Wird ein Patient auf einer allgemeinchirurgischen Abteilung behandelt, hat das Krankenhaus nicht die Pflicht, den Patienten auch auf dem in der Klink nicht vorhandenen Bereich der Neurochirurgie fachärztlich zu behandeln. Das Krankenhaus haftet daher nicht für mögliche Fehler eines bei zur Behandlung einer Komplikation zum Zwecke des „Konsils“ beteiligten Neurochirurgen.

Ein Patient, der während eines Krankenhausaufenthaltes eine MRSA-Infektion erleidet, muss einen schadensursächlichen Hygienemangel auch dann beweisen, wenn während der Zeit seines Krankenhausaufenthalts vier weitere Patienten MRSA-Infektionen erleiden. Allein diese Anzahl weiterer MRSA-Infektionen rechtfertigt keine Beweislastumkehr (OLG Hamm, Urteil vom 14.4.2105 - 26 U 125/13).

Der Fall:

I. Die Beklagte begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund ärztlicher Fehler und Organisationsmängel.

Die Klägerin wurde am 21.12.2009 wegen des Verdachts auf eine akute Gastroenteritis in die Klinik für Innere Medizin bei der Beklagten aufgenommen. Als sich schließlich ein Adenokarzinom im Colon transversum herausstellte, kam die Klägerin auf die Allgemeinchirurgische Abteilung und wurde am 31.12.2009 operiert. Für die Narkose wurde ein Periduralkatheter neben einer Intubationsnarkose  benutzt. Der Katheter wurde intraoperativ aufgespritzt. Zur postoperativen Behandlung kam die Klägerin zunächst auf die Intensivstation. Dort konnte sie zunächst ihr rechtes Bein nicht mehr heben und klagte in der Folgezeit über starke Schmerzen. Nachdem am 06.01.2010 eine Beweglichkeit des Beines wieder gegeben und eine Mobilisation möglich war, kam die Klägerin auf die chirurgische Station. Die Entfernung des Katheters erfolgte am 10.01.2010.

Am 12.01.2010 klagte die Klägerin über Schmerzen im Bereich der Einstichstelle des Katheters, die zu einer Liquorpunktion und einem MRT führten. Das MRT ergab einen Abszess im Epiduralraum. Es erfolgte eine Besprechung mit der neurochirurgischen Klinik St. C in I. Von dort wurde eine antibiotische Behandlung und Verlegung auf die Intensivstation empfohlen. Als sich am 15.01.2010 ein Anstieg der Entzündungsparameter zeigte und sich zudem Parästhesien an beiden Beinen entwickelten, kam es erneut zu einer Rücksprache mit den Neurochirurgen in I, die ein neues MRT empfahlen. Da sich der Abszess vergrößert hatte, wurde die Klägerin schließlich in die Neurochirurgie der Städtischen Kliniken E verlegt, wo eine notfallmäßige Ausräumung durchgeführt wurde. In Wundabstrich ergab sich ein MRSA-Befund.

Die Klägerin konnte schließlich  am 05.02.2010 entlassen werden. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch eine Taubheit im Analbereich, ebenso eine gebesserte, aber nicht vollständig rückgängige Harninkontinenz. Die Mastdarmkontrolle war zu diesem Zeitpunkt gebessert.

Die Klägerin hat sodann bei der Beklagten Ansprüche erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass Behandlungs- und Hygienemängel vorgelegen hätten.

Der Periduralkatheter sei zu tief bzw. in einem falschen Winkel eingesetzt worden, so dass die Dura verletzt worden sei.

Die spätere Versorgung und Pflege des Katheters und der Einstichstelle sei nicht sorgfältig und hygienisch einwandfrei erfolgt. Dies habe letztlich zur MRSA-Besiedlung geführt.

Die Anästhesie sei fehlerhaft gemacht worden, man habe eine falsche Methode gewählt.

Insgesamt sei das Hygienemanagement fehlerhaft; denn um die Zeit ihres Aufenthaltes sei es zu mindestens vier weiteren MRSA-Infektionen gekommen.

