(7.3.2019) Patienten wollen wissen, was sie bei einer Operation oder Behandlung erwartet. Sie wollen aufgeklärt werden von dem Arzt. Die Realität sieht leider anders aus. Aber die Patienten sind nicht schutzlos, sie können Vorkehrungen treffen.

Arzt klärt Patient aufDie Ausgangslage:

Das Gesetz verpflichtet Ärzte, den Patienten aufzuklären, insbesondere - und dies ist das wichtigste für die Patienten - über die Risiken einer Behandlung und über Behandlungsalternativen (vgl. § 630 e BGB). Und dies muss nach Möglichkeit auch frühzeitig geschehen, so dass der Patient auch noch über das Gesagt nachdenken kann. Klärt der Arzt den Patienten nicht hinreichend auf, liegt ein Aufklärungsfehler vor und der Patient kann Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen im Wege der Arzthaftung. Soweit die Idealvorstellung des Gesetzgebers.

Nur, was nützt das dem Patienten, der operiert wurde und bei dem sich dann ein Operationsrisiko verwirklicht hat und dem es nun schlechter geht, als vor der Operation und er sich bei Kenntnis der Risiken gar nicht hätte operieren lassen? Das Geld wird dem Patienten nicht helfen. Ihm wäre mehr geholfen, wenn er sich für eine andere Behandlung entschieden hätte oder wenn er das Risiko gekannt und es bewusst eingegangen wäre. 

Der Patient muss also versuchen, die Qualität seiner Aufklärung zu verbessern (Ziel 1). Schafft er dies nicht, so soll er wenigstens seine Möglichkeiten wahren, den Arzt für eine schlechte Aufklärung haftbar zu machen (Ziel 2). 

Die Realität:

Die Realität der Aufklärung von Patienten ist ernüchternd.

Ärzte haben oft keine Zeit für Aufklärungsgespräche, die den Patienten hinreichend informieren. Weder Klinikärzte noch niedergelassene Ärzte können sich die Zeit nehmen für solche Gespräche, oder zumindest glauben sie dies. Der Klinikarzt, von ständiger Personalnot gequält, weiss, dass er nicht die vielen anderen Klinikpatienten behandeln kann, während er hier mit Ihnen über die Auklärung spricht. Der niedergelassene Arzt denkt genauso, zugleich weiss er, dass er keinen Cent für die Zeit erhält, in der er mit Ihnen redet.

Dass die Ärzte keine Zeit haben, ist die Regel. Das ausführliche Aufklärungsgespräch ist die Ausnahme. Maßgeblich ist dabei auch, dass die Klinik bzw. die niedergelassenen Ärzte für diese Gespräche kein gesondertes Entgelt erhalten, weshalb die Gespräche keinen wirtschaftlichen Wert für den Arzt bzw. die Klinik haben.

Hinzu kommt, dass der Arzt bei Operationen am meisten lernt und mehr verdient, als zum Beispiel bei einer konservativen (nichtoperativen) Behandlung. Bei risikoreichen Operationen verdient er sogar am meisten, dies ist im Vergütungssystem so angelegt. Er hat also ein Interesse daran, Sie zu operieren. Eine ausführliche Aufklärung könnte dann dazu führen, dass der Patient abspringt. Am deutlichsten kann man diese Hemmung zur ausführlichen Aufklärung bei Schönheitschirurgen beobachten, die ja genau wissen, dass die Operation medizinisch überflüssig ist, mithin die gesundheitlichen Risiken (zum Beispiel Entzündungen, Vernarbungen, Narkoserisiken, Notwendigkeit von Folgeoperationen)  in keinem Verhältnis zu dem angestrebeten Ziel stehen und dass der Patient, sollte er das einmal verstanden haben, leicht abspringen könnte. 

Ärzte haben also auch kein großes Interersse an einer Aufklärung. Ärzte wollen diese Tatsache aber nicht offenbar werden lassen. Sie sind bedacht darauf, nach außen den Schein zu wahren, sie würden alle Aufklärungspflichten erfüllen. Deshalb verwenden sie umfangreiche Aufklärungsformulare, um sich abzusichern, hetzen dann aber mit dem Patienten "durch das Formular" und lassen sich dieses dann abzeichnen.

