1. Besteht bei einer Coloskopie das Risiko einer Perforation der Magen-Darm-Wand in 0,25 % der Fälle und ist das Risiko tödlicher Folgen einer Perforation mit etwa 20 % anzusetzen, so hat der Arzt vor Durchführung des Eingriffs den Patienten nicht nur über den möglichen Eintritt einer Perforation, sondern auch über die mit der Perforation verbundene Lebensgefahr (wenn auch möglichst schonend und zurückhaltend) aufzuklären, zugleich aber auch über die Gefahr der Verweigerung dieser Untersuchung (Urteil des OLG Stuttgart vom 22.11.1984 - 13 U 22/84 - VersR 1986, 581).


2. Über die Voraussetzungen der den Schadenersatzanspruch ausschließenden Feststellung, daß der Patient trotz ausreichender Aufklärung sein Einverständnis mit dem Eingriff erklärt hätte.

Der Kl. verlangte von den Bekl. Schadenersatz wegen der Folgen einer Coloskopie (Darmspiegelung).

Seit 11.12.1979 befand sich der Kl. wegen anderweitiger Beschwerden im Kreiskrankenhaus der Bekl. zu 1). Die Bekl. zu 2) war dort Oberärztin, der Bekl. zu 3) Leiter der Inneren Abteilung.

Wegen Druckschmerzen im linken Oberbauch wurde der KI. auch daraufhin untersucht. Bei einem Röntgenkontrasteinlauf wurde eine Einengung des Darms im Sigmabereich festgestellt. Nach röntgenologischer Beurteilung wurde sie "wahrscheinlich durch eine Abknickung hervorgerufen, sollte jedoch vorsichtshalber sigmoideuskopiert werden". Wegen dieses Befunds, Gewichtsverlust und Unregelmäßigkeiten beim Stuhlgang wurde zum Ausschluß eines malignen Prozesses eine Coloskopie vorgesehen. Dem Kl. wurde eine formularmäßige "Einverständniserklärung" vorgelegt, die er unterschrieb und zu der er mündliche Erläuterungen durch die Assistenzärztin M. erhielt. Die Erklärung enthielt u. a. den Hinweis, daß in "sehr seltenen Fällen eine Perforation der Magen-Darm-Wand (Lochbildung) möglich ist" und daß "in solchen Fällen eine Operation ... zum Verschluß des Lochs notwendig werden könnte".

Am 21. 1. 1980 wurde die Coloskopie durchgeführt, die zu einer Perforation führte. In dem von der Bekl. zu 2) unterzeichneten Arztbericht war der Vorgang wie folgt festgehalten:
"... Vorspiegelung bei erheblicher Spastik und mangelnder Sicht bis etwa 45 cm. Hier kommt es plötzlich ohne merkbaren Widerstand zur Perforation, daraufhin wird Herr Chefarzt Dr. K. unterrichtet, der sich von der Perforation überzeugt und dabei feststellt, daß es am Absauggerät zum Aufbau eines erhöhten Drucks gekommen ist, was wahrscheinlich die Perforation ausgelöst hat. Das Gerät wird sofort zurückgezogen, der Kreislauf des Patienten ist stabil, daraufhin wird der OP unterrichtet und der Patient sofort in den chirurgischen OP verbracht."

Trotz der sofortigen operativen Versorgung führte die Perforation zu lange anhaltenden Komplikationen mit zahlreichen Entzündungen, Operationen und mehreren teils längeren Krankenhausaufenthalten.
Der Kl. ging davon aus, die Coloskopie sei wegen ihrer erheblichen, unter den hier gegebenen Umständen vergrößerten Gefahren nicht indiziert gewesen. Statt ihn ordnungsgemäß aufzuklären, sei der Eingriff ihm gegenüber verharmlost worden; das Formular über die Aufklärung sei für den bei ihm beabsichtigten Eingriff nicht passend und vor seiner Unterschrift noch nicht ausgefüllt gewesen. Bei richtiger Aufklärung hätte er in die Coloskopie nicht eingewilligt. Der Eingriff sei fehlerhaft erfolgt, weil ein nicht richtig funktionierendes Gerät verwendet und das Gerät unvorsichtig, insbesondere ohne hinreichende Sicht, gehandhabt worden sei, was gegen elementare Regeln ärztlicher Kunst verstoße. Er habe daher Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz seines materiellen Schadens.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Indikation:

