Die selbständige Tätigkeit eines Honorararztes, der kein Belegarzt ist (und nicht über eigene Zulassung verfügt), im Krankenhaus ist nicht von der Rechtsordnung gedeckt und damit unzulässig (SG München, Urteil vom 10.03.2016 - S 15 R 1782/15).

IMG 20160419 112040 edit

Amtlicher Leitsatz:

Mit dem Landessozialgericht Stuttgart ist die selbständige Tätigkeit eines Honorararztes, der kein Belegarzt ist, im Krankenhaus nicht von der Rechtsordnung gedeckt und damit unzulässig (aA SG Berlin vom 26.2.2014 - S 208 KR 2118/12; SG Braunschweig vom 25.7.2014 - S 64 KR 206/12). Dies ergibt sich bereits aus den Regelungen von §§ 18 Abs 3 KHEntgG, 121 Abs 5 SGB V, wonach der Gesetzgeber eine Honorarvereinbarung mit Belegärzten zugelassen hat.

Der Fall:

Ein nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Anästhesist kooperierte mit einer Klinik. Er anästhesierte die in der Klinik operierten Patienten. Er war auch nicht als Belegarzt zugelassen. Er war laut Vertrag mit der Klinik dort zu einem geringen Zeitanteil angestellt, zu einem überwiegenden anderen Teil soll er dort selbständig tätig geworden sein.

In Streit stand nun, ob der Anästhesist abhängig beschäftigt (und damit sozialversicherungspflichtig ist) oder nicht.

Die Entscheidung:

Das SG München sah die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung an.

Ob eine (abhängige) Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Arbeitsverhältnis, soweit es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen wurde (vgl. insofern BSG, Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R). Hier ist die Tätigkeit aus Sicht des SG bereits rechtlich nicht zulässig; die Tätigkeit eines Honorararztes im Krankenhaus ist von der Rechtsordnung nicht gedeckt und unzulässig. Zur Begründung beruft sich das SG auf das LSG Stuttgart (Urteil vom 17.04.2013, L 5 R 3755/11, juris Rn. 87 bis 141 (rechtskräftig!)): 

Die Formulierung in § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG „auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte“ sei nicht dahingehend zu verstehen, dass das von der Klägerin praktizierte Honorararztmodell bei gleichzeitiger Abrechnung von Hauptabteilungs-DRGs (in voller Höhe) rechtskonform sei.

Gegen eine solche Rechtskonformität spräche bereits, dass § 18 Absatz 3 KHEntgG unverändert einen 20%-Abschlag bei belegärztlicher Tätigkeit vorschreibt; würde § 2 Abs. 1 KHEntgG einen Honorarvertrag mit jeglichem selbstständigen Arzt – unabhängig davon, ob eine vertragsärztliche Zulassung und eine Belegarztanerkennung bestehen oder nicht – ohne die Rechtsfolge eines 20-prozentigen Abschlags auf die Hauptabteilungs-Fallpauschale ermöglichen, würden die Regelungen (zum Belegarzt) von §§ 18 Abs. 3 KHEntgG, 121 Abs. 5 SGB V aber leerlaufen.

Das Gericht gibt sogar einen rechtlichen Hinweis: "Die Kläger wären daher gehalten gewesen, nach Erwerb eines Kassenarztsitzes durch den Kläger und der Anerkennung als Belegarzt den (rechtlich möglichen) Beleghonorarvertrag im Sinne von §§ 18 Abs. 3 KHEntgG, 121 Abs. 5 SGB V abzuschließen."

Im Übrigen erteilte das SG auch der gewählten vertraglichen Mischform eine Absage: Ein einheitlich gelebtes Vertragsverhältnis kann nicht zugleich abhängig und selbstständig sein. Der Kläger war in die Organistationsstruktur der Klinik eingebunden. Das Gericht sieht das Verhältnis im Ergebnis als abhängige, versicherungspflichtige Beschäftigung an. 

Anmerkung:

Die Ausführungen zur rechtlichen Zulässigkeit honorarärztlicher Tätigkeit in der Klinik überzeugen nicht. Ein ausdrückliches Verbot der Tätigkeit des (nicht niedergelassenen) Honorararztes sieht das KHEntgG gerade nicht vor. Das SG München verlangt hier, dass etwas ausdrücklich gesetzlich erlaubt sein muss, um zulässig zu sein („aus … ergibt sich nicht, dass … rechtskonform ist“). Dann müsste das KHEntgG ein Verbot ärztlicher Tätigkeit in der Klinik mit Ausnahmeregelungen oder einen Numerus Clausus der erlaubten Tätigkeiten vorsehen. Beides ist aber nicht der Fall.

Gleichwohl steht die Entscheidung, ebenso wie die des LSG Stuttgart in einem ähnlichen Fall. Es ist zu hoffen, dass es zu dieser Frage eine klärende Entscheidung des BSG gibt. Das sieht auch das SG München so: "Aufgrund der divergierenden Rechtsauffassungen in Rechtsprechung und Literatur zu den oben genannten Fragen wäre eine höchstrichterliche Klärung der vom LSG Stuttgart (a.a.O.) aufgeworfenen Problemen im Hinblick auf die Anerkennung eines selbständigen Honorararztes im Krankenhaus wünschenswert gewesen. Soweit ersichtlich, wurde gegen das Urteil des LSG Stuttgart jedoch keine Revision eingelegt."

Bis dahin bleibt die (nicht angestellte) ärztliche Tätigkeit eines nicht niedergelassenen Arztes in einer Klinik risikoreich. 

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
Witzlebenstraße 3 - 14057 Berlin - Tel: (030) 536 47 749
E-mail: mail@christmann-law.de