Die Klägerin behauptet, dass sich durch diese Fehler ihr Krebsleiden verschlimmert habe. Zudem habe sie ab dem Rücken bis hinab zu den Fersen an beiden Beinen auf deren Rückseite keinerlei Empfinden mehr. Sie leide ständig unter dem Eindruck kalter Füße, selbst wenn diese warm seien.

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 30.000 € sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung für materielle und weitere immaterielle Schäden verlangt. Im Wege der Vorabentscheidung durch Zwischenfeststellungsklage hat die Klägerin Herausgabe von Informationen gemäß § 23 Abs, 4  IfSchG verlangt, hilfsweise deren Herausgabe an einen Sachverständigen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und sachverständig beraten durch  Prof. Dr. S und Prof. Dr. Q die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Herausgabe der Informationen über die Niederschriften über das Auftreten von speziellen Erregern im Krankenhaus ergebe sich weder aus §§ 611, 242, 280 BGB noch aus § 23 Abs. 4 ISchG.

Behandlungsfehler seien nach den Ausführungen der Sachverständigen und nach Vernehmung der Zeugen ebenfalls nicht gegeben; denn sowohl die Anlage des Periduralkatheters als auch die weitere Versorgung sei ordnungsgemäß gewesen. Die Art der Narkose sei bei dem durchzuführenden Eingriff zudem das Mittel der Wahl gewesen. Die Ärzte der Beklagten hätten sich auch auf die Angaben der Konsiliarärzte aus der Neurochirurgie in I verlassen dürfen. Deren Fehlurteil werde der Beklagten nicht zugerechnet.

Auch unter dem Gesichtspunkt eines Hygienemangels ergebe sich kein Anspruch, weil der Sachverständige Prof. Q keinerlei Anhaltspunkte für Hygienemängel gefunden habe. Insoweit obliege der Klägerin die Beweislast, weil es sich um keinen voll beherrschbaren Bereich handle. Das deutsche Gesundheitswesen lasse es nach der Personalsituation nicht zu, alle denkbaren Maßnahmen zu ergreifen, um eine Infektion zu vermeiden. Eine Aufklärungspflicht über die Möglichkeit einer solchen Infektion bzw. darüber, dass möglicherweise andere Patienten eine solche Infektion haben, gebe es nicht.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie verlangt in erster Linie Zurückverweisung an das Landgericht, weil das Landgericht es unterlassen habe, ein weiteres Gutachten über die bei der Klägerin eingetretenen Folgen einzuholen. Der Sachverständige Prof. S habe ausgeführt, dass die operative Sanierung schon 2 Tage früher habe erfolgen sollen. In diesem Fall wären die Folgen für die Klägerin mit Sicherheit weniger gravierend gewesen, was durch ein weiteres Gutachten zu klären gewesen sei.

Tatsächlich müsse sich die Beklagte auch die fehlerhafte Auskunft des Neurochirurgen zurechnen lassen; denn die Behandlung eines Abszesses bzw. einer MRSA-Infektion falle nicht allein in den Verantwortungs – und Aufgabenbereich eines Neurochirurgen. Zudem sei das Konsil auch nicht ordnungsgemäß eingeholt worden. Es fehle diesbezüglich an jeglicher Dokumentation, mit welchem Arzt gesprochen wurde. Auch die Übersendung der Bilder habe gefehlt. Letztlich seien die Konsiliarärzte Erfüllungsgehilfen der Beklagten gewesen, so dass sie für deren Fehler einzustehen habe.

Aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Q ergebe sich auch, dass ein Hygienemangel vorliege; denn bei gleichzeitigem Auftreten von vier weiteren MRSA-Infektionen zum Zeitpunkt des Aufenthaltes der Klägerin müsse ein Hygienemangel angenommen werden.

Die Klägerin beantragt,

das am 17.07.2013 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg zu I-5 O 25/10 aufzuheben und die Sache  einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens an das Landgericht Arnsberg zurückzuverweisen,

hilfsweise

das am 17.07.2013 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg zu I-5 O 25/10 abzuändern und die Beklagte nach ihren erstinstanzlich gestellten Schlussanträgen zu verurteilen,

äußerst hilfsweise

wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere die gestellten Anträge, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die Berufungsbegründung verwiesen.

