Das Bundessozialgericht entschied, dass Heimpatienten nicht per se als Praxisbesonderheit gelten im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung - dazu muss der Arzt schon im Detail ausführen, was bei dem Heimpatienten zu tun war (Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2013 - B 6 KA 40/12 R).

Der Fall:

Gegen zwei Fachärzte für Allgemeinmedizin einer Gemeinschaftspraxis wurde eine Beratung angeordnet sowie wegen Überschreitung der Richtgröße für Verordnungen einen Regress von rund 2.800 Euro festgesetzt.

Dagegen klagten die Ärzte unter Berufung auf Praxisbesonderheiten (Heimbewohner). Dabei machten sie aber nur wenige Angaben zu den Patienten.

Sie gaben u.a. an, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum 200 Pflegeheimpatienten behandelt hätten. Angaben zu deren Namen, Diagnose Indikation, verordneten Arzneimitteln etc. machten sie dabei nicht. Des weiteren benannten sie 20 Patienten namentlich, davon 17 Heimpatienten.

Die Entscheidung:
Damit hatten sie nur zu einem kleinen Teil Erfolg.

Das BSG sah aber die Heimbetreuung nicht per se als Praxisbesonderheit an und wies die Klage gegen die vorinstanzliche Festsetzung einer Beratung im Rahmen der Richtgrößenprüfung ab. Dazu das BSG im Wortlaut:
"Rechtsfehlerfrei hat der Beklagte angenommen, dass die Betreuung von Pflegeheimbewohnern eine Praxisbesonderheit darstellen kann, wenn nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht. Ein solcher ergibt sich aber nicht per se aus dem Umstand, dass ein Patient in einem Pflegeheim wohnt. Weder die Pflegebedürftigkeit noch die spezielle Wohnsituation lassen ohne Weiteres auf erhöhte Verordnungskosten schließen. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Amtsermittlung mögliche Besonderheiten in diesem Zusammenhang - wie etwa den Mehraufwand für die Verordnungen von Antidementiva - untersucht und berücksichtigt. Er hat erhöhte Kosten für Wundbehandlungen bei Pflegebedürftigen erwogen, aber nicht feststellen können. Ein Vergleich der Diagnosehäufigkeiten mit der Fachgruppe zeigte keine signifikanten Besonderheiten. Weitere Ermittlungen von Amts wegen musste der Beklagte nicht anstellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht verpflichtet, die Verordnungskosten für die einzelnen von der Klägerin behandelten Pflegeheimbewohner zu ermitteln. Dies dürfte ihm schon deshalb nicht möglich gewesen sein, weil ihm nach §§ 296 ff SGB V Adressen von Versicherten für die arztbezogenen Prüfungen nach § 106 Abs 2 Nr 1 SGB V regelmäßig nicht übermittelt werden.

Etwaige Mehraufwendungen für die Betreuung von Pflegeheimpatienten hätte vielmehr die Klägerin konkret darlegen müssen. Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt.

Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden. Regelmäßig nicht zielführend ist der Hinweis auf schwere und kostenintensive Erkrankungen, weil sich solche Fälle in jeder Praxis finden.“

Praxistipp:
Wer Heimpatienten als Praxisbesonderheiten geltend machen will, muss Angaben machen zu Indikation, Diagnose, Name der Versicherten, Krankenkassenversichertennummer, verordneten Arzneimitteln sowie Menge und Quartalskosten der Einzelmedikamente. Nur so können seine Praxisbesonderheiten (d.h. der erhöhte Behandlungsbedarf) Berücksichtigung finden. Zwar ist es aufwändig, diese Daten herauszuarbeiten und zu sammeln, es lohnt sich aber in den meisten Fällen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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