(21.11.2017) Es ist nicht behandlungsfehlerhaft, wenn eine Psychotherapeutin eine Therapie nach einem Streit über eine Fixierung der Patientin durch eine Klinik und trotz einer zwischenzeitlichen Kündigung durch die Patientin nicht noch über die ohnehin vereinbarten Termine hinaus fortgesetzt hat. Denn es besteht keine Pflicht zur Fortsetzung des Therapieverhältnisses „um jeden Preis“, weil dies gegen die Vertragsfreiheit verstieße. Die Patientin kann der Therapeutin auch nicht vorwerfen, sich nicht hinreichend dafür eingesetzt zu haben, dass diese - gegen ärztlichen Rat - aus der Klinik entlassen wird, weil die Ärzte der Klinik davon ausgingen, dass die Klägerin bei Entlassung wegen einer möglichen Hirnverletzung in Lebensgefahr schweben könne. Der Therapeutin kann auch kein Verstoß gegen ihre ärztliche Schweigepflicht vorgeworfen werden, als sie mit dem behandelnden Klinikarzt sprach und sich mit ihm über die Patientin austauschte. Denn dies geschah im grundsätzlichen Einverständnis der Patientin (Landgericht Kiel, Urteil vom 7. November 2017 – 8 O 274/16). 

Fixierung im KrankenhausTenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung, dass die Beklagte zu materiellem Schadensersatz verpflichtet ist, wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler.

Seit Januar 2011 befand sich die Klägerin bei der Beklagten, einer Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, in einer ambulanten Langzeittherapie vor dem Hintergrund traumatisierender Ereignisse in Kindheit und Jugend. Die Beklagte hatte bei der Klägerin die folgenden Diagnosen gestellt: „rezidivierende depressive Störung, zu Beginn schwere Episode ohne psychotische Symptome, später mittelgradige Episode, posttraumatische Belastungsstörung, Verdacht auf kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen, Differenzialdiagnose: Verdacht auf andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung“. Nach dem verfolgten Therapiekonzept bauten die Parteien über längere Zeit hinweg ein Therapieverhältnis zueinander auf, das dadurch charakterisiert war, dass die Beklagte als „Positivmutter“ der Klägerin fungierte - gewissermaßen als positives Gegenbild zur realen Mutter, die die Klägerin misshandelt hatte.

Am Abend des 06.07.2012 stürzte die Klägerin vom Pferd und wurde daraufhin im U.-​Klinikum, stationär aufgenommen. Dort wurde sie vom 07.07.2012 bis 08.07.2012, im Wesentlichen auf der anästhesiologischen Intensivstation behandelt. Der diensthabende Neurochirurg diagnostizierte anhand bildgebender Befunde den Verdacht einer Scherverletzung im Stammhirn der Klägerin und empfahl dem Stationsarzt der anästhesiologischen Intensivstation, Herrn K., die Klägerin aufgrund bestehender Lebensgefahr zur Beobachtung im Klinikum zu behalten.

Die Klägerin wollte jedoch nicht in der Klinik bleiben, sondern diese verlassen. Nach mehreren Auseinandersetzungen diesbezüglich wurde ein Verfahren nach PsychKG eingeleitet, in dessen weiterem Verlauf der Amtsarzt eine vorläufige Unterbringung wegen eines Durchgangssyndroms verfügte.

(Durchgangssyndrom ist eine in der Psychiatrie gebräuchliche (wenn auch als zu ungenau kritisierte) systematische Bezeichnung für alle körperlich begründeten, in der Regel innerhalb von Stunden bis zu wenigen Tagen sich spontan ohne Therapie zurückbildenden psychopathologischen Symptome)

Auch die zuständige Amtsrichterin ordnete die Einweisung der Klägerin mit freiheitsentziehenden Maßnahmen an. Die Klägerin wurde am Bauch und zunächst auch an den Händen mittels Fesseln im Bett fixiert. Wegen dieser Vorgänge führt die Klägerin vor der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen 8 O ... einen zurzeit noch laufenden Rechtsstreit gegen das U.-​Klinikum, Herrn K. und andere Beklagte. Hinsichtlich der einstweiligen Unterbringungsverfügung des Amtsarztes und in Bezug auf die richterliche Entscheidung wurde zwischenzeitlich gerichtlich festgestellt, dass diese rechtswidrig waren (vgl. zur amtsärztlichen Verfügung: VG Schleswig, Urt. v. 01.12.2016, 1 A 24/14, FamRZ 2017, 650 ff.).

