(6.11.2018) Bei Operationen können im Körper des Patienten Werkzeuge oder Teile von Werkzeugen zurückbleiben. Dies ist für sich gesehen noch nicht zwingend ein Behandlungsfehler. Operateure sollten aber jedem Verdacht, dass etwas in dem Körper verblieben ist, sogleich nachgehen. Andernfalls liegt in jedem Fall ein Fehler vor und es kann für den Arzt teuer werden, wie die vorliegende Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg (Urteil vom 24. Oktober 2018 – 5 U 102/18) zeigt. 

Bei der Operation blieb die Werkzeugspitze im Knie zurückDer Fall:

Der damals 46jährige Patient litt unter gelegentlichen Kniebeschwerden beim Volleyballspiel und beim Treppensteigen.

Im Rahmen einer vom beklagten Chirurgen durchgeführten arthroskopischen Knie-Operation zur Glättung des Knorpels löste sich die Metallspitze des verwendeten Operationswerkzeuges (Trokar) und verblieb unerkannt im Kniegelenk.

Erst am Ende des OP-Tages fiel dem Chirurgen, dem Beklagten zu 1) das Fehlen der Spitze auf. Da diese in den Behandlungsräumen nicht aufgefunden werden konnte, machte sich der Beklagte zu 1) eine Notiz, für den Fall dass sich die Spitze intraoperativ gelöst haben sollte.

Indessen nahm er keinen Kontakt zu den an diesem Tag operierten Patienten auf und veranlasste auch beim Kläger, der sich am 29.01. zum Verbandswechsel und am 05.02. zum Fädenziehen jeweils in der Praxis einfand, keine weitergehende Untersuchung. Er informierte den Kläger auch nicht über den entsprechenden Verdacht.

Erst am 26.02., nachdem sich der Kläger wegen extremer Schmerzen im Knie wiedervorgestellt hatte, veranlasste der Beklagte eine Röntgenuntersuchung, die dann den Befund erbrachte, dass die Trokarspitze im Kniegelenk verblieben war. In einer Revisionsoperation ist der Fremdkörper dann entfernt worden.

Der bis dahin sportlich aktive Kläger hat behauptet, die Trokarspitze habe tiefe Riefen im Knorpel des Kniegelenks hinterlassen. Er könne wegen des verbliebenen Dauerschadens seinem Hobby Bergwandern nur sehr eingeschränkt und seinem weiteren Hobby Volleyball spielen gar nicht mehr nachgehen. Längeres Stehen und das Gehen mittlerer Strecken bereite ihm Schmerzen.

Die Entscheidung:

Das OLG sprach dem Patienten ein Schmerzensgeld von EUR 20.000 zu und Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten. 

Denn hat der Operateur den Verdacht, dass die Teile des Operationswerkzeuges im Kniegelenk des Operierten verblieben ist, muss er diesem Verdacht umgehend nachgehen. Verzichtet er darauf, begeht er einen groben Behandlungsfehler. Da der beklagte Chirurg dies unterließ, bejahte das OLG einen groben Behandlungsfehler.

Dabei war das erhebliche Verschulden des Beklagten aus Sicht des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Der Beklagte hat es am Abend des 29.01. für möglich gehalten, dass die Trokarspitze im Knie eines Patienten verbleiben war; aus diesem Grund hat er sich, wie er im Prozess vorgetragen hat, eigens eine Notiz gemacht, nachdem die Spitze in der Praxis nicht aufzufinden war. Das Gericht ist davon überzeugt, dass dem Beklagten bewusst gewesen sein muss, dass die verbliebene Spitze geeignet ist, Schäden am Knie zu verursachen. Indem er gleichwohl nichts veranlasst hat, hat er deutlich gemacht, dass er sich mit der etwaigen Verwirklichung dieses Risikos abgefunden hatte. Dahin deutet zudem der Umstand, dass sich der Beklagte zu 1) die Notiz offensichtlich nur für den Fall gemacht hatte, dass ein Patient, der an diesem Tage operiert worden war, mit Beschwerden im Knie vorstellig werden würde, was wiederum nur der Fall sein würde, wenn die Trokarspitze bereits zu Verletzungen geführt hatte. Dass der Beklagte zu 1) die Notiz nicht zur Kontrolle der Operierten unabhängig von konkreten Beschwerden verwenden wollte, zeigt sich schon daran, dass er den Kläger weder beim Verbandswechsel noch beim Fädenziehen auf das entsprechende Risiko angesprochen hatte, sondern erst als er mit erheblichen Beschwerden im Knie vorstellig wurde. Dies begründet den Vorwurf einer Verletzung des Klägers mit Eventualvorsatz. 

Praxisanmerkung:

Der Arzt sollte jedem Verdacht eines beseitigbaren Behandlungsfehlers alsbald nachgehen. Auch wenn es - wie hier - mit Röntgenuntersuchungen aller an diesem Tag operierten Patienten verbunden sein kann. Möglicherweise hat der Arzt hier eine solche Untersuchung gescheut, weil sie einen Fehler auch im Kollegenkreise hätte offenbar werden lassen. Das Verhalten des Arztes nach der Operation war hier auch grob falsch - er hat sich völlig pflichtwidrig damit abgefunden, dass die Spitze in einem der Knie verborgen ist und dort erheblichen Schaden anrichten kann.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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