(27.9.2018) Eine Haftung des Zertifizierers wegen der Nichtdurchführung unangekündigter Kontrollen kommt nur dann in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Implantate nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen (BGH Urteil vom 22.06.2017 Az. VII ZR 36/14). Entsprechende Anhaltspunkte konnte das Oberlandesgericht Karlsruhe – jedenfalls vor der Operation der Klägerin - nicht feststellen, weshalb es die Klage gegen den TÜV Rheinland sowie die französische Versicherung des mittlerweile liquidierten französischen Brustimplantatherstellers PIP auf Schadensersatz und Schmerzensgeld abwies (OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. Juni 2018 – 7 U 96/17).

BrustimplantatePraxisanmerkung:

Ein weiterer Versuch von Patientinnen, irgendjemand für die Tatsache haftbar zu machen, dass ihnen Implantate eingesetzt wurden, die statt medizinischem Silikon lediglich ein industrielles Silikon enthielten und die verstärkt zum Reißen neigten, ist gescheitert. Betrachtet man diese Entscheidungen aus dem Blickwinkel des mit einer solchen Implantation einhergehenden Grundrisikos, so ist sind die Entscheidungen nachvollziehbar.

Jedes Brustimplantat, enthält es nun medizinisches Silikon einer höheren Qualität oder rein industrielles Silikon, bringt erhebliche Risiken mit sich. Die Implantate können - auch wenn sie nicht beschädigt werden oder beschädigt sind - vom Körper abgestoßen werden (sog. Verkapselung). Und auch die mit medizinischem Silikon gefüllte Implantate können auslaufen, was zu Abwehrreaktionen, Entzündungen und Vergiftungen führen kann. Allen Implantaten wohnt ein Risiko des Reißens inne.

In der Regel wird in den gängigen Aufklärungsformularen auch auf diese Risiken hingewiesen. Schon der gesunde Menschenverstand führt den Patientinnen vor Augen, dass ein Implantat ein Fremdkörper ist und dass der Körper auf Fremdkörper abwehrend reagieren kann. Die Mehrzahl der Operationen dient kosmetischen Zwecken. Die Patientin wünscht die Einfügung der Implantate, weil sie sich davon ein besseres kosmetisches Ergebnis erhofft. Das Risiko dieser Schönheitsoperationen wird aus Gründen, die nicht schutzwürdig sind, in Kauf genommen. Anders liegen die Fälle, in denen eine Patientin aus medizinischen Gründen ein Implantat wünscht, z.B. nach Brustkrebs oder nach einem Unfall. Anders liegen auch die Fälle, in denen es aufgrund unsauberer Operationsverhältnisse zu Entzündungen kam zu große Implantate eingefügt wurden oder der Operateur sonst gegen medizinische Standards verstieß. Dies ist aber bei den PIP-Implantaten überwiegend nicht der Fall gewesen. Anders liegen auch die Fälle, in denen Patientinnen PIP-Implantate eingefügt wurden, nachdem bereits bekannt war, dass die Implantate kein medizinisches Silikon enthalten. Im vorliegenden Fall geht es aber aus Sicht des Gerichts um einen Fall, in denen die Implantate eingefügt wurden, als dies noch nicht bekannt war.  

Frauen sollten sich vergegenwärtigen, welche erheblichen Gefahr sie allgemein auf sich nehmen, wenn sie sich Brustimplantate einfügen lassen. Auch korrekt eingefügte, gut sitzende, größenmäßig passende Implantate können reißen, neigen zu Abstoßungsreaktionen und altern - so dass sie oft nach zehn bis fünfzehn Jahren ersetzt werden müssen. Aus anwaltlicher Sicht ist von der Einfügung von Implantaten abzuraten. Das gesundheitliche Risiko ist hoch. Dies zeigt die Vielzahl der vor den Gerichten verhandelten Fälle von Patientinnen, die nachteilige gesundheitliche Folgen erlitten haben. 

Update vom 11.10.2018:

Wie die FAZ berichtet, hat das höchste französische Gericht nun aber ein Urteil aus Aix-en-Provence aufgehoben, das eine Haftung des deutschen Prüfunternehmens  TÜV Rheinland 2015 abgelehnt hatte. Der TÜV Rheinland hatte damals die Unterlagen der Firma PIP zur Konzeption der Brustimplantaten und die Qualitätssicherung überprüft. Aufgrunddessen erhielten die Implantate das europäische CE-Siegel. Die Frage der Haftung des TÜV soll nun vor dem Pariser Berufungsgericht neu verhandelt werden, wie das Kassationsgericht am Mittwoch bekanntgab.

Das Urteil des OLG Karlsruhe im Volltext:

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 02.06.2017 - 4 O 359/17 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10.08.2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen.

III. Dieses Urteil und das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Heidelberg sind vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit sog. P. Brustimplantaten in Anspruch.

Die Beklagte zu 1 ist „benannte Stelle“ im Sinne der Medizinprodukte Richtlinie 93/42/EWG und war mit der europarechtlichen Zertifizierung der Firma P. S. A. (P.) beauftragt, die in Frankreich Silikonbrustimplantate herstellte. Bei der Firma P. kam es zur Verwendung von nicht zugelassenem Silikon in Brustimplantaten, die Verantwortlichen wurden in Frankreich strafrechtlich verurteilt, die Firma P. wurde im Jahr 2011 liquidiert. Die Beklagte zu 1 führte am 15. und 16.07.1997 ein Zertifizierungsaudit bei der Firma P. vor Ort durch. In der Folge erteilte sie ein CE-​Kennzeichen. Bis 2010 fanden weitere 13 Audits vor Ort statt, die jeweils angekündigt waren und bei denen die Produkte selbst nicht geprüft wurden. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 schloss am 17.02.2005 mit der P. einen Versicherungsvertrag, der Versicherungsschutz für durch in Frankreich eingesetzte Silikonimplantate verursachte Schäden gewährte. Dieser wurde am 15.04.2008 erneuert. Die Versicherungsverträge unterliegen französischem Recht.

