Ist eine Meinungsäußerung ("kein guter Arzt") mit Tatsachenbehauptungen verbunden (u.a. bezüglich der Behandlung) und sind diese Tatsachenbehauptungen von dem Arzt unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung bestritten worden und hat jameda.de dies nicht widerlegt, so ist die Bewertung vollständig vom Netz zu nehmen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache (OLG München, Beschluss vom 17.10.2014 - 18 W 1933/14-).

Zwar sind Meinungsäußerungen bei jameda.de und ähnlichen Bewertungsportalen bei Ärzten grundsätzlich unangreifbar, weil sie von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Schon mehrere Ärzte haben vergeblich versucht, solche Bewertungen gerichtlich anzugreifen. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn die Bewertung des Patienten die Grenze zur Schmähkritik überschreitet, was allerdings nur selten der Fall ist.

Im vorliegenden Fall hat aber der Patient eine Meinungsäußerung ("kein guter Arzt") mit Tatsachenbehauptungen verbunden (bspw.: der HNO-Arzt habe sich während eines Hörtests mit einer Sprechstundenhilfe unterhalten). Und diese bestritt der Arzt vehement. Jameda.de trat diesem Widerspruch des Arztes nicht qualifiziert entgegen. Daher musste das OLG München davon ausgehen, dass die Darstellung des Arztes richtig ist. Folglich gab es dem Arzt Recht.  

Dazu das OLG:

Dass die Behauptungen des Kommentators, so verstanden, unwahr sind, hat der Verfügungskläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen (Anlagen A5 und 6) glaubhaft gemacht, während die Verfügungsbeklagte dagegen nichts vorgebracht hat.

Das OLG München sah die Meinungsäußerung "kein guter Arzt" als mit dieser Tatsachenbehauptung eng verknüpft an. Daher ist es der Ansicht, dass Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptungen miteinander "stehen und fallen" und untersagte auch die Meinungsäußerung.

Dazu führt das OLG aus:

Dennoch ist die vorliegende Meinungsäußerung rechtswidrig, weil für die getroffene Bewertung des Verfügungsklägers keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte bestanden oder bestehen.

Grundlage für die Wertung, dass die "Behandlung", das "Vertrauensverhältnis" und die "Betreuung" beim Verfügungskläger die Note 6 verdienten, "Aufklärung" und "genommene Zeit" die Note 5, bildet nämlich die auf der Internet-Seite der Verfügungsbeklagten aufgestellte Tatsachenbehauptung, der Besuch des kommentierenden Patienten beim Verfügungskläger sei so abgelaufen wir geschildert. Diese Behauptung ist, wie oben ausgeführt, unwahr.

Nach Auffassung des Senats kann bei der vorliegenden Konstellation, bei der ein Werturteil eine zugrunde liegende tatsächliche Feststellung von eigenständiger Bedeutung derart widerspiegelt, dass beide zusammen „stehen und fallen“, nicht nur Unterlassung der unwahren Tatsachenbehauptung, sondern auch der auf dieser beruhenden Werturteile verlangt werden. Andernfalls ergäbe sich die merkwürdige Konsequenz, dass der im Rahmen eines Bewertungsportals von einer unwahren Tatsachenbehauptung Betroffene zwar die Behauptung als solche angreifen könnte, aber nicht die eine unwahre Tatsachenbehauptung widerspiegelnde und wiederholende Bewertung (vgl. Senat, Urteile vom 9.9.2014 – 18 U 516/14 – und vom 5.2.2013 – 18 U 3915/12). Der vorliegende Fall unterscheidet sich von demjenigen, der der von der Verfügungsbeklagten zitierten „Spick-mich“-Entscheidung des BGH (Urteil vom 23.6.2009 - VI ZR 196/08) zugrundelag, gerade darin, dass von den Nutzern der dortigen Internetseite nur Wertungen und keine Tatsachenbehauptungen eingestellt wurden.

Anmerkung:

Die Entscheidung eröffnet den Ärzten nun eine Möglichkeit, gegen Bewertungen auf unwahrer Tatsachengrundlage oder verzerrte, aus dem Zusammenhang gerissene Schilderungen der Behandlung vorzugehen. Im Kern stellt die Entscheidung eine Abkehr von der BGH-Rechtsprechung dar. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH zu der Hauptsacheentscheidung in diesem Verfahren noch Stellung nehmen wird und wie er diesen Fall dann beurteilt. Bis dahin können sich betroffene Ärzte zumindest im Einstweiligen Rechtsschutz zur Wehr setzen.

Das OLG München sieht die Betreiber von Bewertungsportalen in der Pflicht, Beschwerden von Ärzten sorgfältig zu prüfen. Dabei dürfe sich das Portal nicht darauf beschränken, Tatsachenbehauptungen zu löschen. denn wenn sich die Bewertung erkennbar auf die Tatsachenbehauptungen stützt, können auch die Bewertungen unhaltbar werden und wären dann gleichfalls zu löschen. Die Bewertungsportale müssen nun im Einzelnen prüfen, inwiefern sich die Bewertungen gerade auf die Tatsachenbehauptungen stützen und ob die Behauptungen von dem Arzt nachdrücklich in Abrede gestellt wurden.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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