(31.10.2016) Für die Richtigkeit der Abrechnungen einer Gemeinschaftspraxis (BAG) bleibt jeder Arzt der BAG selbst verantwortlich. Dies gilt auch dann, wenn die Partner der BAG miteinander verheiratet sind (BSG, Beschluss vom 28. September 2016 – B 6 KA 14/16 B).

Auch in der Gemeinschaftspraxis ist jeder Arzt selbst für seine Abrechnung verantwortlichDer Fall:

Im Streit steht eine Disziplinarmaßnahme (Geldbuße EUR 3.000 wegen Falschabrechnung) gegen die klagende Ärztin.

Die Klägerin ist seit 1995 als Praktische Ärztin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis zum 23.3.2011 war sie mit ihrem Ehemann in Gemeinschaftspraxis tätig; seit der bestandskräftigen Entziehung der Zulassung ihres Ehemannes praktiziert sie in Einzelpraxis. Während der Ehemann der Klägerin wegen Abrechnungsbetruges aufgrund der Abrechnung nicht erbrachter Behandlungen in Höhe von insgesamt 246 579 Euro in den Quartalen II/2005 bis IV/2008 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (auf Bewährung) verurteilt wurde, stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin ein, da ein Nachweis ihrer Kenntnis von der falschen Abrechnung nicht geführt werden könne (die Klägerin hatte im Ermittlungsverfahren angegeben, die Abrechnungen ihrem Mann überlassen und nicht geprüft zu haben). Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung verhängte mit Bescheid vom 12.9.2012 gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 3000 Euro.

Klage und Berufung der Klägerin gegen die Geldbuße sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 16.5.2014, Urteil des LSG vom 25.11.2015).

Das LSG hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen ihre Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem sie die von ihrem Praxispartner und Ehemann erstellten Abrechnungen nicht hinreichend kontrolliert habe. Sie hatte im Disziplinarverfahren angegeben, die Abrechnungen nur auf Plausibilität geprüft geprüft zu haben. 

Die Entscheidung:

Das BSG bestätigte die Geldbuße gegen die Klägerin. Die Klägerin hat falsch abgerechnet. 

Das BSG stellt noch einmal klar, dass die grundsätzliche Verantwortlichkeit des einzelnen Arztes für die Richtigkeit seiner Abrechnungen nicht dadurch entfällt, dass die Partner einer BAG die Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen auf eines ihrer Mitglieder übertragen haben. Zwar ist die Gemeinschaftspraxis bzw BAG durch die gemeinschaftliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geprägt und stellt rechtlich eine Praxis dar. Dies ändert jedoch nichts am individuellen Pflichtenkreis ihrer einzelnen Mitglieder. Übertragen diese die ihnen grundsätzlich persönlich obliegende Aufgabe der Leistungsabrechnung auf einen der BAG-Partner, haben sie durch geeignete (Überprüfungs-)Maßnahmen sicherzustellen, dass sie ihrer Verantwortung weiterhin gerecht werden. Dass sich einzelne Mitglieder einer BAG nicht hinter dieser bzw den Besonderheiten der gemeinschaftlichen Berufsausübung "verstecken" können, verdeutlicht nicht zuletzt der Umstand, dass eine Haftung im Falle sachlich-rechnerischer Richtigstellungen oder anderer gegenüber der BAG bestehender (Rück-)Forderungen nicht allein die BAG trifft, sondern daneben eine Einstandspflicht ihrer einzelnen Gesellschafter besteht, welcher jeder für sich in Anspruch genommen werden kann.

Dass die Klägerin mit dem Partner der BAG verheiratet war ändert daran nichts. 

Es liegt auf der Hand, dass sich die Intensität vertragsärztlicher Pflichten nicht danach richtet, in welchem Verhältnis die Partner einer BAG zueinander stehen. Ein möglicherweise bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis - sei es aufgrund einer Lebensgemeinschaft oder sonstiger freundschaftlicher oder verwandtschaftlicher Beziehungen - entbindet Praxispartner nicht davon, das Handeln ihrer Kollegen sowohl in Bezug auf medizinische Aspekte als auch auf Abrechnungsgesichtspunkte erforderlichenfalls mit der gleichen Professionalität zu hinterfragen, zu der sie auch gegenüber anderen Praxispartnern verpflichtet sind.

Praxisanmerkung:

Der Widerstand gegen die Geldbuße war hier von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Dass jeder BAG-Partner selbst für die Abrechnung verantwortlich ist, ist ein Grundpfeiler des Abrechnungsrechts und vom BSG mehrfach klar gestellt worden. Das BSG läßt folgerichtig auch keinen Bonus für vertrauensselige Ehepartner zu. 

Interessant ist, dass die Ärztin sich einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetruges entziehen konnte, indem sie angab, die Abrechnungen ihrem Mann überlassen zu haben. Im Verfahren über die Disziplinarmaßnahme gab sie dagegen an, die Abrechnungen (wenn auch nur oberflächlich) geprüft zu haben. Widersprüchlicher Vortrag in den verschiedenen Verfahren ist immer zu vermeiden. Die KV könnte den neuen Vortrag der Staatsanwaltschaft mitteilen, die dann das Verfahren wegen Abrechnungsbetruges wieder eröffnen könnte. Auf Grundlage dieses BSG-Beschlusses ist dann eine Verurteilung wegen Abrechnungsbetruges recht wahrscheinlich. 

Einmal mehr zeigt sich, dass Verfahren wegen Abrechnungsfehlern gesamtheitlich zu führen sind: Man muss sowohl das Strafverfahren als auch die berufsrechtlichen Verfahren (Disziplinarverfahren, Approbationsverfahren) im Blick behalten. Gesamtlösungen sind anzustreben. Nutzloses Leugnen und nur stückweises Zugeben nachgewiesener Verstöße verschlimmert alles meist nur. Manchmal ist es besser, die Fehler einzugestehen, mit den Behörden zu kooperieren und auf eine milde Strafe hinzuwirken. 

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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