(1.11.2016) Die Zufälligkeitsprüfungen wegen unwirtschaftlicher Leistungserbringung und Überschreitung des Arzneimittelbedarfs sind vorrangig einzelfallbezogen durchzuführen. Eine nur statische Durchschnittsprüfung darf von den Prüfgremien dagegen nur dann durchgeführt werden, wenn sich eine Einzelfallprüfung als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erweist (SG Hannover, Urteil vom 19. Oktober 2016 – S 78 KA 191/15).
Der Fall:
Der klagende Arzt ist niedergelassener Dermatologe. Die Prüfungsstelle Niedersachsen teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28.04.2014 mit, dass im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen in den Quartalen 1 bis 4/2011 geprüft werden solle. Mit weiterem Schreiben vom 07.05.2014 teilte die Prüfungsstelle dem Kläger mit, dass im Rahmen einer durchgeführten statischen Durchschnittsprüfung Überschreitungen bei den Arzneimittelverordnungen sowie bei den EBM-Ziffern 10341 (kleinchirurgischer Eingriff II und/oder primäre Wundversorgung) und 10350 (Balneophototherapie) festgestellt wurden.
Mit Bescheid vom 15.07.2014 setzte die Prüfungsstelle Niedersachsen eine Beratung fest.
Gegen diese Entscheidung ließ der Kläger am 04.08.2014 Widerspruch erheben. Darin beruft er sich auf das Vorliegen von Praxisbesonderheiten und besondere Behandlungserfordernisse z.B. bei schwerer Schuppenflechte und seinen gesteigerten OP-Bedarf.
Die Prüfungsstelle bestätigte für die GOP 10341 EBM sowie die Überschreitung im Arzneimittelbereich die festgesetzte Pflicht zur Teilnahme an einer Beratung. Die Entscheidung stütze sich hier auf die Regelung des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien über die Zufälligkeitsprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 SGB V und § § 16 ff. der Vereinbarung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 106 SGB V ab dem Jahr 2010. Der Ausschuss habe sich im Rahmen seines Ermessens für die Prüfmethode des statistischen Fallkostenvergleichs mit der Vergleichsgruppe unter Zugrundelegung der arithmetischen Mittelwerte entschieden.
Dagegen klagte der Arzt.
Die Entscheidung:
Das Sozialgericht Hannover gab dem Kläger Recht und hob den Bescheid, mit dem dieser zu einer Beratung verpflichtet wird, auf.
Die Prüfungsstelle muss zuerst im Einzelfall prüfen, ob das Arzneimittelbudget der Vergleichsgruppe überschritten ist. Dies ergibt sich aus § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs 2a SGB V. Von dieser Vorgabe durften die Vertragspartner auch nicht durch Regelungen in der Prüfvereinbarung abweichen.
Die Prüfgremien dürfen nur dann eine statische Durchschnittsprüfung durchführen, wenn sich eine Einzelfallprüfung als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erweist.
Praxisanmerkung:
Diese Entscheidung verbessert die die Verteidigungsmöglichkeit des Arztes gegen Medikamentenregresse. Die Prüfgremien müssen seine Praxis einzelfallbezogen prüfen. So ist es für den Arzt einfacher, Praxisbesonderheiten geltend zu machen.