(17.3.2019) Eine Konkurrenzschutzklausel in einem Mietvertrag eines Zahnarztes, die es dem Vermieter verbietet, "an einen weiteren Zahnarzt oder Kieferchirurgen zu vermieten" erfasst auch die Vermietung an einen Kieferorthopäden, soweit der Mieter bei den Vertragsverhandlungen erklärte, dass es ihm wichtig ist, in dem Haus keinen wie auch immer gearteten Konkurrenten dulden zu müssen (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 12.4.2018 - 2 U 111/17). Wie lassen sich solche jahrelangen Streitigkeiten mit dem Vermieter vermeiden? 

Konkurrenzschutz für den ZahnarztDer Fall:

Ein Zahnarzt ist Mieter eines Mehrparteienhauses (A-Zentrum). In seinem Praxismietvertrag findet sich eine Konkurrenzschutzklausel, welche lautet:

"Der Vermieter sichert dem Mieter zu, dass er im A-Zentrum ohne schriftliche Zustimmung des Mieters keine Praxisflächen an einen weiteren Zahnarzt oder einen Kieferchirurgen vermieten wird."

Der Vermieter beabsichtigte, eine Teilfläche in dem Gebäude an Kieferorthopäden zu vermieten. Er ist der Ansicht, dass der - im Gegensatz zu den im Mietvertrag ausdrücklich aufgeführten Zahnärzten und Kieferchirurgen - nicht in § 9 des Mietvertrages genannte Berufszweig des Kieferorthopäden nicht unter den Konkurrenzschutz falle. Um zu klären, ob die Vermietung gegen die Konkurrenzschutzklausel verstößt, beantragte er im Jahr 2017 eine gerichtliche Feststellung.

Das Landgericht hat festgestellt, dass dies dem Vermieter nicht erlaubt ist. Die Vermietung falle unter die Konkurrenzschutzklausel (LG Frankfurt am Main - 10.08.2017 - AZ: 2-17 O 43/17).

Der Vermieter rief das Oberlandesgericht an, um dies erneut klären zu lassen.

Die Entscheidung:

Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verbot dem Vermieter die Aufnahme der Kiederorthopäden in das Gebäude.

Zuerst nimmt das OLG auf die Begründung des Landgerichts Bezug:

Zwar komme das Wort "Kieferorthopäde" in der Klausel nicht ausdrücklich vor, jedoch sei ein Kieferorthopäde begrifflich auch immer ein Zahnarzt. Der reine Wortlaut stelle daher die Vermietung an einen Kieferorthopäden unter den Vorbehalt der Zustimmung des Mieters. Eine ausdrückliche Ausnahme von Kieferorthopäden hinsichtlich der Konkurrenzschutzklausel sehe der Vertrag nicht vor.

Es fehle an einem konkreten Anhaltspunkt, dass die Parteien ausschließlich einen allgemeinen Zahnarzt gemeint haben könnten. Ein konkreter Anhaltspunkt in den Besprechungen im Vorfeld des Vertragsabschlusses fehle.

Die Systematik der Klausel § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages spreche ebenfalls dafür, dass der Begriff des Zahnarztes nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv jede Kieferorthopäden erfasse, weil dem Mieter sogar ein Wettbewerbsschutz durch einen Kieferchirurgen zugebilligt worden sei, welche ein zusätzliches human medizinisches Studium vorweisen müsse. Ein Kieferorthopäde müsse dagegen lediglich als Zahnarzt eine entsprechende Weiterbildung absolvieren. Von einem Kieferchirurgen gehe ein viel geringerer Wettbewerbsdruck aus, da der Mieter als solche nicht arbeiten dürfe. Es sei nicht nachvollziehbar dass die Parteien beim Begriff des Zahnarztes ungeschriebene Einschränkungen im Sinn gehabt hätten.

Es gebe auch Überlappungen der Leistungsspektren zumindest im Bereich der Kiefergelenksbehandlung. Der Mieter müsse sich nicht darauf verweisen lassen, dass die Mietinteressenten zahnärztliche Behandlungen nicht vornehmen würden. Dies könne sich jederzeit ändern.

Auch würde für den Mieter die vertraglich zugelassene Möglichkeit der Untervermietung an einen weiteren Zahnarzt mit Weiterbildung zum Kieferorthopäden wirtschaftlich weniger interessant.

Der vertragsimmanenter Konkurrenzschutz sei nach der Rechtsprechung des Kammergerichts, Urteil vom 17.1.2005, BeckRS 2005, 02548, gegenüber dem vertraglich zugesicherten Konkurrenzschutz insoweit eingegrenzt, als der Vermieter nicht gehalten sei, die Mieter jeglichen unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten.

Dem fügt das OLG seine eigenen Erwägungen hinzu:

 

Die Auslegung, was nach dem Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Konkurrenz ausgeschlossen werden sollte, hat sich an den jeweiligen Interessen der Parteien zu orientieren. Die Vermieterin hat eingeräumt, dass es dem Mieter bei Vertragsschluss wichtig war, in der Liegenschaft der Vermieterin keinen wie auch immer gearteten Konkurrenten dulden zu müssen, was auch höher qualifizierte Fachzahnärzte einschließt. Dies hat die Vermieterin akzeptiert durch die Unterzeichnung des Vertrages.

