(25.10.2016) Wird der Name eines Arztes ohne dessen Zustimmung für eine unerlaubte Werbung für Nahrungsergänzungsmittel verwendet, so hat der Arzt gegen diese Werbung einzuschreiten. Tut er dies nicht, so ist er ebenso wie der Werbende selbst zur Unterlassung dieser Werbung verpflichtet (OLG Celle, Beschluss vom 02. Mai 2016 – 13 U 155/15). 

unerlaubte Werbung für VitalstoffeGestritten wird u.a. um folgende Werbeaussagen für "A. Vitalkost" der Beklagten zu 1:

„Flüssigkeitsfasten tut dem Körper gut. Doch wer länger radikal fastet, baut stark Muskeln ab. Dagegen hilft A.“

„Der Ernährungsmediziner Professor Dr. A. B. zieht folgendes Resümee: 'Das Lebensmittel A. enthält biologisches und durch ein patentiertes Verfahren leicht verdauliches Sojaeiweiß und Milchprotein. Dadurch erfüllt A. in idealer Weise die Anforderungen an ein eiweißergänztes Fasten".

 

Dafür ist der Arzt Dr. A.B. (sprich der Beklagte zu 2) aus Sicht des OLG Celle mitverantwortlich:

Tenor:

1. Der Senat erwägt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils zu Ziffer 2 wie folgt neu gefasst wird:

Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Werbung mit einem Zitat, mit einem Interview und mit Fotos unter Hinweis auf seine Berufsbezeichnung als Arzt und/oder Mediziner für das Produkt der Beklagten zu 1 „A. Vitalkost“ zuzulassen, wenn dies wie in den Anlagen K 9, K 10.1 und K 10.2 im Internetauftritt der Beklagten zu 1 (www.A..de) unter den Rubriken „So funktioniert’s“ und „Studienergebnisse“ geschieht.

Den Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Der Fall:

I.
Der Kläger - ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört - nimmt die Beklagten auf Unterlassung verschiedener Werbeaussagen im Zusammenhang mit dem Produkt „A. Vitalkost“ in Anspruch.

Die Beklagte zu 1 stellt als Hauptprodukt „A. Vitalkost“ her, ein Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung im Sinne von § 1 Abs. 4 Diätverordnung. Der Beklagte zu 2 ist als approbierter Arzt und Facharzt für Laboratoriumsmedizin sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin Mitglied der Landesärztekammer Baden-​Württemberg.

Unter dem Produkt-​Logo „A. Vitalkost“ gab die Beklagte zu 1 eine Werbebroschüre mit dem Titel „p.“ heraus, die auch über die Homepage der Beklagten zu 1 abrufbar war und die u.a. Zitate des Beklagten zu 2 enthielt. Wegen der Einzelheiten des Inhalts der Broschüre wird auf die Anlage K 8 (Bl. 33 ff. d.A.) Bezug genommen. Weiterhin führte die Beklagte zu 1 auf ihrer Homepage „Studienergebnisse“ u.a. des Beklagten zu 2 an, wegen deren Inhalts auf die Anlagen K 9 und K 10 (Bl. 44 ff. d.A.) verwiesen wird.

Der Kläger mahnte die Beklagten vorgerichtlich ab und forderte erfolglos die Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen.

Das Landgericht hat der auf Unterlassung sowie auf Erstattung von Abmahnkosten gerichteten Klage bis auf einen geringen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, die Werbung der Beklagten zu 1 verstoße gegen Art. 10 Abs. 1, 12 lit. c HCVO. Der Beklagte zu 2 habe gegen die Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-​Württemberg verstoßen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 167 ff. d.A.) verwiesen.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen und ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholen und vertiefen. Insbesondere sind sie weiterhin der Auffassung, die Klage sei mangels Bestimmtheit der Unterlassungsanträge sowie hinsichtlich des Beklagten zu 2 zudem wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Sie sei auch unbegründet, weil die Werbung der Beklagten zu 1 keine unzulässigen gesundheitsbezogenen Angaben enthalte. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 sei jedenfalls deshalb unbegründet, weil er keine Einflussmöglichkeit auf die Werbung der Beklagten zu 1 habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 1. März 2016 (Bl. 186 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Entscheidung:

II.
Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (dazu im Folgenden unter 1.) und begründet (dazu im Folgenden unter 2.).