Im April 2001 bescheinigte die französische Agentur für Sicherheit von Gesundheitsprodukten (A.) die Konformität der Silikonimplantate. Nachdem sie im Juni 2001 bei einem Kontrollbesuch Abweichungen festgestellt hatte, wurden Maßnahmen durchgeführt, die von der A. als zufriedenstellend eingestuft wurden, so dass keine weiteren Kontrollen stattfanden. Entnommene Proben lieferten konforme Untersuchungsergebnisse. Ab dem Jahr 2008 (Vortrag der Klägerin) bzw. dem Jahr 2009 (Vortrag der Beklagten zu 1) erhielt die A. zunehmend Meldungen über Rupturen und Verkapselungen in Bezug auf P.-​Produkte, die zu einer Vorladung Ende 2009 und einer erneuten Begehung im März 2010 führten, bei der die Verwendung nicht spezifizierten Silikongels in Implantaten festgestellt wurde.

Am 21.06.2010 teilte die niederländische Behörde mit, dass die so genannten M-​Implants (R. M.N. B.V.) mit Implantaten von P. identisch seien.

Das deutsche Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte sprach im Januar 2012 die Empfehlung aus, P.-​Implantate zu entfernen, auch wenn ungeklärt war, ob diese eine konkrete Gesundheitsgefahr darstellten und in welchen Chargen tatsächlich Industriesilikon enthalten war.

Die Klägerin macht geltend, ihr sei am 14.03.2008 ein Brustimplantat aus Silikon der Firma R. in die linke Brust eingesetzt worden. Das Implantat wurde am 27.03.2012 entsprechend der Empfehlung des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie der behandelnden Universitätsklinik H. wieder entfernt.

Die Klägerin meint, die Beklagte zu 1 habe im Rahmen der durchgeführten Audits ihre Pflichten als benannte Stelle verletzt, insbesondere habe sie unangekündigte Audits durchführen müssen, die dazu geführt hätten, dass die Verwendung von nicht zugelassenem Silikongel durch die Firma
8 P. früher entdeckt und die Klägerin dadurch vor Schaden bewahrt worden wäre. Gegen die Beklagte zu 2 macht die Klägerin einen Direktanspruch nach französischem Recht als Versicherung der Herstellerin geltend.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Es hat Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 sowohl aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter als auch aus Delikt verneint, wobei es davon ausgegangen ist, dass der Beklagten zu 1 als benannter Stelle die Zertifizierung des Qualitätssicherungssystems der Firma P. oblag, was das Qualitätssicherungssystem, das im Rahmen der durchzuführenden Audits zu prüfen war, beinhaltete. Eine sich aus der Richtlinie 93/42/EWG ergebende Verpflichtung, die verwendeten Rohstoffe bzw. die im Produktionsablauf tatsächlich verwendeten Rohstoffe zu überprüfen, hat das Landgericht verneint. Eine Verpflichtung der Beklagten zu 1, unangekündigte Audits vorzunehmen, hat das Landgericht nicht gesehen (LGU 20), da sich insoweit nach dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte für die Beklagte zu 1 ergeben hätten, die ihr Veranlassung für die nicht generell vorzunehmenden unangekündigten Überprüfungen hätten geben müssen (LGU 21 ff.).

Zudem hat sich das Landgericht nicht davon überzeugen können (LGU 24), dass das bei der Klägerin verwendete Implantat der Firma R. tatsächlich von der Firma P. stammte, da nicht festzustellen sei, dass dieses Implantat aus der Serie mit der Kennung IMGHC stamme. Die Frage der Verjährung hat das Landgericht offengelassen.

Eine Eintrittspflicht der Beklagten zu 2 hat das Landgericht verneint, da nach den Bedingungen des Versicherungsvertrages die Beklagte zu 2 für einen in Deutschland eingetretenen Schadensfall nicht eintrittspflichtig sei, da ein solcher nicht zu den versicherten Risiken gehöre. Eine solche Beschränkung in dem französischem Recht unterliegenden Versicherungsvertrag hat das Landgericht für wirksam erachtet.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlich gestellten Anträge unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterverfolgt und geltend macht, das Landgericht habe ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht beurteilen können, ob eine Konformitätsprüfung im medizintechnischen Bereich ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Das Landgericht habe im Übrigen die Substantiierungslast der Klägerin überspannt und es fehlerhaft unterlassen, der Beklagten zu 1 gemäß § 142 ZPO die Vorlage der Auditberichte und Abweichungsberichte, auf die die Klägerin zur weiteren Substantiierung ihres Vortrags angewiesen sei, aufzugeben. Hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 2 hält die Klägerin an ihrem Standpunkt fest, dass eine Beschränkung der Haftung der Versicherung auf Schadensfälle in Frankreich gegen EU-​Recht verstoße, weshalb sich die Beklagte zu 2 hierauf nicht berufen könne.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 45.000 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren, materiellen und - im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren - immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser anlässlich der Implantation von R.-​M.-​Brustimplantaten mit Silikon aus dem Hause der Firma P. (P.) entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten beantragen jeweils die Zurückweisung der Berufung und verteidigen das angefochtene Urteil als richtig.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 30.05.2018 (II 367) verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Berufung betreffend die Klageabweisung gegen die Beklagte zu 1

Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil hat, soweit sie die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1 angreift, keinen Erfolg. Pflichten der Beklagten zu 1 gegenüber Rechtsgütern der Klägerin können sich nur im Rahmen der der Beklagten zu 1 als benannte Stelle nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG obliegenden Aufgaben ergeben (dazu 1.). Dabei ist deutsches Sachrecht zur Anwendung zu bringen (2.). Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 als benannte Stelle ist jedoch nicht festzustellen (3.).

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 lediglich mit der Zertifizierung des Qualitätssicherungssystems und nicht mit der Produktprüfung beauftragt war (LGU 16).