Die Coloskopie war aus ärztlicher Sicht bei dem KI. eindeutig indiziert. Das hat das LG zutreffend ausgeführt. Der in anderem Zusammenhang nochmals gehörte Sachverständige hat die Coloskopie als bestgeeignete und im Hinblick auf die hohe Gefahr eines Darmkarzinoms dringend angezeigte sowie übliche Diagnosemethode geschildert, den Senat also in dieser Überzeugung bestätigt.

Kein Behandlungsfehler:

Ein ärztlicher Kunstfehler bei Durchführung der Coloskopie läßt sich nicht feststellen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen kann auch der erfahrenste Arzt eine Perforation bei einer Coloskopie nie sicher vermeiden. Allein die eingetretene Perforation beweist daher einen Fehler bei der Coloskopie weder dem ersten Anschein nach noch gar zur vollen Überzeugung des Senats. Konkrete Umstände, die einen Behandlungsfehler bedeuteten, liegen ebenfalls nicht oder doch nicht mit hinreichender Sicherheit vor (...)

Ein unvorsichtiges Vorgehen hat der Kl. daraus abgeleitet, daß der Coloskopiebericht erhebliche Spastik und mangelnde Sicht während der Fortführung der Coloskopie erwähnt. Bei ihrer Anhörung vor dem Senat hat die Bekl. zu 2), die diesen Bericht unterzeichnet hat, jedoch erklärt, sie habe damit ausdrücken wollen, daß sie infolge der erheblichen Spastik das Lumen nicht immer gesehen habe. Nach der Beurteilung durch den Sachverständigen ist diese Darstellung möglich und lag bei diesem Sachverhalt kein Grund vor, die Coloskopie abzubrechen, da dann eben das Lumen gesucht werden muß. Weder der Wortlaut des Berichts noch sonstige Umstände ergeben einen Anhaltspunkt dafür, daß die Bekl. zu 2) mit der Formulierung im
Coloskopiebericht etwas anderes gemeint haben könnte, nämlich etwa ein Vorschieben des Geräts ohne hinreichende Sicht in das Okular, was einen Behandlungsfehler darstellen würde. Die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs lassen sich daher auch unter diesem Aspekt nicht feststellen.

Aus dem Ort der Perforation in Verbindung mit der Angabe im Coloskopiebericht, die Perforation sei nach Vorspiegelung "bis etwa 45 cm" eingetreten, lassen sich ebenfalls keine Schlüsse ziehen. Wenn die Perforation gemäß dem Bericht über die nach der Perforation durchgeführte Operation "auf der Rückseite des Sigmascheitels" stattfand, so steht damit nicht fest, daß die Perforation 30 cm tief im Darm stattfand, denn zum einen bezeichnet der Begriff "Sigmascheitel" keine präzise Stelle im Darm sondern, wie der Sachverständige vor dem Senat erläutert hat, die gesamte obere Krümmung des Sigmas, und im übrigen verändert sich die Ausdehnung des Darms während der Coloskopie, so daß Entfernungsangaben während der Coloskopie nicht ohne weiteres mit aus einem Operationsbefund abgeleiteten Entfernungsangaben verglichen werden können.

Im übrigen ist gegen den Bekl. zu 3) die auf einen Behandlungsfehler gestützte Klage schon deshalb abzuweisen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, er habe die Coloskopie durchgeführt. Die übereinstimmende Darstellung der Bekl. ist durch die Angaben der Ehefrau des KI. vor dem LG und durch die Angaben des Sohnes des Kl. vor dem Senat nicht widerlegt.

