(12.4.2019) Das Gericht hat eine Honorarrückforderung von rund 600.000 EUR gegen eine Allgemeinärztin wegen fehlerhafter Substitutionsbehandlung weitgehend bestätigt. Der tägliche Ansatz der GOP Nr. 01950 erfordert auch einen täglichen Arzt-Patienten-Kontakt, der hier fehlte. Dieser Kontakt muss bei der Vergabe des Substitutionsmittels erfolgen. Die sonstige Behandlung (u.a. Untersuchung, Urinanalyse, Auswahl und Dosierung des Substitutionsmittels) durch die Ärztin kann diesen Kontakt nicht ersetzen (Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2018 - S 2 KA 1520/16).

Methadon SubstitutionDer Fall:

Die Klägerin ist zugelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin, der 2006 die Genehmigung zur Behandlung von bis zu 50 Substitutionspatienten erteilt wurde.

Diese Genehmigung widerrief die KV 2016, weil die Ärztin einen ausgebildeten Elektriker beschäftigte (Herrn T2), der regelmäßig "Vertretungen" für die Ärztin in der Praxis übernehme, von ihr "Prokura" erhalten habe und deshalb Überweisungen, Krankmeldungen und Rezepte selbst unterzeichne. Verschreibungspflichtige Medikamente verordne er, soweit die Patienten diese bereits vorher schon einmal erhalten hätten. Zudem übernehme er auch die Vergabe von Substitutionsmitteln in Abwesenheit der Ärztin.

Die Ärztin klagte gegen den Widerruf der Genehmigung. Die Klage in der Hauptsache – Aktenzeichen S 2 KA 1329/16 - haben die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Ärztin mit Schreiben vom 14.12.2016 für die nächsten fünf Jahre auf die Substitutionsgenehmigung verzichtet hatte.

Im Sommer 2016 entzog der Zulassungsauschuß der Ärztin die Zulassung. Dagegen klagte sie, hat dann aber vor Gericht auf ihre Zulassung verzichtet.

Im vorliegenden Gerichtsverfahren geht es um die Aufhebung der der Ärztin erteilten Honorarbescheide für die Quartale 1/2009 bis 4/2015 in Höhe von 914.691,27 EUR, verbunden mit der Rückzahlung des zu Unrecht gezahlten Honorars für Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 01950 bis 01952 sowie 32138, 32140, 32142 bis 32146. Grund: Herr T2 nehme in keiner zulässigen Form am System der vertragsärztlichen Versorgung teil, behandele jedoch gleichwohl gesetzlich versicherte Patienten, welche dann über die Praxis der Ärztin gegenüber der Beklagten abgerechnet würden. Es lägen damit Verstöße gegen zahlreiche gesetzliche und untergesetzliche Vorschriften und die geltenden Abrechnungsbestimmungen vor.

Hiergegen richtet sich die am 16.12.2016 erhobene Klage der Ärztin.

Die Entscheidung:

Das Gericht ist nach Anhörung mehrerer Zeugen der Ansicht, die Ärztin habe die Ziffern GOP 01950 bis 01952 sowie 32138, 32140, 32142 bis 32146 EBM abgerechnet, obwohl sie den Inhalt der Leistungslegenden nicht erfüllt hat.

Der tägliche Ansatz der GOP Nr. 01950 erfordert auch einen täglichen ein Arzt-Patienten-Kontakt. An einem solchen Kontakt fehlte es weitgehend.

Nach den Feststellungen des Gerichts hat die Ärztin mehrfach die Praxis für eine oder zwei Wochen verlassen (für Fortbildungen, Urlaub oder Besuche ihrer Mutter in Rumänien). Des weiteren stellte das Gericht fest, dass sie auch zu Zeiten ihrer Anwesenheit keinen täglichen Arzt-Patienten-Kontakt bei der Vergabe der Substitutionsmittel gehabt hatte, stattdessen haben regelmäßig Mitarbeiter der Ärztin die Substitutionsmittel an die Patienten übergeben, während die Ärztin in der Praxis anwesend war, aber sich mit anderen Dingen beschäftigte.

Es reicht dabei aus Sicht des Gerichts für die tägliche Abrechnung der GOP 01950 EBM nicht aus, dass die Ärztin alle über die reine Vergabe des Substitutionsmittels hinausgehenden Maßnahmen des Therapiekonzepts (z.B. Anamnese, Untersuchung, Urinanalyse, Auswahl und Dosierung des Substitutionsmittels) selbst erbracht hat. Denn Leistungsinhalt der GOP 01950 ist ein täglicher Arzt-Patienten-Kontakt, und der muss - wenn keine anderen Therapiemaßnahmen durchgeführt werden - bei der Vergabe des Substitutionsmittels erfolgen. Die bloße Rufbereitschaft der Ärztin im Nebenraum zur Praxis genügt insofern nicht.

Das Gericht hat im Ergebnis das neu festzusetzende Honorar für die Substitutionsleistungen auf 304.897,09 EUR geschätzt. Die Ärztin muss also rund 600.000 EUR zurückzahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Praxisanmerkung:

Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung durch den Arzt ist streng zu beachten. Der Arzt kann bestimmte Aufgaben an qualifiziertes medizinisches Personal delegieren (z.B. können bestimmte Injektionen, Blutentnahmen und Verbandswechsel übertragen werden). Da Herr T2 aber weder Krankenpfleger noch medizinischer Fachangestellter war, kam eine Delegation keinesfalls in Betracht.

Die Allgemeinmedizinerin hat hier einen schwerwiegenden Fehler begangen, indem sie wesentliche ärztliche Tätigkeiten an einen Nichtmediziner übertragen hat. Der Fehler kostete sie die Genehmigung zur Substitutionsbehandlung, die Zulassung zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten und den wesentlichen Teil ihrer Honorare.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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