Eine Pflicht zur Risikoaufklärung über einen bereits vorgenommen Eingriff gibt es grundsätzlich nicht (keine nachträgliche Risikoaufklärung). Allenfalls kann sich die Pflicht zur Risikoaufklärung in eine Pflicht zur nachträglichen Sicherungsaufklärung fortsetzen (KG Berlin, Urteil v. 25.11.2013 - 20 U 49/12).

Ärztin während der Operation

Der Fall:

Der 1971 geborene Kläger, der als Kind an Morbus Perthes (orthopädische Kinderkrankheit, die durch Durchblutungsstörungen hervorgerufen wird und zu einem frühen Verschleiß des Hüftgelenks führt) erkrankt war, verlangt Schmerzensgeld (50.000,00 EUR) und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung.

Am 25.4.04 wurde dem Kläger eine Hüftendoprothese des Typs GHE der Firma E... I... GmbH & Co.KG (nachfolgend: E... ) in der Zentralklinik E... v... B..., die später in die Einrichtung der Beklagten zu 3. eingebracht wurde, durch den Beklagten zu 2. implantiert.
Die betreffenden Implantate wurden seit Dezember 2005 von der E... wegen einer erhöhte Rate von Versagerfällen (Bruch) zurückgerufen und die in den Lagern der Kliniken befindlichen Implantate ausgetauscht.
Mit Schreiben vom 22.1.07 wies die E... den Beklagten zu 2. hierauf hin; wenn ein Bruch eintrete, werde selbstverständlich Hilfe geleistet.

Der Kläger wurde nicht über die genannten Umstände informiert (Bruchgefahr, Rückruf). Am 27.5.08 kam es beim Kläger zum Bruch des Implantats.
Am 28.5.08 wurde in der Klinik der Beklagten zu 1. mit der Revisionsoperation begonnen (Operateur: Beklagter zu 2.).

Die Entscheidung:

Vor der Operation 2004 konnte der Kläger nicht über die Risiken des verwendeten Implantats aufgeklärt werden, weil diese nicht bekannt waren. Über die nach dem Eingriff bekannt gewordenen Risiken, die auch dann noch „fortwirkten“ und weiterhin bestanden, konnte aber nur im Wege der therapeutischen Aufklärung informiert werden, weil es jetzt erst einmal nur darum ging, den mit der 1. Operation erreichten Heilungserfolg zu sichern.

Und ein Verstoß gegen das Gebot der therapeutischen Sicherungsaufklärung wäre ein Behandlungsfehler - für dessen Vorliegen trägt der Patient die Beweislast. Und diesen Beweis konnte der klagende Patient nicht erbringen.

Der Kläger hat bei seiner Anhörung am 2.12.11 insbesondere mitgeteilt, dass die ärztliche Empfehlung für seine Entscheidung maßgebend gewesen wäre. Wie der Sachverständige Dr. S... aber festgestellt hat (s.o.), hätte aus ärztlicher Sicht von einer prophylaktischen Revisionsoperation abgeraten werden müssen.

Es bestehen auch bereits Zweifel daran, ob eine Verpflichtung bestand, den Kläger über die Rückrufaktion der E... und die Gründe dafür zu informieren.

Zum anderen ist auch der Sachverständige Dr. S... zu der Feststellung gekommen, dass eine prophylaktische Revisionsoperation nicht empfehlenswert war.

Nur ergänzend ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass nach den Aussagen des Sachverständigen die jetzigen Beschwerden des Klägers wahrscheinlich auch bei einer prophylaktischen Revisionsoperation eingetreten wären.

Daher war die Klage abzuweisen.

Anmerkung:

Werden bestimmte Hüftimplantate zurück gerufen vom Hersteller, so kann es einen Behandlungsfehler (Verstoß gegen therapeutische Sicherungsaufklärung) darstellen, wenn die Klinik dieses Wissen nicht mit dem Patienten teilt. Es liegt aber keine Pflicht zur nachträglichen Risikoaufklärung vor. Damit muss der Patient beweisen, dass der mangelnde Hinweis zu seinem Schaden geführt hat, er also in Kenntnis des Risikos eines Bruchs des Implantates sich für eine Entfernung und Auswechslung entscheiden hätte. Dies ist nicht einfach zu beweisen. Im vorliegenden Fall konnte der Patient den Beweis nicht führen. Denn die Ärzte hätten wohl so oder so von einem prophylaktischen Austausch der Hüftendoprothese abgeraten.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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