) Diese – von den Parteien als Gegenleistung vereinbarte – prozentuale Umsatzbeteiligung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie sich – naturgemäß – nur auf den Umsatz der jeweiligen Apotheke im Onlinehandel für OTC-Produkte bezieht.

Randnummer222
Zum einen ist dieser Umsatz Teil des Gesamtumsatzes der Apotheke, so dass die vereinbarte Umsatzbeteiligung sich zumindest mittelbar auf dem Gesamtumsatz der Apotheke erstreckt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, GewArch 2011, 73, Rn. 95 zu § 8 Satz 1 ApoG, wonach eine „partiarische Beteiligung“ nur am Versandhandelsgeschäft einer Filialapotheke mit Versandhandelserlaubnis eine Beteiligung am gesamten Umsatz ist; so auch Mand, A&R 2022, 219, 224; ablehnend Burk/Schoppe/Wessing, PharmR 2023, 325, 327; Wesser in Kieser/Wesser/Pieck, ApoG, Stand: Mai 2017, § 8 Rn, 58). Zum anderen setzt § 8 Satz 2 ApoG gerade keine bestimmte Höhe der Umsatzbeteiligung voraus (BGH, NJW-RR 1998, 803, 805) und lässt auch eine anteilsmäßige Beteiligung an einem Teil des Umsatzes oder Gewinns ausreichen.

Randnummer223
§ 8 Satz 2 ApoG untersagt nach dem aufgezeigten Gesetzeszweck, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, im Sinne eines abstrakten Gefährdungstatbestandes die mit einem Anteil bemessene Partizipation Dritter an dem wirtschaftlichen Erfolg der heilberuflichen Tätigkeit des Apothekers, um deren wirtschaftliche und pharmazeutische Unabhängigkeit zu schützen, ohne dass es im Einzelfall tatsächlich zu einer solchen Beeinträchtigung kommen muss. Vielmehr sind nach dem Gesetzeswortlaut, der damit in Einklang stehend keine bestimmte Höhe einer untersagten Umsatzbeteiligung vorsieht, die verbotenen Verhaltensweisen generell als abstrakt-gefährlich für die Unabhängigkeit der Apotheker zu qualifizieren (VG Berlin, MedR 2007, 56, 58; Mand. A&R 2022, 219, 224).

Randnummer224
Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszweckes würde es auch nicht einleuchten, wieso die Vereinbarung einer bestimmten prozentualen Beteiligung am Gesamtumsatz unzulässig sein sollte, während eine (höhere) prozentuale Beteiligung an einem Teil des Umsatzes, die rechnerisch bezogen auf den Gesamtumsatz wiederum der Höhe der unzulässigen Beteiligung am Gesamtumsatz entsprechen würde, zulässig sein sollte.

Randnummer225
cc) Dementsprechend ist der Verweis der Klägerin darauf, das Landgericht habe keine Feststellungen zum Verhältnis vom Vor-Ort-Geschäft der Apotheken und Onlinehandel und insoweit – zusätzlich – zwischen Rx- und OTC-Produkten getroffen, unerheblich.

Randnummer226
Anders als die Klägerin meint, lässt sich der von ihr genannten und vorstehend unter B. IV. 1 zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anwendung des § 8 Satz 2 ApoG gerade nicht entnehmen, dass im Einzelfall eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Apothekers positiv festzustellen ist. Eine solche Tatbestandsvoraussetzung enthält die Verbotsnorm nicht. Dementsprechend heben die genannten höchstrichterlichen Entscheidungen hervor, dass § 8 Satz 2 ApoG solche Rechtsverhältnisse verhindern „will“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 3 C 30/13, Rn. 14) bzw. „soll“ (vgl. BGH, NJW 2004, 1523 Rn. 12 [bei juris]), weshalb die Umsatzbeteiligung für die dort genannten Rechtsgeschäfte generell untersagt ist. Damit in Einklang stehend ist die Höhe der umsatzorientierten Gegenleistung des Apothekers nicht entscheidend (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 803, 805 zur Miete).