Die Entscheidung:

II.Die Berufung unbegründet.

Eine Zurückverweisung an das Landgericht nach § 538 ZPO kommt mangels Vorliegen eines Verfahrensfehlers nicht in Betracht; denn das Landgericht hatte  keinen Anlass, über mögliche Folgen eines aus seiner Sicht nicht vorhandenen  Fehlverhaltens ein Gutachten einzuholen.

Im Übrigen hat das Landgericht zu Recht Ansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 823, 31, 831, 253 Abs. 2 BGB verneint, weil keine Fehler vorliegen.

Soweit die Klägerin erstinstanzlich noch Fehler bei der Anästhesiewahl sowie beim Setzen des Katheters und seiner späteren Pflege bzw. die Kontrolle und Versorgung der Einstichstelle geltend gemacht  hat, ist dies nicht mehr Gegenstand der Berufung. Gleiches gilt für die gerügten Aufklärungsmängel bezüglich eines von ihr behaupteten hohen Risikos für infektiöse Komplikationen bei der angewandten Epiduralanästhesie, die aber von dem Sachverständigen Prof. Dr. S nicht bestätigt wurde, weil diese Art der Anästhesie vielmehr als risikoarm angesehen wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin haftet die Beklagte aber auch nicht für die aus Sicht des Sachverständigen Prof. S fehlerhafte Verweigerung der Übernahme und operativen Versorgung der Klägerin durch die Neurochirurgen in I. Seiner Ansicht nach war die Übersendung der Bildgebung entbehrlich, weil die  Beschreibung des Abszesses im Befundbericht ausreichte, um die Neurochirurgen über die Situation ins Bild zu setzen. Deren mögliche diagnostische Fehlentscheidung ist der Beklagten jedoch nicht zurechenbar; denn bei einer parallel laufenden Arbeitsteilung verschiedener medizinischer Fachgebiete gilt der Vertrauensgrundsatz, wonach jeder auf die objektiv im fremden Fach erhobenen Befunde vertrauen darf, solange nicht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel bestehen oder die Frage nicht auch zum Behandlungsbereich des in  Anspruch genommenen Arztes gehört.

Hier irrt das Gericht. Der Vertrauensgrundsatz erfordert, dass der hinzugezogene Arzt den Patienten in seinem Verantwortungsbereich (hier Neurochirurgie) sorgfältig und ordnungsgemäß untersucht und behandelt, also seinen Behandlungsvertrag ordnungsgemäß ausführt (vgl. Terbille in Münchner Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Aufl. S. 147, Rn. 506). Der hinzugezogene Arzt kann den Patienten aber nur dann "untersuchen", wenn er ihn selbst sieht oder wenn er zumindest aussagekräftige Befundberichte und Unterlagen erhalten hat. Dazu gehören aber auch bildgebende Befunde und Laborberichte. Wie soll sich der hinzugezogene Arzt sonst "aus der Ferne" ein Bild von dem Patienten machen? Im vorliegenden Fall wurde dem hinzugezogenen Neurochirurgen lediglich ein Befund mitgeteilt. Bildgebende Befunde oder ähnliches wurden ihm nicht zur Verfügung gestellt. Auf dieser (dürftigen) Datenlage konnte er gar nicht "aus der Ferne" ein Urteil über die weitere Behandlung fällen. Der Neurochirurg hätte dann weitere Daten bei der Klinik anfordern müssen. Bekommt er diese nicht, hätte er das Konsil schlicht ablehnen müssen. Auf der anderen Seite hätte die Klinik dem Neurochirurgen auch die erforderlichen Bilder zur Verfügung stellen müssen. Diese Frage und die sich daraus ergebenden Frage der Haftung der Klinik hätte das Gericht näher nachgehen müssen. Hier wäre eine grundlegende Entscheidung des Gerichts von Nöten gewesen: Wer haftet, wenn der Konsiliararzt zusammen mit dem Wunsch auf Konsil nicht die MRT-Bilder übersandt erhält? Diesen zugegebenermaßen schwierigen Schuh wollte sich das Gericht nicht anziehen. Stattdessen behalf sich das Gericht mit einem Kniff, der ihm die Entscheidung ersparte: Das Gericht atomisierte die Verantwortung: Keiner ist hier verantwortlich.

