(18.1.2018) Ist in einer Wahlleistungsvereinbarung vereinbart, dass ein Chefarzt den Patienten behandelt, so darf ein anderer Arzt den Eingriff grundsätzlich nicht vornehmen. Behandelt gleichwohl ein anderer Arzt den Patienten, so liegt eine rechtswidrige Behandlung wegen Nichteinhaltung der Voraussetzungen der Wahlleistungsvereinbarung vor und die Behandlerseite haftet für die Folgen der Behandlung wie z.B. Nachbehandlungskosten. Dies gilt auch dann, wenn der Chefarzt bei der Behandlung (hier: Koloskopie) anwesend war und den Patienten anästhesierte (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15. Dezember 2017 – 26 U 74/17). 

Kein Geld für den ChefarztDer Fall:

Die Klägerin ist gesetzlicher Krankenversicherer der 1918 geborenen und 2012 verstorbenen Frau M (im Folgenden: Patientin) gewesen. Sie hat in der Hauptsache von den beklagten Behandlern den Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 30.000,00 € für Nachbehandlungskosten begehrt.

Die Patientin befand sich 2011 in stationärer Behandlung im T-Krankenhaus der Beklagten zu 1. Insoweit bestand neben dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag eine Wahlleistungsvereinbarung, die die Patientin abgeschlossen hatte. Nach dieser Wahlleistungsvereinbarung war eine Chefarztbehandlung durch den beklagten Chefarzt (im Folgenden: Beklagter zu 2) vereinbart, der im Verhinderungsfall u.a. von der Beklagten zu 3 vertreten werden durfte.

Die Beklagte zu 3 führte dann eine Koloskopie durch, bei der es zu einem Einriss im Bereich der Rektumschleimhaut kam, der auf Scherkräfte im Rahmen der Koloskopie zurückzuführen war. Der Chefarzt (Beklagte zu 2) war bei der Operation anwesend. Er hatte dabei allerdings die Funktion des Anästhesisten.

Postoperativ wurde durch den Eingriff eine intensivmedizinische Nachbehandlung mit Beatmung erforderlich. Während der intensivmedizinischen Behandlung trat eine Sepsis auf. Die Patientin wurde auf die internistische Intensivstation verlegt, wo sie später verstarb.

Die Klägerin verklagte die Behandler auf Zahlung der Nachbehandlungskosten. Die Behandlung sei rechtswidrig. Denn sie sei fehlerhaft durchgeführt und die Einwilligung der Patientin sei unwirksam, weil sie nur vom Chefarzt hatte behandelt werden wollen.

Das Landgericht gab der Klage der Krankenversicherung statt. 

Die Beklagten gingen in Berufung. 

Die Entscheidung:

Das OLG Hamm bestätigte, dass ein Anspruch der Krankenversicherung auf Ersatz der geltend gemachten Aufwendungen für die Nachbehandlungen besteht. Denn es habe eine rechtswidrige Behandlung wegen Nichteinhaltung der Voraussetzungen der Wahlleistungsvereinbarung vorgelegen. Der beklagte Chefarzt musste aus Sicht des Gerichts die Kernleistung der Behandlung, sprich die Koloskopie grundsätzlich selbst durchführen. Dies habe er nicht getan.

Ob die Behandlung im Übrigen fehlerhaft ausgeführt worden sei, sei nicht mehr von Belang. 

Es reiche auch nicht aus, dass er anwesend war bei der Behandlung. Denn er sei mit der Durchführung der Anästhesie beschäftigt gewesen. Eine Supervision sei deshalb hier mit der vereinbarten eigenhändigen Erbringung nicht zu vergleichen. 

Das OLG verwehrte den Beklagten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH vom 19.7.2016 (VI ZR 75/15) auch den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens oder der hypothetischen Einwilligung, weil dies dem Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses bei ärztlichen Eingriffen widerspreche.

Praxisanmerkung:

Die Entscheidung folgt der herrschenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 19.7.2016 (VI ZR 75/15) fort. Während früher Chefärzte des öfteren Wahlleistungsentgelte verlangten, obgleich sie nicht behandelt hatten und dies auch von den Gerichten bestätigt erhielten (vgl. beispielsweise LG Lübeck, Urteil vom 6. Januar 2009 – 12 O 68/08 –, juris oder BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – III ZR 144/07 –, BGHZ 175, 76-85 oder AG Wetzlar, Urteil vom 28. Februar 2006 – 30 C 1447/05 (30) –, juris), hat sich der Wind gedreht und weht den Chefärzten, die durch allerlei Klauselwerke ihre Vergütungsansprüche absichern wollen, nun kalt ins Gesicht: Nicht nur, dass der Chefarzt für solche Behandlungen durch andere Ärzte obgleich kein Fall einer unvorhersehbaren Verhinderung des Chefarztes vorlag, kein erhöhtes Wahlleistungsentgelt verlangen kann. Diese Chefärzte führen die Kliniken in die Haftung für sämtliche negativen Folgen für den Patienten, die nach der Behandlung auftreten. Das kann für die Kliniken teuer werden und dürfte auf kurz oder lang zum Verschwinden dieser "Modelle" führen. Das ist zu begrüßen. Denn der Patient muss die vereinbarte Sonderleistung "Chefarzt" auch erhalten. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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