Am 07.07.2012 gegen 11:00 Uhr rief die Klägerin die Beklagte auf dem Handy an und hinterließ eine Nachricht auf der Mailbox, wonach sie um Rückruf bitte, da ein Notfall vorliege. Sie werde in der U.-​Klinik festgehalten. Sie übersandte auch kurze Zeit darauf der Beklagten noch eine SMS mit dem Text „Frau Y., Hilfe“. Die Beklagte erhielt auch einen Anruf von Herrn K., der auf der Mailbox um einen Rückruf bat. Die Beklagte rief zunächst die Klägerin zurück, die ihr schilderte, dass sie gegen ihren Willen im Krankenhaus nach PsychKG untergebracht und an Händen und Bauch fixiert worden sei, da sie „kleine Risse im Gehirn“ habe. Die Klägerin bat die Beklagte zu kommen. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass auch Herr K. bereits versucht habe, sie zu erreichen und dass sie mit ihm sprechen werde, um die Situation zu klären. Die Klägerin erklärte sich damit einverstanden. Anschließend telefonierte die Beklagte noch mit Herrn K. und teilte auf Nachfrage ihre Diagnosen mit und dass sie zur Medikation nichts sagen könne, da die Klägerin diese von einem Psychiater in Hamburg erhalte und in Eigenregie einnehme. Herr K. fragte die Beklagte auch, ob die Klägerin absprachefähig sei, wozu die Beklagte nach Überlegen mitteilte, dass sie es in der Einzeltherapie bei der Beklagten durchgängig gewesen sei, sie aber aufgrund ihres Eindrucks von der Klägerin bei dem vorherigen Telefonat aktuell dafür ihre „Hand nicht ins Feuer“ legen könne, da sie sehr emotional geladen schiene. Gegen 14:45 Uhr erschien die Beklagte im U.-​Klinikum, wo sie auf Herrn K. traf, der sie nochmals informierte und ihr mitteilte, dass auch die Amtsrichterin und die Rechtsanwältin der Klägerin bereits dagewesen seien. Er berichtete, dass die Neurochirurgen ihm dringend angeraten hätten, die Klägerin im Klinikum zu behalten, da die Situation sich lebensgefährlich entwickeln könne. Anschließend ging die Beklagte zur Klägerin, die mit einem Bauchgurt im Bett fixiert war und sprach mit ihr über die Vorfälle.

Am 09.07.2012 schrieb die Klägerin der Beklagten eine E-​Mail. Darin erklärte die Klägerin unter anderem: „Hiermit ist das therapeutische Verhältnis fristlos gekündigt.“ Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf die E-​Mail (Anlage B2, Anlagenband Parteien) verwiesen. Am 27.08.2012, am 30.08. und am 10.09.2012 fanden noch letzte Therapiestunden statt. Das der Klägerin von ihrer Krankenkasse bewilligte Kontingent von 50 Therapiestunden wurde damit aufgebraucht, eine Verlängerung der Therapie nicht beantragt.

