(27.10.2016) Bedroht eine Ermächtigung einer Klinik im Bereich Rheumatologie die Existenzgrundlage einer niedergelassenen Rheumatologin, so muss die Ermächtigung der Klinik auf eine bestimmte Zahl von Behandlungsfällen beschränkt werden. Dies gebietet der Vorrang der Versorgung der Patienten durch niedergelassene Ärzte (SG Schwerin, Beschluss vom 31.8.2016 - S 3 KA 18/16 ER). 

niedergelassene Ärztin wehrt Ermächtigung einer Klinik teilweise abDer Fall:

Der beklagte Zulassungsausschuss erteilte einer Klinik in Meckelnburg-Vorpommern eine zeitlich befristete Ermächtigung insbesondere zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit schweren Verlaufsformen rheumatologischer Erkrankungen.

Eine niedergelassene Rheumatologen, die eine Sonderbedarfszulassung innehat und die bisher nur unterdurchschnittliche Patientenzahlen (ca. 50% des Fachgruppendurchschnitts) erwirtschaften konnte, wehrte sich gegen diese Ermächtigung. Sie sah durch diese weitere Konkurrenz ihre Existenzgrundlage gefährdet. Daher klagte sie gegen die Ermächtigung und legte einen Eilantrag ein, wonach der Klinik die Ermächtigung einstweilig, d.h. bis zur späteren Entscheidung der Klage, nicht erteilt wird. 

Die Entscheidung:

Das SG Schwerin entschied, dass die Ermächtigung der Klinik einstweilig mit der Auflage versehen wird, wonach die ermächtigte Klinik (unter Hinzurechnung der von den weiteren ermächtigten Rheumatologen Dr. K. und Dr. S. abgerechneten Fälle) nicht mehr als 600 Behandlungsfälle pro Quartal abrechnen darf. Ob der Bedarf an rheumatologischen Leistungen durch die niedergelassenen Ärzte abgedeckt werden kann, ist in dem Hauptsacheverfahren zu klären.

Damit war der Antrag der Rheumatologin teilweise erfolgreich. Sie konnte zwar die Ermächtigung nicht blockieren, wohl aber die Zahl der Fälle, die die Klinik behandeln darf, begrenzen. 

Das SG betonte, dass die Rheumatologin unter Berücksichtigung der gesamten Prozessgeschichte hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass ihr aus der Vollziehung der persönlichen Ermächtigungen der drei im Rheumazentrum der Klinik für Innere Medizin, Klinikum S. A-Stadt, tätigen Ärzte bzw. Ärztinnen existentielle Nachteile drohen. Sie konnte seit ihrer Sonderbedarfszulassung bis zuletzt nicht annähernd durchschnittliche Fallzahlen erreichen. Die Konkurrenzsituation ist aufgrund des Arztwahl-Verhaltens der Patienten offensichtlich. Der Bestand und Umfang der Ermächtigungen wirkt sich sogleich signifikant auf die Fallzahlen der Rheumatologin aus.

Die Ermächtigung von Krankenhausärzten ist nach § 116 Satz 2 SGB V/§ 31a Ärzte-ZV zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten der in Satz 1 genannten Einrichtungen nicht sichergestellt wird. Zwischen den Teilnahmeformen Zulassung und Ermächtigung besteht ein rangförmiges Verhältnis: Priorität hat die Zulassung nach § 95 Abs. 1 und 3 SGB V, welche zur umfassenden vertragsärztlichen Leistungserbringung innerhalb eines Fachgebiets berechtigt. In diesem Zusammenhang ist auch die Vorrangstellung der Sonderbedarfszulassung gegenüber einer Ermächtigung zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall ist ein qualitativ-spezieller Bedarf an ambulanten rheumatologischen Leistungen streitig, insbesondere ob diese Leistungen aktuell von den ambulanten Leistungserbringern nicht oder in nicht erforderlichem Umfang vorgehalten und erbracht werden können. Die Prüfung unter dieser Fragestellung erfordert umfangreiche Erwägungen zu Anzahl und Leistungsangebot der zugelassenen und ermächtigten Leistungserbringer, Art und Umfang der Inanspruchnahme der Leistungserbringer/Wartezeiten, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsanbindungen, Bevölkerungsdichte/Bevölkerungsstruktur/Morbidität der Bevölkerung, sonstige Leistungserbringung, welche nicht zweitrangig ist. Diese Prüfung war eingehender erstmalig durch den AG aufgrund einer schriftlichen Befragung niedergelassener Ärzte und umfangreich vom Beigeladenen zu 1) vorgetragenem Zahlenmaterial durchgeführt worden.

Praxisanmerkung:

Die Rheumatologin hat schnell und konsequent auf die sie bedrohende Klinikkonkurrenz reagiert und Klage sowie einen Eilantrag eingereicht und dargelegt, warum ihre Existenzgrundlage gefährdet ist. Da ein bloßer Widerspruch gegen eine (sofort vollziehbare) Ermächtigung diese nicht aushebeln kann, war ein Eilantrag erforderlich. Zwar konnte die Ärztin keinen vollen Erfolg verzeichnen, sie hat aber zumindest vorläufig die Fallzahl der Klinik deckeln können. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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