Aufklärungsfehler:

Die erforderliche Aufklärung des Kl. vor der Coloskopie war insoweit lückenhaft, als er nicht auf die mit einer Perforation verbundene Lebensgefahr hingewiesen wurde. Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen war das Risiko einer Perforation bei der Coloskopie mit ca. 0,25 % anzusetzen das Risiko tödlicher Folgen einer Perforation mit ca. 20 % (die Erwägung, daß die tödlichen Folgen vorwiegend bei einer nicht sofort erkannten Perforation eintreten, hier aber die Perforation alsbald operativ versorgt wurde, wäre unrichtig, denn bei Aufklärung vor der Coloskopie ist der spätere Geschehensablauf noch nicht bekannt). Nur in sehr seltenen Fällen (in der Größenordnung von 1 : 2000) führt die Coloskopie daher zum Tod des Patienten, doch zwingt die Größe dieser - wenn auch nicht häufigen - Gefahr dazu, eine Aufklärung des Patienten zu verlangen. Für seine Entscheidung über das Einverständnis zur Coloskopie ist diese Kenntnis eine wesentliche Grundlage. Zwar muß es genügen, den Hinweis möglichst schonend und zurückhaltend zu geben (wonach hier etwa nur in sehr seltenen Fällen ein Loch in der Darmwand verursacht werden kann, das auch dann nur unter ungünstigen Umständen lebensgefährlich ist), ganz verschwiegen werden kann diese Folge aber dem Patienten nicht.

Daß der Hinweis auf eine nach Perforation gebotene Operation schon wegen des bekannten allgemeinen Operationsrisikos einen Hinweis auf unter Umständen lebensbedrohliche Folgen enthält, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn das Perforationsrisiko durch Infizierung der Bauchhöhle vor der Operation ist etwas anderes als das allgemeine Operationsrisiko und geht darüber hinaus. Der Senat verkennt nicht, daß eine solche Aufklärung auch in schonendster Form eine therapeutisch nachteilige Beunruhigung der Patienten zur Folge haben kann, geht aber davon aus, daß dies im Rahmen der von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen der ärztlichen Aufklärungspflicht liegt, in Abwägung.zum Selbstbestimmungsrecht der Patienten daher in Kauf genommen werden muß. Die Bekl. zu 2) und 3) hatten auch nach ihren Angaben über die bisher durchgeführten Coloskopien keine so weit überdurchschnittliche Erfahrung, daß zu erwägen wäre, ob dies vielleicht zu einer Modifizierung der ihnen obliegenden Aufklärungspflicht führen könnte.

Aber hypothetische Einwilligung:

Dennoch kann der Kl. keinen Schadenersatz verlangen, da nicht davon ausgegangen werden kann, daß er bei ausreichender Aufklärung sein Einverständnis mit der Coloskopie verweigert hätte. Zwar muß im Grundsatz der Arzt bei ungenügender Aufklärung beweisen, daß der Patient trotz hinreichender Aufklärung dem Eingriff zugestimmt hätte, doch muß der Patient seine Gründe für eine Ablehnung des Eingriffs plausibel darlegen, wenn sie angesichts der großen Gefahren eines unterlassenen und der weit geringeren Gefahren eines durchgeführten Eingriffs nicht ohne weiteres zutage liegen (dazu BGH, VersR 84, 465 [467] = NJW 84, 1397 [1399]). Dabei darf die vermutliche Entscheidung des Kl. bei richtiger Aufklärung nicht allein aus einer objektiven Risikoabwägung abgeleitet, seine Entscheidung also nicht durch die Beurteilung der medizinischen Indikationslage ersetzt werden. Im vorliegenden Fall ist es aber nicht plausibel dargelegt, daß der Kl. bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, wäre er im Sinne der oben ausgeführten Grundsätze aufgeklärt worden.