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die Unterlassungsanträge entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichend bestimmt (dazu im Folgenden unter a). Der Klage gegen den Beklagten zu 2 steht auch nicht der Missbrauchseinwand gemäß § 8 Abs. 4 UWG entgegen (dazu im Folgenden unter b).

a) Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift außer der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs einen bestimmten Klageantrag enthalten. Dessen Angabe bedarf es zur Festlegung des Streitgegenstandes und des Umfangs der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO), zur Erkennbarkeit der Tragweite des begehrten Verbots und der Grenzen seiner Rechtskraft. Danach darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsverfahren überlassen wäre (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Oktober 1990 - I ZR 35/89, juris Tz. 18 m.w.N.). Diesen Bestimmtheitsanforderungen hat der Kläger genügt.

Aus den Anträgen des Klägers geht hinreichend deutlich hervor, dass sein Begehren auf Unterlassung der Werbung für das Produkt „A. Vitalkost“ mit Zitaten, Interviews und Fotos des Beklagten zu 2 unter Hinweis auf dessen Berufsbezeichnung gerichtet ist, wenn dies wie in den im jeweiligen Antrag bezeichneten Anlagen geschieht. Damit verlangt der Kläger die Unterlassung behaupteter Verletzungshandlungen in der konkret begangenen Form. Eine unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform liegt auch dann vor, wenn der Klageantrag die Handlung abstrakt beschreibt, sie aber mit einem „wenn dies geschieht wie“-​Zusatz konkretisiert (BGH, Urteil vom 7. April 2011 – I ZR 34/09, juris Tz. 17 m.w.N.). Die in dem Zusatz genannten Teile der Broschüre bzw. des Internetauftritts werden vom Kläger eingeschränkt angegriffen, soweit die Beklagte zu 1 in ihnen mit einem Zitat, einem Interview und mit Fotos des Beklagten zu 2 unter Hinweis auf seine Berufsbezeichnung als Arzt und/oder Mediziner für das Produkt „A. Vitalkost“ wirbt. Hingegen liegt keine Einbeziehung auch „ähnlicher“ Handlungen vor, wie sie Gegenstand des von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Urteils des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2000 (I ZR 180/98, juris Tz. 17 ff. = Anlage B 1, Bl. 97 ff. d.A.) gewesen ist.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage auch nicht rechtsmissbräuchlich, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2 richtet.

Ein Missbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG würde voraussetzen, dass der Kläger mit der Geltendmachung des Anspruchs gegen den Beklagten zu 2 überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 4.10 m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, ist weder dargetan noch ersichtlich. Unabhängig von der materiell-​rechtlichen Frage, ob der Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (auch) gegen den Beklagten zu 2 begründet ist, bleibt es dem Kläger unbenommen, wegen der behaupteten Wettbewerbsverstöße nicht nur die Beklagte zu 1, sondern auch den Beklagten zu 2 in Anspruch zu nehmen. Nach der im Rahmen der Prüfung des § 8 Abs. 4 UWG gebotenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist vorliegend nicht davon auszugehen, dass der Kläger sich dabei von überwiegend sachfremden Zielen - wie etwa einem Gebührenerzielungsinteresse - hat leiten lassen. Im Gegenteil: Gerade unter Berücksichtigung des vorgerichtlichen Vorbringens des Beklagten zu 2, er habe überhaupt nichts von der Werbung der Beklagten zu 1 mit ihm als Arzt gewusst, besteht ein nachvollziehbares Interesse des Klägers, über die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruch (auch) gegen den Beklagten zu 2 mittelbar auf die Beklagte zu 1 einzuwirken.

2. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbeaussagen sowohl gegen die Beklagte zu 1 (dazu im Folgenden unter a) als auch gegen den Beklagten zu 2 (dazu im Folgenden unter b). Deshalb kann der Kläger auch die Erstattung der ihm entstandenen Kosten der Abmahnungen verlangen (dazu im Folgenden unter c).

a) Die Beklagte zu 1 ist gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG a. F. i. V. m. Art. 10 Abs. 1, 12 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. Health-​Claims-​Verordnung, kurz: HCVO) zur Unterlassung verpflichtet.