Die Klägerin meint, das Verhalten der Beklagten am 07.07.2012 und in der darauf folgenden Zeit sei als grober ärztlicher Behandlungsfehler zu werten. Die Beklagte habe der Klägerin trotz einer von ihr erkannten Retraumatisierung der Klägerin vertraglich geschuldeten Beistand verweigert und ihre Schweigepflicht verletzt. Die Klägerin habe kein umfassendes Einverständnis dahingehend erteilt, dass die Beklagte Herrn K. habe Diagnosen mitteilen dürfen. Sie habe zwar zugestimmt, dass die Beklagte mit den Ärzten die Situation aufkläre, aber keine Zustimmung zur Auskunftserteilung gegeben. Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund einer Garantenstellung sei die Beklagte dazu verpflichtet gewesen, Herrn K. und die Amtsrichterin darauf aufmerksam zu machen, dass sie die Klägerin nicht für einsichtsunfähig halte. Dass dies eine Voraussetzung für die Unterbringung sei, müsse der Beklagten bekannt gewesen sein. Die Beklagte sei überdies verpflichtet gewesen, die Therapie trotz der Erklärung der Klägerin, das Behandlungsverhältnis sei gekündigt, längerfristig fortzuführen. Dies folge aus dem gewählten Therapieansatz nach Rudolf und dessen Besonderheiten. Jedenfalls aber hätte sie sicherstellen müssen, dass eine Nachversorgung der Klägerin bei einem anderen Therapeuten gewährleistet sei. Aufgrund der Ereignisse sei die Klägerin, so behauptet sie, nun nicht mehr in der Lage, sich in Psychotherapie zu begeben, da sie keinerlei Vertrauen mehr zu einem anderen Therapeuten aufbauen könne. Infolge des Geschehens sei es auch zu einer dauernden Erwerbsunfähigkeit gekommen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und 2.500 € nicht unterschreiten sollte.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab dem 01.10.2016 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Schmerzensgeldrente zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und 50,00 € nicht unterschreiten sollte, jeweils im Voraus zum 01.01., 01.04., 01.07. und zu 01.10. eines jeden Jahres zu zahlen.

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr daraus entstanden ist, dass

a) die Beklagte am 07.07.2012 weder den Arzt K. noch das Amtsgericht Kiel darüber informiert hat, dass die Klägerin nach ihrer Einschätzung einsichtsfähig ist und/oder

b) die Beklagte die fehlende Bereitschaft und Fähigkeit der Klägerin, eine weitere Psychotherapie durchzuführen, durch Beschädigung des therapeutischen Vertrauensverhältnisses verursacht hat, indem

(1) sie der Klägerin im unmittelbaren Anschluss an die Vorfälle vom 07.07.2012 bis zum 08.07.2012 eine psychotherapeutische Begleitung bei der Bewältigung der Folgen verweigert hat und/oder

(2) sie im September 2012 die Fortsetzung des therapeutischen Verhältnisses trotz des geäußerten Wunsches der Klägerin, die Krise gemeinsam überwinden zu wollen, vollständig verweigert hat und/oder

(3) sie durch die Änderung in der Darstellung in Befundberichten in den Jahren 2012 und 2013 gegenüber der Klägerin das Gefühl vermittelte, dass die Beklagte die Klägerin während der Therapie über ihre Reaktionen und ihre Einschätzung der Klägerin und ihres Verhaltens getäuscht hat und/oder

(4) die ärztliche Schweigepflicht verletzt und/oder die Klägerin nur schrittweise und unvollständig über den Inhalt der Schweigepflichtsverletzungen informiert hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wendet sich gegen die Behandlungsfehlervorwürfe. Die Therapie habe sie letztlich nur so weit fortgeführt, wie ohnehin bereits von der Krankenkasse bewilligt worden sei und um diese abzuwickeln. Nach den Vorfällen und der E-​Mail der Klägerin vom 09.07.2012 habe sie Zweifel verspürt, ob das Therapieverhältnis noch fortgeführt werden könne. Sie behauptet, eine Supervision bei einer Lehrtherapeutin, die unstreitig am 22.08.2012 stattgefunden hat, habe das Ergebnis ergeben, dass eine Fortführung der Therapie nicht ratsam sei. Davon habe sie die Klägerin unterrichtet. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Kammer hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2017 persönlich angehört. Das Sitzungsprotokoll (Bl. 103-​105 d. A.) wird in Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber in der Sache nicht erfolgreich.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 i. V. m. dem Behandlungsvertrag oder aus unerlaubter Handlung wegen einer den fachärztlichen Standard unterschreitenden Behandlung.

Ein Behandlungsfehler seitens der Beklagten liegt, selbst wenn man den klägerischen Vortrag zu Grunde legt, nicht vor.

