(14.10.2016) Eine ungenügende ärztliche Aufklärung kann zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Patienten in die Durchführung der Operation und zum Entfallen des Honoraranspruchs führen. Wendet ein Patient gegen die Honorarforderung eines Arztes ein, dieser habe ihn mangelhaft aufgeklärt, so hat das Gericht die Aufklärung zu prüfen und darf diesen Einwand des Patienten nicht einfach übergehen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. September 2016 – 1 BvR 1304/13). Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Aufklärung nicht nur haftungsrechtlich sondern auch gebührenrechtlich wichtig ist. 

Zum Wegfall von Honorarforderungen wegen fehlerhafter Aufklärung des PatientenDer Fall:

Der Patient begab sich im Mai 2012 aufgrund einer Erkrankung des Bindegewebes seiner Hand (sogenannte Dupuytren'sche Krankheit) in Behandlung zu einem Facharzt für Chirurgie-, Unfall- und Handchirurgie. In der Folge wurde ein Operationstermin für den Morgen des 16. August 2012 vereinbart. Der Arzt übergab dem Patienten ein Anästhesie-Aufklärungsformular. 

Nachdem der Patien den Termin am Mittag des 15. August 2012 bestätigt hatte, begann er sich selbstständig über das Krankheitsbild sowie die Risiken und Erfolgsaussichten einer entsprechenden Operation zu informieren. Aufgrund der selbst eingeholten Informationen entschied er sich, den für den nächsten Tag angesetzten Operationstermin abzusagen und auch den ihm zuvor am 25. Mai 2012 mitgegebenen Anästhesie-Aufklärungsbogen nicht zu unterschreiben. Er konnte am Nachmittag des 15. August 2012 in der Praxis des Arztes jedoch niemanden mehr erreichen. Da er nicht zum Operationstermin erschien, konnte der Eingriff nicht durchgeführt werden.

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge auf Zahlung eines Ausfallhonorars für Operations-Leistungen in Höhe von 444,73 Euro nebst Zinsen sowie Anwaltsgebühren gerichtlich in Anspruch genommen.

Das Amtsgericht gab dem beklagten Patienten im Verfahren nach § 495a ZPO (sog. Bagatellverfahren, weil Streitwert unter 600 Euro) Gelegenheit zur schriftlichen Klageerwiderung. 

Mit der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung wendete der Patient ein, der Arzt habe ihn nicht ordnungsgemäß über Risiken und Folgen des Eingriffs aufgeklärt. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte er von einer Operation Abstand genommen. Außerdem habe er sich so früh wie möglich um eine Absage bemüht.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Aufklärungsrüge ändere daran nichts: Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Patient sich erst nach Bestätigung des Termins mit dem Aufklärungsbogen beschäftigt habe. Bei zeitnahem Studium habe er auf die angebliche Falschaufklärung rechtzeitig reagieren können.

Da im Bagatellverfahren eine Berufung nicht möglich ist, legte der Patient eine Anhörungsrüge ein, die aber ohne Erfolg blieb. Daraufhin erhob der Patient Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Übergehen der Aufklärunsgrüge. 

Morbus Dupuytren der linken HandDie Entscheidung:

Das Bundesverfassungsgericht gab dem Patienten Recht, hob das amtsgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Amtsgericht. 

Das Amtsgericht hat sich mit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen rechtlichen Argumentation, er schulde mangels ordnungsgemäßer ärztlicher Aufklärung kein Honorar, in den tragenden Gründen seines Urteils nicht auseinandergesetzt. Dabei handelte es sich um eine Frage von zentraler Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens.

Der Patient machte schon in seiner Klageerwiderung deutlich, dass er die Grundlage der Honorarforderung in Zweifel ziehe. Dies hätte aber der Annahme eines ärztlichen Zahlungsanspruchs aus §§ 612, 614, 615 BGB entgegengestanden.

Das Gericht geht im Anhörungsrügebeschluss zwar kurz auf die Frage der Unwirksamkeit des Dienstvertrages als Konsequenz einer unzureichenden Aufklärung durch den Arzt ein und bewertet diese Ansicht als "nicht überzeugend". Diese Beurteilung stand dem Gericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung grundsätzlich frei. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs reichte indes der bloße formelhafte Verweis auf zwei oberlandesgerichtliche Urteile (Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 21. April 1999 - 1 U 615/98-112 -, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2003 - 8 U 18/02 -, NJW-RR 2003, 1331) ohne jegliche weitere Begründung nicht aus. Beide Urteile lassen keine rechtliche Grundlage erkennen, auf die sich die Verurteilung des Beschwerdeführers stützen ließe. Vielmehr gehen sie übereinstimmend davon aus, dass die ungenügende ärztliche Aufklärung zur Unwirksamkeit der Einwilligung des Patienten in die Durchführung der Operation und zum Entfallen des Honoraranspruchs führt. Damit und mit den Folgen einer fehlenden Einwilligung für den das angegriffene Urteil tragenden Annahmeverzug des Beschwerdeführers setzt sich das Amtsgericht nicht auseinander.

Praxishinweis:

Der Arzt sollte der Aufklärung den notwendigen Raum geben. Denn eine fehlerhafte Aufklärung kann nicht nur zu Arzthaftungsansprüchen wegen sog. Aufklärungsfehler führen. Auch der ärztliche Honoraranspruch wird gefährdet.

Es reicht für die Aufklärung nicht aus, dem Patienten entsprechende Formulare zu übergeben. Erforderlich ist ein Aufklärungsgespräch, in dem der Arzt dem Patienten das Für und Wider der Behandlung/Operation und die damit verbundenen Risiken im Großen und Ganzen verdeutlicht. Das Gespräch sollte dokumentiert werden. Es empfiehlt sich, in dem Aufklärungsformular Unterstreichungen vorzunehmen und die wichtigsten Risiken noch einmal handschriftlich im Feld "Bemerkungen" aufzunehmen und das Formular mit Datum, Uhrzeit und Unterschrift vom Patienten abzeichnen zu lassen. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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