Die Regelungen der HCVO dienen dem Schutz der Verbraucher und stellen daher Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 a.F. (= § 3 a UWG n.F.) UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher i.S. des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12, juris Tz. 10 m.w.N.).

Nach Art. 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kap. II und den speziellen Anforderungen in Kap. IV HCVO entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13, 14 HCVO aufgenommen sind. Zu den speziellen Anforderungen des Kap. IV gehören auch die Beschränkungen bestimmter gesundheitsbezogener Angaben nach Art. 12 lit. c HCVO. Danach sind insbesondere solche gesundheitsbezogenen Angaben unzulässig, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe und von Vereinigungen, die nicht in Art. 11 genannt werden, verweisen. Um solche Angaben handelt es sich hier.

aa) Die beanstandete Werbung enthält entgegen der Auffassung der Beklagten gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Gesundheitsbezogen ist hiernach jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Bei der betroffenen „A. Vitalkost“ handelt es sich um ein Lebensmittel i.S.v. Art. 2 Abs. 1 a), Abs. 2 Nr. 5 HCVO, Art. 2 VO (EG) 178/2002.

Der von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO vorausgesetzte Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel und der Gesundheit ist weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Darüber hinaus wird jeder Zusammenhang erfasst, der nahelegt, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 26. Februar 2014, a.a.O. Tz. 16). Diese Voraussetzungen sind hier für die beanstandete Werbung sowohl in der Broschüre (Anlage K 8) als auch auf der Webseite der Beklagten zu 1 (Anlagen K 9 und K 10) erfüllt.

(1) Die Aussagen der Beklagten zu 1 in der Broschüre „p.“ (Anlagen K 8.2, K 8.3 und K 8.9, Bl. 34, 35 und 41 d.A.) implizieren, dass sich der Gesundheitszustand des Verbrauchers bei Einnahme von A. verbessert, weil die negativen Folgen des Fastens - insbesondere der Muskelabbau - hierdurch verhindert werden bzw. geringer ausfallen.

Dies gilt insbesondere für die vom Kläger in der Klagebegründung (auf S. 5 f.,
24 Bl. 5 f. d.A.) zitierten Passagen:

- „Flüssigkeitsfasten tut dem Körper gut. Doch wer länger radikal fastet, baut stark Muskeln ab. Dagegen hilft A..“ (K 8.2)

- „Der Ernährungsmediziner Professor Dr. A. B. zieht folgendes Resümee: 'Das Lebensmittel A. enthält biologisches und durch ein patentiertes Verfahren leicht verdauliches Sojaeiweiß und Milchprotein. Dadurch erfüllt A. in idealer Weise die Anforderungen an ein eiweißergänztes Fasten“ (K 8.2)

- „Das klassische Fasten ist also kein Mittel zum gesunden und erfolgreichen Abnehmen. Wir betreiben Raubbau an unserer Muskulatur, den wir nach dem Fasten nicht ohne Weiteres wieder wettmachen können. Optimal Abnehmen ohne Muskelverlust können wir über modifiziertes Flüssigkeitsfasten mit A.-​Shakes. Mit den Drinks können wir alle 3 Hauptmahlzeiten am Tag ersetzen, ohne Angst vor Nebenwirkungen haben zu müssen. Eine Übersäuerung des Körpers bleibt unter A. ebenso aus wie die gefürchtete negative Stickstoffbilanz, die für den Verlust an Muskelmasse beim Fasten verantwortlich ist und vor einer verminderten Konzentrationsfähigkeit oder Leistungsfähigkeit brauchen wir uns auch nicht zu fürchten.“ (K 8.9)

- „Wir wissen heute eine Menge über die Wirkung und Wirkweise von A.. Mit seinen Bestandteilen Soja und Joghurt verfügt A. zunächst einmal über Eiweißlieferanten, die gut aufgenommen werden können und die Muskelmasse stabil halten, ohne die Stickstoffausscheidung zu strapazieren. Zudem werden über eine speziell für die A.-​Produktion ausgesuchte Honigsorte auch Kohlenhydrate in ausreichender und vor allem nur verzögert freigegebener Konzentration angeboten.