Randnummer227
dd) Daraus, dass bei einem Entfallen der umsatzbezogenen Transaktionsgebühr, die Teil des Entgelts für die Nutzung der Plattform ist und insofern in die Kalkulation der Klägerin für die Forderung einer Gegenleistung eingeflossen sein dürfte, ggf. eine höhere Grundgebühr verlangt werden könnte oder ggf. durch einen Fixbetrag ersetzt werden könnte, folgt ebenfalls nichts Anderes.

Randnummer228
Denn diese Konsequenz des Verbots aus § 8 Satz 2 ApoG betrifft nicht speziell die hier gegenständliche Onlineverkaufsplattform, sondern gilt etwa für Miet- oder Lizenzverträge ebenfalls. Auch bei diesen führt das Verbot einer umsatzabhängigen Höhe der Miete oder Lizenzgebühr ggf. dazu, dass der Vermieter entsprechende Aufschläge bei der fixen Monatsmiete oder Lizenzgebühr vornimmt, ohne dass dies nach dem gesetzgeberischen Willen das generelle Verbot umsatzabhängiger Vergütungen in Frage stellt.

Randnummer229
d) Im Streitfall kann dahinstehen, ob § 8 Satz 2 ApoG in reinen „Bagatellfällen“ keine Anwendung findet und ob dies insbesondere gilt, wenn der „überlassene Vermögenswert“ von gänzlich untergeordneter Bedeutung für den Geschäftsbetrieb der Apotheke ist (in diese Richtung VG Mainz, Urteil vom 21.11.2008 – 4 K 375/08, juris Rn. 46).

Randnummer230
Die Überlassung der digitalen Infrastruktur zur Etablierung eines digitalen Verkaufsraums ist als solche in Zeiten zunehmender Digitalisierung nicht von untergeordneter Bedeutung. Zudem macht die Klägerin nicht geltend, das angegriffene Vergütungsmodell nur in etwaigen Bagatellfällen – etwa bis zu einer gewissen (geringen) Anzahl von verkauften OTC-Produkten oder bei Apotheken, deren Umsatz mit dem Plattformgeschäft von zu vernachlässigender Bedeutung ist – zur Anwendung bringen zu wollen.

Randnummer231
Dass die von der Klägerin beabsichtigte Umsatzbeteiligung ausschließlich in solchen Fällen tatsächlich zur Anwendung kommen wird, was allein den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ausschließen könnte, ist daher zur sicheren persönlichen Überzeugung der Senatsmitglieder – gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des Onlinehandels – ausgeschlossen.

Randnummer232
Insbesondere stellt ihre Angabe, Apotheken erzielten durchschnittlich 83 % ihres Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Medikamenten (Anlage K4), dieses Ergebnis nicht in Frage. Dies unterstellt, wären potentielle Umsatzbeteiligungen an den verbleibenden Umsätzen im Onlinehandel mit OTC-Produkten, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit derzeit etwa 5 % des Gesamtumsatzes angegeben hat, dennoch nicht von vornherein als völlig unerheblich einzuordnen.

Randnummer233
e) Die von der Klägerin genannten Beispiele für eine umsatzabhängige Vergütung bestimmter Dienstleistungen durch Apotheken, etwa die Gebühren, die Apotheken bei einer EC-Kartenzahlung ihrer Kunden an Banken oder an zentrale Rechenzentren, die Arzneimittelverkäufe für Apotheken abrechnen, zahlen, sowie die prozentual am Umsatz ausgerichteten Beiträge an die Apothekerkammer führen deshalb zu keiner abweichenden Beurteilung, weil § 8 Satz 2 ApoG die umsatzabhängige Vergütung nicht generell, sondern für einen überlassenen Vermögenswert untersagt. An letzterem fehlt es in sämtlichen von der Klägerin genannten Beispielen, so dass diese keine Rückschlüsse auf die Zulässigkeit des hier in Rede stehenden Vergütungsmodells zulassen.

Randnummer234
f) Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des OLG Naumburg (Urteil vom 07. November 2019 – 9 U 6/19, juris) und des LG Hamburg (Beschluss vom 4. Januar 2021 – 327 O 3/12, unveröffentlicht; vorgelegt als Anlage K3) sowie des Landgerichts Berlin (Urteil vom 13. Juli 2023 - 93 O 42/22, vorgelegt als Anlage BK2), die eine prozentuale Umsatzbeteiligung des Plattformbetreibers an einzelnen Transaktionen des Apothekers für zulässig halten und hierin keinen Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG sehen, führen ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung des Senats.

