(5.9.2019) Im Streit vor dem Landessozialgericht Sachsen (Urteil vom 13.3.2019 - L 1 KA 17/18) standen u.a. Fragen der Nachbesetzung eines Arztsitzes von einer sich nun auflösenden Gemeinschaftspraxis (BAG) hin zu einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ):

Ärzte und Pfleger im MVZ im Gespräch1. Auf welchen Zeitpunkt muss man abstellen hinsichtlich der Frage, ob bei einer Praxisbeendigung einer BAG und Praxisnachbesetzung (noch) eine "fortführungsfähige Praxis" (nachbesetzungsfähige Praxis) besteht? Auf den aktuellen Zustand oder auf den Zeitpunkt der Beantragung der Nachbesetzung? 

Antwort: Maßgeblich ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Nachbesetzung beantragt wurde. Wenn danach die BAG während des Prozesses der Nachbesetzung zerfällt, ist dies ohne negative Auswirkung auf das Nachbesetzungsverfahren. In diesem Fall sind allerdings bei der Bewerberauswahl die Interessen der in der Praxis verbleibenden Vertragsärztei natürlich nicht mehr zu berücksichtigen.

Hintergrund: 

Ein Vertragsarztsitz kann nur nachbesetzt werden, wenn es noch eine fortführungsfähige Praxis gibt. Ist diese eingegangen und werden dort keine Patienten mehr betreut, muss der Sitz eingezogen werden. Das Nachbesetzungsverfahren kann sich aber hinziehen, vor allem, wenn Mitbewerber gegen die Auswahl eines Bewerbers durch den Zulassungsausschuss klagen. Im Verlauf dieses Streits kann dann die fortführungsfähige Praxis zerfallen. 

Anmerkung:

Es ist korrekt und nachvollziehbar, dass dieser Zerfall der fortführungsfähigen Praxis dem Veräußerer und dem Erwerber nicht zum Nachteil gereichen soll. 

2. Darf ein MVZ, das sich mitttels eines (bestimmten) angestellten Arztes auf den freiwerdenden Sitz der BAG bewirbt, diesen angestellten Arzt im Verlauf des Bewerbungsverfahrens durch einen anderen Arzt auswechseln?

Antwort: Ja, denn es kommt grundsätzlich auf die Person des angestellten Arztes nicht an. DFas MVZ kann ja auch von einer persönlichen Bewerbung eines anzustellenden Arztes später noch auf eine sog. Konzeptbewerbung umstellen.

Hintergrund:

Die Bewerbung eines MVZ auf einen Sitz erfolgt immer unter Bezugnahme auf einen konkreten, anzustellenden oder bereits angestellten Arzt. Zieht sich das Nachbesetzungsverfahren dann aber hin, kann es z.B. sein, dass der Arzt, der sich auf die Anstellung im MVZ beworben hat, abspringt.

Anmerkung:

Dafür kann das MVZ nichts. Es ist daher völlig in Ordnung und ohne negativen Einfluß auf das Nachbesetzungsverfahren, wenn das MVZ den anzustellenden Arzt im Verlauf des Nachbesetzungsverfahrens auswechselt.  

3. Hat es negative Auswirkungen auf die Auswahl eines MVZ als Erwerber des Vertragsarztsitzes, dass sich der Gesellschaftszweck der Trägergesellschaft des MVZ nach dem 31.12.2011 ändert, indem dieser vom Betrieb eines MVZ auf den Betrieb mehrerer MVZ wechselt?

Antwort: Nein, das ändert nichts an dem Bestandsschutz (§ 103 Abs. 4c Satz 4 SGB V). 

Hintergrund: 

Gemäß § 103 Abs. 4c Satz 3 SGB V gilt zwar § 103 Abs. 4 SGB V im Falle der Bewerbung eines MVZ-Trägers mit der Maßgabe, dass bei der Auswahl des Praxisnachfolgers ein MVZ, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem MVZ als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen ist. Auch liegt bei sich hier bewerbenden MVZ die Mehrheit der Geschäftsanteile nicht bei Ärzten. Der Nachrang des § 103 Abs. 4c Satz 3 SGB V gilt aber gemäß § 103 Abs. 4c Satz 4 SGB V nicht, wenn das MVZ - wie hier der Fall - bereits am 31.12.2011 zugelassen war und schon zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte nicht bei den im MVZ tätigen Ärzten lag.

Anmerkung: 

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber dem Anliegen Rechnung getragen, den vor Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (Ende 2011) zugelassenen MVZ einen Bestandsschutz zu gewähren (auch wenn sie nicht - wie vom Gesetzgeber gewünscht - mehrheitlich ärztlich geleitet sind). 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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