Eine Dokumentation in der Patientenkartei eines Zahnarztes lautend "HKP an Pat Kb" ist mangelhaft, weil der HKP nicht konkret identifizierbar ist. Eine Praxissoftware eines Zahnarztes muss bestimmte strenge Anforderungen erfüllen (Amtsgericht Hamburg-Blankenese, Urteil vom 29.06.2016 - 531 C 241/15).

Zahnschema BruckenAbstract:

Der Zahnarzt hat sicher zu stellen, dass Heil- und Kostenpläne in der Praxissoftware mit einer Nummer versehen oder in anderer Weise identifizierbar gemacht werden können. Der Zahnarzt hat eine Praxissoftware zu verwenden, die einen (einheitlichen) Heil- und Kostenplan über sämtliche zahnärztlichen Leistungen inklusive Material- und Laborkosten einschließlich Kurzzeit- und Langzeitprovisorien darstellen kann. Weiter muss die Software darstellen, ob und wie Heil- und Kostenpläne an den Patienten übermittelt wurden.

Der Zahnarzt kann nicht mehr als 115% des im vereinbarten Heil- und Kostenplan benannten Honorars verlangen. Dies ergibt sich aus § 9 Abs. 2 GOZ.

Der zahnärztliche Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB ist eine Sonderform des Dienstvertrages und kein Werkvertrag. Allerdings kann der Vertrag mehr oder minder werkvertragliche Elemente enthalten (zB bei der Fertigung von Zahnersatz).

Die Einfügung (privat zu zahlender) Langzeitprovisorien ist nur erforderlich und damit abrechenbar, wenn die dafür aufgestellten Kriterien der DGZMK erfüllt sind (was vorliegend nicht der Fall war). 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, Euro 1.040,74 nebst Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9.9.2014 an den Kläger (Zahnarzt) zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.

5. Der Streitwert wird festgesetzt auf Euro 3.122,03.

Der Fall:

Der Kläger macht restliches Zahnarzthonorar gegenüber der Beklagten geltend.

Der Kläger betreibt eine Zahnarztpraxis. Die Beklagte war seine Patientin und beauftragte ihn zumindest mit den im Heil- und Kostenplan (zukünftig: HKP) Nr. 2/825/10 vom 27.11.2013 erwähnten zahnärztlichen Leistungen, u.a. 7 x Vollkrone und 3 x Ankerkrone. Als Gesamtkosten wurden Euro 7.447,25 ausgewiesen. 

Der Kläger erstellte am 29.8.2014 eine Rechnung über Gesamtkosten in Höhe von Euro 7.523,69 abzüglich Festzuschuss Kasse Euro 2.466,57, zu zahlender Betrag Euro 5.057,12. Dieser Betrag wurde von der Beklagten beglichen. Enthalten sind nach GOZ abgerechnete Honorarleistungen des Klägers mit Euro 3.151,50 und Material- und Laborkosten Praxislabor mit Euro 4.344,90.

Eine weitere Rechnung erstellt der Kläger über Euro 3.122,03. Diese Rechnung umfasste zahnärztliches Honorar, Auslagen und Fremdlaborkosten. Die Rechnung stützt der Kläger auf einen HKP vom 27.11.2013 Nr. 2/825/11.

Der Zugang dieses HKP bei der Beklagten vor Abschluss der Behandlung ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger hat jedenfalls mit dem Schreiben vom 3.9.2014 der Beklagten eine Kopie des HKP Nr. 2/825/11 übersandt.

