(7.11.2018) Verstößt ein zugelassener Arzt gegen die Pflicht zur Fortbildung und zum Nachweis der Fortbildung (Erwerb von 250 Fortbildungspunkten in fünf Jahren und Nachweis binnen zwei weiterer Jahre durch Übergabe eines Fortbildungszertifikates der Ärztekammer) und läßt ert sich auch nicht durch Honorarkürzungen zu einem Umlenken bewegen, so stellt dies grundsätzlich eine gröbliche Verletzung grundlegender vertragsärztlicher Pflichten dar. Dies führt zu einer Entziehung der Zulassung. Unerheblich ist, ob der Arzt in dieser Zeit forschend tätig war und welche sonstigen Verdienste (hier: Bayerischer Verdienstorden für wissenschaftliche Leistungen in der Medizin) der Arzt erworben hat (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. März 2018 – L 12 KA 2/17).  

Fortbildung des Arztes - was gilt für Professoren?Der Fall:

Der betroffene Arzt ist Professor der Medizin und seit dem 23.10.1986 als fachärztlich tätiger Internist mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie zugelassen. Er war umfangreich forschend tätig und behandelte gesetzlich versicherte Patienten in geringerem Umfang (z.B. Quartal 2/2016 mit einem Umfang von rund 7.500 EUR).

Die Pflicht zur Fortbildung und zur Erbringung von entsprechenden Nachweisen begann für den Arzt (im Folgenden: Kläger) im Jahr 2004 mit der gesetzlichen Einführung der Fortbildungsnachweispflichten. Der Kläger war verpflichtet, im ersten Fortbildungszeitraum vom 1.7.2004 bis 30.6.2009 Fortbildungen zum Erwerb von 250 Fortbildungspunkten zu absolvieren und den Erwerb dieser Fortbildungspunkte durch ein Fortbildungszertifikat der Bayerischen Ärztekammer gegenüber der Beklagten nachzuweisen, dies binnen zweier weiterer Jahre, sprich bis einschließlich 31.12.2011. Tatsächlich hatte der Kläger in dem Zeitraum 2004 bis 2009 lediglich Fortbildungen mit einem Punktwert von 81 absolviert, diese überwiegend anerkannt als Leistungen im Rahmen des sog. Selbststudiums. Nachweise, sprich ein entsprechendes Fortbildungdszertifikat der Ärztekammer, hatte er darüber nicht vorgelegt. 

Bereits mit den Schreiben vom 31.10.2011 und 16.5.2012 hatte die Kassenärztlichen Vereinigung (im Folgenden: KÄV) den Kläger darauf hingewiesen, dass für den abgelaufenen Fortbildungszeitraum vom 1.7.2004 bis 31.12.2009 kein Fortbildungsnachweis vorliege und die Entziehung der Zulassung drohe. 

Innerhalb des Zeitraums 2004 bis 2009 hat der Kläger keine 250 Fortbildungspunkte erworben. Dies ergibt sich aus dem von ihm beim Zulassungsausschuss vorgelegten Auszug seines Fortbildungspunktekontos vom 28.8.2015. Danach hat der Kläger bis zum Ablauf des ersten Fortbildungszeitraums am 31.12.2009 81 Fortbildungspunkte und bis zum Ablauf der Nachfrist am 31.12.2011 lediglich 111 Fortbildungspunkte erworben.

Der Zulassungsuasschuss entzog dem Kläger wegen Nichterfüllung der Nachweispflichten die Zulassung am 21.9.2015. Dagegen legte der Kläger unter Hinwies auf eine Vielzahl von aus seiner Sicht entlastenden Umständen Widerspruch ein, den der beklagte Berufungsausschuss als unbegründet zurückwies. Dagegen klagte der Arzt vor dem Sozialgericht. Das Sozialgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Dagegen legte der Kläger Berfung ein, die das Landessozialgericht Bayern nun am 14.3.2018 als unbegründet zurückwies. 

Die Entscheidung:

Zur Begründung wies das LSG auf Folgendes hin: 

Innerhalb des relevanten Zeitraums hat der Kläger schon keine 250 Fortbildungspunkte erworben. Dies ergibt sich aus dem von ihm beim ZA vorgelegten Auszug seines Fortbildungspunktekontos vom 28.8.2015. Danach hat der Kläger bis zum Ablauf des ersten Fortbildungszeitraums am 31.12.2009 81 Fortbildungspunkte und bis zum Ablauf der Nachfrist am 31.12.2011 lediglich 111 Fortbildungspunkte erworben. Damit war seine Fortbildungsverpflichtung nicht erfüllt.