Neben diesen Makronährstoffen gibt es aber in A. noch eine Fülle an nachgewiesenen Mikronährstoffen, die für die positive Stoffwechselwirkung verantwortlich sind. Hierzu zählen biologisch aktive Peptide und sekundäre Pflanzenstoffe wie Isoflavone. Über diese wird die Verbrennung der körpereigenen Fette verbessert und die Speicherung von Fetten reduziert. Vorteile, die besonders für ein erfolgreiches Abnehmen von Bedeutung sind.“

(K 8.9)

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich hierbei nicht um bloß nährwertbezogene Angaben (Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO). Vielmehr wird dem Adressaten der Werbung vermittelt, dass das Lebensmittel „A. Vitalkost“ Vorteile für die Gesundheit und das gesundheitsbezogene Wohlbefinden des Fastenden hat. Es kommt in diesem Zusammenhang - anders als die Beklagten meinen - nicht darauf an, was der Verbraucher allgemein unter dem (möglicherweise nährwertbezogenen) Begriff des „Fastens“ versteht. Vielmehr hat das Landgericht zu Recht entscheidend darauf abgestellt, dass die Beklagte zu 1 die Vorzüge ihres Produkts gegenüber den gesundheitlichen Wirkungen des klassischen Fastens ohne „A. Vitalkost“ bewirbt.

(2) Auch die vom Kläger beanstandeten Angaben der Beklagten zu 1 über wissenschaftliche „Studienergebnisse“ stellen gesundheitsbezogene Angaben dar. Folgt man dem so bezeichneten Link auf der Homepage (vgl. Anlage K 9.1, Bl. 44 d.A.), so wird man unter dieser Überschrift über „grundlegende Studien“ und die hierdurch nachgewiesenen positiven gesundheitlichen Wirkungen von A. informiert (vgl. Anlage K 10, Bl. 45 ff. d.A.). Die Gesundheitsbezogenheit ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte zu 1 positive Auswirkungen des Verzehrs des Lebensmittels auf verschiedene Krankheiten (Diabetes, metabolisches Syndrom) anführt. Wie die Beklagten in Anbetracht von Aussagen wie „Schon nach sechs Wochen Diät mit A. verändern sich bei den Probanden alle metabolischen Biomarker positiv“ (Anlage 10.3, Bl. 47 d.A.) ernsthaft die Auffassung vertreten kann, es handele sich nicht um gesundheitsbezogene Angaben i.S.v Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

(3) Die Beklagte zu 1 kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die vorgenannten Aussagen sowohl in der beanstandeten Broschüre (Anlage K 8) als auch auf der Webseite (Anlagen K 9 und K 10) sich nicht nur auf das Produkt „A. Vitalkost“, sondern auf das gesamte Diätprogramm „A.“ beziehen, welches aus einem ganzen Paket von Maßnahmen bestehe.

In der gesamten Broschüre in der Anlage K 8 wird durch die Bezugnahme auf das Produkt „A.“ sowie auf die aus dem Lebensmittel hergestellten „Shakes“ und „Cocktails“, für die auch zahlreiche Rezepte „auf A.-​Basis“ enthalten sind, verdeutlicht, dass dieses Lebensmittel wesentlicher Bestandteil der Diät ist. So bezieht sich insbesondere das „Resümee“ des Beklagten zu 2 auf „das Lebensmittel A.“ (vgl. S. 3 der Broschüre unten rechts, Anlage K 8.2, Bl. 34 d.A.). Die Bedeutung des Lebensmittels wird auch durch die Gestaltung der Broschüre verdeutlicht. Diese enthält nämlich auf der ersten Seite das Logo für „A. Vitalkost“ direkt über dem Titel „p.“ (Anlage K 8.1, Bl. 33 d.A.).