Mit der E-​Mail vom 8. September 2014 ließ die Beklagte u.a. durch ihren Ehemann dem Kläger folgendes mitteilen:

„Vor Beginn der Behandlung haben Sie 2 Heil- und Kostenpläne aufgestellt und meiner Frau übermittelt. Der eine (Nr. 2/825/10) belief sich auf eine Gesamtsumme von Euro 7.524,02 mit einem voraussichtlichen Eigenanteil von 5.214,38 Euro. ... Wir bestreiten nicht, dass es damals einen zweiten Heil- und Kostenplan für eine mögliche Kieferaufbaubehandlung gab. ... Wir erinnern aber einen möglichen Zusatzbetrag von ca. Euro 800,-​-. Eine Summe von Euro 4.084,76, wie sie Sie im zweiten Heil- und Kostenplan Nr. 2/825/11 aufführen, bestreite ich. Während der Behandlung wurde entschieden, dass die Kieferaufbaubehandlung obsolet sei...“

Nur den HKP Nr. 2/825/10 hat die Beklagte unterschrieben an den Kläger zurückgereicht.

In der Kostenzusammenstellung für Zahnersatz zu HKP Nr.2/825/10 vom 27.11.2013 heißt es in einem Schreiben des Klägers u.a.:

„Der Zuschuss der Krankenkassen wird nur für eine Regelversorgung gewährt. ... Wählen Sie eine Leistung außerhalb der Regelversorgung, erhalten Sie neben dem Kostenplan ein Beiblatt, welchem Sie die Mehrkosten entnehmen können. Dieses Beiblatt muss (!) - wie auch der Kostenplan - von Ihnen unterschrieben werden... Der Zeile Eigenanteil kann entnommen werden, mit welchen eigenen Kosten Sie voraussichtlich (!) rechnen müssen. Bitte senden Sie uns den genehmigten Heil- und Kostenplan nebst Anlagen und Unterschriften (!) zurück...“

Der Kläger ließ durch die Rechtsanwaltskanzlei C die Beklagte vorprozessual zur Zahlung auffordern.

Vorprozessual monierte die Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2014 die klägerischen Arbeiten und die hier streitgegenständliche Rechnung.

Der Kläger behauptet, die Beklagte sei am 26.11.2013 in Gegenwart der Zeugin B ausführlich vom Kläger beraten worden. Im Rahmen des Beratungsgesprächs hätten die Parteien den genauen Behandlungsablauf abgesprochen, der u.a. ein erstes Kurzzeitprovisorium im sogenannten direkten Verfahren enthielt, das im Praxislabor des Klägers hergestellt werden sollte sowie ein Langzeitprovisorium, das im externen Labor gefertigt werden sollte. Basierend auf dem Gespräch mit der Beklagten habe der Kläger den HKP Nr.2/825/11 erstellt, der die Einsetzung dieser zwei Provisorien vorsah.

Der entsprechende HKP sei durch die Mitarbeiterin J noch am gleichen (gemeint: selben) Tag der Beklagten „übermittelt worden“.

Gegenüber der Zeugin B soll sich die Beklagte mit der avisierten Behandlung, und den damit verbundenen Kosten einverstanden erklärt haben.

Beim Labor H Dentaltechnik GmbH seien für die Erstellung des Langzeitprovisoriums weitere in der Rechnung zum HKP 10 nicht enthaltene Fremdlaborkosten entstanden in Höhe von Euro 1.328,48.

Allein aufgrund der Änderungswünsche der Beklagten hätte das Langzeitprovisorium diverse Male geändert und schließlich sogar neu angefertigt werden müssen, weil weitere Anpassungen des Provisoriums aus technischen Gründen nicht möglich gewesen wären. Farbgebung und Form des Langzeitprovisoriums hätten der Beklagten schon optisch nicht gefallen. Wegen minimaler Form- und Farbnuancen sei das Provisorium mehrfach – für die Beklagte kostenneutral - angepasst worden.

Die Kosten für die Neuanfertigung des Provisoriums seien gar nicht geltend gemacht worden in der streitgegenständlichen Rechnung. Insbesondere habe man nicht das Fallenlassen des Langzeitprovisoriums durch den klägerischen Mitarbeiter W kostenmäßig zu Lasten der Beklagten abgerechnet.

Die Kläger-​Vertreter sind der Auffassung, dass die fehlende Unterschrift der Beklagten und der fehlende Zugang des HKP 2/825/11 aus Rechtsgründen irrelevant seien und auch die klägerseits benannten Zeugen vom Gericht gar nicht hätten vernommen werden müssen.

