(2.11.2017) Beachtet ein niedergelassener Arzt bei der Sterilisierung die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (KRINKO-Empfehlung), so gilt die Steriliserung als ordnungsgemäß erfolgt (hier: Sterilisierung von Zystoskopschäften). Wenn die Ordnungsbehörde dies anders sieht, muss sie das Gegenteil beweisen (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 29. September 2017 – 13 LA 4/16). 

Sterilisierung bitte gemäß der Empfehlungen der KRINKODer Fall:

Der Kläger betreibt als niedergelassener Arzt eine urologische Fachpraxis. Bei einer Überprüfung beanstandete der Beklagte (Ordnungsbehörde), dass "Instrumente der Risikoeinstufung 'Kritisch B' (Zystoskopschäfte) … entgegen der KRINKO Empfehlung nicht in einem validierten maschinellen/thermischen Reinigungs-/Desinfektionsprozess in einem geeigneten Reinigungs- und Desinfektionsgerät aufbereitet" würden (das Zystoskop ist ein spezielles Endoskop in der Urologie und dient der Betrachtung („Spiegelung“) der Harnblase).

Der Kläger teilte dem Beklagten hierauf mit, dass die von ihm verwendeten starren Zystoskope und dazugehörigen Optiken nur als "semikritisch B" einzustufen seien. Die Reinigung erfolge manuell nach Standardarbeitsanweisungen, die den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten entsprächen.

Nach Anhörung untersagte der Beklagte dem Kläger, in seiner Praxis "starre Zystoskopschäfte, die vor der Verpackung und Sterilisation nicht mit geeigneten validierten Verfahren gereinigt und desinfiziert wurden, an Menschen anzuwenden". Zur Begründung wies der Beklagte daraufhin, dass das vom Kläger angewendete Reinigungs- und Desinfektionsverfahren nicht validiert sei. Für den Fall des Verstoßes gegen die Anordnung drohte der Beklagte dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR an. 

Auf die vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Gerichtsbescheid beide Bescheide aufgehoben.

Hiergegen richtet sich der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung.

Die Entscheidung:

Das Oberverwaltungsgericht gab dem Arzt Recht und verwarf das Rechtsmittel der beklagten Ordnungsbehörde. Die Sterilisierung des Arztes ist danach nicht zu beanstanden. 

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 MP-BetrV gilt die - im Einzelfall widerlegbare - Vermutung, dass bei einer Beachtung der KRINKO-Empfehlung die Aufbereitung ordnungsgemäß im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 MP-BetrV erfolgt. Nur wenn diese Vermutung im Einzelfall widerlegt oder die KRINKO-Empfehlung bei der Aufbereitung von Medizinprodukten nicht beachtet worden ist, muss der positive Nachweis einer Aufbereitung in einem geeigneten validierten Verfahren nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MP-BetrV erbracht werden.

Der Beklagte hat in seinen Schreiben an den Kläger vom 16. und vom 17. Juni 2014 und auch im Bescheid vom 29. September 2014 angenommen, dass die vom Kläger angewendeten starren Zystoskopschäfte der in Nr. 1.2 der KRINKO-Empfehlung gebildeten Risikokategorie "kritisch B" zuzuordnen sind und deshalb nach der KRINKO-Empfehlung eine validierte maschinelle Reinigung zu erfolgen habe. Da der Kläger hingegen eine manuelle Reinigung vornehme, beachte er die Vorgaben der KRINKO-Empfehlung nicht. Da er auch nicht belegt habe, dass die manuelle Reinigung ein geeignetes validiertes Verfahren sei, verstoße er gegen § 4 MP-BetrV.

Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber eingehend und gut nachvollziehbar begründet, dass die vom Kläger verwendeten starren Zystoskopschäfte der in Nr. 1.2 der KRINKO-Empfehlung gebildeten Risikokategorie "semikritisch B" zuzuordnen sind (Gerichtsbescheid v. 10.12.2015, Umdruck S. 8 bis 10). Die Richtigkeit dieser Risikoeinstufung wird durch das Zulassungsvorbringen des Beklagten nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.

Praxisempfehlung:

Das Gericht betont damit die Wichtigkeit der von einer Vielzahl von Ärzten erarbeiteten KRINKO-Empfehlungen. Damit folgt es der allgemeinen Richtung der Justiz zur Bezugnahme auf Empfehlungen, die medizinische Fachgremien erarbeitet haben (z.B. der STIKO-Impfempfehlungen, vgl. Mit Impfung des Kindes müssen beide Eltern einverstanden sein - STIKO-Empfehlungen gelten als medizinischer Standard: BGH 03-05-2017. Dies ist zu begrüßen, weil es dem Arzt in der täglichen Arbeit eine verlässliche und auch erreichbare Orientierung liefert. Die Entscheidung zeigt, dass die Ärzte gut beraten sind, die Empfehlngen der großen ärztlichen Kommissionen und Gremien, die regelmäßig z.B. im Ärzteblatt veröffentlicht werden, im Blick zu behalten. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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