Gleiches gilt für die „Studienergebnisse“ auf der Webseite der Beklagten zu 1 in den Anlagen K 9 und K 10. Auch diese sind unter dem - prominent in der oberen linken Ecke gezeigten - Logo für „A. Vitalkost“ veröffentlicht. Zwar mag die Homepage Hinweise darauf enthalten, dass Erfolge nicht allein durch den Verzehr des Produktes „A. Vitalkost“ erzielt werden, sondern dass darüber hinaus eine weitergehende Umstellung der Ernährung und körperliche Betätigung notwendig seien. Dies ändert aber nichts daran, dass das Lebensmittel den Grundstein der von der Beklagten zu 1 auf der Internetseite beschriebenen Diät darstellt. Die Werbeaussagen beziehen sich deshalb nicht allgemein bloß auf die Empfehlung einer gesunden oder kalorienarmen Ernährung, sondern - jedenfalls auch - auf die Verwendung des Lebensmittels „A. Vitalkost“ als wesentlichem Bestandteil des beworbenen Gesamtpakets „A. Diät“. Damit bezieht sich die Werbung der Beklagten zu 1 maßgeblich auf das in Frage stehende Lebensmittel (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 22. Oktober 2015 - 13 U 123/14, juris Tz. 78 ff.; sowie Senatsbeschluss vom 2. Februar 2010 - 13 U 165/09, juris Tz. 8).

bb) Die Unzulässigkeit der gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Art. 12 lit c HCVO ergibt sich sowohl hinsichtlich der Broschüre in der Anlage K 8 als auch hinsichtlich der Aussagen auf der Webseite in den Anlagen K 9 und K 10 aus dem Verweis der Beklagten zu 1 auf die Empfehlungen des mit einem Foto abgebildeten und mit voller Berufsbezeichnung namentlich genannten Beklagten zu 2 als „Ernährungsmediziner und praktizierender Arzt im Bereich Lebensstiltherapie“.

Dem Interview mit dem Beklagten zu 2, das sich auf den Seiten 15 bis 17 der Broschüre findet, entstammen die letzten beiden, längeren Zitate aus der Anlage K 8.9. Inhaltlich werden damit die vorangehenden Aussagen bzw. Überschriften bestätigt und das „Resümee“ des Beklagten zu 2 medizinisch untermauert.

Die beanstandeten gesundheitsbezogenen Angaben auf der Internetseite der Beklagten zu 1 stehen sogar insgesamt unter der Überschrift (vgl. Anlage K 10.1, Bl. 45 d.A.):

„Studienergebnisse
Prof. Dr. A. B.
Ernährungsmediziner, F.“

Insofern kann sich die Beklagte zu 1 nicht mit Erfolg darauf berufen, dass hier nicht die Empfehlung eines einzelnen Arztes vorliege, sondern die Beklagte zu 1 lediglich „auf wissenschaftliche Untersuchungen einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern hinweist“. Denn zum einen wird der Beklagte zu 2 mit der Namensnennung in der Überschrift sowie der Abbildung seiner Person und der mehrfachen Bezugnahme auf seine Studien in den Fußnoten des Artikels als der primäre Empfehlungsgeber dargestellt, auf den die Beklagte zu 1 verweist. Zum anderen sind gemäß Art. 12 lit. c HCVO auch solche Angaben unzulässig, die auf Empfehlungen von Vereinigungen, die nicht in Art. 11 HCVO genannt werden, verweisen. Dass es sich bei den von der Beklagten zu 1 angeführten „neun deutschen Wissenschaftlern“ (vgl. Anlage K 9, Bl. 44 d.A.) um eine Vereinigung im Sinne von Art. 11 HCVO handelt, ist aber weder dargetan noch ersichtlich. Im Gegenteil: Aus dem Text der Anlagen K 9 und K 10 ergibt sich, dass - wenn überhaupt - ein unzulässiger Verweis auf die Empfehlung mehrerer einzelnen Ärzte i.S.v. Art. 12 lit. c HCVO vorliegen dürfte.

b) Das Landgericht hat auch den Beklagten zu 2 zu Recht zur Unterlassung verurteilt (dazu im Folgenden unter aa). Der Senat beabsichtigt insoweit lediglich, eine Klarstellung des Tenors zu Ziffer 2 des angefochtenen Urteils vorzunehmen (dazu im Folgenden unter bb).

aa) Der (Unterlassungs)Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2 folgt aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG a.F. i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Berufsordnung der Ärztekammer Baden-​Württemberg (BOÄ-​BW).

(1) Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 BOÄ-​BW ist es dem Arzt verboten, seinen Namen in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung in unlauterer Weise für gewerbliche Zwecke herzugeben oder es zuzulassen, dass von seinem Namen oder beruflichen Ansehen in solcher Weise Gebrauch gemacht wird. Diese berufsrechtlichen Vorschriften sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG a.F. (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 11.74). Das stellen die Beklagten auch nicht in Abrede.