Der benannten Stelle sind nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG folgende Pflichten zugewiesen:

Vor dem Inverkehrbringen des Medizinproduktes ist die benannte Stelle in die Bewertung des von dem Hersteller einzureichenden Qualitätssicherungssystems eingebunden (Nr. 3.3 Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG). Sie hat eine förmliche Überprüfung des Qualitätssicherungssystems (Audit) durchzuführen. Zusätzlich hat der Hersteller eine Produktauslegungsdokumentation vorzulegen, die die benannte Stelle nach Nr. 4.3. der Richtlinie 93/42/EWG zu prüfen hat. Nach dem Inverkehrbringen des Medizinprodukts hat nach Nr. 5.1. Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG eine Überwachung des Qualitätssicherungssystems zu erfolgen. Die Pflichten der benannten Stelle im Rahmen der Überwachung sind in Nr. 5.3. und 5.4. Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG geregelt. Danach führt die benannte Stelle regelmäßig die erforderlichen Inspektionen und Bewertungen durch, um sich davon zu überzeugen, dass der Hersteller das genehmigte Qualitätssicherungssystem anwendet (BGH, Urteil vom 22.06.2017, VII ZR 36/14, Rn. 22 - 24). Zur Durchführung unangemeldeter Besichtigungen beim Hersteller sowie zu Prüfungen zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Funktionierens des Qualitätssicherungssystems ist die benannte Stelle berechtigt. Eine Pflicht, die eine Produktprüfung und die Sichtung der Geschäftsunterlagen des Herstellers umfassen kann, besteht aber nicht generell, sondern nur, wenn Hinweise vorliegen, dass das Medizinprodukt den Anforderungen der Richtlinie 93/42/EWG in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung nicht genügt (BGH a.a.O. Rn. 25; EuGH, NJW 2017, 1161). Solche Hinweise lagen jedoch bis zum 14.03.2008, als der Klägerin ein Brustimplantat eingesetzt wurde, wobei hier offenbleiben kann, womit dieses gefüllt war, nach den auch insoweit zutreffenden Feststellungen des Landgerichtes nicht vor.

2. Dabei ist, wovon auch das Landgericht ausgeht, sowohl auf vertragliche als auch auf außervertragliche/ deliktische Ansprüche deutsches Sachrecht anzuwenden (vgl. zur Anwendbarkeit deutschen Sachrechts BGH, Urteil vom 22.06.2017, VII ZR 36/14 Rn. 14 - 20). Da nicht festzustellen ist, dass die Beklagte zu 1 eine Pflicht nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG verletzt hätte, kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zu 1 nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter oder aus unerlaubter Handlung vorliegen.

3. Die Beklagte zu 1 hat Pflichten, die ihr bei der förmlichen Überprüfung des Qualitätssicherungssystems (Audit) obliegen, nicht verletzt. Insbesondere haben sich vor dem 14.03.2008 keine Anhaltspunkte ergeben, die der Beklagten zu 1 zu unangemeldeten Kontrollen hätten Anlass geben müssen.

a. Soweit die Berufung bemängelt, dass dem Landgericht die Vorlage der Zertifikate durch die Beklagte zu 1 ausgereicht habe, um sich von einer ordnungsgemäßen Durchführung des Audits zu überzeugen, was das Landgericht ohne sachverständige Beratung nicht habe überprüfen können, die Auditberichte selbst seien nicht vorgelegt worden, ohne diese sei die durchgeführte Prüfung nicht nachvollziehbar und überprüfbar, überzeugt dies nicht. Das Landgericht hat in der Begründung seines Urteils auf die von der Beklagten zu 1 vorgelegten Prüfzertifikate nicht verwiesen. Die Durchführung der Audits selbst ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Im Streit stehen vielmehr Fragen danach, ob unangekündigte Audits - wie unstreitig nicht - hätten stattfinden müssen und in welchem Umfang Unterlagen gesichtet wurden bzw. zu sichten gewesen wären und ob Materialproben hätten entnommen werden müssen.

b. Auch soweit die Berufung geltend macht, die Beklagte zu 1 sei aufgrund ihr vorliegender Hinweise verpflichtet gewesen, unangemeldete Inspektionen durchzuführen, vermag sie nicht durchzudringen.

Dass bereits im Jahr 2000 die französische Gesundheitsbehörde A. den Vertrieb aller Prothesen der Herstellerin P. verboten haben soll, musste der Beklagten zu 1 jedenfalls keinen Anlass zu einer unangekündigten Kontrolle der mit Silikongel gefüllten Implantate, durch die die Klägerin geschädigt worden zu sein behauptet, geben, denn diese waren zu dem Zeitpunkt noch gar nicht auf dem Markt. Eine Zulassung der Silikonimplantate durch die nationalen Behörden in Frankreich erfolgte unstreitig erst 2001, die Silikonprothesen wurden ab dem 18.04.2001 in den Verkehr gebracht (I K3 S. 6). Dasselbe gilt für den von der Klägerin angeführten Brief der US F. a. D. A. (F.) an den Inhaber von P. aus dem Jahr 2000, den die F. auf ihrer Website veröffentlicht habe und in dem auf Abweichungen der Produkte von den US-​amerikanischen Anforderungen hingewiesen worden sei. Zum einen hat die Klägerin, worauf das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, für ihre bestrittene Behauptung, der Brief sei der Beklagten zu 1 bekannt gewesen, keinen Beweis angetreten. Die Klägerin trägt aber auch nichts dazu vor, woraus sich eine Verpflichtung der Beklagten zu 1 ergeben sollte, im Hinblick auf die - noch nicht auf dem Markt befindlichen - Silikongelimplantate die Website der F. auf Hinweise zu überprüfen, die sich auf Hydrogel-​Implantate bezogen. Eine solche Verpflichtung ist auch nicht ersichtlich. Zudem hat unstreitig im Februar 2001 im Zusammenhang mit Maßnahmen britischer Behörden eine außerordentliche Prüfung durch die Beklagte zu 1 bei P. stattgefunden. Soweit die Klägerin eine weitere Überprüfungspflicht der Beklagten zu 1 daraus ableitet, dass auch die britische Gesundheitsbehörde im Dezember 2000 die Zulassung für Hydrogel-​Implantate wegen Bedenken hinsichtlich der Gewebeverträglichkeit widerrufen habe, was der Beklagten zu 1 bekannt gewesen sei, trägt sie selbst vor, dass die Beklagte zu 1 ein Überwachungsaudit anberaumt habe, das im Februar 2001 stattfand. Dass ein solches nicht habe angekündigt werden dürfen, wie die Klägerin meint, erschließt sich nicht, denn nach dem von der Klägerin behaupteten Entzug der Zulassung durch britische Behörden lag es für die Firma P. nicht fern, dass es zu Überprüfungen kommen würde. Soweit die Klägerin weiter bemängelt, es habe zu diesem Zeitpunkt nur eine allgemeine Prüfung stattgefunden und keine solche bezogen auf die Hinweise der britischen Gesundheitsbehörde (II 47), lässt ihr Vortrag bereits nicht erkennen, welche weiteren Prüfungen innerhalb des Auftrags der Beklagten zu 1 hätten erfolgen sollen und wie sich dies auf das Vorgehen in Bezug auf die Silikonimplantate ausgewirkt hätte, die erst ca. zwei Monate später auf den Markt kamen.