Der Zugang des hier streitgegenständlichen der Rechnung zugrundeliegenden HKP/2/825/11 ergäbe sich schon eindeutig aus der E-​Mail des Ehemanns der Beklagten.

Das Schriftformerfordernis des § 28 SGB V stehe der Geltendmachung der klägerischen Forderung auch nicht entgegen, da insoweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Versicherten für die hier streitgegenständliche Rechnung nicht erforderlich sei.

Die Beklagte sei in jedem Fall verpflichtet, sämtliche zahnärztlichen Leistungen des Klägers gemäß GOZ zu vergüten, und zwar unabhängig von den beiden HKP.

Dass der Beklagten für eine Behandlung zwei HKP übersandt wurden, könne auch dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da es schon an einer Software fehle, die den Kläger in die Lage versetze, entsprechenden Abrechnungen zusammenzuführen und als einheitliche dem Patienten/der Beklagten vorzulegen.

Die Erstellung des Langzeitprovisoriums sei auch nach den Regeln der zahnärztlichen Heilkunst erfolgt und notwendig gewesen.

Beim Streitwert seien die vorgerichtlichen Anwaltskosten erhöhend zu berücksichtigten.

 

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

1. Euro 3.122,03 zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9. September 2014; sowie

2. Euro 163,80 zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12. 11.2014

zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Kosten für beide Provisorien seien bereits in der von der Beklagten bezahlten Rechnung über Euro 5.05712 enthalten.

Für den zweiten Behandlungsteil (mögliche Knochen-​Aufbaubehandlung) sei der Beklagten kein schriftlicher HKP übermittelt worden, sondern nur ein mündlicher Kostenvoranschlag.

Auch eine weitere gesonderte kostenpflichtige Behandlung mit einem speziellen weiteren Langzeitprovisorium sei niemals angekündigt, erläutert oder vereinbart worden.

Die Beklagte habe den HKP Nr.2/825/11 erst nachträglich - d.h. nach der „überraschenden Rechnung“ - in Kopie erhalten, niemals akzeptiert, weder schriftlich noch mündlich. Auch sei über diesen HKP nie in der Praxis vor der Liquidation gesprochen worden.

Die Zustimmung des Gutachters Dr. B habe sich auch nur auf den HKP Nr.2/825/10 bezogen. Provisorien seien logischer Bestandteil der Hauptbehandlung und im HKP Nr.2/825/10 enthalten.

Der Zeuge R habe im Übrigen bestätigt, dass der zweite eventuelle Behandlungsschritt im Zusammenhang mit dem Knochenaufbau nicht mehr erforderlich sei.

Der Zeuge R habe auch niemals über Mehrkosten informiert.

Die Behauptung einer notwendigen und geplanten Behandlung mit einem Langzeitprovisorium könne rückblickend in den Augen der Beklagten nur als Scherz bezeichnet werden, da während der gesamten Behandlungsdauer das angebliche „Langzeitprovisorium“ kaum über längere Zeit im Mund der Patientin war, sondern sich überwiegend im Labor zur Korrektur oder Reparatur befand. Die Beklagte habe häufig ein Kunststoffprovisorium tragen müssen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B auf Antrag der Kläger-​Vertreter sowie des Zeugen Frank R auf Antrag beider Prozessbevollmächtigten.

Die Parteien wurden im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich angehört.

Insoweit wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 20.4.2016, einschließlich des dort übergebenen Auszugs aus der Patientendatei.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig.

Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus § 29 ZPO. Bei einer nichtstationären Behandlung in einer Zahnarztpraxis ist grundsätzlich der Praxisort gemeinsamer Erfüllungsort für beide Vertragsleistungen und nicht nur für die zahnärztliche Behandlung.

Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 3.6.2004 (Medizinrecht 2005, 723) entschieden: „Für einen zahnärztlichen Behandlungsvertrag ist der Praxissitz des Zahnarztes gemeinsamer Erfüllungsort. Das Gericht am Praxissitz ist für eine Honorarklage des Zahnarztes örtlich zuständig.“ Ähnlich entschied das OLG Düsseldorf bereits mit Urteil vom 13.2.2003 (Az. 8 U 99/02 - Juris).