Zunächst liegt ein Behandlungsfehler nicht darin, dass die Beklagte die Therapie nach dem streitgegenständlichen Ereignis und trotz der zwischenzeitlichen Kündigung durch die Klägerin nicht noch über die ohnehin vereinbarten Termine hinaus fortgesetzt hat. Das könnte nur dann der Fall sein, wenn zugleich der Beklagten eine Pflicht zur Fortsetzung des Therapieverhältnisses „um jeden Preis“ auferlegt werden würde. Dies würde indes gegen die Vertragsfreiheit verstoßen. Zur Entscheidung dieser Frage musste die Kammer sich auch nicht durch vorherige Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens darüber kundig machen, ob wegen des speziellen therapeutischen Ansatzes ein anderes Verhalten geboten sein könnte. Denn die Frage des therapeutischen Ansatzes spielt hierfür letztlich keine Rolle. Für die Kammer liegt es auf der Hand, dass das Therapieverhältnis gerade im Hinblick auf das Bild von der „Positivmutter“ nicht mehr erfolgversprechend fortgesetzt werden kann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut nachhaltig gestört ist. Die Beklagte hat, wie sie in ihrer persönlichen Anhörung vor der Kammer nachvollziehbar und glaubhaft geschildert hat, zunächst eine Supervision hinsichtlich der Situation und der therapeutischen Beziehung durchführen wollen. Hierfür bestand aus Sicht der Beklagten auch Anlass, zumal die Klägerin ihrerseits erklärt hatte, sie kündige das Behandlungsverhältnis. Unstreitig bestand eine Störung des für eine Psychotherapie unerlässlichen Vertrauensverhältnisses, die auch von der Klägerin ausgegangen ist. Ergebnis der durchgeführten Supervision war, dass die Beklagte die Therapie vernünftigerweise nicht fortsetzen wollte. Dies teilte sie der Klägerin auch mit und versuchte noch, in den übrigen verbleibenden Terminen eine ordnungsgemäße Abwicklung vorzunehmen. Darin liegt insgesamt ein vernünftiges und nach Auffassung der Kammer vor dem Hintergrund der (auch für Therapeuten geltenden) Vertragsfreiheit gut vertretbares Verhalten. Der Umstand, dass die Beklagte sich überhaupt einer Supervision unterzogen hat, zeigt, dass sie verantwortungsvoll mit der von der Klägerin veranlassten Aufkündigung des Vertrauensverhältnisses umgegangen ist. Ob die Beklagte sich nach Durchführung der Supervision noch in der Lage sah, die Behandlung fortzusetzen, ist eine Entscheidung, die nur die Beklagte selbst treffen kann und die nicht justitiabel ist. Auch eine „Kündigung zur Unzeit“ ist darin nicht zu erblicken.
25 Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe ihr im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Vorfällen mehr therapeutische Angebote machen müssen, geht dieser Vorwurf ebenfalls fehl. Die Klägerin hatte das Verhältnis gekündigt und dadurch signalisiert, dass sie keine unmittelbare Fortführung wünsche. Von der Beklagten kann nicht mehr verlangt werden, als sie ohnehin getan hat.

