(27.9.2016) Rapiscan darf bei pharmakologischer Stressauslösung für Myokard-Perfusionsaufnahmen nicht als Sprechstundenbedarf im Bereich der KV Nordrhein verordnet werden. Zugelassen ist dafür nur Adenosin. Die Kosten für das verordnete Rapiscan sind im Wege des Regresses zurückzuzahlen. Rapiscan sollte daher nur auf den Namen des Versicherten verordnet werden (SG Düsseldorf, Urteil vom 31. August 2016 – S 2 KA 326/15).

InfusionskanülenDer Fall:

Streitig ist ein Regress wegen der Verordnung von Rapiscan als Sprechstundenbedarf (SSB).

Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum für Radiologie und Nuklearmedizin mit Vertragsarztsitz in E. Die ihr angehörenden Ärzte verordneten im Quartal 4/2013 Rapiscan 400 µg als SSB im Rahmen pharmakologischer Stressauslösung für Myokard-Perfusionsaufnahmen (Myokardszintigraphie).

Auf Prüfantrag setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein mit Bescheid vom 14.04.2015 einen Regress wegen unzulässiger Verordnung von Rapiscan 400 µg als SSB in Höhe von 8.875,31 EUR fest. Dagegen klagte das MVZ. 

Die Entscheidung:

Rapiscan (Regadenoson) ist kein "Mittel zur Diagnostik oder Soforttherapie" in Sinne der Nr. 05 der Anlage 1. Nach der Symbol-Nr. 0538000000 sind zwar "Substanzen, die bei Funktionsprüfungen appliziert werden (z.B. TRH-Test, Pancreolauryltest)" als SSB verordnungsfähig. Für die Herzdiagnostik ist jedoch allein und abschließend unter der Symbol-Nr. 0510000000 "Dobutamin im Rahmen einer Stressechokardiographie" gelistet.

Rapiscan (Regadenoson) ist auch kein "Arzneimittel zur Sofortanwendung im Notfall" gemäß Nr. 07 der Anlage 1. Ein Notfall im medizinischen Sinne ist ein akuter, lebensbedrohlicher Zustand durch Störung der Vitalfunktionen oder die Gefahr plötzlich eintretender, irreversibler Organschädigung infolge Trauma, akuter Erkrankung oder Vergiftung (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007). Typisch für den Notfall ist die fehlende Vorhersehbarkeit (vgl. z.B. LSG NRW, Urteil vom 28.01.2009 - L 11 KA 24/08 -).

Eine solche Situation liegt bei der Anwendung von Rapiscan (Regadenoson) gerade nicht vor. Es wird im Gegenteil leitliniengerecht gezielt als pharmakologischer Stressauslöser für Myokard-Perfusionsaufnahmen mit Radionukliden bei ergometrisch nicht ausreichend belastbaren Patienten eingesetzt. Das Arzneimittel dient auch nicht der Therapie, d.h. der Behandlung von notfallmäßig aufgetretenen Gesundheitsstörungen. Bei systematischer Auslegung der im Kapitel 07 "Arzneimittel zur Sofortanwendung im Notfall" gelisteten Präparate zeigt sich, dass es sich sämtlich um therapeutische Mittel handelt bzw. sie als solche zur Anwendung kommen. Nach der Fachinformation (4.1) darf Rapiscan (Regadenoson) hingegen nur zu diagnostischen Zwecken angewendet werden. Deshalb unterfällt es auch nicht den "Cardiaca" (Symbolnummer 07090500000).

Rapiscan (Regadenoson) kann auch nicht hilfsweise gemäß Ziffer IV.1 der SSB-Vereinbarung als SSB verordnet werden. Danach können von der Anlage 1 unter Nr. 07 abweichende Arzneimittel nur in begründeten Notfällen als SSB verordnet werden. Diese Regelung ist dahin zu verstehen, dass grundsätzlich nur die gelisteten Arzneimittel als SSB verordnet werden können und in einem besonderen Ausnahmefall, z.B. wenn in einem Notfall eines der gelisteten Mittel nicht greifbar ist, ausnahmsweise auch ein anderes, den gelisteten ähnliches Arzneimittel verordnet werden darf. Das schließt aber von vornherein aus, dass ein solches Arzneimittel - wie hier - regelmäßig als SSB verordnet wird (vgl. LSG NRW, Urteil vom 18.01.2012 - L 11 KA 82/10 -).

Rapiscan (Regadenoson) war daher entsprechend Ziffer III.3 der SSB-Vereinbarung mit Angabe der zuständigen Krankenkasse auf den Namen des Versicherten zu verordnen. Soweit das Arzneimittel nur in Gebinden zu je fünf Flaschen erhältlich gewesen war und für den Versicherten nur eine 5 ml-Durchstechflasche mit 400 µg Injektionslösung entsprechend der Dosierungsempfehlung verbraucht wurde, hätten die nicht benötigten weiteren vier Flaschen in der Betriebsstätte (Praxis) verbleiben können und wären dem SSB zuzuführen gewesen. Dies hätte ausreichend Raum geschaffen, bei solchen Patienten die Untersuchung nahtlos fortzuführen, denen es nicht zuzumuten gewesen wäre, die Untersuchung zu unterbrechen und sich das Arzneimittel in der Apotheke auf Einzelrezept zu beschaffen.

Praxisanmerkung: 

Als Sprechstundenbedarf gelten allgemein Arzneimittel, Verbandsmittel, Materialien, Gegenstände und Stoffe, die ihrer Art nach bei mehr als einem Anspruchsberechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung Verwendung finden oder bei Notfällen sowie im Zusammenhang mit einem ärztlichen Eingriff bei mehr als einem Anspruchsberechtigten zur Verfügung stehen müssen.

Der Umfang des Sprechstundenbedarfs muss dem Bedarf der Praxis einschließlich des Bedarfs für den Notfalldienst entsprechen.

Die KVen haben hinsichtlich des Umfangs und der verordnungsfähigen Mittel mit den Krankenkassen Vereinbarungen getroffen. Häufig führen die KVen sog. Negativlisten mit nicht verordnungsfähigen SSB.

Der Arzt kann im Bereich der KV Nordrhein zur Stressauslösung (Myokardszintigraphie) Adenosin als SSB einsetzen. Das Präparat "Adenosin als Mittel der Myokardszintigraphie, sofern eine reproduzierbare definierte physikalische Belastung des Patienten nicht möglich ist" ist ausdrücklich in der SSB-Vereinbarung zugelassen. Ärzte anderer KV-Bereiche müssen in den jeweiligen SSB-Vereinbarungen nachlesen, welche Mittel hier als SSB genutzt werden können. 

Zu beachten ist, dass bei Rapiscan ebenso wie bei Adenosin der Einsatz nur in medizinischen Einrichtungen vorgesehen ist, in der eine Ausrüstung zur Überwachung der Herzfunktion und zur kardialen Wiederbelebung zur Verfügung steht.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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