Der BGH (MDR 2003, 1369, 1370) hat die Frage nicht entschieden, sondern darauf verwiesen, dass die Rechtsprechung zur Frage, ob bei einem Arztvertrag der Schwerpunkt des Vertrages am Sitz des Behandlers liege mit der Folge, dass dort die beiderseitigen Leistungspflichten zu erfüllen sind (§ 29 ZPO) uneinheitlich beurteilt werde. So hat etwa - später - mit Urteil vom 13.3.2009 das LG Mannheim (AZR 2009, 64, 65 = MedR 2009, 337 = Der Kassenarzt 2009, Nr.9, 37) entschieden: „Die Honorarforderung eines Zahnarztes ist am Wohnsitz des Patienten zu erfüllen. Ein besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO am Praxissitz des Zahnarztes besteht für den Honoraranspruch nicht.“

Das Landgericht Mannheim stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des BGH zum Anwaltsvertrag. Es seien keine Gesichtspunkte ersichtlich, diese Rechtsprechung nicht eins zu eins auf den zahnärztlichen Behandlungsvertrag zu übertragen. Sowohl Mandant als auch Patient schuldeten im Falle einer sachlichen Berechtigung der geltend gemachten Forderung lediglich Geld.

Der BGH (MDR 2003, 402, 403) entschied ähnlich für den Erfüllungsort für Kaufpreisschuld bei Versteigerungen.

BGH (MDR 2004, 765, 766) hatte entschieden: „Für Gebührenforderungen aus Anwaltsverträgen besteht in der Regel kein Gerichtsstand des Erfüllungsortes am Kanzleisitz.“

Damit hatte der BGH seine bisherige Rechtsprechung (MDR 2004, 164 - 166) bestätigt unter Aufgabe einer früheren Rechtsprechung aus dem Anfang der 80iger Jahre.

Auch das Landgericht Mainz (NJW 2003, 1612, 1613) hatte für ambulante und stationäre Behandlungen die daraus resultierenden Honorarforderungen als Erfüllungsort den Wohnsitz des Patienten angesehen.

Richtigerweise sind jedoch die zahnärztlichen und ärztlichen Leistungen gerade im Hinblick auf ihre enge Bezogenheit zu den Praxisräumen nicht mit anwaltlichen Dienstleistungen, die auch per Fernabsatzmitteln - vom Brief bis zur SMS - erfüllt werden können, zu vergleichen.

2. Die Klage ist jedoch nur im tenorierten Umfange begründet.

Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Behandlungsvertrag zustande gekommen (dazu unten 2.1.); aus diesem Vertrag schuldet die Beklagte jedoch nur die tenorierte Vergütung (dazu unten 2.2).

2.1. Abschluss des Behandlungsvertrages

Der Behandlungsvertrag zwischen den Parteien beruht auf einer Vertragsofferte des Klägers (nebst Kostenvoranschlag) in dessen Schreiben vom 27.11.2013, HKP 2/825/10.

Diese Offerte ist auch nicht im Sinne des § 146 BGB erloschen.

Gemäß § 147 Abs.2 BGB war dem Kläger bewusst, dass wegen des Zuschusses der gesetzlichen Krankenkasse der Beklagten der von ihm überlassene HKP erst noch von der Beklagten bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse eingereicht und dann unterschrieben an ihn zurückgereicht werden sollte.

Bis zur Genehmigung durch die gesetzliche Krankenkasse hielt sich der Kläger an sein Angebot gebunden.

Der HKP 2/825/10 ist der Beklagten auch nicht in der Praxis überreicht, sondern „übermittelt worden“. Insoweit handelt es sich um eine Erklärung unter Abwesenden (vgl. Auszug aus der Patientenkartei).

