(25.11.2016) Ein Hufschmied, der das Huf eines seit Jahren aktiven Springpferdes zu stark gekürzt hat, haftet für die akute Lahmheit des Springpferdes auf Schadensersatz. Er haftet dagegen nicht für die chronische Lahmheit, wenn der Hufschmied beweisen kann, dass diese chronische Lahmheit wahrscheinlich auf degenerativen Veränderungen des Pferdes beruht (Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 2.9.2016 – 19 U 129/15). 

SpringpferdDer Fall: 

Der klagende Pferdeeigentümer macht gegen den beklagten Hufschmeid Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit und damit Wertlosigkeit seines Pferdes B aufgrund einer vom Beklagten fehlerhaft vorgenommenen Hufschmiedbehandlung geltend.

Der Kläger erwarb im Jahre 2006 für 14.500 EUR das Springpferd B und stellte es danach immer wieder erfolgreich auf nationalen und internationalen Turnieren vor, wobei er mit diesem Pferd insgesamt eine Gewinnsumme von 15.513 EUR erzielte. Im Jahr 2009 nahm B an 18 Turnieren in den Monaten Februar und April bis Anfang August teil. Zuletzt erreichte B am 31.07.2009 bei einer Springprüfung der schweren Klasse einen sechsten Platz und am 02.08.2009 bei dem gleichen Turnier bei einem schweren S-Springen mit drei Sternen ebenfalls den sechsten Platz. Zuvor war B bei diesem internationalen Springturnier gemäß den Regularien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung auf Lahmheit hin untersucht worden. Wären dabei Auffälligkeiten aufgetreten, wäre B bei diesem sog. Vet-Check vom zuständigen Tierarzt mit einem Startverbot belegt worden, was nicht der Fall war.

Am 05.08.2009 nahm der Beklagte bei B wie mit dem Kläger vereinbart das Beschneiden und Beschlagen der Hufe mittels Heißbeschlags vor. Hierbei schnitt er den Huf vorne rechts zu kurz aus, wobei der genaue Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Zeitlich nach der Behandlung durch den Beklagten lahmte das Pferd und war als Springpferd nicht mehr einsetzbar.

Am 06.08.2009 wurde B von dem Zeugen M, bei dem es seit 2006 in stetiger tierärztlicher Behandlung war, untersucht. Auch in den Folgetagen untersuchte der Zeuge M das Tier, so am 08.08., am 11.08., am 14.08. und am 16.08.2009. In der Rechnung vom 27.08.2009 (Bl. 55 d.A.) dokumentierte er diesbezüglich eine "Lahmheitsuntersuchung wegen Vernagelung VL".

Am 11.11.2009 fand auf Veranlassung der Haftpflichtversicherung des Beklagten eine gutachterliche Beurteilung von B durch den Zeugen L statt. Auf das schriftliche Ergebnis wird Bezug genommen (Bl. 26 d.A.). Der Kläger holte vorprozessual das Privatgutachten der Pferdesachverständigen C E aus H vom 03.03.2010 ein (Bl. 73 ff d.A.), die den Wert des Pferdes unmittelbar vor der Behandlung durch den Beklagten mit 350.000 EUR bezifferte. Des Weiteren wurde vorprozessual ein Sachverständigengutachten von Dr. med. vet. H2 von Q vom 24.07.2010 eingeholt (Bl. 67 d.A.). Darin heißt es: "Die entzündlichen Prozesse lassen sich aus meiner Sicht direkt bzw. indirekt dem Einkürzen bzw. Vernageln zuordnen. Die degenerativen Prozesse können aufgrund des fortgeschrittenen Krankheitsverlaufes nicht zugeordnet werden." (Seite 6 des Gutachtens, Bl. 72 d. A.).

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte vorprozessual 10.000 EUR an den Kläger zur freien Verrechnung, die dieser auf Tierarztkosten anrechnete.

Trotz der Lahmheit wurde B im Jahr 2012 bei einem Dressurwettbewerb eingesetzt und erreichte dort eine Platzierung. B wurde Anfang 2013 eingeschläfert.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger u.a. Wertersatz des Pferdes in Höhe von über 300.000 Euro. 

Die Entscheidung:

Das OLG wies die Klage ab. 

Zwar ist der Hufschmied für die akute Lahmheit nach dem Beschneiden verantwortlich. Der darauf beruhende Schaden, der in Arztkosten bestand, ist aber von der Haftpflichtversicherung des Beklagten mit Zahlung der 10.000 Euro an den Kläger ausgeglichen worden. 

Bezüglich der chronischen Lahmheit ist dem Kläger der Beweis nicht gelungen, dass diese auch auf dem Beschneiden beruht. Zwar gibt es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beschneiden und der chronischen Lahmheit. Allerdings hat der gerichtliche Sachverständige nachvollziehbar und anschaulich ausgeführt, dass es sehr ungewöhnlich ist, wenn ein zu tiefer Hufbeschnitt zu einer chronischen Lahmheit führt. Überdies hat der Beklagte ältere Röntgenbilder des Pferdes vorgelegt, die zeigen, dass es degenerative Prozesse im Hufgelenk gab. Damit kam auch in Betracht, dass die Degenerationen Ursache der chronischen Lahmheit waren. Folglich konnte der Kläger den Beweis für die Kausalität des Hufschnitts für die chronische Lahmheit nicht führen.

Praxisanmerkung:

Auch im Pferderecht stehen und fallen Klagen mit der Einschätzung des Sachverständigen. Die gerichtliche Auswahl des Sachverständigen ist daher wichtig und sollte kritisch begleitet werden. Auch sollten die Parteien dafür Sorge tragen, dass das Gericht dem Sachverständigen sie richtigen und vor allem vollständige schriftliche Fragen stellt. Schließlich ist auch die Anhörung des Sachverständigen wichtig - lehnt man die Meinung des gerichtlichen Sachverständigen ab, so ist es ratsam, den Sachverständigen nicht selbst zu befragen, sondern die kritischen Fragen durch einen sachverständigen Prozeßbegleiter stellen zu lassen, z.B. einen Tierarzt. Nur so hat man eine Chance, den Sachverständigen zu widerlegen und das Gericht von seiner Sicht zu überzeugen.  

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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