Diese nicht ausreichende Aufklärungsverhalten ist den Ärzten oft selbst unangenehm. Viele verantwortungsbewusste Ärzte würden gerne die Zeit haben für ausführlichere Gespräche. Manche Ärzte wollen aber auch gar nicht mehr aufklären. Sie sind der Meinung, dass der Patient ohnehin nicht wirklich verstehen kann, wie riskoreich die Behandlung ist und in welchem Verhältnis die Risiken zu dem angestrebeten medizinischen Ziel stehen. Sie fürchten, den Patient zu verwirren, wenn sie ersteinmal mit ihm in das Thema einsteigen. Manche fürchten auch, dass sich das Aufklärungsgespräch ewig hinzieht, wenn man anfängt, dem Patienten Fragen zu beantworten.

Es ist also festzuhalten, dass die Realität sehr oft nicht der geltenden Rechtslage entspricht und dass der Patient sich schützen muss, um seine Interessen zu wahren. 

Tipps und Tricks für den Patienten:

Ziel 1: Qualität der Aufklärung zu verbessern

Hier geht es darum, den Arzt dazu zu zwingen, den Patienten besser aufzuklären. 

Dabei hat der Patient eine ganz erhebliche Mitverantwortung: Wenn der Arzt eine Operation kurz erläutert und dann den Patienten fragt, ob er dazu noch Fragen habe und der Patiemnt dazu schweigt zum Beispiel aus Respekt oder aus Angst oder schlicht aus Schüchternheit, so ist das ersteinmal seine eigene Sache und er kann dies nicht dem Arzt vorwerfen.

Erster Tipp ist daher: Fragen Sie den Arzt aktiv und von sich aus, was die Risiken sind und ob es Behandlungsalternativen gibt! Wenn das Behandlungskonzept gut ist und begründet, so wird der Arzt Ihnen ohne weiteres Rede und Antwort stehen können. Ich beobachte oft, dass sich Patienten schlicht nicht getraut haben, den Arzt etwas zu fragen. Da muss sich der Patient dann aber an die eigene Nase fassen.

Zweiter Tipp: Stellen Sie dann Nachfragen. Wenn er etwas Behandlungsalternativen verneint, fragen Sie "warum?". 

Im Ergebnis werden Sie das Vorgehen des Arztes besser verstehen und das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen wird besser. 

Leider können Sie sich aber auch dadurch letztlich nicht dagegen schützen, dass der Arzt Sie falsch aufklärt. Sie können damit aber zumindest die Chancen auf eine gute Aufklärung verbessern.

Ziel 2: Arzt in die Verantwortung nehmen

Wenn der Arzt Ihnen erklärt, die Risiken zum Beispiel einer medikamentösen Behandlung seien "sehr gering" und es gebe "keine Alternativen" und stimmt dies tatsächlich nicht (kann ja auch sein, dass der Arzt sich hier einfach irrt), so können Sie dagegen ersteinmal wie gesagt nichts machen. Denn Ihnen fehlt das Wissen, um die Angaben des Arztes zu überprüfen. Was Sie aber tun können, ist die Aussagen des Arztes - wie wir Anwälte sagen - gerichtsfest zu machen.  

Dazu gibt es zwei Wege:

Zuerst der einfache Weg: 

Formularterrorismus: 

Nehmen Sie im Gespräch mit dem Arzt das Aufklärungsformular in die Hand und schreiben Sie das so an den Rand: "gesundheitliche Risiken: sehr gering" und "keine Behandlungsalternativen". Alles, was der Arzt zu Ihnen sagt und was Ihnen wichtig erscheint, schreiben Sie einfach irgendwo an den Rand. Wenn der Arzt sagt, dass ein bestimmtes Risko, das in dem Formular benannt ist, in Ihrem Fall nicht ´besteht, so streichen Sie das Risiko durch und schreiben "besteht nicht" dahinter. 

Sie können nun interessante Veränderungen bei dem Arzt beobachten: Dem Arzt wird nun bewusst, dass Sie ihn "beim Wort nehmen wollen". Denn wenn er und Sie dieses Formular so unterschreiben, so wird ein Zivilrichter diese Aussagen als wahr annehmen und davon ausgehen, dass der Arzt das auch genau so gesagt hat. Dem Arzt wird dann bewusst werden, dass er sich in einem Zivilprozess nicht damit herausreden kann, dass er dies so seiner Erinnerung "nicht gesagt" habe oder ähnliches. Machen kann er dagegen nichts. 

Allerdings müssen Sie sich das ersteinmal trauen und es ist nicht einfach, dem Arzt, der ja eine natürliche Respektsperson ist, aiuf diese Weise "die Stirn zu bieten" und ihn beim Wort zu nehmen. 