Die Berufung übersieht zudem, dass nach eigenem Vortrag der Klägerin unter Verweis auf den Sachstandsbericht französischer Behörden (I K3 S. 6) im Sommer 2001, also nach diesen Vorfällen, aus denen die Klägerin eine erhöhte Kontrollpflicht der Beklagten zu 1 herleiten möchte, eine Überprüfung durch die A. stattfand, die zu Beanstandungen führte, die jedoch für diese nationale französische Behörde, die die Produktsicherheit zu überwachen hatte, geklärt werden konnten. Der Vortrag der Klägerin lässt nicht erkennen, woraus sich zeitlich danach insbesondere bis zur Operation der Klägerin am 14.03.2008 der Beklagten zu 1 erneut Anlass geboten haben soll, besondere Kontrollen bei der Firma P. durchzuführen.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass sich ab 2008 Hinweise auf Produktmängel an den P.- Implantaten gehäuft hätten, behauptet sie selbst nicht, dass diese Hinweise an die Beklagte zu 1 gegangen seien. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Sachstandsberichts der französischen Behörden (I K3 S. 3) gingen die Meldungen der Herstellerin und aus dem Gesundheitswesen ab 1999 an die A., wo die das Jahr 2008 betreffenden Meldungen Mitte 2009 ausgewertet wurden (I K3 S. 6). Zu welchem Zeitpunkt die Beklagte zu 1 informiert worden sein soll, sagt die Klägerin nicht. Der Vortrag der Beklagten zu 1, es hätte sich 2009 eine Häufung von Meldungen zu P.-​Implantaten ergeben, passt zu dem von der A. mitgeteilten Auswertungszeitpunkt (Mitte 2009; I K3 S. 6). Zu diesem Zeitpunkt wäre auch bei einem sofortigen Vertriebsstopp der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nicht zu verhindern gewesen, denn die Klägerin hatte ihr Implantat bereits im März 2008 erhalten.

c. Ob, wie die Berufung meint, eine unangekündigte Kontrolle im Jahr 2001 bereits dazu geführt hätte, dass aufgefallen wäre, dass der Materialfluss im Hinblick auf den Ankauf zugelassenen Silikons zur Herstellungsmenge nicht schlüssig gewesen und die echten Einkaufsbelege vorgefunden worden wären, was zum Aufdecken des Betrugs geführt hätte, kann offen bleiben, da ein Anlass für besondere Kontrollen, insbesondere unangekündigte Kontrollen nicht bestand.

d. Auch soweit die Berufung geltend macht, ohne Vorlage der Auditberichte, die bereits wegen der hohen Zahl von Auffälligkeiten, deren Einzelheiten sich aus den nicht vorgelegten Abweichungsberichten ergäben, zu unangekündigten Kontrollen hätten führen müssen, sei der Klägerin weiterer Vortrag zu Versäumnissen der Beklagten zu 1 nicht möglich gewesen, das Landgericht habe jedoch fälschlich entgegen eines Antrags der Klägerin der Beklagten zu 1 die Vorlage der Auditberichte nicht aufgegeben, weshalb die Berufung sowohl die Vorlage der Auditberichte als auch der Abweichungsberichte als der Beklagten zu 1 aufzugeben beantragt (II 35), hat sie keinen Erfolg. Das Landgericht hat auch die Anforderungen, die an die Substantiierungslast der Klägerin zu stellen sind, nicht überspannt.

Nach § 142 ZPO kann das Gericht die Vorlegung von im Besitz einer Partei befindlichen Urkunden anordnen, auf die sich eine Partei bezogen hat, wobei anders als im Fall des § 423 ZPO die Bezugnahme der beweispflichtigen Klägerin auf Urkunden ausreicht, die sich im Besitz der nicht beweisbelasteten Beklagten zu 1 befinden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26.06.2007, XI ZR 277/05, bei juris Rn. 18). Der Klägerin muss hierfür ein materiell-​rechtlicher Herausgabe- oder Vorlegungsanspruch nicht zustehen (BGH a.a.O.). Die Anordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Bei seiner Ermessensentscheidung kann es den möglichen Erkenntniswert und die Verhältnismäßigkeit einer Anordnung, aber auch berechtigte Belange des Geheimnis- und Persönlichkeitsschutzes berücksichtigen. Die Vorschrift befreit die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, jedoch nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast. Dementsprechend darf das Gericht die Urkundenvorlegung nicht zum bloßen Zwecke der Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei anordnen (BGH a.a.O.; ebenso BGH, Urteil vom 17.07.2014, III ZR 514/13, bei juris Rn. 26).

