(24.11.2016) Der Spender eines Organs ist ebenso umfassend über die gesundheitlichen Risiken der Operation aufzuklären wie ein Patient, der sich einer kosmetischen Operation unterzieht. Bei der Nierenspende ist u.a. über das Risiko der "Fatigue" sowie der polyzystischen Nierendegeneration aufzuklären, was im vorliegenden Fall nicht geschah, weshalb die Klinik der Spenderin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haftet. Der Verstoß gegen die Pflicht zur Anwesenheit eines zweiten Arztes bei der Aufklärung begründet dagegen keine Arzthaftungsansprüche (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. August 2016 – I-8 U 115/12, 8 U 115/12). 

Nierenspende erfordert umfassende Aufklärung der Spenderin über RisikenDer Fall: 

Die Mutter der späteren Spenderin (Klägerin) war nierenkrank. Die bereits erwachsene Klägerin entschloß sich zur Spende einer Niere (Organspende) für ihre Mutter. In diesem Zusammenhang fanden Aufklärungsgespräche in der Klinik über die gesundheitlichen Risiken der Nierenspende statt.   

Einige Jahre nachdem die Klägerin die Niere gespendet hatte, zeigten sich gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Klägerin litt u.a. unter einer Fatigue-Symptomatik, sprich einem körperlichen Erschöpfungszustand. Dieser ist eine typische mögliche Folge einer Nierenspende. 

Die Klägern verklagte die Klinik und warf ihr u.a. einen Aufklärungsfehler vor. Sie sei nicht über das Risiko der Fatigue aufgeklärt worden.

Die Entscheidung:

Das OLG bestätigte den Aufklärungsfehler. 

Bei medizinisch nicht indizierten Eingriffen müssen dem Patienten etwaige Risiken deutlich vor Augen geführt werden, damit er genau abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg des ihn immerhin belastenden Eingriffs oder sogar gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will, selbst wenn diese auch nur entfernt als Folge dieses Eingriffs in Betracht kommen (BGH, NJW 1991, 2349 m.w.N.). Diese für kosmetische Eingriffe entwickelten Grundsätze gelten auch für die Aufklärung über die Risiken eines "fremdnützigen" Eingriffs. Hinsichtlich des Umfangs der Aufklärungspflicht kann die Situation eines fremdnützigen Spenders nicht schlechter sein als diejenige eines Patienten, der sich einem rein kosmetischen Eingriff unterzieht (BGH, NJW 2006, 2108). Das gilt nicht nur für den Fall einer allein zu Gunsten der Allgemeinheit erfolgten Blutspende, sondern gleichermaßen für die ebenfalls altruistisch motivierte Lebendspende von Organen. Zwar besteht bei der Lebendspende zu Gunsten naher Angehöriger - mehr noch als bei der in der Regel anonymen Blutspende - auch ein außerhalb der eigenen Heilung oder Verbesserung der eigenen gesundheitlichen Situation liegendes Eigeninteresse des Spenders. Ein Eigeninteresse besteht indes auch bei kosmetischen Eingriffen und kann daher im Falle der Lebendspende nicht dazu führen, von den dargestellten erhöhten Anforderungen an die Aufklärung abzurücken. Dass auch der Gesetzgeber von einer besonderen Aufklärungspflicht bei der Lebendspende ausgeht, ergibt sich aus den in § 8 Abs. 2 Satz 1 TPG skizzierten inhaltlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung.

Den dargestellten Anforderungen genügt die Aufklärung der Klägerin durch die Beklagte zu 2 vom 01.08.2007 nicht:

  • Die Beklagte zu 2 hat die Klägerin nicht hinreichend über die eingriffstypische Möglichkeit einer anhaltenden Müdigkeits- und Erschöpfungssymptomatik ("Fatigue") nach erfolgter Nierenspende aufgeklärt.
  • Auch über das trotz präoperativ durchgeführter befundloser Untersuchungen bestehende erhöhte Risiko, nach der Transplantation an einer polyzystischen Nierendegeneration der ihr verbleibenden Niere zu erkranken, wurde die Klägerin nicht ausreichend aufgeklärt.

Das OLG stellte im Übrigen klar, dass der Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 3 TPG (Aufklärung hat in Anwesenheit eines weiteren Arztes zu erfolgen) für sich genommen keinen Arzthaftungsanspruch auslöst. Denn bei gebotener Auslegung der Vorschrift ergibt sich nicht, dass ein solcher Verstoß die Rechtswidrigkeit des Eingriffs bzw. die Unwirksamkeit der Einwilligung des Organspenders in die Organentnahme zur Folge hat.

Praxisanmerkung:

Die Aufklärungspflichten bei Organspenden sind hoch. Organspenden haben für die Spender teils erhebliche gesundheitliche Risiken. Patienten ist zu raten, sich genau zu informieren, welche Risiken bestehen und die Ärzte genau zu befragen. Den Ärzten ist zu raten, die Patienten umfassend (und nicht nur wie sonst üblich und erforderlich "im Großen und Ganzen") über alle in Betracht kommenden Risiken aufzuklären. Der Arzt sollte dazu auch spezielle Aufklärungsformulare für Organspenden verwenden und die Aufklärung sicher dokumentieren. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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