(5.6.2018) Verfügt ein MVZ seit fast fünf Monaten über keine dort tätigen Ärzte mehr und befindet sich dessen Träger im Insolvenzverfahren und sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein das MVZ eine Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit auch nur beabsichtigte, so ist die Zulassung des MVZ zu entziehen. Dann kann das MVZ eine Zulassungsentziehung auch nicht durch Beantragung eines Ruhens der Zulassung vermeiden (Sozialgericht München, Urteil vom 13. Dezember 2016 – S 49 KA 469/16).

Zulassungsentziehung für MVZ ohne ÄrzteDer Fall:

Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ in Form einer GmbH), dessen Träger die Klägerin ist, war seit 2007 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Beschluss vom 01.03.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet. 2015 geriet das MVZ in personelle Schwierigkeiten. Mit Beschluss vom 20.07.2015 gab der Zulassungsausschuss dem Antrag der Klägerin auf die Anordnung des Ruhens der Zulassung des MVZ vom 21.07.2015 bis 31.12.2015 statt. Als Grund wurde angegeben, dass keine verbleibenden Ärzte im MVZ mehr tätig seien.

Mit Beschluss vom 23.11.2015 entzog der Zulassungsausschuss die Zulassung des MVZ gemäß § 95 Abs. 6 S. 3 SGB V iVm § 27 Ärzte-ZV zum 31.12.2015. Den Antrag auf weiteres Ruhen vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 lehnte der Zulassungsausschuss ab. In der gleichen Sitzung hatte der Zulassungsausschuss die letzte Angestelltenstelle des MVZ zum 01.01.2016 in eine Zulassung umgewandelt.

Dagegen legte ein Anwalt in Vollmacht des Insolvenzverwalters der Klägerin Widerspruch ein. In der Folge kam es zu einigen Diskussionen, u.a. ob der Anwalt hinreichend bevollmächtigt sei (der beklagte Berufungsausschuss war der Meinung, der Insolvenzverwalter sei nicht aktivlegitimiert, einen Anwalt zu beauftragen; einen Widerspruch müsste der Geschäftsführender der MVZ GmbH einlegen - streitig war auch, ob der Anwalt den Widerspruch unter Vorlage einer Originalvollmacht einlegen müsse).

Der beklagte Berufungsausschuss lehnte den Widerspruch aus verschiedenen Gründen ab u.a. weil ein weiteres Ruhen nicht mehr möglich sei; die Zulassung sei zwingend zu entziehen, weil kein Arzt mehr in dem MVZ tätig sei und eine Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit in dem MVZ sei auch in angemessener Zeit nicht zu erwarten. 

Dagegen klagte der Träger des MVZ.

Die Entscheidung:

Das Sozialgericht München wies die Klage ab und bestätigte die Entziehung der Zulassung des MVZ. 

Aus Sicht des SG musste der Anwalt der Klägerin seine Vollmacht nur auf Verlangen schriftlich nachweisen, deshalb sei dier Nachweis der Bevollmächtigung durch ein Vollmacht in Form eines Faxes nicht zu beanstanden.

Der Insolvenzverwalter sei aber nicht befugt, einen Anwalt für die Klägerin zu beauftragen. Allein die Geschäftsführer der GmbH der Klägerin könne die Klägerin betreffend die Zulassung und damit auch die Zulassungsentziehung wirksam vertreten und diesbezüglich Vollmacht erteilen. Dieser Mangel sei im weiteren Verfahren aber behoben worden.

Das SG sah es die Klage aber als unbegründet an. Die Entscheidung der Zulassungsentziehung sei rechtmäßig.

Dazu führt es aus: 

Vorliegend ist jedenfalls die in § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V vorgesehene Voraussetzung, dass das Medizinische Versorgungszentrum der Klägerin seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübt, erfüllt, so dass die Zulassung schon deshalb zu entziehen war. Unstreitig sind im MVZ seit 30.06.2015 keine Ärzte mehr tätig, auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten nicht.

Die Entziehung der Zulassung ist vorliegend auch verhältnismäßig, insbesondere war dem Antrag auf Anordnung des Ruhens der Zulassung nach § 95 Abs. 5 SGB V nicht stattzugeben und als milderes Mittel ein Ruhen der Zulassung anzuordnen. Dies würde nämlich schon nach dem Wortlaut des § 95 Abs. 5 S. 1 SGB V voraussetzen, dass die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit "in angemessener Frist zu erwarten" wäre. Bei Beantwortung der Frage, ob dies der Fall ist, hat der Beklagte keinen Beurteilungsspielraum. Das Gericht hat deshalb auch nicht hinsichtlich der Prognose, ob in angemessener Frist mit einer Wiederaufnahme der Tätigkeit zu rechnen ist, an den Beklagten zurückzuverweisen. Für die Kammer sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass von Seiten der Klägerin (zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten) eine Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit auch nur beabsichtigt war. Wie der Zulassungsausschuss in seinem Beschluss ausgeführt hat, befand sich die Klägerin in Liquidation, das MVZ verfügte über keine Arztstellen mehr. Aus dem Protokoll der Sitzung des Zulassungsausschusses vom 23.11.2015 ergibt sich, dass der Klägerbevollmächtigte den Antrag vom 23.11.2015 auf Ruhen der Zulassung mit dem Hinweis auf ein paralleles Zulassungsverfahren begründete und ausführte, dass bis zu dessen Entscheidung das MVZ erhalten werden solle. Auch dies zeigt, dass eine Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit weder beabsichtigt noch in Betracht gezogen wurde, sondern die Zulassung des MVZ lediglich als Hülse im Hinblick auf das genannten Verfahren erhalten bleiben sollte.

Praxisanmerkung:

Wie die Entscheidung zeigt, ist es nicht möglich, ein MVZ als bloße Hülle zu erhalten, wenn dieses seit Monaten keine Ärzte mehr beschäftigt und daher nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt und auch keine begründete Aussicht auf Besserung dieser Situation besteht. Das Recht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung beinhaltet zugleich auch eine Pflicht, die Patienten zu versorgen. Versorgungslücken können durchaus auch mal für bis zu einem Jahr durch Ruhensanträge nach § 26 Ärzte-ZV überbrückt werden, wenn der Ruhensantrag gut begründet ist. Vorliegend war dies aber nicht möglich, weil der Träger des MVZ in Insolvenz war und daher aus Sicht des Gerichts nicht erkennbar war, dass der Träger alsbald wieder in der Lage sein werde, Ärzte in dem MVZ anzustellen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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