Die pflichtgemäße umfassende Aufklärung schloß nämlich nicht nur den Hinweis auf die zwar sehr entfernte (bei 0,05 % liegende) aber vorhandene Lebensgefahr einer Coloskopie, sondern auch den Hinweis auf ihren Nutzen, also die Gefahren eines verweigerten Einverständnisses, ein. Der Sachverständige hat vor dem Senat ausgeführt, in der Altersklasse des Kl. müsse man damit rechnen, daß bei etwa 5 % ein Dickdarmkarzinom vorliege. Auch wenn der röntgenologische Befund mit nur geringerer Wahrscheinlichkeit die festgestellte Einengung als bösartig vermuten ließ, lag darin doch ein zusätzliches Verdachtsmoment, das durch Gewichtsabnahme und unregelmäßigen Stuhlgang verstärkt wurde. Wegen der in hohem Maße lebensbedrohenden Gefahr bei Vorliegen eines Karzinoms, der Notwendigkeit einer raschen Klärung zur Verbesserung der Heilungschancen und der überlegenen Eignung einer Coloskopie als Diagnosemittel ist dem Sachverständigen ohne weiteres zu folgen, man hätte dem Kl. in seiner Situation "dringendst" zu einer Coloskopie raten müssen. Auch wenn der Sachverständige konkrete Zahlen in der Form von Prozentsätzen nicht nennen konnte, ist der Senat bei dieser Sachlage doch davon überzeugt, daß die Lebensgefahr bei unterlassener Coloskopie für den Kl. um ein Vielfaches höher war als bei Zustimmung zur Coloskopie. Einen Anhaltspunkt dafür gibt folgende Erwägung: Wenn das allgemeine Dickdarmkarzinomrisiko mit 5 % angenommen wird (beim Kl. lagen, wie ausgeführt, weitere Verdachtsmomente vor) und die sofortige Coloskopie die Lebensgefahr für diese 5 % nur um 1/10 verringern konnte, verminderte sie die Lebensgefahr durch das Karzinom in der Größenordnung von 0,5 %, während die Lebensgefahr durch eine Perforation zehnfach geringer war. Auch ohne einen unzulässigen, generalisierenden Maßstab anzulegen, erscheint es daher nicht plausibel, der Kl. hätte entgegen dringendstem und auf so unterschiedliche Risiken gestütztem ärztlichen Rat die Zustimmung zur Coloskopie verweigert, solange er keine konkreten Umstände darlegt, die für ihn doch einen individuellen Entscheidungskonflikt möglich erscheinen lassen.

Dabei kann dem Kl. nicht darin gefolgt werden, wenn er sich zuletzt dahin eingelassen hat, er hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung jedenfalls einen Spezialisten aufgesucht. Die Bekl. zu 2) und 3) waren nicht etwa unerfahren in der Durchführung von Coloskopien, sondern hatten nach ihrer nicht konkret anzuzweifelnden Darlegung mit etwa 100 Coloskopien beide ein Mehrfaches an Coloskopien ohne jede Komplikation durchgeführt, wie dies nach den Bekundungen des Sachverständigen als Erfahrungsbasis erforderlich ist (nämlich 30 bis 50). Zu einem Hinweis, daß es an Spezialzentren noch erfahrenere Endoskopiker gibt, bestand weder ein Anlaß noch eine Verpflichtung.

Die gerade ihm persönlich eigene besondere Angst, die der Kl. wegen der Schmerzhaftigkeit der früheren Röntgenkontrastuntersuchung vor weiteren Darmuntersuchungen hatte, betraf nicht das Perforationsrisiko und die Erfahrungen der Untersuchungsperson, sondern Unannehmlichkeiten jeder Coloskopie. Soweit er allgemein zu ängstlichen Reaktionen neigte, ergibt sich daraus nichts, weil - wie ausgeführt - das Unterlassen der Coloskopie eine größere Gefahr bedeutete. Der Senat geht daher davon aus, daß die behauptete Verweigerung einer Coloskopie im damaligen Zeitpunkt nicht verständlich ist, der Kl. vielmehr erst unter dem Eindruck seines unglücklichen und schweren Schicksals meint, seine Zustimmung in Kenntnis der Risiken nicht gegeben zu haben; die nachträgliche Entwicklung muß aber bei der Beurteilung, wie er sich vorher entschieden hätte, außer Betracht bleiben.

