Zwei Ärzte machen schon ein "Zentrum"(1.6.2023) Die Verwendung des Begriffs "Zentrum" für eine Gemeinschaftspraxis aus zwei Ärzten (hier: zwei Schönheitschirurgen, die unter anderem Penis-Operationen anbieten) ist nicht irreführend im Sinne des § 3 Heilmittelwerbegesetzes und daher erlaubt (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11.5.2023, Az. 6 U 4/23). 

Der Fall:

Eine Gemeinschaftspraxis aus zwei Fachärzten für plastische und ästhetische Chirurgie, die unter anderem Schönheitsoperationen und Penisoperationen durchführt, bezeichnete sich in einer Werbung als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“. Ein plastischer Chirurg aus Darmstadt mahnte diese Werbung ab, das Landgericht Frankfurt aM bestätigte das Verbot dieser Werbung (LG Frankfurt aM, Urteil vom 30.11.2022, Az. 2-06 O 209/22). Gegen das gerichtliche Verbot der Werbung gingen die beiden Schönheitschirurgen in Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt aM. 

Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer früheren Grundsatzentscheidung sehr hohe Anforderungen an die Annahme einer Irreführung durch die Verwendung des Begriffs "Zentrum" durch Ärzte aufgestellt (BVerfG, 07.03.2012, 1 BvR 1209/11.). Die praktikable Anwendung von herkömmlichen Kriterien wie Größe, Bedeutung, Mittelpunktfunktion sowie überdurchschnittliche Qualität oder Quantität einer ärztlichen Einrichtung hat es dabei in Zweifel gezogen. Sowohl der stete Wandel der Bedeutung des Zentrumsbegriffs als auch die regionale Praxis der Verwendung der Bezeichnung müssten berücksichtigt werden. In Anlehnung an das Medizinische Versorgungszentrum, das mindestens zwei Ärzte erfordert (§ 95 Abs. 1 S. 2 SGB V), ist davon auszugehen, dass ein Zentrum mindestens zwei Ärzte beschäftigen muss (vgl. Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2017.baek.arzt_werbung_oeffentlichkeit01). Wirbt dagegen ein Arzt für seine Einzelpraxis mit der Bezeichnung „Zentrum“ und nimmt nur gelegentlich konsiliarische Beratung weiterer Ärzte in Anspruch, so wurde dies im Einzelfall als irreführend beurteilt (Berufsgericht für Ärzte Hannover, 22.04.2015, Az.: BG 9/14). Eine hochspezialisierte Neurochirurgin, die jährlich über 200 Rückenopertionen durchführt, in der Region als einzige diese Behandlungen anbietet sowie in ihrer Praxis sowohl Diagnose, Behandlung und Nachversorgung erbringt, darf ihre Praxis als "Wirbelsäulenzentrum (Ortsname)" bezeichnen (Landesberufsgericht für Ärzte Stuttgart, Urteil vom 30. Juli 2022 – LBGÄ Nr. 01/2022).

Die Entscheidung: 

Das OLG Frankfurt aM gab den beiden Schönheitschirurgen Recht und erlaubte ihnen, ihre Gemeinschaftspraxis weiter als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ zu bewerben. Wie das Gericht in seiner Pressemitteilung ausführt, sei die Bezeichnung der von den Antragsgegnern betriebenen Arztpraxis als „Zentrum“ für ästhetischen und plastische Chirurgie für den Verkehr nicht irreführend. Maßgeblich sei, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung verstehe. Grundsätzlich erwarte der Verkehr zwar bei dem Begriff „Zentrum“ eine personelle und sachliche Struktur eines Unternehmens, die über vergleichbare Durchschnittsunternehmen hinausgehe. Jedenfalls im medizinischen Bereich weise der Begriff „Zentrum“ aber nicht (mehr) auf eine besondere Größe hin. Nach den aktuellen gesetzlichen Voraussetzungen erfordere ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) keine bestimmte Größe (§ 95 Abs. 1 S. 1 SGB V). Das früher bestehende Erfordernis einer fachübergreifenden Kooperation sei 2015 entfallen. Praxen mit zwei tätigen Ärzten hätten demnach die Möglichkeit, unter der Bezeichnung „Medizinisches Versorgungszentrum“ auf dem Markt aufzutreten. Der Verkehr sei mit der gerichtsbekannten Häufigkeit des Auftretens von MVZs auf dem Markt an diese Begrifflichkeit gewöhnt. „Das häufige Auftreten der (Versorgungs-)Zentren auf dem Markt der Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen wirkt einem Verständnis entgegen, dass von einer überdurchschnittlichen Größe der Praxis ausgeht“, untermauert das OLG Frankfurt aM seine Einschätzung.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
Witzlebenstraße 3 - 14057 Berlin - Tel: (030) 536 47 749
E-mail: mail@christmann-law.de