Randnummer235
Das OLG Naumburg setzt sich nicht mit den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen auseinander, sondern verneint – ohne nähere Begründung –, dass der dort gegenständliche Vertrag, der nach der Behauptung des dortigen Klägers, die das Oberlandesgericht Naumburg als bloße Vermutung ansieht, eine Umsatzbeteiligung von 15 % pro Transaktion vorsieht, von § 8 Satz 2 ApoG erfasst wird, weil es sich nicht um „partiarisches Darlehen“ oder um einen am „Umsatz ausgerichteten Mietvertrag“ handele (vgl. OLG Naumburg, aaO Rn. 91). Dies sieht der Senat mit Blick auf die von § 8 Satz 2 ApoG ebenfalls erfasste „Überlassung von Vermögenswerten“, wobei diese Tatbestandsvariante vom OLG Naumburg nicht erörtert wird, aus den bereits angeführten Gründen anders.

Randnummer236
g) Dementsprechend ergibt sich auch aus dem von der Klägerin geschilderten Verlauf des Revisionsverfahrens gegen das vorstehend genannte Urteil des OLG Naumburg nichts Gegenteiliges.

Randnummer237
Dieses hat der Bundesgerichtshof ausgesetzt und den Gerichtshof mit Beschluss vom 12.01.2023 (GRUR 2023, 264 - Arzneimittelbestelldaten) in einem parallel gelagerten Revisionsverfahren um Vorabentscheidung zu datenschutzrechtlichen Fragestellungen und zu Fragen zur wettbewerbsrechtlichen Klagebefugnis ersucht. Eine höchstrichterliche Klärung zu der hier interessierenden Rechtsfrage im Zusammenhang mit § 8 Satz 2 ApoG steht damit noch aus. Da der Kläger des dortigen Revisionsverfahrens der Sache nach mehrere Unterlassungsansprüche – gestützt auf unterschiedliche Verstöße gegen verschiedene potentielle Verbotsnormen – geltend macht, lassen sich entgegen der Auffassung der Klägerin aus der genannten Vorlage an den Gerichtshof auch keine „zwingenden“ Rückschlüsse der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs zu der Auslegung von § 8 Satz 2 ApoG herleiten.

Randnummer238
h) Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. Februar 2024 (C-606/21, GRUR-RS 2024, 3022) stellt den angenommenen Verstoß der geforderten umsatzabhängigen Transaktionsgebühr nicht in Frage. Aus europarechtlichen Vorgaben folgt keine einschränkende Auslegung des § 8 Satz 2 ApoG.

Randnummer239
aa) Der Gerichtshof hat sich in dem genannten Urteil nur mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betrieb einer Onlineplattform, an der Apotheken gegen Entgelt teilnehmen und an Kunden nicht verschreibungspflichtige Medikamente verkaufen können, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Info-RL anzusehen ist und ob solche Dienste unter Beachtung des Art. 85c Humanarzneimittel-RL durch nationale Vorschriften generell verboten werden können.

Randnummer240
bb) Ein generelles Verbot eines entsprechenden Dienstes ist allerdings weder Gegenstand der Regelung des § 8 Satz 2 ApoG noch des hierauf bezogenen Widerklageantrags Ziff. 1.2. Insoweit geht es um die Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung im Zusammenhang mit dem grundsätzlich zulässigen Betrieb eines digitalen Marktplatzes für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Dessen grundsätzliche Zulässigkeit stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.

Randnummer241
Zu der hier interessierenden Frage, ob eine umsatzabgängige Vergütung für die Überlassung eines „digitalen Verkaufsraums“ unter bestimmten Voraussetzungen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Apotheker nach nationalen Bestimmungen ausgeschlossen werden kann, verhält sich der Gerichtshof in der genannten Entscheidung nicht.