Vorliegend begehrt die Klägerin Einsicht in die Auditberichte und die Abweichungsberichte, um überhaupt in der Lage zu sein, zu Versäumnissen der Beklagten zu 1 im Rahmen der durchgeführten Audits vortragen zu können. Sie selbst macht geltend, dass ihr ein solcher Vortrag andernfalls nicht möglich sei. Allein die Bezugnahme der Klägerin auf die von Beklagtenseite selbst vorgetragene Anzahl von Abweichungen, die sich bei den Audits ergeben haben, wobei hinsichtlich des Gegenstands der Abweichungen die Beklagte zu 1 geltend gemacht hat, dass diese nicht im Zusammenhang mit dem Füllmaterial der Brustimplantate gestanden hätten, ergibt keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass allein wegen der Anzahl der Abweichungen, die Beklagte zu 1 Überprüfungsbedarf hätte erkennen müssen. Es ist dem Vortrag der Klägerin bereits nicht zu entnehmen, ob solche Audits in aller Regel ohne die Feststellung von Abweichungen enden oder ob eine gewisse Anzahl (welche?) als üblich anzusehen ist und lediglich, wie die Beklagte zu 1 meint, erkennen lässt, dass die Prüfer ihren Verpflichtungen nachgekommen sind und Abweichungen, in welchem Zusammenhang auch immer, festgestellt haben. Die Klägerin macht auch nicht geltend, dass im Rahmen der Untersuchungen seitens der französischen Behörden oder im Strafverfahren gegen Verantwortliche von P. sich Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die von der Beklagten zu 1 im Rahmen der durchgeführten Audits festgestellten Abweichungen einen Bezug zum Inhaltsstoff der Implantate gehabt hätten. Eine Vorlageanordnung des Gerichts würde daher allein der Informationsbeschaffung für die Klägerin dienen, was als Ausforschung unzulässig ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 01.08.2006, X ZR 114/03, Restschadstoffentfernung, abrufbar bei juris), in der beschränkt auf den Bereich der Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte eine Vorlageanordnung jedenfalls dann für gerechtfertigt angesehen wurde, wenn diese zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet und erforderlich, weiter verhältnismäßig und angemessen ist, wobei für den Erlass einer Vorlageanordnung für ausreichend erachtet wurde, dass eine Benutzung des Gegenstands des Schutzrechtes wahrscheinlich ist (BGH a.a.O., bei juris Rn. 42/ 43). Der Bundesgerichtshof selbst hat in der genannten Entscheidung (bei juris Rn. 41) darauf verwiesen, dass eine differenzierende Betrachtung und Anwendung von generell formulierten Bestimmungen wie der des § 142 ZPO in verschiedenen Rechtsgebieten nicht nur angebracht, sondern jedenfalls insoweit auch geboten ist, als eine differenzierte Regelung nicht spezialgesetzlich erfolgt ist. Der Bundesgerichtshof hat im Zusammenhang mit seiner Entscheidung auf das TRIPS-​Übereinkommen und die Durchsetzungsrichtlinie Bezug genommen, die spezialgesetzliche Regelungen für Vorlageanordnungen im deutschen Recht nicht zur Folge hatten und dies zum Anlass genommen, insoweit eine verhältnismäßig großzügige Handhabung bei Vorlageanordnungen im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu billigen. Dies ist jedoch auf den vorliegenden Fall, der mit technischen Schutzrechten nicht im Zusammenhang steht, nicht übertragbar. Es ist nicht ungewöhnlich, dass für die Geltendmachung von Ansprüchen eine Partei auf Informationen aus dem Haus des Prozessgegners angewiesen ist, dies begründet jedoch keinen generellen Auskunftsanspruch gegen den Prozessgegner. Dieser Umstand erweitert aber auch nicht die im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Interessen der beweisbelasteten Partei, die durch eine Vorlageanordnung überhaupt erst dazu kommen möchte, überprüfen zu können, ob sich aus Informationen, die sich in den begehrten Unterlagen finden könnten, Ansprüche gegen den Prozessgegner ergeben können.

Insoweit hat das Landgericht auch nicht die Anforderungen an eine Substantiierungslast der Klägerin überspannt. Es ist Aufgabe der Schadensersatz begehrenden Klägerin, alle Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich ihr Anspruch herleitet. Stützt sie diesen auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, so hat sie prinzipiell alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt (BGH, NZG 2015, 645, 646). Dabei kann, worauf das Landgericht zutreffend verwiesen hat (LGU 17/ 18), offen bleiben, ob die Richtlinie 93/42/EWG und die umsetzenden deutschen Gesetze Schutzgesetze im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB sind, denn die Klägerin kann nach eigenem Vortrag solche Umstände nicht darstellen. Soweit sie geltend macht, die Beklagte zu 1 sei im Rahmen der sekundären Darlegungslast verpflichtet darzustellen, welche Abweichungen sich im Rahmen der Audits ergeben hätten, um der Klägerin dadurch Vortrag zu Pflichtverletzungen der Beklagten zu 1 zu ermöglichen, überzeugt dies nicht. Zwar ist es in bestimmten Fällen Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH a.a.O.) Dies entbindet die beweispflichtige Partei, hier die Klägerin, jedoch nicht davon, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Erst wenn dies geschehen ist, obliegt es der Beklagten zu 1 im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (BGH, NJW 2015, 947, 948). Der Vortrag der Klägerin, allein aus der unstreitigen Anzahl der festgestellten Abweichungen ergebe sich, dass die Beklagte zu 1 ihre Prüferpflichten verletzt habe, ist nicht hinreichend substantiiert, um eine weitergehende sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 1 über die Information, dass die festgestellten Abweichungen nicht im Zusammenhang mit dem Füllmaterial der Implantate gestanden hätten, hinaus, zu begründen. Die Beklagte zu 1 hat sich vorliegend nicht auf einfaches Bestreiten beschränkt, sondern sich zu dem Bezugspunkt, den die Klägerin für ihren Schadensersatzanspruch geltend machen möchte, geäußert. Zu weiterem Vortrag ist die Beklagte zu 1 derzeit nicht verpflichtet.

