(12.7.2018) Das Amtsgericht München hat entschieden, dass die Sperrung eines ländlichen Internetanschlusses durch den Provider nicht im Eilverfahren aufgehoben werden muss (AG München, Beschluss vom 25.5.2018 - 172 C 10218/18). Der Kunde könne auch auf Konkurrenten ausweichen oder das Funktelefon nutzen, um ins Internet zu gelangen. 


Internetzugang mittels DSLDer Fall:

Ein Justizbeamter war mit seiner Familie ins bayrische Umland gezogen. Der Umzug des DSL-Anschlusses (inklusive Festnetztelefonanschluß) verzögerte sich. Der Mitarbeiter des Providers soll zu zwei vereinbarten Terminen zur Aktivierung nicht erschienen sein, so der Beamte. Deshalb buchte der Beamte die bereits bei ihm vom Provider abgebuchte Umzugspauschale von rund 50 Euro per Lastschrift zurück.

Daraufhin legte der Internetanbieter den DSL-Anschluß komplett lahm.

Dagegen ging der Beamte im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes vor und rief das Amtsgericht München an. Seine Familie mit Kleinkind sei auf diesen Anschluß dringend angeweisen, etwa zur Vereinbarung von Arztterminen.

Die Entscheidung:

Das AG München wies den Antrag des Beamten als unbegründet zurück.

Nach Auffassung des Amtsgerichts besteht kein besonderes Eilbedürfnis, das es ausnahmsweise rechtfertigt, schon vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren einstweilig die Wiederherstellung des Internetzuganges anzuordnen. Inwiefern der Antragssteller beruflich auf seinen Festnetz- und Internetanschluss angewiesen sei, sei nicht dargetan worden. In der jetzigen Zeit sei davon auszugehen, dass der Antragsteller und seine Ehefrau für Telefonate und auch den Zugriff auf das Internet auf ein Handy zurückgreifen könnten. Auch die Internetnutzung sei nicht nur über ein Mobiltelefon, sondern mittlerweile auch über Computer, Laptop, Tablet und das auch an vielen öffentlichen Plätzen (über W-LAN und in Internetcafes) möglich. Darüber hinaus könne jeder im Zeitalter des Handys durch den kurzfristigen Abschluss eines (Prepaid-)Telefon- und Internetvertrages bei einem anderen Anbieter zeitnah ohne größere Schwierigkeiten unmittelbar einen Telefon- und Internetanschluss zur Verfügung gestellt bekommen.

Dagegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein.

Das AG München hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Nach Auffassung des Amtsgerichts steht dem Antragsteller für Eilzuständigkeiten ein Diensthandy zur Verfügung. Dass die Ehefrau bei Erkrankung des Kindes das Internet für medizinische Fachportale oder die Vereinbarung eines Arzttermines, die Erreichbarkeit der Arztpraxis mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder für die Rezensionen anderer Patienten konsultieren müsse bzw. ihre Einkäufe erledigen müsse oder Anträge auszufüllen habe, stelle keine zwingende Notwendigkeit dar. Auch wenn der Antragssteller nunmehr behaupte, dass in seinem Wohnort nur unzureichende Netzabdeckung bestehe und Handytelefonate nur in eingeschränkter Qualität möglich seien und es nicht möglich sei mit dem Handy eine ausreichende Internetverbindung herzustellen, liege ein Verfügungsgrund nicht vor. Aus dem Internet ergebe sich zwar, dass die Netzabdeckung von (dem Antragsgegner) in (Wohnort) ungewiss sei, jedoch gebe es dort ebenso Konkurrenten mit stabiler Netzverbindung, die man problemlos erlangen könne.

Der Beschluss ist nach Rücknahme der sofortigen Beschwerde des Antragstellers am 06.06.2018 rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des AG München Nr. 54/2018 v. 06.07.2018

Praxishinweis:

Der Beschluß bedeutet nicht, dass das AG München den Streit endgültig zugunsten des Internetdienstanbieters entschieden hat. Es hat dem Beamten lediglich den Eilrechtsschutz versagt. Der Beamte kann also noch im allgemeinen Zivilverfahren (das im schlimmsten Falle Jahre dauern kann) gegen den Provider auf einen neuen Anschluß und Rückzahlung der Umzugspauschale etc. klagen. Was der aber wahrscheinlich nicht tun wird, weil er bis dahin ohnehin den Anbieter gewechselt hat. Im Ergebnis kann sich der Beamte also gegen den nicht rechtzeitigen Umzug nicht wehren und ist der Willkür des Anbieters bei der Umstellung ausgeliefert. 

Meiner Ansicht nach ist die Entscheidung kritisch zu sehen, weil sie die gesetzlichen Vorschriften falsch anwendet. Denn der Anbieter durfte den Zugang nicht sperren, weil dafür die Voraussetzungen des § 45 k TKG nicht erfüllt waren. Und die Eilbedüfrtigkeit des Anliegens des Beamten mit dem Argument zu verneinen, der Beamte könne auf andere Dienste ausweichen (Funktelefon, Internetcafe), ist widersinnig, weil es hier ja gerade um das korrekt zu erbringende Leistungsangebot des speziellen Dienstanbieters ging. 

Gleichwohl bleibt festzustellen, dass der Kunde beim Umzug dem DSL-Anbieter nach derzeitiger Rechtslage ausgeliefert bleibt. 

Maßgeblich für den Umzug ist hier § 46 Abs. 8 TKG:

Der Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten, der mit einem Verbraucher einen Vertrag über öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste geschlossen hat, ist verpflichtet, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz wechselt, die vertraglich geschuldete Leistung an dem neuen Wohnsitz des Verbrauchers ohne Änderung der vereinbarten Vertragslaufzeit und der sonstigen Vertragsinhalte zu erbringen, soweit diese dort angeboten wird. Der Anbieter kann ein angemessenes Entgelt für den durch den Umzug entstandenen Aufwand verlangen, das jedoch nicht höher sein darf als das für die Schaltung eines Neuanschlusses vorgesehene Entgelt. Wird die Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten, ist der Verbraucher zur Kündigung des Vertrages unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats berechtigt. In jedem Fall ist der Anbieter des öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes verpflichtet, den Anbieter des öffentlichen Telekommunikationsnetzes über den Auszug des Verbrauchers unverzüglich zu informieren, wenn der Anbieter des öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes Kenntnis vom Umzug des Verbrauchers erlangt hat.

Weiter gilt für die Sperre § 45 k TKG:

Wegen Zahlungsverzugs darf der Anbieter eine Sperre durchführen, wenn der Teilnehmer nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 Euro in Verzug ist und der Anbieter die Sperre mindestens zwei Wochen zuvor schriftlich angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Teilnehmers, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat. Bei der Berechnung der Höhe des Betrags nach Satz 1 bleiben nicht titulierte Forderungen, die der Teilnehmer form- und fristgerecht und schlüssig begründet beanstandet hat, außer Betracht. Ebenso bleiben nicht titulierte bestrittene Forderungen Dritter im Sinne des § 45h Absatz 1 Satz 1 außer Betracht. Dies gilt auch dann, wenn diese Forderungen abgetreten worden sind. Die Bestimmungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn der Anbieter den Teilnehmer zuvor zur vorläufigen Zahlung eines Durchschnittsbetrags nach § 45j aufgefordert und der Teilnehmer diesen nicht binnen zwei Wochen gezahlt hat.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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