Randnummer242
cc) Insoweit hat der Gerichtshof lediglich in Zusammenhang mit der Beantwortung der (ersten) Vorlagefrage, ob ein Plattformbetreiber, der einen Dienst erbringt, „der auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die diesen Dienst abonniert haben, unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmungen fällt“, ausgeführt, eine monatliche Grundgebühr und ein von der Plattform einbehaltener Prozentsatz der Verkaufsgebühr erfüllten das Kriterium der „Entgeltlichkeit“ der Dienstleistung nach Art. 1 Abs. 1 lit. b Info-RL. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Entgelt nicht vom Kunden (der Apotheken) an den Plattformbetreiber, sondern von den teilnehmenden Apotheken entrichtet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2024 - C-606/21, GRUR-RS 2024, 3022 Rn. 29).

Randnummer243
dd) Im Zusammenhang mit der Frage, ob ein solcher „Dienst der Informationsgesellschaft“ unter Beachtung des Art. 85c Humanarzneimittel-RL generell verboten werden kann, geht der Gerichtshof mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter auf die Frage ein, ob diese Vorschrift auch so auszulegen ist, dass sie nationalen Vorschriften entgegensteht, nach denen eine solche Dienstleistung zwar grundsätzlich zulässig ist, aber aus Gründen des Gesundheitsschutzes bestimmte umsatzabhängige Vergütungsmodelle ausschließt.

Randnummer244
Solches ergibt sich nicht daraus, dass der Gerichtshof (aaO Rn. 53 ff.) ausführt, „sollte der in Rede stehende Dienstleister nicht selbst die Medikamente verkaufen, könne ihm der Fernabsatz nicht verschreibungspflichtiger Medikamente auch nicht aufgrund von Art. 85c Abs. 2 Humanmedizin-RL untersagt werden“. Denn damit schließt der Gerichtshof erkennbar nicht Beschränkungen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des grundsätzlich zulässigen Fernabsatzes von OTC-Produkten generell aus, sondern weist zutreffend darauf hin, dass nach Art. 85c Abs. 1 Humanarzneimittel-RL ein solcher Dienst grundsätzlich erlaubt ist und daher nicht wiederum nach Art. 85 c Abs. 2 Humanarzneimittel-RL generell untersagt werden kann (vgl. EuGH, aaO Rn. 54, insb. Rn. 56 wo dies als „nicht schlüssig“ bezeichnet wird). Aus diesem Grund nimmt der Gerichtshof den Plattformbetreiber, sofern er nicht selbst Medikamente verkauft, insoweit – hinsichtlich eines generellen Verbots – vom Anwendungsbereich des Art. 85c Abs. 2 Humanarzneimittel-RL aus.

Randnummer245
ee) Damit ist es allerdings nicht ausgeschlossenen, einzelne Modalitäten im Zusammenhang mit dem grundsätzlich zulässigen Betrieb einer Onlineplattform durch nationale Vorschriften (einschränkend) zu regeln, sofern diese nach Art. 85c Abs. 2 Humanarzneimittel-RL „aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sind“ (vgl. EuGH, aaO Rn. 47).

Randnummer246
Insoweit kann unterstellt werden, dass die von der Klägerin erbrachte Dienstleistung rechtlich als „Dienst der Informationsgesellschaft“ nach Art. 1 Abs. 1 lit. b Info-RL einzuordnen ist und sie deshalb – hinsichtlich nicht verschreibungspflichtiger Medikamente – diesen Dienst nach Art. 85c Abs. 1 Humanarzneimittel-RL grundsätzlich erbringen darf, ohne dass ihr dies nach nationalen Vorschriften generell untersagt werden könnte.

Randnummer247
Denn nach dem vorstehend geschilderten Zweck des § 8 Satz 2 ApoG ist die Bedingung, wonach eine umsatzabhängige Vergütung des Plattformbetreibers ausgeschlossen ist, auch nach Art. 85c Abs. 2 Humanarzneimittel-RL europarechtlich gerechtfertigt (so auch Mand, A&R 2022, 219, 226). Im Zusammenhang mit dem sog. „Fremdbesitzverbot“ nach § 7 ApoG, § 8 Satz 1 ApoG hat der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 19. Mai 2009 – C-171/07 u. C-172/07, NJW 2009, 2112, 2114) dementsprechend bereits entschieden, es sei legitim, durch präventiv wirkende Vorgaben sicherzustellen, dass sich die Beratung und Arzneimittelvergabe in Apotheken ausschließlich an pharmakologischen-gesundheitlichen Gesichtspunkten orientiert. § 8 Satz 2 ApoG ergänzt das Fremdbesitzverbot und schließt, wie bereits dargelegt, Rechtsgeschäfte aus, die die unabhängige Betriebsführung der Apotheken abstrakt gefährden, um hierdurch ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten (siehe auch BGHSt 47, 285 Rn. 17 f.)