e. Dasselbe gilt für den Einwand der Berufung, das Landgericht habe es fehlerhaft unterlassen, sich seitens der Beklagten zu 1 die Unterlagen vorlegen zu lassen, die für die Dokumentation zum Qualitätssystem zu erstellen gewesen und bei der Prüfung und Bewertung des vollständigen Qualitätsmanagementsystems erforderlich gewesen wären (II 51/ 53). In dem Zusammenhang wäre dann aufgefallen, dass der genehmigte Füllstoff „NuSil“ nur eine begrenzte Haltbarkeit aufweise, so dass zu prüfen gewesen wäre, ob überhaupt noch haltbarer Füllstoff vorrätig gewesen wäre.

Auch insoweit besteht mangels konkreten Vortrags der Klägerin zu Pflichtverletzungen der Beklagten zu 1, die sich aus der Dokumentation ergeben sollten, kein Anlass, der Beklagten zu 1 die Vorlage der Dokumente aufzugeben. Auf die Ausführungen unter II.A.3.d. kann verwiesen werden.

Woraus die Klägerin schließt, dass den eingesetzten Kontrolleuren nicht bekannt gewesen sei, dass der Füllstoff „NuSil“ nur begrenzt haltbar gewesen sei, und sie auch keine Kenntnis von der richtigen Dosierung des Produkts für einzelne Prothesentypen gehabt hätten, so dass sie eine Kontrolle des Qualitätsmanagements gar nicht hätten durchführen können, ist dem Vortrag der Berufung nicht zu entnehmen. Tauglicher Beweis ist insoweit auch nicht angetreten.

f. Soweit die Berufung meint, die Beklagte zu 1 hätte nicht Personal ihrer Tochtergesellschaft, des T. Frankreich, zu den Kontrollen hinzuziehen dürfen, nur durch Verwechslung von Zuständigkeiten zwischen der Beklagten zu 1 und ihrer Tochtergesellschaft habe es überhaupt so lange zur Verschleierung der unzulässigen Implantatfüllungen kommen können, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg.

Nach Ziffer 3 des Anhangs XI zur Richtlinie 93/42/EWG muss die Beklagte zu 1 als benannte Stelle in der Lage sein, alle in einem der Anhänge II bis VI genannten Aufgaben, die einer solchen Stelle zugewiesen werden und für die sie benannt ist, wahrzunehmen, wobei sie diese Aufgaben selbst wahrnehmen kann, diese aber auch „unter ihrer Verantwortung“ ausgeführt werden können. Demnach ist der Beklagten zu 1 eine Delegierung ihrer Aufgaben bzw. eines Teils davon nicht untersagt, solange die eingesetzten Personen die erforderlichen Qualifikationen haben (dazu Ziffer 4. des Anhangs XI zur Richtlinie 93/42/EWG). Soweit die Berufung behauptet, bestimmte seitens der Beklagten zu 1 eingesetzte Mitarbeiter hätten die erforderliche Qualifikation nicht besessen, bleibt ihr Vortrag unsubstantiiert. Die Beklagte zu 1 hat erstinstanzlich (I 605) mitgeteilt, welche Auditoren sie bei der Firma P. eingesetzt hatte. Welche dieser Personen nicht ausreichend qualifiziert gewesen sein soll, teilt die Berufung nicht mit. Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 ist damit nicht ersichtlich.

g. Der neue Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 19.05.2018 führt nicht dazu, dass entgegen der unter II.A.3.d. und II.A.3.e. dargestellten Auffassung des Senats der Beklagten zu 1 auf Antrag der Klägerin die Vorlage von Abweichungsberichten aufzugeben wäre. Dabei kann zunächst offen bleiben, ob der neue Vortrag zu berücksichtigen ist. Die Klägerin trägt zum genauen Zeitpunkt ihrer Kenntnis von Abweichungsberichten nichts vor, während die Beklagte zu 1 geltend macht, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe seit 2012 Kenntnis von den Abweichungsberichten. Jedoch verhilft auch die inhaltliche Berücksichtigung dieses Vorbringens der Berufung nicht zum Erfolg.

Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 19.05.2018 aufgeführten Audits vom 15.07./16.07.1997, 02.10./03.10.1998, Januar 2000, Februar 2001, Dezember 2001 und 2002 betreffen, was sich bereits aus ihrem eigenen Vortrag ergibt, Implantate, die mit Hydrogel gefüllt sind, und damit nicht die streitgegenständlichen Implantate. Der allgemeine Schluss, dass wechselnde Beanstandungen andere Implantate betreffend insgesamt Anlass zu unangekündigten Kontrollen insbesondere im Hinblick auf Inhaltsstoffe hätten geben müssen, ist nicht zulässig, zumal auch hier nichts dazu vorgetragen ist, in welchem Umfang (wechselnde) Beanstandungen in einem Audit so ungewöhnlich sind, dass sie den Prüfer hätten aufmerken lassen müssen (vgl. dazu bereits oben II.A.3.d.). Die Beanstandungen bei diesen Audits stehen auch nicht im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten bei den Inhaltsstoffen, deren Überprüfung ohnehin nicht der Beklagten zu 1 oblag.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass eine Beseitigung der Beanstandungen aus den Abweichungsberichten von der Beklagten zu 1 unangekündigt hätte überprüft werden müssen, hätte eine solche auf die konkreten Beanstandungen, die Verfahrensabläufe betreffen, bezogene Prüfung nicht zu einer Kontrolle der tatsächlich verwendeten Inhaltsstoffe geführt, so dass ein Unterlassen dieser Prüfung für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden wäre. Soweit die Klägerin im genannten Schriftsatz auf ein Audit vom November 2000 verweist, bezieht sich ein solches offenbar auf die mit Silikon gefüllten Implantate, die sich jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf dem Markt befanden. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten und in Bezug genommenen Sachstandsberichts der französischen Behörden (I K3 S.6) kamen die Silikonimplantate nach der Zulassung durch die französischen Behörden am 18.04.2001 auf den Markt. Die dokumentierten Beanstandungen vom November 2000, die auch die Nachvollziehbarkeit der Lieferkette und die Konformitätsbescheinigungen für den Inhaltsstoff „NuSil“ betrafen, waren somit in den Augen der Zulassungsbehörde entweder nicht ausreichend, um eine Zulassung zu versagen, oder sie wurden beseitigt, so dass sich hieraus auch eine besondere Pflicht der Beklagten zu 1 zur Durchführung unangekündigter Kontrollen nicht ergibt. Die Ausführungen der Klägerin zur Kausalität vermögen nicht zu überzeugen. Die Klägerin hat die Entstehung eines (Personen-​)Schadens als primäre Rechtsgutsverletzung durch eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 nach dem Beweismaß des § 286 ZPO zu beweisen. Eine Ausnahme hat der Bundesgerichtshof lediglich im Bereich der Entstehung eines reinen Vermögensschadens als Primärschaden gemacht (BGH, Urteil vom 15.06.1993, XI ZR 111/92, bei juris Rn. 24). Dies trifft nicht den vorliegenden Fall. Daher kann sich die Klägerin erst im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität auf die in § 287 ZPO enthaltenen Erleichterungen berufen.

B. Die Berufung betreffend die Klageabweisung gegen die Beklagte zu 2 (Versicherung)

Soweit die Klägerin mit der Berufung Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 geltend macht, hat diese keinen Erfolg.

Wie der Senat in vergleichbaren Fällen bereits entschieden hat (Urteil vom 20.04.2016, 7 U 241/14, abrufbar bei juris - rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.07.2017, VI ZR 192/16; Urteil vom 17.08.2016, 7 U 23/16, rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.06.2017, IV ZR 400/16; Urteile vom 20.12.2017, 7 U 9/17, 7 U 46/17, 7 U 53/17, 7 U 54/17, 7 U 101/17), steht in Deutschland mit P.-​Brustimplantaten versorgten Patientinnen wie der Klägerin kein Direktanspruch aus dem zwischen P. und der Beklagten zu 2 bestehenden Versicherungsvertrag zu, weil der in Deutschland eingetretene Schadensfall nicht zu den versicherten Risiken gehört.

1. Zwar unterliegt der Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten zu 2 und P., wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, französischem Recht, welches innerhalb des versicherten Risikos einen generellen Direktanspruch (action directe) des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer gewährt. Jedoch umfasst das versicherte Risiko nach den insoweit eindeutigen vertraglichen Abreden ausschließlich Schadensfälle, die in Frankreich eingetreten sind. Eine weitergehende Versicherungspflicht besteht nach französischem Recht für Hersteller von Medizinprodukten auch nicht (Senat a.a.O.).

2. Danach liegt der hier streitgegenständliche Versicherungsfall außerhalb des versicherten Risikos, weil dieser in H. eingetreten ist. Allein der Umstand, dass die schadhaften Medizinprodukte in Frankreich hergestellt wurden, genügt nicht für die Annahme, dass der Schaden in Frankreich eingetreten ist; erforderlich ist nach Wortlaut und Zweck des Versicherungsvertrags vielmehr, dass sich das schädigende Ereignis („sinistre“) in Frankreich verwirklicht hat, d.h. die Implantate in Frankreich eingesetzt wurden. Dies entspricht der Ansicht des Appellationsgerichtshofs Aix-​en-​Provence, der Klagen einer italienischen und einer kanadischen Patientin mit der Erwägung abgewiesen hat, diese seien nicht in Frankreich operiert worden. Mit dieser Betrachtungsweise steht es in Einklang, dass für die Berechnung der Versicherungsprämien nur der Umsatz für den Absatz von Implantaten in Frankreich zugrunde gelegt wurde. Würde die Herstellung der Implantate in Frankreich für den Eintritt des Versicherungsfalls genügen, wäre im Ergebnis der gesamte unionsweite Vertrieb mitversichert, was eine entsprechende Bemessungsgrundlage der Versicherungsprämien hätte nach sich ziehen müssen (Senat a.a.O.).

2. Unter den gegebenen Umständen ist es europarechtlich nicht zu beanstanden, dass die für die Durchsetzung der Versicherungspflicht zuständige französische Behörde BCT einen auf Schadensfälle in Frankreich beschränkten Versicherungsvertrag akzeptiert hat.

a. Eine nach Art. 18 AEUV untersagte Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit liegt darin nicht. An einer unmittelbaren Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit fehlt es schon deshalb, weil Ausländer bei Schadensfällen auf französischem Territorium Inländern gleichgestellt sind. Die Freizügigkeit der Unionsbürger wird durch die Regelung also nicht tangiert. Allenfalls eine mittelbare (indirekte) Diskriminierung könnte man in der territorialen Beschränkung des Versicherungsschutzes sehen, weil anzunehmen ist, dass der Ausschluss von Schadensfällen außerhalb Frankreichs Nicht-​Franzosen häufiger trifft (Senat a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs ist eine mittelbare Diskriminierung indessen gerechtfertigt, wenn das Differenzierungskriterium auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck steht, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt wird (EuGH, Urteil vom 24.11.1998 – C-​274/96 Slg. 1998, I-​7637, Rn. 27 – Bickel und Franz; Urteil vom 23.03.2004 – C-​138/02, Slg 2004, I-​2703 Rn. 66 – Collins). So hat der Gerichtshof etwa entschieden, dass eine mittelbar auf der Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung durch das Ziel der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen medizinischen Versorgung gerechtfertigt sein kann, wenn es zur Erreichung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes beiträgt (EuGH, Urteil vom 13.04.2010 – C-​73/08, Slg. 2010, I-​2735 Rn. 62 – Bressol).