Auch die Nachweispflicht hat er nicht erfüllt.

Der Verstoß gegen die Pflicht zur Fortbildung nach § 95d Abs. 1 S. 1 SGB V und zum Nachweis der Fortbildung nach § 95d Abs. 3 S. 1 SGB V war auch gröblich. In diesem Zusammenhang geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass ein Vertragsarzt, der fünf Jahre seiner Fortbildungspflicht nicht oder nur unzureichend nachkommt und sich auch durch empfindliche Honorarkürzungen nicht beeindrucken lässt, sich hartnäckig der Fortbildungsverpflichtung verweigert und damit seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Kläger hat auf Anschreiben der KÄV und die vorgenommenen Honorarkürzungen seit dem Quartal 1/2010 nicht reagiert und ist auch bis zur Entscheidung des Beklagten am 4.2.2016 über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren seiner Fortbildungspflicht nicht in ausreichendem Maß nachgekommen.

Die Einwände und Verteidigungen des Arztes wies das LSGF samt und sonders zurück. weder sei ein Vertrauenstatbestand entstanden durch eine E-mail, die der Kläger zwischenzeitlich an die KÄV richtete und in der er die Übersendung weiterer Nachweise ankündigte. Auch die zwischenzeitliche Erkrankung des Klägers sei ohne Belang, da die Zulassungsnetziehung unabhängig vom Verschulden sei. Der Verstoß des Klägers war auch nicht, wie der Kläger meinte, lediglich geringfügig. Erbrachte Forschungstätigkeiten und Veröffentlichungen des Klägers sind für den Nachweis von "Fortbildungen" irrelavant, so das LSG. Das LSG hat auch keine Zweifel an der Verhältnismäßiggkeit der Entziehung der Zulassung, weil sich der Kläger auch durch Honorarkürzungen über mehr als 20 Quartale nicht dazu bewegen ließ, die erforderlichen Fortbildungen zu absolvieren und der KÄV den entsprechenden Nachweis vorzulegen.

Die ausgesprochene Zulassungsentziehung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil eine Entscheidung des ZA über die Entziehung der Zulassung erst am 21.9.2015 erfolgt ist und damit, wie der Kläger meint, quasi "verjährt" oder verspätet sei. Eine ausdrückliche "Verjährungsfrist", die die Zulassungsgremien daran hindern würde, bereits länger zurückliegende gröbliche Pflichtverletzungen zur Begründung einer Zulassungsentziehung heranzuziehen, enthält die gesetzliche Regelung nicht. Der bei solch einem schweren Eingriff in die Berufswahlfreiheit stets zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es aber, zum Zeitpunkt der Entscheidung der Zulassungsgremien bereits länger als fünf Jahre zurückliegende Pflichtverletzungen nur dann noch zur Grundlage einer Zulassungsentziehung zu machen, wenn sie besonders gravierend waren oder aus anderen Gründen bis in die Gegenwart hinein fortwirken. Der Tatbestand einer gröblichen Verletzung vertragsärztlicher Pflichten war erst mit dem Ablauf der Nachfrist zum Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d Abs. 3 S. 4 SGB V am 31.12.2011 erfüllt. Damit liegen zwischen der Verwirklichung des Tatbestands der gröblichen Verletzung der Fortbildungspflicht und der Entscheidung des ZA weniger als vier Jahre, so dass allein aus dem zeitlichen Ablauf eine Unverhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung nicht abgeleitet werden kann.

Auf den Umstand, dass der Kläger sich medizinische Verdienste in der Forschung erworben hat, die durch einen Verdienstorden gewürdigt wurden, ging das LSG mit keinem Wort ein. Denn dies ist für die hier anstehenden Rechtsfragen irrelevant. 

Praxisanmerkung:

Es scheint, als habe der Arzt und Professor sich abgehoben gefühlt und als sei er davon ausgegangen, dass Leute wie er sich schon durch ihre Forschungstätigkeit hinreichend fortbildeten. Sein Vortrag vor dem Berufungsausschuss und dem Gericht zeigt ein völliges Unverständnis der Fortbildungs- und Fortbildungsnachweispflicht und fehlende Unrechtseinsicht. Ärzte müssen sich fortbilden, um den sich ständig verändernden wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnissen der Medizin anzupassen und um diesen folgen zu können. Dies gilt auch für Professoren. Die Zulassung ist damit zu Recht infolge eines groben Verstoßes gegen ärztliche Pflichten entzogen worden.   

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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