Die Beklagte hat ihre Akzeptation/Annahme fristgerecht erklärt, indem sie bereits am 1.12.2013 das auch vom Kläger unterschriebene Exemplar zum HKP 2/825/10 ebenfalls unterzeichnete und dem Kläger zusandte.

Mit - unstreitigem - Zugang dieser Urkunde ist der Behandlungsvertrag zustande gekommen.

Zu einem Vertragsschluss mit dem Inhalt des HKP 2/825/11 vom 27.11.2013 ist es dagegen nicht gekommenUnstreitig hat lediglich der Kläger diesen HKP 2/825/11 unterzeichnet, nicht jedoch die Beklagte.

Für den Zugang dieses HKP 2/825/11 ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Der Sachvortrag der Kläger-​Vertreter lautend „Noch am gleichen (gemeint: selben, d.h. 27.11.2013) Tag übermittelte die Mitarbeiterin des Klägers Frau J den vorgenannten Heil- und Kostenplan ... an die Beklagte“ ist unklar, unsubstantiiert und nicht geeignet für eine Beweiserhebung. Diese liefe auf eine unzulässige Ausforschung hinaus.

Es ist völlig unklar, was die Kläger-​Vertreter mit „übermitteln“ meinen. Wenn es lediglich um die Absendung des HKP 2/825/11 geht, kann dies zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden. Mit der ordnungsgemäßen Absendung eines Schreibens z.B. durch die Post oder einen anderen privaten Zustelldienst ist noch lange nicht bewiesen, dass das aufgegebene Schreiben auch tatsächlich beim Empfänger angekommen ist.

Außerdem ist die Dokumentation in der Patientenkartei suboptimal, wenn es dort heißt „HKP an Pat Kb“.

Bei anderen Zahnärzten wird entweder die Nummer des HKP (auch KFO-​Plan genannt) erwähnt oder der HKP wird anderweitig eindeutig individualisiert. Die Dokumentation des Klägers ist auch insoweit mangelhaft, als sich aus der Eintragung nicht entnehmen lässt, ob ein oder zwei HKP an die Patientin „übermittelt“ worden sein sollen.

Gegen einen Vertragsschluss mit dem Inhalt HKP 2/825/11 spricht auch, dass der Kläger selbst zwei Unterschriftenzeilen vorgesehen hat und selbst das Dokument unterzeichnete. Hinzu kommt, dass die Beklagte sich beim HKP 2/825/10 formularkonform verhalten hatte und - ebenso wie der Kläger - diesen anderen/älteren Vertrag unterzeichnet beim Kläger wieder einreichte.

Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die von ihm benutzte Software nicht in Lage ist, einen HKP über sämtliche zahnärztlichen Leistungen inklusive Material- und Laborkosten einschließlich Kurzzeit- und Langzeitprovisorien aufzuführen. Die von anderen - offenbar moderner eingerichteten - Zahnärzten verwendete Software, etwa Charlie XL (Hersteller: solutio GmbH) ermöglicht es problemlos, einen einheitlichen HKPzu erstellen – wie er dem Urteil beigefügt ist.

Selbst wenn der Kläger aufgrund seiner Software zwei Pläne zwingend erstellen musste, hätte er zumindest in dem ersten HKP - den die Beklagte unterschrieben hat - einen Zusatz einbauen (lassen) müssen, dass noch mit weiteren Kosten für die Beklagte zu rechnen ist. Eine individuelle Verweisung auf den von der Beklagten nicht unterschriebenen HKP 2/825/11 hätte das Software-​Defizit problemlos behoben. Es müssen sich immer die Software-​Hersteller der aktuellen Rechtslage anpassen und nicht die Rechtsprechung der veralteten Software.