Randnummer248
3. Danach besteht der mit Widerklageantrag Ziff. 1.2 geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, § 3a UWG.

Randnummer249
a) § 8 Satz 2 ApoG soll Verhaltensweisen entgegenwirken, die die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung beeinträchtigen, und ist daher eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (vgl. MüKo UWG/Schaffert, 3. Aufl. 2020, § 3a UWG Rn. 185; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, § 3a UWG Rn. 44; vgl. auch BGH, GRUR 2016, 215 Rn. 20 - Zuweisungen von Verschreibungen zu § 11 Abs. 1 ApoG, der eine vergleichbare Zielsetzung hat).

Randnummer250
b) Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen sind stets geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen, wenn sie – wie hier – den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken (vgl. BGH, GRUR 2018, 745 Rn. 13 mwN - Bio-Gewürze II) oder der Sicherheit der Verbraucher dienen (vgl. OLG Stuttgart, WRP 2021, 116, 119; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.102 mwN).

Randnummer251
c) Die Klägerin hat mindestens einen Vertrag zu entsprechenden Konditionen geschlossen. Damit hat sie gegen die Marktverhaltensregel verstoßen, und die hierdurch eingetretene Wiederholungsgefahr ist nicht ausgeräumt.

Randnummer252
d) Der Unterlassungsanspruch ist auch begründet, soweit vom Verbot auch erfasst sein soll, wenn der Marktplatz von „einem mit der Klägerin verbundenen Unternehmen“ betrieben wird.

Randnummer253
Soweit damit der Betrieb der Verkaufsplattform durch von mit der Klägerin konzernverbundene Unternehmen erfasst werden soll, wäre dies der Sache nach bereits im Unterlassungsantrag ohne einen solchen Zusatz enthalten, weil der Unterlassungsantrag auf die Vertragsanbahnung bzw. den Vertragsschluss zu den beanstandeten Konditionen mit der Klägerin abstellt, der eine Aufschaltung auf eine solche digitale Plattform beinhaltet. Auch wenn die von der Klägerin als Vertragspartner geschuldete funktionsfähige technische Infrastruktur den Apotheken durch ein letztlich beliebiges Drittunternehmen als Erfüllungsgehilfe der Klägerin bereitgestellt wird, ändert dies an dem täterschaftlichen Verstoß der Klägerin gegen § 8 Satz 2 ApoG als Vertragspartnerin der teilnehmenden Apotheke nichts.

Randnummer254
4. Ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen der Forderung der Transaktionsgebühr im Streitfall zudem aus einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV folgt, kann dahinstehen, nachdem die Beklagte klargestellt hat, dass sie diesen nur hilfsweise für den Fall geltend macht, dass ihr auf den Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG gestützter Unterlassungsanspruch keinen Erfolg haben sollte.

Randnummer255
V. Die Kostentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz auf § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO und wegen der Kosten des Berufungsverfahrens auf § 97 ZPO, § 92 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ZPO.

Randnummer256
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO, § 711 ZPO.

Randnummer257
VI. Die Revision wird zugelassen.

Randnummer258
Der Rechtsstreit betrifft im Zusammenhang mit der entgeltlichen Nutzung einer von einem Drittanbieter bereitgestellten digitalen Verkaufsplattform durch niedergelassene Apotheken klärungsbedürftige Rechtsfragen, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit haben (§ 543 Abs. 2 Satz1 Nr. 1 ZPO). Hinsichtlich des angenommenen Verstoßes gegen § 8 Satz 2 ApoG ist zudem mit Blick auf die genannte Entscheidung des OLG Naumburg die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 2 Satz1 Nr. 2 2 Alt. ZPO).

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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