Ein Behandlungsfehler ist auch nicht etwa darin zu sehen, dass die Beklagte nicht hinreichend auf die behandelnden Ärzte, den Amtsarzt oder die Amtsrichterin eingewirkt hat, um eine vorzeitige Entlassung der Klägerin zu erwirken. Die Beklagte war, ebenso wie der Stationsarzt, davon ausgegangen, dass eine lebensbedrohliche Situation wegen einer Scherverletzung im Gehirn der Klägerin bestand. Das hatte der diensthabende Neurochirurg so diagnostiziert. Dass diese Diagnose zutreffend gestellt ist, darauf durfte die Beklagte, die keine Neurochirurgin ist, auch vertrauen. Sie hatte jedenfalls keinen Anhalt daran zu zweifeln - und dementsprechend auch weder Anlass noch Verpflichtung, dies gegenüber den behandelnden Ärzten, dem Amtsarzt oder der Amtsrichterin in Abrede zu stellen. Zu Amtsarzt und Amtsrichterin hatte die Beklagte aufgrund der zeitlichen Abläufe ohnehin keinen Kontakt. Sie hatte nach Auffassung der Kammer auch keine Verpflichtung aufgrund einer etwaigen Garantenstellung gegenüber der Klägerin, zu den genannten Personen den Kontakt zu suchen und eine erneute gerichtliche Anhörung zu erwirken. Das gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass die Beklagte selbst, angesichts der Aufgewühltheit der Klägerin, Zweifel an deren Absprachefähigkeit hatte. Es ist auch nicht ersichtlich, woraus sich eine Verpflichtung der Beklagten ergeben sollte, diesbezüglich eine andere Auffassung zu äußern.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Nach Auffassung der Kammer kann der Beklagten auch kein Verstoß gegen ihre ärztliche Schweigepflicht vorgeworfen werden, indem sie mit dem behandelnden Arzt im U.-​Klinikum, Herrn K., telefonierte und ihn nachher auch vor Ort über ihre Diagnosen hinsichtlich der Klägerin informierte und mitteilte, die Klägerin sei bei einem Psychiater in Hamburg in Behandlung. Es fehlt in jedem Fall an der Rechtswidrigkeit des Handelns. Denn dies ist mit dem Einverständnis der Klägerin erfolgt. Sie hatte die Beklagte nach übereinstimmendem Parteivortrag darum gebeten, mit den Ärzten im U.-​Klinikum zu sprechen und zu helfen, die Situation zu klären. Das hat die Beklagte auch versucht, indem sie mit Herrn K. sprach und die genannten Mitteilungen machte. Daraus, dass dies aus der Perspektive der Klägerin ex post betrachtet nicht den gewünschten Effekt hatte, nämlich ihre vorzeitige Entlassung und eine Beendigung der Fesselung zu bewirken, folgt nicht, dass die Beklagte sich außerhalb der Grenzen der Einwilligung der Klägerin bewegt hätte. Denn eine Einschränkung im Vorhinein hat die Klägerin jedenfalls nicht für die Beklagte erkennbar vorgenommen. Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, inwiefern der Klägerin hieraus ein Schaden entstanden sein soll. Letzteres gilt auch, soweit die Klägerin die Auffassung vertreten hat, die Beklagte habe gegenüber der Klägerin im Nachgang das Gefühl vermittelt, dass sie die Klägerin über ihre Reaktionen und über die Einschätzung der Klägerin getäuscht habe.

Die Frage der möglichen Verjährung kann vor diesem Hintergrund dahinstehen und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Praxisanmerkung:

Nach § 1 Absatz 1 Satz 3 BOÄ ist der Arzt tatsächlich frei darin, ob er einen Patienten behandelt. Insbesondere kann er die Behandlung ablehnen, wenn seiner Ansicht nach kein Vertrauensverhältnis mehr zwischen Arzt und Patient besteht. Ausnahmen bestehen bei Notfällen und im ärztlichen Bereitschaftsdienst. 

Die Entscheidung der Klinikärzte, die Patientin gegen ihren Willen zu fixieren, war zumindest für die Therapeutin nachvollziehbar. Insofern war es ihr tatsächlich nicht vorzuwerfen, dass sie sich nicht für eine Entlassung der Patientin eingesetzt hat. Dies würde auch ihre medizinische Fachkompetenz überschreiten, weil sie keine neurologischen Kenntnisse besitzt und sich daher auch auf die Einschätzung der Klinikneurologin, wonach Lebensgefahr bestanden habe, verlassen durfte. 

Nach § 7 Abs 3 der MBO-Ä ist der Arzt sogar verpflichtet, sich mit anderen Ärzten auszutauschen.  

Nach alledem ist die Entscheidung nachvollziehbar. Ob die Fixierung letztlich rechtlich vertretbar war und ob die Patientin gegen die Klinik Ansprüche auf Schadensersatz etc. besitzt, steht dagegen auf einem anderen Blatt. Das Verrwaltungsgericht hat festgestellt, dass jedenfalls die Entscheidung zur Unterbringung rechtswidrig war. Denn grundsätzlich kann auch der Patient frei entscheiden, ob er sich behandeln lassen will oder nicht. Nur wenn der Patient so krank ist, dass er nicht mehr selbst frei entscheiden kann über sein Wohl und Wehe, kann der Arzt diese Entscheidung gegen den ausgesprochenen Willen des Patienten treffen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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