Diese Auffassung wird letztlich auch durch die jüngste Entscheidung des BGH zu dieser Problematik gestützt. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 21.01.2014 - VI ZR 78/13 -  darauf verwiesen, dass der Begriff „Konsiliararzt“ nicht legal definiert sei. Zumeist sei er nicht Erfüllungsgehilfe der Klinik, weil noch eine weitere vertragliche Beziehung zum Patienten aufgebaut werde. Das war hier nicht der Fall. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sie selbst den Anruf in der Neurochirurgie nicht abgerechnet hat, weil es sich nicht um eine Leistung gehandelt habe, für die sie verantwortlich gewesen sei. Dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten, für die es ein Leichtes gewesen wäre, bei ihrer Krankenkasse in Erfahrung zu bringen, ob und wer den vom Zeugen Dr. M geschilderte telefonischen Informationsaustausch abgerechnet hat.

Wenn das Gericht der Meinung ist, der Patient sei dafür verantwortlich, die - seiner Wahrnehmung entzogenen - Vertragsbeziehungen zwischen Patient, Klinik und Konsiliararzt zu entwirren, so hat es dies dem Patienten auch vor seiner Entscheidung durch einen gerichtlichen Hinweis mitzuteilen. Dann kann der Patient die aus Sicht des Gerichts erforderlichen Ermittlungen anstellen, und herausfinden, ob und wenn ja was der Konsiliararzt abgerechnet hat. Ihm diesen Hinweis erst mit der Entscheidung zu geben, ist dagegen nicht korrekt.

Es ist daher ebenso wie in dem Fall des BGH davon auszugehen, dass ein Vertragsverhältnis mit der Neurochirurgie weder mit der Klägerin noch mit der Beklagten begründet wurde.

Da ein Vertragsverhältnis zwischen Konsiliararzt und Patient beim Krankenhausaufnahmevertrag nicht besteht, stattdessen aber ein Dienstvertrag zwischen Klinik und Konsiliararzt vorliegt (vgl. Schroeder-Prinzen, Münchner Handbuch Medizinrecht, 2. Auflage, S. 971, Rn. 61) ist diese Annahme falsch. Tatsächlich besteht also ein Dienstvertrag zwischen Klinik und dem Neorochirurgen.

Entscheidend ist in solch einem Fall, ob die Beklagte mit der Hinzuziehung der Neurochirurgie eine eigene vertragliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin erfüllte. Das ist aber nicht der Fall, weil die Beklagte im Rahmen der Behandlung der Klägerin nicht die Pflicht hatte, diese auf dem Gebiet der Neurochirurgie fachärztlich zu behandeln. Es handelte sich vielmehr um eine anlässlich einer zuständigen Behandlung eingetretenen Komplikation, für die die bislang behandelnden Ärzte fachlich weder zuständig noch ausreichend kompetent waren. Das war auch der Grund, warum der Zeuge Dr. M in der Neurochirurgie in I angerufen und um Übernahme oder Mitbetreuung gebeten hatte. Allein die Tatsache, dass es dazu keinen üblichen Konsilbericht mit der Angabe des Namens des Konsiliararztes gibt, rechtfertigt keine Haftung, weil das Telefonat mit dem Ergebnis in der Dokumentation schriftlich festgehalten und durch die Aussage des Zeugen Dr. M bestätigt wurde.