Bemerkung: Der BGH hat die Revision des Klägers durch Beschluß vom 8. 10. 1985 (VI ZR 7/85) nicht angenommen.

Praxishinweis:

Auch in dieser Entscheidung tritt eine merkwürdige Argumentation zu Tage: Einerseits seien Durchstiche (Perforationen) des Dickdarms nie sicher zu vermeiden (können also durchaus vorkommen) - ein Durchstich lasse daher noch keinen Schluss auf einen Behandlungsfehler zu. Wie mir ein klinischer Internist erklärte, ist die Darmwand nicht sonderlich stabil. So weit so gut. Andererseits seien Durchstiche - so wird in den Gerichtsverfahren von den Sachverständigen immer wieder angeführt - sehr sehr selten. Das passt kaum zusammen: Wenn sich Durchstiche nach Angaben vieler Sachverständiger in Arzthaftungsverfahren nicht vermeiden lassen und damit durchaus vorkommen können so fragt es sich, warum sie dann so selten sein sollen. Wären Durchstiche tatsächlich derart selten, so kämen sie auch nicht "durchaus vor". Für diese Merkwürdigkeit gibt es zwei mögliche Lösungen: Entweder kommen Durchstiche durchaus häufiger vor, es gibt aber eine Dunkelziffer. Oder die Sachverständigen scheuen sich, Kollegen ans Messer zu liefern und verneinen daher sowohl den Behandlungsfehlervorwurf als auch den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers.

Für den in diesem Fall betroffenen Patienten bleibt es in jedem Fall ein bitteres Ergebnis. Zwar bejaht das OLG einen Aufklärungsfehler. Und dies zu Recht. Man muss, wenn auch angemessen vorsichtig, auf das (statistisch geringe) Todesrisiko hinweisen. Allerdings schlägt das Gericht dem Patienten dies wieder aus der Hand, weil es davon ausgeht, der Patient hätte auch so zugestimmt. Dabei stützt es sich maßgeblich auf die vermeintliche Gefahr einer Krebserkrankung: Wäre der Patient zugleich mit einer ordnungsgemäßen Aufklärung über das Todesrisiko der Koloskopie auch über das Todesrisiko wegen Darmkrebses hingewiesen worden, hätte er so oder so zugestimmt. Das OLG begibt sich mit dieser Argumentation aber auf abenteuerliche Weise ins Reich der Spekulation. Denn es gab nur einen Verdacht eines Krebses, den man höchstvorsorglich klären wollte. Ob der Patient Krebs hatte, ist nie festgestellt worden. Und Darmkrebs führt ja auch nicht zwangsläufig zum sofortigen Tod (auch wenn man nach Lesen des Urteils den Eindruck gewinnen kann, dem wäre so). Überdies ging man vor der Koloskopie davon aus, die Beschwerden seien wahrscheinlich durch eine Abknickung hervorgerufen. Die tatsächlich nicht gegebene Krebsgefahr wird hier so lange aufgebauscht, bis sie die Todesgefahr wegen der Koloskopie weit überragt und damit in den Schatten stellt. Dabei sind die statistischen Analysen des OLG schwer nachvollziehbar. Am Schluss wird eine dreifache Hypothese aufgestellt: Wenn die Krebsgefahr höher ist (wäre), als die Todesgefahr, dann hätte der Patient, wenn ihm dann dringendst empfohlen worden wäre, die Koloskopie durchzuführen, dazu kaum Nein sagen können.

Führt man sich aber vor Augen, dass der Patient im Rahmen der hypothtischen Einwilligung lediglich einsichtig machen muss, dass ihn die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er zustimmen solle oder nicht (vgl. BGH NJW 1985, 1399, NJW-RR 1996, 350), so wird deutlich, dass die Argumentation des OLG Stuttgart hier falsch ist.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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