Honorarärzte, die entsprechend ihrer Fachrichtung in den Stationsalltag einer Klinik eingebunden sind und einen festen Stundenlohn erhalten, sind regelmäßig als abhängig Beschäftigte tätig und sozialversicherungspflichtig (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2015 - L 2 R 516/14).

Der Fall:

Streitig war die Frage, ob eine mit Honorararztvertrag beschäftigte Ärztin abhängig oder freiberuflich beschäftigt war. Die beklagte Klinik beantwortete die Fragen der klagenden Rentenversicherung zu der Tätigkeit der beigeladenen Ärztin wie folgt:

Ihre Aufgaben waren: Aufnahmeuntersuchung, Veranlassung bzw. Durchführung der erforderlichen Diagnostik und Behandlung von Patienten, Dokumentation der Untersuchung und Behandlung in der Patientenakte, Behandlungsplanung bezüglich Diagnostik und Therapie, Visiten mit Überprüfung, Überwachung und Dokumentation des Gesundheitsstatus der Patienten, der Medikation und Wundkontrollen einschließlich der damit verbundenen spezifischen Dokumentationen, Kommunikation der Untersuchungsergebnisse, Behandlungsziele und -auswirkungen mit den Patienten und ggf. Angehörigen, Indikationsstellung, u.a. für invasive Diagnostik und für OP-Durchführungen (Antwort Nr. 1). Die Unterschiede zu den Tätigkeiten der angestellten Mitarbeiter wurden in Antwort Nr. 5 wie folgt beschrieben: z.B. Arztbriefe über das Krankenhausinformationssystem müssten nicht geschrieben werden, keine Integration in das Ausbildungsprogramm und auch keine Einbindung in Funktionsbereiche wie z.B. Endoskopie oder Sonographie.

Der Auftragnehmer (die Ärztin) sei ebenfalls nicht an der Durchführung von Operationen beteiligt. In Antwort Nr. 6 wurde erläutert, dass die Zuweisung von Patienten situationsabhängig nach den Erfordernissen der zu behandelnden Patienten im Stationsdienst erfolge, z.B. nach Zimmern. In Antwort Nr. 7 zum Thema Arbeitszeiten wurde ausgeführt, dass sich der Auftragnehmer an Schicht- und Diensteinteilungen orientiere. Vor Vertragsbeginn erfrage der Auftragnehmer, welche Dienste anfallen und entscheide, welchen Diensten er zustimme. Auf weitere Fragen der Beklagten wurde mitgeteilt: Die Stellung einer Ersatzvertretungskraft sei mit dem Auftraggeber abzustimmen. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen habe nicht bestanden (Antwort Nr.8). Die Mitarbeit des Auftragnehmers erfolgte innerhalb des gesamten ärztlichen Teams (Antwort Nr.10). Das letzte Entscheidungsrecht habe beim Chefarzt gelegen, weil der Chefarzt u.a. die medizinische Verantwortung des Auftraggebers wahrgenommen habe (Antwort Nr.14). Letztendlich habe sich der Chefarzt Kontrollen vorbehalten (Antwort Nr.15). Eigene Betriebsmittel seien von dem Auftragnehmer nicht eingesetzt worden, dieser sei vielmehr für das Know-how der medizinischen Leistungen bezahlt worden (Antwort Nr.16). Die Vergütung erfolge wöchentlich (Antwort Nr. 17). Den in diesem Zusammenhang vorgelegten Abrechnungen waren auch Stundenabrechnungsbögen beigefügt aus denen sich ergibt, dass die Beigeladene orientiert an den üblichen Schichten (z.B. Tagesdienst und Bereitschaftsdienst) tätig gewesen ist.

Die Entscheidung:

Das LSG Bremen sah die Tätigkeit der Ärztin in der Klinik als abhängige, berufsmäßig ausgeübte und damit sozialversicherungspflichtige Tätigkeit an.

Die beigeladene Ärztin trug - außer dem allgemeinüblichen Insolvenzrisiko - kein unternehmerisches Risiko. Sie besaß keine Gewinn- und Verlustbeteiligung an der Klinik. Sie setzte kein eigenes Kapital oder eigene Betriebsmittel ein. Zwar war das Direktionsrecht des Arbeitgebers laut Honorararztvertrag eingeschränkt - dies ist aber bei Diensten höherer Art (Arzt) üblich und dann gerade kein Argument für eine Freiberuflichkeit. Die Ärztin war auch in den Arbeitsalltag der Klinik (Stationsalltag - Schichtbetrieb) eingeordnet - dass im Vertrag Gegenteiliges stand war umbeachtlich, weil es offensichtlich nicht ernst gemeint war. Auch das Letztentscheidungsrecht des Chefarztes über die Behandlungsentscheidungen des Arztes zeigt, dass die Ärztin in den arbeitsteiligen Prozess eingebunden war (wie ein Arbeitnehmer). Dass die Ärztin in diesem Rahmen selbst entscheiden konnte, welchen Patienten sie wann behandelt, entspricht dem Ablauf auf Station und steht dem Letztentscheidungsrecht des Chefarztes nicht entgegen. Wesentlich Unterschiede der Tätigkeit der Ärztin zu der der anderen (angestellten) Stationsärzte konnte das Gericht nicht erkennen. Auch wenn die Ärztin im März 2010 157 Stunden Tagdienst und 133 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet hat, so spricht dies nicht gegen eine abhängige Beschäftigung - diese Arbeitszeiten haben nicht das auch bei vielen in einer Klinik abhängig Beschäftigten übliche Maß überschritten. Dass die Ärztin laut Vertrag verpflichtet war, sich selbst zu versichern, ist nicht von wesentlicher Bedeutung.

Anmerkung:

Es ist durchaus möglich, die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Honorararzt derart zu gestalten, dass diese nicht sozialversicherungspflichtig ist. Es ist dafür aber nicht ausreichend, den Arzt schlicht als Honorararzt zu bezeichnen. Denn maßgeblich ist die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit. Diese ist freiberuflich zu gestalten, z.B. ist dem Arzt ein eigenes wirtschaftliches Risiko zuzuweisen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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