So hat etwa der 5. Zivilsenat des BGH (ZMR 2010, 300) die Behandlung der Instandhaltungsrücklagen in Jahresabrechnungen des Verwalters nach WEG missbilligt und den Einwand der Verwalterbranche, dass ihre Software-​Produkte die BGH-​konforme Jahresabrechnung nicht erstellen könnten, nicht gelten lassen. Dass die IT-​Branche schnell auf die Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung reagiert hat, zeigt, dass nur eine der Rechtslage entsprechende Software am Markt auf Dauer verkäuflich ist. Inzwischen können nahezu alle Software-​Häuser eine Jahresabrechnung erstellen, wie sie dem Muster von Casser/Schultheis (vgl. ZMR 2011, 85 – 95) entspricht.

Dass hier nicht nur eine sogenannte Punktation, d.h. eine Aufzeichnung einzelner Punkte über die man sich geeinigt hat, vorliegt und auch kein offener oder versteckter Dissens ergibt sich daraus, dass die Erklärungen des Klägers - soweit sie denn nachweislich zugegangen sind - vom Empfängerhorizont, d.h. aus Sicht der Beklagten, zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis dahin führen, dass der HKP 2/825/10 alleinige Vertragsgrundlage ist.

Selbst wenn der Wille des Klägers von seiner Erklärung unter Abwesenden abweicht, kommen allenfalls die Regelungen über die Nichtübereinstimmung von Wille und Erklärung, insbesondere über den Erklärungsirrtum zur Anwendung. Angefochten hat der anwaltlich vertretene Kläger seine Erklärungen jedoch nicht.

Ein Dissens läge nur vor, wenn die wechselseitigen Erklärungen der Parteien schon dem Wortlaut nach nicht übereinstimmten oder wenn die Erklärungen zwar dem Wortlaut nach übereinstimmten, aber objektiv zweideutig sind und jede Partei einen verschiedenen Sinn mit ihrer Erklärung verbinden konnte.

Nur wenn die Beklagte wusste oder erkennen konnte, was der Kläger mit seinem HKP sagen wollte, muss die Beklagte sich den HKP so entgegenhalten lassen, wie sie vom Kläger gewollt waren. Selbst wenn sich dann die subjektiven Vorstellungen und die Erklärungen nicht decken, kann von einem Dissens gesprochen werden (grundlegend bereits Enneccerus-​Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1960 § 163).

2.1.1.

Rechtsnatur des Vertrages

Zwischen den Parteien ist ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag im Sinne der §§ 630a ff BGB zustande gekommen. Die § 630a - 630h BGB wurden eingeführt durch Gesetz vom 20.2.2013 (BGBl. - I - 2013, Seite 277).

Damit ist der Streit weitgehend obsolet, ob der zahnärztliche Behandlungsvertrag als Dienst- oder Werkvertrag angesehen werden muss. Der Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB ist eine Sonderform des Dienstvertrages.

Diese neuen Vorschriften gelten nicht nur für die eigentliche Behandlung, sondern auch für die Anfertigung von Hilfsmitteln, sofern diese Teil der Behandlungsleistung sind. Wenn und soweit die Leistungen werkvertraglich geprägt sind, kommt die ergänzende Anwendung werkvertraglicher Vorschriften in Betracht (vgl. Spickhoff Versicherungsrecht 2013, 267, 269). Werkvertragsrecht gilt weiter für die Anfertigung von Prothesen durch ein Zahnlabor. Ergänzend wird verwiesen auf Voigt in Nomos-​Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 630a Rn. 5-​7 BGB. Der Anwendungsbereich des Werkvertragsrechts bei zahnärztlichen Leistungen ist daher stark eingeschränkt durch den neuen „Behandlungsvertrag“ des BGB.

2.2.

Höhe des noch geschuldeten Honorars

Grundsätzlich hätte der Kläger Gesamtkosten in Höhe von Euro 9.228,13 abzüglich Festzuschuss der KKH (gesetzliche Krankenkasse) von der Beklagten verlangen können. Zumindest wäre dies der nach GOZ angefallene Honorarbetrag.

Aus Rechtsgründen kann der Kläger aber lediglich 115% des veranschlagten Betrages im HKP 2/825/10, d.h. Gesamtkosten 7.447,25 verlangen, d.h. maximal Euro 8.564,33.