Demgegenüber wiegt das Interesse der Vermieterin an einer Vermietung von Räumen an eine kieferorthopädische Praxis geringer, da dies lediglich eine von zahlreichen Vermietungsmöglichkeiten selbst im medizinischen Bereich ist.

Zwar ist im Gegensatz zu einem Kieferchirurgen ein Kieferorthopäde in der zwischen den Parteien vereinbarten Konkurrenzschutzklausel nicht explizit erwähnt, sondern nur Zahnärzte und Kieferchirurgen. Auch ein Kieferorthopäde ist jedoch als (Fach-)Zahnarzt aufgrund der vorangegangenen notwendigen zahnmedizinischen Ausbildung gleichzeitig auch ein Zahnarzt und als solcher ein möglicher Konkurrent zum Beklagten. Gleichzeitig darf der Beklagte auch einfache Zahnspangen anpassen ohne gegen seine Approbation zu verstoßen.

Die Vermietung weiterer Räume im selben Gebäudekomplex an einen Kieferorthopäden würde den Mietern entgegen § 9 Ziffer 2 des Mietvertrages in die Lage bringen, mit einem partiell deckungsgleichen zahnärztlichen Betrieb potentiell konkurrieren zu müssen.

Demgegenüber setzt die Ausbildung zum Facharzt für M-KG-Chirurgie (Kieferchirurgie) eine doppelte Approbation als Arzt und Zahnarzt voraus, zuzüglich einer 5-jährigen Weiterbildung, davon mindestens 3 Jahre im Stationsdienst. Dies konnte auch die Klägerin unschwer ermitteln (Wikipedia, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Stand 26.3.2018). Da ein Kieferchirurg als ein Facharzt, nicht als ein Fachzahnarzt, eingestuft wird, erklärt sich die gesonderte Erwähnung im Mietvertrag.

Hieraus kann jedoch nicht im Wege der Auslegung geschlossen werden, dass damit der bereits unter den Begriff des Zahnarztes fallende Kieferorthopäde mangels expliziter Erwähnung nicht von der Konkurrenzklausel erfasst würde. Im Gegenteil spricht der Ausschluss eines auf den Kieferbereich spezialisierten Chirurgen dafür, dass alle Zahnärzte und zusätzlich auf Kieferchirurgie spezialisierte Ärzte der Praxis des Beklagten ferngehalten werden sollten, da auch ein Kieferchirurg aufgrund der zusätzlichen zahnärztlichen Approbation vorbereitende zahnärztliche Maßnahmen durchführen könnte.

Im Verhältnis zu dem Mieter könnte ein Kieferorthopäde, der eine Approbation als Zahnarzt haben muss, nicht daran gehindert werden zahnärztliche Tätigkeiten auszuüben, etwa eine Zahnsanierung vor Anpassung einer Zahnspange. Ebenso darf der Beklagte einen Kieferorthopäden als Partner oder angestellten Zahnarzt in seiner Praxis nach § 9 Abs. 2 und 3 des Mietvertrages beschäftigen, wodurch ebenfalls eine direkte Konkurrenz entstehen könnte.

Es ist unerheblich, dass die konkurrierenden Mietinteressenten nach Angaben der Vermieterin für allgemeine zahnärztliche Leistungen keine Kassenzulassung besitzen. Dies schließt zumindest die Behandlung von Privatpatienten im allgemeinzahnärztlichen Bereich nicht aus. Der Mieter hat auch keine Überprüfungs- und Einwirkungsmöglichkeit dahingehend, dass eine kieferorthopädische Praxis nicht eine entsprechende allgemeine Kassenzulassung erreicht oder einen zahnärztlichen Mitarbeiter einstellt, der über eine solche verfügt.

Praxisanmerkung:

Dem Zahnarzt kam hier zugute, dass der Vermieter zugestanden hat, dass der Zahnarzt während der Verhandlungen für den Abschluß des Mietvertrages gesagt hat, dass ihm umfassender Konkurrenzschutz wichtig ist. Nicht immer läßt sich eine solche Verlautbarung im Nachhinein vom Mieter beweisen. Um solche zeitaufwendigen und das Vertrauensverhältnis schädigenden Streitigkeiten mit dem Vermieter zu vermeiden und um den sichersten Weg zu gehen, empfiehlt es sich daher, dass der niedergelassene Zahnarzt schon im Rahmen der Vertragsverhandlungen darauf drängt, dass alle potentiellen Konkurrenten ausdrücklich in die Konkurrenzschutzklausel aufgenommen werden, also auch Kieferorthopäden. Die Entscheidung lässt sich ohne weiteres auch auf Ärzte übertragen. 

Um aber sicher zu stellen, dass auch neue Berufsbilder, von denen Konkurrenz ausgehen kann, in den Konkurrenzschutz einbezogen sind, sollte in die Konkurrenzschutzklausel eine Öffnungsklausel eingefügt werden, indem der Auflistung ein "unter anderem" oder "beispielsweise" vorangefügt wird.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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