Nun zwei kompliziertere Wege:

1) Zeugen:

Nehmen Sie einen Zeugen mit, der nach dem Gespräch oder dabei Notizen macht. 

2) Big brother is watching you:

Fragen Sie den Arzt, ob es ihm Recht ist, wenn Sie das Gespräch aufzeichnen, entweder per Tondatei oder per Video. Mit einem Funktelefon ist das heutzutage gar kein Problem mehr. Wenn er einverstanden ist, beginnen Sie die Aufnahme, sagen Sie, dass Herr Dr. XYZ mit der Aufnahme einverstanden ist und sprechen dann mit dem Arzt. Bei diesem System entgeht Ihnen kein Wort, alles wird beweisbar. Ärzte wissen das und sie ärgern sich über das Mißtrauen des Patienten und sehen die Risiken, die für sie selbst entstehen, wenn sie das Gespräch aufzeichnen lassen. Viele werden es daher ablehnen. Das sollte Ihnen zu denken geben. Warum will der Arzt sich nicht auf das verpflichten lassen, was er mir im Gespräch doch zusagt? Hier ist der Zeitpunkt gekommen, eine Zweitmeinung bei einem anderen Arzt einzuholen. Dies wird übrigens in der Regel von den Krankenkassen bezahlt. 

Meiner Ansicht nach wäre eine allgemeine Pflicht zur Aufnahme des Gesprächs eine gute Lösung für alle Aufklärungsgespräche. Wer wie ich unzählige gerichtliche Auseinandersetzungen über den Inhalt des Aufklärungsgespräches erlebt hat, wer erlebt hat, wie sich Ärzte über juristische Konstruktionen wie zum Beispiel die Immer-So-Aufklärung oder die hypothetische Aufklärung herausreden, der begrüßt eine solche klare Lösung, bei der das Aufklärungsgespräch völlig transparent wird. Nicht nur, dass man dann die Dauer und die Tageszeit des Gesprächs nachzeichnen kann. Man kann auch im Einzelnen sehen, was der Arzt gesagt hat und ob er zum Beispiel Bedenken zerstreute. Folge einer verpflichtetnden Aufzeichnung der Aufklärungsgespräche wäre ein dramatischer Anstieg der Tiefe und Qualität dieser Gespräche. Eine verbindliche Aufzeichnung würde auch die strukturelle Unterlegenheit des Patienten beseitigen, der einem Arzt gegenüber steht, der mehr medizinisches Wissen hat, der die Strukturen stellt (unter anderem auch die Aufklärungsformulare) und der sich im Notfall auf Zeugenaussagen seiner Mitarbeiter verlassen kann, die dann bezeugen, dass der Arzt in der Regel immer ordentlich aufgeklärt hat.  

Zuletzt noch ein paar allgemeine Tipps für Aufklärungsgespräche:

  1. Niemals hetzen lassen
    Außer in Notfällen lassen Sie sich bitte nicht hetzen bei der Unterzeichnung von Aufklärungsformularen. Bitten Sie sich immer Zeit aus, um das Formular komplett zu lesen. Wenn ein Arzt hier Druck macht, ist das - von Eilfällen abgesehen - ein schlechtes Zeichen. 
  2. Früh auf Aufklärung zu sprechen kommen
    Bereits in dem Moment, wo der Arzt mit Ihnen eine Behandlung plant, sollte er Sie über die Risiken und Alternativen aufklären. Drängen Sie genau darauf, nämlich auf eine frühe Aufklärung. Auf keinen Fall sollten Sie Aufklärungsformulare abzeichnen, die Sie erst am Tag der Operation erhalten. Das ist zu spät. Dann sollten Sie die Operation absagen. 
  3. Folgen Sie Ihrem Bauchgefühl
    Wenn Sie bei einer Behandlung ein schlechtes Gefühl haben, lassen Sie es besser bleiben. Unser Instinkt ist besser als wir glauben. In fast allen von mir bearbeiteten Fällen, in denen etwas schief lief bei einer Operation hatten die Patienten ein schlechtes Gefühl vor der Operation, haben dieses aber übergangen. 
  4. Zwei Ärzte, drei Meinungen
    Holen Sie sich im Zweifel eine Zweitmeinung ein. Es gibt viele verschiedene Wege, einen Patienten zu behandeln und es gibt verscheidene Meinungen. Hören Sie sich an, was ein anderer Arzt Ihnen vorschlägt. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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