Auch hier liegt das Gericht falsch. Regelfall des Vertrages zwischen Klinik und Patient ist der totale Krankenhausvertrag. Vereinfacht gesagt hat die Klinik den Patienten umfassend zu behandeln, wenn erforderlich durch Hinzuziehung Dritter ("die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter" vgl. § 2 II Nr. 2 KHEntgG). Der Konsiliararzt ist damit Erfüllungsgehilfe der Klinik, für dessen Fehler die Klinik nach § 278 BGB haftet.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch ein Hygienemangel nicht ausreichend nachgewiesen. Eine Umkehr der Beweislast unter dem Gesichtspunkt eines voll beherrschbaren Geschehens kommt nicht in Betracht; denn nach den Angaben des Sachverständigen ist es allenfalls theoretisch denkbar, eine Infektion durch alle möglichen denkbaren Maßnahmen und den Einsatz von entsprechend vorhandenen Personal zu vermeiden, praktisch entspricht dies aber nicht dem Klinikalltag und der Lebenswirklichkeit. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der medizinische Standard in Deutschland weitergehender ist und es ermöglicht, jegliche Art von Infektionen auszuschließen. Es kommt hinzu, dass nach Darstellung des Sachverständigen Prof. Q auch Patienten selbst Träger derartiger MRSA-Besiedlungen sein können. Insoweit hat er auch angegeben, dass ein Ausbruch von MRSA-Infektionen nicht von vornherein auf Hygienemängel schließen lässt, entscheidend ist vielmehr der Einzelfall. Auch auf die Nachfrage des Landgerichts, die sich ersichtlich auf die Behauptung der Klägerin bezog, dass es um die Zeit ihres Aufenthaltes im Krankenhaus zu mindestens 4 Infektionen gekommen sei, hat der Sachverständige nicht auf Mängel geschlossen. Nach seinen Angaben wäre erst ein Hygienedefizit anzunehmen sein, wenn bei etwa 10 Patienten zur gleichen Zeit auf der Station ein solches Problem auftreten würde.

Auf Grund einer willkürlichen und nicht weiter begründeten "Grenzziehung" des Sachverständigen (erst ab 10 Fällen, nicht aber ab 4) wird eine Haftung wegen MRSA-Infektion also verneint. Die maßgebliche Frage wird dem Sachverständigen gar nicht gestellt: Warum erst ab 10 Patienten? Wie kommt der Sachverständige zu dieser Zahl? Gibt es dazu Richtlinien oder Feststellung des Robert-Koch-Instituts? Und das Gericht hat auch nicht ermittelt, wo die anderen vier infizierten Patienten lagen. Da es keine Fünfbettzimmer mehr gibt in deutschen Krankenhäusern müssen die Patienten in anderen Zimmern gelegen haben. Damit kann die Klägerin diese nicht infiziert haben. Es muss ein Pfleger oder ein Arzt gewesen sein. Die deutschen Richter sollten ihren Respekt vor Sachverständigen ablegen und sich trauen, auch einmal eine kritische Nachfrage zu stellen. Aber auch der Anwalt der Klägerin muss sich hier fragen lassen, warum er da nicht weiter kritisch nachgehakt hat. Oder zumindest Schriftsatznachlass zu diesem Punkt verlangt hat. 

Im Übrigen kann nach Vernehmung der Zeugen und den weiteren Ausführungen des Sachverständigen auch nicht auf konkrete Hygienefehler bei der Anlage und späteren Versorgung des Epiduralkatheters geschlossen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

Fazit:

Die Rechtsprechung ist sehr zurückhaltend mit der Anerkennung einer Haftung der Kliniken wegen Infektionen der Patienten. Beweisrechtlich ist dies nachvollziehbar. Praktisch führt es aber zu einem rechtsfreien Raum: Patienten sind gegen Infektionen in Kliniken nicht geschützt. Nur wem es gelingt, schlechte hygienische Zustände nachzuweisen, hat eine Chance.

An sich hatte die Klägerin schon ein starkes Argument in der Hand: Vier weitere Patienten hatten sich mit MRSA infiziert während ihres Klinikaufenthaltes. Aber auch das half wegen der willkürlichen Grenzziehung des Sachverständigen nichts. Nun ist zu befürchten, dass sich auch andere Gerichte auf diese ominöse 10er Grenze beziehen.

Wer eine MRSA-Infektion in einer Klinik erleidet muss sogleich alle Namen und Adressen aller weiteren infizierten Patienten ermitteln. Diese müssen als Zeugen im Prozess benannt werden und es muss angegeben werden, in welchem Zimmer diese lagen und wann sie sich infiziert haben.  

Und der Patient muss schon in der Klinik Maßnahmen zum Eigenschutz treffen.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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