(21.6.2019) Fordert die KV im Rahmen einer Qualitätsprüfung von einem niedergelassenen Arzt Behandlungsunterlagen an, die die Namen der Patienten enthalten (nicht pseudonymisert) und übergibt der Arzt diese nicht unter Hinweis auf den Datenschutz der Patienten, so darf die KV den Arzt deshalb nicht in Regress nehmen und dessen Leistungen kürzen. Denn patientenbezogene Informationen, die im Rahmen von Qualitätsprüfungen angefordert werden, sind zu pseudonymisieren, wie das Landessozialgericht entschieden hatte (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2018, L 7 KA 52/14). Das Bundessozialgericht hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil insofern weder Klärungsbedarf bestehe noch grundsätzliche Rechtsfragen berührt seien (BSG, Beschluss vom 15. Mai 2019 – B 6 KA 27/18 B).  

Datenschutz der AktenDer Fall: 

Der klagende Hausarzt, der u.a. Suchtkranke mit Substitutionsmitteln behandelt, wendet sich gegen die nachträgliche Korrektur des ihm von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erteilten Honorarbescheids für das Quartal 1/2010 aus Anlass einer Qualitätsprüfung.

Die Beklagte wählte den Kläger für eine Stichprobenprüfung von Substitutionsbehandlungen im Quartal 1/2010 aus. Sie forderte von ihm für 12 namentlich bezeichnete, nach dem Zufallsprinzip ermittelte Patienten Behandlungsdokumentationen an.

Der Arzt war dazu aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bereit und legte Widerspruch ein. Dies auch unter Hinweis auf eine Stellungnahme der von ihm eingeschalteten Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, wonach die Anforderung nicht pseudonymisierter Daten für Qualitätsprüfungen rechtswidrig sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Dann erließ die Beklagte am 11.5.2011 einen Bescheid, wonach 1. die Vergütung für die 12 Patienten zurückgefordert werde von dem klagenden Arzt und 2. er aufgefordert wurde, auch für das nächste Quartal weitere Dokumentationen von 12 weiteren Patienten namentlich bezeichneten Patienten vorzulegen.

Der Arzt legte Widerspruch und schließlich Klage ein, unterlag vor dem Sozialgericht und ging in Berufung.

Das Landessozialgericht gab dem Arzt Recht: 

Die Bescheide der KV verstießen gegen höherrangiges Recht. Gemäß § 299 Abs 1 S 1 Nr 1 und 2, Abs 2 SGB V in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung, die mit der bis zum 22.7.2015 geltenden Normfassung inhaltsgleich sei, habe der Gesetzgeber eine Anpassung schon bestehender RL des GBA dahingehend verlangt, dass patientenbezogene Informationen im Rahmen von Qualitätsprüfungen pseudonymisiert werden. Ausnahmen von dieser Regel seien erstmals im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG vom 16.7.2015 - BGBl I 1211) mit Wirkung ab 23.7.2015 zugelassen worden. Es müsse hingenommen werden, dass nach diesen Vorgaben Qualitätsprüfungen nur unter erschwerten Bedingungen durchführbar gewesen seien, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 299 SGB V aF selbst einen Ausgleich zwischen der Kernaufgabe Qualitätssicherung und dem verfassungsrechtlich verbürgten Sozialdatenschutz vorgenommen habe. Der Standpunkt der Beklagten und des Beigeladenen zu 3. würde dazu führen, dass der GBA einem parlamentsgesetzlichen Auftrag ohne jede Folgen nicht nachkommen könne. Doch selbst wenn die Aufforderung der Beklagten zur Einreichung der Patientendokumentationen rechtmäßig gewesen wäre, seien die angefochtenen Richtigstellungsbescheide rechtswidrig, da der Kläger die Nichtvorlage der Dokumentationen nicht zu vertreten habe. Nach dem Maßstab des § 276 Abs 1 BGB, auf den insoweit zurückzugreifen sei, sei hier ein unverschuldeter Rechtsirrtum des Klägers anzunehmen, weil die Rechtslage in Bezug auf eine untergesetzliche Norm, die höherrangigem Recht nicht entspreche, zweifelhaft und schwierig gewesen sei. Die Revison zum BSG wurde nicht zugelassen.

Die KV machte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Revision u.a. geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung.

Die Entscheidung:

Das BSG verneinte eine grundsätzliche Bedeutung oder eine Abweichung der Entscheidung des LSG von Entscheidungen des BSG und wies den Antrag zurück, womit die Entscheidung des LSG bestätigt wurde. 

Bedarf zur Klärung von Rechtsfragen in einem Revisionsverfahren bestehe nicht. 

Bereits der Wortlaut des § 299 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB V verdeutliche, dass immer dann, wenn für Zwecke der Qualitätssicherung nach § 135a Abs 2 oder § 136 Abs 2 SGB V Sozialdaten von Versicherten erhoben werden sollen, die RL des GBA "sicherzustellen" haben, dass diese versichertenbezogenen Daten pseudonymisiert werden.

Praxisanmerkung:

Die zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen müssen – unabhängig vom Ort der Leistungserbringung – dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden. Die Überprüfung medizinischer Leistungen im Einzelfall durch Stichproben (Qualitätssicherung, § 136 II SGB V) ist ein wichtiges Instrument zur Sicherung und Förderung der Qualität der ärztlichen Behandlung.

Die Entscheidung bringt den niedergelassenen Ärzten Rechtssicherheit. Es ist ihnen also erlaubt, angeforderte Patientenunterlagen und Dokumentationen zu pseudonymisieren, ohne dafür mittels Honorarkürzungen bestraft zu werden. Die KV hat hier kein Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen. So kann der Arzt den gesteigerten Anforderungen an den Datenschutz aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSG-VO) Rechnung tragen.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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