Hiervon sind abzuziehen die geleistete Zahlung der gesetzlichen Krankenkasse in Höhe von Euro 2.466,57, sowie die Zahlung der Beklagten über Euro 5.057,12 gemäß Rechnung vom 29.8.2014. Offen sind damit noch Euro 1.040,64.

Die Überschreitung des HKP 2/825/10 um 15% ergibt sich aus § 9 Abs. 2 GOZ 2012. Dort heißt es u.a.: „Ist eine Überschreitung der im Kostenvoranschlag genannten Kosten um mehr als 15 von 100 zu erwarten, hat der Zahnarzt den Zahlungspflichtigen hierüber unverzüglich in Textform zu unterrichten.“ Daran fehlt es hier.

Der unterlassene Hinweis des Klägers in Kenntnis des nicht unterzeichneten HKP 2/825/11 kann hier nicht zu dessen Vorteil ausschlagen.

Soweit die Kläger-​Vertreter die Auffassung vertreten, dass allein die Erfüllung bestimmter Gebührentatbestände (vgl. dazu Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 2011 Q Werkvertrag Rn. 30 Seite 829) zu dem hier streitgegenständlichen weiteren Honoraranspruch führt, ist dies keineswegs frei von Rechtsirrtum.

Auch andere Freiberufler - insbesondere Anwälte - können nicht alle von ihnen geleisteten Beratungen schon deshalb dem Beklagten/Mandanten in Rechnung stellen, nur weil sie entsprechende Gebührentatbestände dafür erfüllt haben.

Maßgeblich ist immer der zwischen den Parteien geschlossene synallagmatische Vertrag. Insoweit kann auch dahin gestellt bleiben, ob die von den Kläger-​Vertretern ins Feld geführten Regelungen der §§ 612 Abs.2 BGB iVm der GOZ als Gebühren-​Taxen hier in Betracht kommen. Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass auch eine Regelung in der GOZ, selbst wenn sie öffentlich rechtlichen Charakter hat immer noch eine Taxe im Sinne des § 612 darstellen kann (anderer Ansicht zu Unrecht RGZ 68, 199, 75, 108; RG JW 1938, 944).

Zu Recht verweist die Beklagte hier darauf, dass sie sich einer um über 3.000,-​- Euro teurere Behandlung nicht hätte leisten wollen.

Für die nach dem Vorstehenden erforderliche ergänzende Vertragsabsprache zwischen den Parteien ist der Kläger beweisfällig geblieben. Die von ihm benannte Zeugin B hat nicht ansatzweise bestätigt, dass die Beklagte mit einer - zahnmedizinisch nicht indizierten - Erstellung eines Langzeitprovisoriums einverstanden war. Die Zeugin hat klipp und klar gesagt, dass sie zu Absprachen zum Umfang der durchzuführenden zahnärztlichen Behandlung keine Angaben machen könne. Selbst der Inhalt der beiden schriftlichen HKP war ihr nicht bekannt.

Eine „größere Behandlung“ – im Sinne der Zeugenaussage - lag auch allein auf der Basis des HKP 2/825/10 vor. Außerdem hat die Zeugin bestätigt, dass die Heil- und Kostenpläne nicht vor Ort ausgehändigt, sondern in der Regel per Post verschickt werden. Soweit die Zeugin es nicht ausschließen konnte, dass auch Pläne in der Praxis übergeben wurden, trifft dies jedenfalls zur Überzeugung des Gerichts für den vorliegenden Fall nicht zu. Bei einer Besprechung über den Inhalt des Behandlungsplanes will die Zeugin gar nicht dabei gewesen sein. Ein Einverständnis der Beklagten mit allen in den beiden HKP genannten Leistungen hat die Zeugin nicht bestätigen können.

Eine Glaubwürdigkeitsanalyse ist insoweit nicht geboten, da auch wenn man allen Angaben der Zeugin folgt, das Einverständnis der Beklagten mit dem Leistungsverzeichnis der im 2. HKP enthaltenen Maßnahmen nicht bestätigt ist.