Nach diesen Maßstäben ist hier anzunehmen, dass die Französische Republik zur Anhebung des Verbraucherschutzniveaus im Gesundheitswesen eine Pflichtversicherung für Medizinprodukte einführen durfte, ohne diese auf in anderen Mitgliedstaaten der Union ansässige Abnehmer aus Frankreich stammender Medizinprodukte ausdehnen zu müssen. Der Pflichtversicherungsschutz für Medizinprodukte ist unionsrechtlich nicht harmonisiert. Das europäische Sekundärrecht kennt keine Pflichtversicherung für Hersteller von Medizinprodukten. Gleiches gilt beispielsweise für das deutsche Recht. Die französischen Hersteller von Medizinprodukten stehen mithin in den übrigen Staaten der Union, insbesondere in Deutschland, im Wettbewerb mit Herstellern solcher Produkte, die keiner Versicherungspflicht unterliegen. Die Ausdehnung des in Frankreich angestrebten Schutzniveaus auf alle Unionsbürger geriete deshalb in Konflikt mit der Berufsausübungsfreiheit französischer Hersteller von Medizinprodukten und dem ebenfalls durch Art. 18 AEUV und Artt. 34 f AEUV geschützten Interesse an dem nicht-​diskriminierenden Zirkulieren der Waren als Voraussetzung eines funktionierenden Binnenmarktes (von Bogdandy in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 18 AEUV [EL. September 2010] Rn. 47). Diesen Konflikt durfte die Französische Republik dahin auflösen, dass sie die Pflichtversicherung auf Schadensfälle beschränkt, die auf ihrem Staatsgebiet eintreten. Damit ist die größtmögliche Übereinstimmung mit den Grundfreiheiten aller Beteiligten erreicht, weil Unionsbürger – wie geboten (vgl. zu einem Entschädigungsfonds für Opfer von Gewalttaten EuGH, Urteil vom 02.02.1989 – Rs. 186/87, Slg. 1989, 195 Rn. 17 – Cowan) – in den Genuss dieser Pflichtversicherung kommen, wenn sie in Frankreich einen Schaden erleiden. Auf der anderen Seite wird dadurch vermieden, dass französische Hersteller von Medizinprodukten für ihre Aktivitäten auf dem deutschen Markt einer Versicherungspflicht unterliegen, obwohl eine solche Versicherungspflicht für deutsche Hersteller vergleichbarer Produkte nicht besteht (vgl. dazu Senat a.a.O.).

Selbst wenn man eine unzulässige Diskriminierung annehmen wollte, ließen sich damit keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 begründen. Die Beklagte zu 2 ist für die etwa eingetretene Diskriminierung deutscher Verbraucherinnen nicht verantwortlich. P. hat bei der Beklagten zu 2 keinen Versicherungsschutz für andere Mitgliedstaaten außer Frankreich nachgefragt und die Beklagte zu 2 hat für einen Versicherungsschutz solchen Umfangs auch keine Gegenleistung erhalten. Wie dargelegt, decken die geleisteten Versicherungsprämien nur den Vertrieb innerhalb Frankreichs ab. Die Beklagte zu 2 war nicht verpflichtet, P. gegen ihren Willen und gegen die Entschließung der für die Durchsetzung der Versicherungspflicht zuständigen französischen Behörde B. unionsweiten Versicherungsschutz aufzudrängen. Einem Kontrahierungszwang unterlag die Beklagte zu 2 insoweit nicht. Ein solcher Kontrahierungszwang – und in dessen Folge gegebenenfalls ein Direktanspruch gegen ein dagegen verstoßendes Privatunternehmen – kann sich unter dem Blickwinkel des Diskriminierungsverbots nur unter den qualifizierenden Merkmalen des Art. 102 AEUV ergeben (von Bogdandy in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 18 AEUV [EL. September 2010] Rn. 28). Dass diese hier vorliegen könnten, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Es kann nicht angenommen werden, dass der Beklagten zu 2 eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Versicherungsdienstleistungen für Medizinprodukte zukommt. Sie kann daher nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass P. – aus welchen Gründen auch immer – eine Versicherung ihrer Aktivitäten auf dem deutschen Markt nicht angestrebt hat oder ihr eine solche nicht gelungen ist (Senat a.a.O.).

b. Es liegt auch kein Verstoß gegen die Waren- und Dienstleistungsfreiheit (Artt. 34 f, 56 AEUV) vor. Im Gegenteil läge, wie bereits oben aufgezeigt wurde, in einer unionsweiten Versicherungspflicht für französische Medizinproduktehersteller eine Behinderung der französischen Unternehmen auf dem Binnenmarkt, weil eine solche Versicherungspflicht für Medizinproduktehersteller aus anderen Mitgliedstaaten nicht besteht. Hingegen sind in Frankreich ansässige Hersteller von Medizinprodukten durch das französische Recht nicht daran gehindert, unionsweit Versicherungsschutz abzuschließen. Auch ausländischen Versicherungsunternehmen ist es unbenommen, in Frankreich ansässigen Herstellern von Medizinprodukten geeignete Versicherungsverträge anzubieten, sei es für das französische Territorium, sei es unionsweit. Die Waren- und Dienstleistungsfreiheit bleibt mithin von der für Frankreich eingeführten Versicherungspflicht unberührt.

Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen die Waren- und Dienstleistungsfreiheit nicht zu einem Direktanspruch gegen die Beklagte zu 2 führen, sondern zur Unanwendbarkeit der hiergegen verstoßenden Norm. Die Rechtsfolge läge also allenfalls darin, dass die Französische Republik die Versicherungspflicht insgesamt zurückziehen müsste (Senat a.a.O.).

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO angeordnet.

Gründe, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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