Infektionen mit resistenten MRSA-Keimen sind für Krankenhauspatienten ein lebensbedrohliches Risiko. Sie zu verhindern ist schwierig, nicht aber unmöglich. Hier sind die Angehörigen des Patienten gefordert. Ein Erfahrungsbericht.

Vermehrt haben sich die Gerichte in den vergangenen Jahren mit Klagen von Patienten gegen Kliniken beschäftigt, die sich in der Klinik mit multiresistenten Keimen infiziert haben. In der Regel wurden die Klagen abgewiesen. Die Gerichte verlangen von dem Patienten den stichhaltigen Beweis, dass er sich durch einen Pflege- bzw. Hygienefehler der Klinik mit dem Keim infiziert hat. Diesen Beweis zu erbringen ist sehr schwer. Eine Vermutung dahin, der Patient habe sich wohl in der Klinik mit dem Keim infiziert, lehnen die Gerichte ganz überwiegend ab. Um einen Fehler der Klinik nachzuweisen, muss der Patient einen Hygienefehler konkret nachweisen. Dies ist denkbar, wenn z.B. der Patient mit einem an MRSA erkrankten Patienten im selben Zimmer lag. Im übrigen müsste der Patient Einsicht in die Hygienedokumentation haben. Er hat aber grundsätzlich keinen Anspruch, in diese Dokumentation Einsicht zu nehmen, weil diese nicht zu der Behandlungsdokumentation gehört, die er einsehen darf. Selbst wenn der Patient über das Ordnungsamt Einsicht in diese Unterlagen bekommt, kann er regelmäßig einen Fehler nicht sicher nachweisen.

Der Fokus ist daher auf die Prävention zu richten. Wie kann der Patient eine Infektion verhindern? Nun ist der Patient zuerst einmal in der Regel gar nicht in der Lage, selbst Schutzmaßnahmen zu treffen, weil er krank ist und im Bett liegt. Er kann sich nicht selbst darum kümmern, dass das Pflegepersonal oder Besucher seines Bettnachbarn sich bei Betreten des Zimmers die Hände waschen und desinfizieren. Letzteres ist Einfallstor Nr. 1 für die Keime.    

Allerdings können die Angehörigen des Patienten etwas tun. Erste Regel ist, dass die Angehörigen möglichst viel Zeit bei dem Patienten verbringen und damit Präsenz zeigen. Es gilt, ein waches Auge zu haben und bei Pflegemaßnahmen anwesend zu sein. Die Angehörigen sollten sich auf der Station beim Pflegepersonal informieren, ob es MRSA-Patienten gibt. Wo liegen diese? Etwa nebenan? Sind sie isoliert? Betritt das Pflegepersonal das Zimmer dieser Patienten vorschriftsmäßig mit Schutzkleidung? Wenn nein, fotografieren Sie dies. Sprechen Sie das Personal darauf an. Verlangen Sie das Tragen von Schutzkleidung. Desinfizieren Sie ständig alle Türklinken, Lichtschalter, Klobrillen etc. Verlangen Sie, dass das Pflegepersonal Mundschutz und (frische) Handschuhe trägt bei der Behandlung Ihres Angehörigen. Wenn dies nicht geschieht, protestieren Sie beim Stationsarzt dagegen und machen sich eine Notiz mit Datum und Uhrzeit.

Die Pflegekräfte und Ärzte nehmen durchaus zur Kenntnis, welcher Patient solcherart von seinen Angehörigen "bewacht" wird. Entsprechend erhöhen sie dort die Schutzmaßnahmen.

Es soll hier aber nicht der Eindruck entstehen, das Pflegepersonal sei nachlässig. In der Regel versucht das Personal nach Kräften, Infektionsrisiken zu minimieren. Es wäscht sich die Hände und desinfiziert sie zigmal am Tag. Allerdings nicht immer und bei jedem Zimmerwechsel. Das ist auch in Anbetracht der hunderten von Zimmerwechseln, die z.B. eine Krankenschwester täglich absolviert, schwierig. Würde jede Schwester die Hände ständig waschen und desinfizieren, fiele ihr in Kürze die Haut von den Händen ab. Und das Tragen von Handschuhen ist auch kaum praktisch. Jede Station würde täglich tausende von Handschuhen verbrauchen. Überdies sind Arbeiten mit Handschuhen schwieriger, weil die Sensorik eingeschränkt ist.  

