(18.9.2018) Die Regelungen zur Vergabe von Versorgungsaufträgen gem. der Dialysevereinbarung (§ 2 Abs 7 BMV-Ä iVm Anlage 9.1 BMV-Ä) sind verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Beschränkung der Mitnahme von Dialyse-Versorgungsaufträgen ist verfassungsgemäß. Die damit einhergehende Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Nephrologen, denen die Mitnahme der Genehmigung verweigert wurde, ist gerechtfertigt und auch verhältnismäßig (Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 15.08.2018 - 1 BvR 1780/17, 1 BvR 1781/17).

Entscheidung zur DialyseversorgungDer Fall:

Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde war u.a. ein Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie, der seit 2003 in einer BAG tätig war auf Grundlage einer Zulassung u.a. in der Stadt H. für die Dialyseversorgung (gem. Anlage 9.1. BMV-Ä). Laut Zusatz zu der Zulassungsgenehmigung sollte diese erlöschen, wenn die Niederlassung an dem Praxisstandort endete.

Im Jahr 2011 teilte er der KV mit, dass er die BAG beenden werde und beantragte die Verlegung des Vertragsarztsitzes in das benachbarte Stadt I. sowie Übernahme des nephrologischen Versorgungsauftrages für den neuen Praxisstandort durch ein neues MVZ. Der Zulassungsausschuss genehmigte dies.
Dagegen richtete sich eine andere Dialyse-BAG mit Sitz im ebenfalls benachbarten Stadt N. Sozialgericht und Landessozialgericht wiesen die Klage der konkurrierenden BAG aus N. ab u.a. mit dem Argument, die örtlichen Dialysepraxen seien bereits nicht ausgelastet und die Versorgungsaufträge der Beschwerdeführer seien vorrangig. Gegen die bloße Verlegung der Sitze sei nichts einzuwenden.
Die konkurrierende BAG legte Revision zum Bundessozialgericht ein. Das BSG gab der BAG Recht und hob den Genehmigungsbescheid der Verlegung auf (BSG, Urteil vom 15.3.2017 – B 6 KA 20/16 R). Eine Mitnahme des Versorgungsauftrages scheide aus, weshalb es maßgeblich auf die Regeln für eine Übernahme nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Anlage 9.1. BMV-Ä ankomme. Diese Vorschrift sei aber nicht erfüllt, weil hier eine kontinuierliche wirtschaftliche Auslastung der BAG-Dialysepraxis gemäß § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 Anlage 9.1. BMV-Ä nicht gewährleistet sei. Das BSG hat damit eine bedarfsunabhängige Verlegung der Dialysegenehmigung verneint.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die so zurückgewiesenen Nephrologen eine Verletzung der Grundrechte der Berufsfreiheit und des Eigentumsschutzes geltend. Die streitgegenständlichen Regelungen der Anlage 9.1. BMV-Ä seien verfassungswidrig. Im Übrigen sei die Versagung der Verlegung auch unverhältnismäßig.

Die Entscheidung:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerden aber nicht zur Entscheidung an, weil ihnen weder grundsätzliche Bedeutung zukomme noch die Annahme der Beschwerde zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer erforderlich sei.

Eine Verletzung der Eigentumsrechte sei bereits nicht hinreichend detailliert dargelegt. Eine Verletzung der Berufsfreiheit verneinte das BVerfG, weil der Eingriff hier gerechtfertigt sei durch § 2 Abs. 7 BMV-Ä in Verbindung mit Anlage 9.1. BMV-Ä. Diese Normen sind aus Sicht des BVerfG hinreichend bestimmt und halten sich im gesetzlichen Rahmen der Ermächtigung nach §§ 82 Absatz 1, 72 Absatz 2 SGB V. Diese Ermächtigung soll eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleisten. Die Regelungen der Anlage 9.1. BMV-Ä blieben aus Sicht des BVerfG in eben diesem Rahmen und sicherten die wohnortnahe Versorgung der Versicherten und verhinderten zugleich die Bildung von Ballungsgebieten. Die dort geregelte Beschränkung der Erteilung von Dialyse-Versorgungsaufträgen und das Verbot ihrer Mitnahme sicherten die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung. Denn durch diese Beschränkungen werde verhindert, dass Dialysepraxen mit geringer Auslastung betrieben und so an der Qualität der Versorgung gespart werden könnte. Außerdem förderten die Beschränkungen die gemeinsame Berufsausübung, den besonders in Dialysepraxen sei eine umfassende ärztliche Betreuung und permanente Erreichbarkeit der Ärzte erforderlich, die in einer ärztlichen Kooperation besser gewährleistet werden könne.
Das BVerfG sah den Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführer auch nicht als unverhältnismäßig an. Das Gebot der Wahrung der Qualität der Versorgung überwiege hier den Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer. Diese könnten auch außerhalb der Dialyse eine nephrologische Praxis betreiben sowie auch privatärztlich tätig sein. Der ärztliche Status der Beschwerdeführer werde mithin durch die Versagung der Genehmigung nicht berührt.

Praxisanmerkung:

Das BVerfG bestätigt die Regelungen der Bundesmantelverträge betreffend die Versorgung chronisch nierenkranker Patienten, betont die Bedeutung der Versorgung von Dialysepatienten und stellt klar, dass diese am besten in einer ärztlichen Kooperation erbracht werden kann. Die Entscheidung des BSG, das eine bedarfsunabhängige Verlegung der Dialysegenehmigung verneinte, ist damit letztgültig.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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