Ein Patient, der dem behandelnden Arzt vorwirft, nicht richtig über die Risiken einer Operation aufgeklärt worden zu sein, weil er nach ärztlicher Anweisung vor der OP alle Schmerzmittel abgesetzt habe und daher bei dem Aufklärungsgespräch "unter Entzug" gestanden habe, muss dies beweisen (OLG Naumburg, Urteil vom 14.02.2008 - 1 U 66/07 -).

Der Kläger war seit 1988 in ambulanter Behandlung wegen zunehmender Rückenschmerzen. Wegen fortdauernder Schmerzen wurde der Kläger am 16. Januar 2001 stationär aufgenommen. Die Ärzte empfahlen einen operativen Eingriff zur Beseitigung einer Verengung der Halswirbelsäule. Die Einzelheiten der Aufklärung vor der Operation sind heftig umstritten. Der Kläger willigte am 22. Januar 2001 nach einem zweitägigen Urlaub zu Hause und jedenfalls am Ende eines Gespräches mit dem Stationsarzt Dr. med. U. B., schriftlich in die geplante Operation an der Halswirbelsäule ein.

Alle vier Glieder des Patienten waren einige Zeit nach der Operation gelähmt, sog. Tetraparese. Diese bildete sich unter sofortiger Kortison-Behandlung teilweise zurück.
Der Kläger meint, dass die durchgeführte Eingriffsaufklärung nicht ausreichend gewesen sei. Er kritisiert u.a., dass die Eingriffsaufklärung in der falschen Situation erfolgt sei, nämlich nach dem Absetzen der Schmerzmittel.

Das OLG Naumburg sieht keinen Aufklärungsfehler und weist die Klage ab.
Es führt dazu aus: "Soweit der Kläger eine unzureichende Aufnahmefähigkeit am 22.01.2001 im Hinblick auf seine Schmerzen behauptet hat, folgt der Senat dieser Darstellung vor allem auch im Ergebnis seiner eigenen ergänzenden Beweisaufnahme nicht.
Der Sachvortrag des Klägers hierzu ist bereits äußerst karg und ungenau und steht im Widerspruch zur Behandlungsdokumentation. Der Kläger hat in erster Instanz erstmals im Schriftsatz vom 19.3.2007, mithin mehr als eineinhalb Jahre nach Einreichung der Klageschrift vom 20.7.2005, überhaupt vorgetragen, dass er „... in Vorbereitung der Operation ... sämtliche Schmerzmittel absetzen musste ... “ [...]. Er habe sich in einem Zustand des Entzuges befunden (Beweis: Zeugnis Ehefrau).
Nach dem Inhalt der Patientenakte bei der Beklagten ist eine ärztliche Anweisung zur Absetzung von Schmerzmitteln nicht erkennbar. Vielmehr wurde dem Kläger lt. Dokumentation in der Zeit vom 17.01.2001 bis zum 22.01.2001 jeweils morgens und abends und am 23.01.2001 morgens durchgängig Ibuprofen 800 verabreicht; am 22.01.2001 – dem Tag der Wiederaufnahme und des Aufklärungsgespräches – bekam der Kläger zusätzlich dreimal Voltaren 25 (beides nichtopioide Analgetika) sowie zur Lösung von Schmerz ausstrahlenden Muskelverspannungen zweimal Musaril.
Auch der späte Zeitpunkt dieses Vortrags spricht gegen seine Richtigkeit, weil der Kläger vorher mehrfach Veranlassung gehabt hätte, diesen Einwand vorzubringen, und zwar nach der Klageerwiderung vom 10.10.2005, in der auf S. 2 f. (vgl. GA Bd. I Bl. 64 ff., 65 f.) ausführlich zur Aufklärung vorgetragen worden war, nach dem Gutachten vom 2.2.2006, in dem die Aufklärung als „ohne Tadel“ bewertet worden war [...], worauf der Kläger lediglich mit Nachfragen zur tatsächlichen Grundlage dieser Bewertung reagierte. [...] Die vom Senat gleichwohl durchgeführte Beweisaufnahme hat die Angaben des Klägers nicht bestätigt. Die Ehefrau des Klägers, die Zeugin R. H., konnte zwar erhebliche Rücken- und Migräneschmerzen des Klägers in dieser Zeit bekunden und angegeben, dass der Kläger während seines Wochenendaufenthaltes zu Hause keinerlei Schmerzmittel eingenommen habe. Ihre Aussage war aber unergiebig im Hinblick darauf, ob dies auf einer ärztlichen Anweisung in der Klinik der Beklagten beruhte, ob sich eine etwaige Anordnung der Nichteinnahme von Medikamenten allein auf Arzneimittel bezogen haben könnte, die die Blutgerinnung reduzieren, oder ob es für die Ärzte der Beklagten erkennbar gewesen wäre, dass der Kläger keine Schmerzmittel eingenommen habe.“

Hinweis:
Das Urteil zeigt einmal mehr, dass die Behandlungsakte zentrale Bedeutung im Arzthaftungsprozess hat. Was in ihr drinsteht, gilt. Was nicht darin steht, ist wahrscheinlich auch nicht geschehen.
Der Patient ist daher gut beraten, vor einem prozessualen Losschlagen die Akte genau prüfen zu lassen und zwar von einem Anwalt UND einem Arzt. Dann kann er sich jahrelange und eventuell erfolglose Rechtsstreitigkeiten ersparen. Wie der vorliegende Fall zeigt, hat der Patient drei volle Jahre mit nutzlosen Rechtsstreitigkeiten vertan.
Ich arbeite mit einem Netzwerk von Ärzten zusammen, denen ich nach Einsicht in die Behandlungsakte diese Akte vorlege zur fachkundigen Prüfung, ob Fehler vorliegen. Erst dann wird entschieden, ob Arzthaftungsansprüche geltend gemacht werden.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
Witzlebenstraße 3 - 14057 Berlin - Tel: (030) 536 47 749
E-mail: mail@christmann-law.de