(2) Der Beklagte zu 2 durfte die aus den o.g. Gründen nach Art. 10 Abs. 1, 12 lit. c HCVO unzulässige und damit unlautere Werbung für das Produkt „A. Vitalkost“ nicht - wie geschehen - dulden, da dies eine Umgehung des Verbots der berufswidrigen Werbung darstellt (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 11.112). Die Bezugnahme des Landgerichts auf das Umgehungsverbot und die vorgenannte Fundstelle stellt dabei entgegen der Auffassung der Beklagten keine „Überraschungsentscheidung“ dar. Die Beklagten übersehen, dass das Verbot mittelbarer Werbung bereits in der Klageschrift unter ausdrücklicher Nennung der beanstandeten Fundstelle zur Begründung des Unterlassungsanspruchs gegen den Beklagten zu 2 herangezogen worden war (unter VII.1.c) auf S. 14 der Klageschrift, Bl. 14 d.A.).

Zwar liegt ein Dulden fremder Werbung nur dann vor, wenn dem Arzt die Unterbindung tatsächlich und rechtlich möglich und zumutbar ist. Der Senat folgt insofern aber dem Einwand des Beklagten zu 2 nicht, ihm sei es nicht möglich gewesen, auf die Beklagte zu 1 entsprechend einzuwirken. Dass er es überhaupt versucht hat, behauptet er selbst nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb ihm eine zumindest auf sein Foto und seine Namensnennung bezogene Einwirkung nicht möglich gewesen sein sollte, wenn - wie der Beklagte zu 2 kaum nachvollziehbar behauptet - die Beklagte zu 1 seine Zitate und Fotos ohne Autorisierung zur Veröffentlichung genutzt hat. Wenn der Beklagte gegen eine derartige, vermeintlich nicht autorisierte Verwendung seines Namens und seiner ärztlichen Berufsbezeichnung nicht - notfalls gerichtlich - einschreitet, trifft ihn die lauterkeitsrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 4 Nr. 11 UWG a.F. i.V.m. den berufsrechtlichen Verbotsnormen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2011 - 13 U 167/11, juris Tz. 21).

bb) Aus der Klagebegründung ergibt sich für den Senat unmissverständlich, dass der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2 auf die Unterlassung eben jener Duldung der Werbung der Beklagten zu 1 mit seinem Namen, seinem Interview und seinem Foto gerichtet ist. Aus Klarstellungsgründen beabsichtigt der Senat daher, den Tenor zu Ziffer 2 des angefochtenen Urteils dahingehend neu zu fassen, dass dem Beklagten zu 1 nicht untersagt wird, „zu werben und/oder werben zu lassen“, sondern „Werbung … zuzulassen“.

c) Schließlich steht dem Kläger auch der vom Landgericht bejahte Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnungen aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu. Einwendungen haben die Beklagten insoweit nicht erhoben.

III.
Da die Berufung der Beklagten im Ergebnis offensichtlich ohne Erfolg bleiben dürfte, sollten sie aus Kostengründen die Rücknahme ihres Rechtsmittels erwägen, das anderenfalls im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen wäre.

Praxisanmerkung:

Selbstverständlich kann kein Arzt wissen, ob jemand nicht ungefragt irgendwo mit seinem Namen wirbt. Aber nachdem der Verein den Arzt aufforderte, gegen die seinen Namen verwendende Werbung einzuschreiten, hätte der Arzt den Werbenden auf Unterlassung in Anspruch nehmen müssen. Da der Werbende den Arzt wohl nicht um Erlaubnis gebeten hat, wäre dies auch erfolgreich gewesen. Der Arzt tat aber nichts und wurde daher als Mitverantwortlicher der Werbung behandelt und zur Unterlassung verpflichtet. Wer als Arzt zur Unterlassung einer Werbung - sei es eigener Werbung oder wie hier einer Werbung durch Dritte - aufgefordert wird, sollte zeitnah einen Anwalt aufsuchen. 

Die Beklagten haben Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt (dortiges Az: I ZR 97/16). Eine endgültige Entscheidung steht also noch aus. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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