Auch der Zeuge R hat erklärt, dass er mit der Beklagten nicht über seine Laborkosten gesprochen habe.

2.3

Fehlende Notwendigkeit der Leistungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Langzeitprovisorium

Selbst wenn man der vorstehenden Auffassung zu 2.2 nicht folgt, könnte der Kläger die Kosten für das Langzeitprovisorium nicht, zumindest nicht in voller Höhe, verlangen.

Besondere Bedeutung hat die Stellungnahme der DGZMK bezogen auf das im Labor gefertigte und privat zu zahlende Langzeit-​Provisorium. Es ist nur zahnmedizinisch notwendig, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zu bejahen ist:

- Änderungen der Kieferrelation und/ oder der Okklusion

- Überbrückung von Ausheilungszeiten und Risiken des Pfeilererhaltes

- Änderungen der Ästhetik oder der Phonetik

- Palliative Versorgung von Tumorpatienten

Keiner dieser Punkte trifft bei der Beklagten zu! Bei der Patientin hätte unter den gegebenen Umständen ein direkt angefertigtes von der Krankenkasse getragenes Provisorium bis zum Einsetzen der definitiven Arbeit vollkommen ausgereicht, um die Zahnstellung der präparierten Zähne beizubehalten, die Zahnhartsubstanz zu schonen sowie die Ästhetik und Kaufunktion zu gewährleisten.

Bezogen auf die Positionen 8010, 8020, 8050 gibt es unterschiedliche Meinungen.

Entscheidend ist folgender Satz in der Stellungnahme der DGZMK:

„ … damit wäre die Abrechnung der Positionen im 8000 Bereich nicht angemessen. Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die Reproduzierbarkeit der Registrierung der maximalen Interkuspidation unter Verwendung von Vinyl-​Polysiloxanen als auch Polyethermaterialien ausreichend genau ist. Das Radieren der einartikulierten Modelle bis zum Auftreten von gleich lokalisierten Kontakten wie im Mund erscheint zielführend …“

Die offizielle Version der DGZMK ist schon älter und auch da ist die Begründung für die bei der Beklagten angewendeten zahnärztlichen Leistungen fraglich, da keine CMD dokumentiert wurde.

Wenn der Kläger als Zahnarzt die genannten und in der Regel für die angefertigte Arbeit nicht essentiellen Untersuchungen pflichtgemäß durchgeführt und dokumentiert sowie angewendet hat, sind diese privaten Kosten dennoch nicht zulässigerweise abzurechnen. Dies alles muss an dem genannten Datum dokumentiert und im Behandlungsblatt gesondert vermerkt worden sein.

In der Regel hätte, wenn die Patientin keine durch den Kläger als Zahnarzt dokumentierte Beschwerden der Okklusion oder CMD äußerte, eine einfache habituelle Bissnahme bei der Abdrucknahme für die Herstellung der genannten definitiven prothetischen Arbeit ausgereicht.

Es darf jedenfalls nie den Fall geben, dass eine Position der geplanten Arbeit auf einem gesonderten HKP stünde. Jeder HKP hat mit der jeweiligen HKP-​Nummer bei der Aufklärung durch den zu behandelnden Arzt, der Verschickung sowie bei Unterschreiben des Patienten dokumentiert zu werden.

Auf den Auszug aus dem „Curriculum Prothetik Band 2“ und folgende Internet-​Fundstellen wird verwiesen:

http://www.bzb-​online.de/julaug04/23_24.pdf

http://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments/20120912_Langzeitprovisorium.pdf

http://www.dgfdt.de/documents/266840/266917/01_Stellungnahme_Instrumentelle_Funktionsanalyse_Prinzipien_Anwendung/24fbcbde-​7411-​4168-​85db-​2b74ec4c6f76

Ob die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen musste, oder - wie hier - mangels Notwendigkeit der Maßnahmen diese Kosten nicht als erstattungsfähig angesehen werden, kann aufgrund des gedeckelten Honorars auf 115% des HKP 2/825/10 hier dahingestellt bleiben. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es auch nicht.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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