Es stellt sich die Frage, ob so ein Stationszimmer überhaupt keimfrei zu kriegen ist. Die Frage kann klar mit Nein beantwortet werden. Ein Zimmer mit all seinen Einrichtungsgegenständen und medizinischen Geräten hat eine enorme Oberfläche. Und die Reinigungskräfte, die in der Regel mehr zu tun haben, als sie in der gegebenen Zeit erledigen können, können nicht nach jedem Zimmer das Putzwasser und alle Geräte wechseln oder desinfizieren. Sie können auch nicht alle Flächen desinfizieren. So schleppen die Putzkräfte (notgedrungen) Keime von einem Zimmer ins andere. Technisch ist dieses Problem nicht zu beherrschen. Es bleibt den Angehörigen nichts anderes übrig, als die wichtigsten Kontaktflächen (Klo, Waschbecken, Türklinken, Lichtschalter) ständig selbst zu desinfizieren. In jedem Zimmer befinden sich Spender mit Desinfektionsmitteln. Spritzen Sie dies auf die Papiertaschentücher, die gleichfalls allgegenwärtig sind, und reinigen Sie geduldig mehrmals am Tag all diese Flächen (und danach wiederum auch Ihre Hände).  

Besonderes Augenmerk sollte der Angehörige auf invasive Maßnahmen richten: Blutabnehmen, Infusionen aber auch Wechsel von Kathetern etc. Hier ist die Frage "Haben Sie sich auch die Hände desinfiziert?" vor Beginn der Maßnahme angebracht. Beobachten Sie die Maßnahme. Fällt etwas auf den Boden, muss es weggeworfen werden. Ein Port (also der Übergang von Zugang z.B. zu der Spritze) ist vor Einsetzen der Spritze mit Sprühdesinfektionsmittel zu desinfizieren. Manchmal desinfiziert der Arzt eine Infektionsstelle, streicht dann aber direkt vor dem Einstechen noch einmal mit dem nackten Finger über die Haut des Patienten, um die Ader zu spüren. Dann kann er allerdings noch einmal desinfizieren, sonst sticht er mit der Nadel möglicherweise den MRSA-Keim, der zufällig auf seinem Finger sitzt, dem Patienten in die Blutbahn. Auch der Zustand von Verbänden und Pflastern sollte beobachtet werden. Wie lange hat der Patient diesen Verband schon? Ist er durchnässt (z.B. von Urin)?   

Ein weiteres großes Risiko sind die Besucher. Sie schleppen Massen von Keimen auf die Stationen. Spricht man Besucher freundlich darauf an, dass sie sich zumindest ausgiebig die Hände waschen sollen, sobald sie das Zimmer betreten (auch zum Schutz ihrer Angehörigen), so schaut man in erstaunte Gesichter. Die Besucher wissen in der Regel nichts von den Infektionsrisiken. Keiner weist sie darauf hin. Das Pflegepersonal hat nicht die Zeit, jeden Besucher abzupassen und zu informieren. Allerdings gibt es in Kliniken auch in der Regel keinerlei Hinweisschilder für die Patienten. Das sollte geändert werden. Nicht schön ist es auch, wenn Besucher offensichtlich verschnupft sind oder husten. Sie sollten zu Hause bleiben. Kein geschwächter Patient will auch noch Husten oder Schnupfen haben. Schmeißen Sie solche Besucher raus. Notfalls rufen Sie das Pflegepersonal hinzu oder geben den Besuchern einen Mundschutz (auch diese sind allgegenwärtig griffbereit). Auch Besucher und Angehörige anderer Patienten registrieren sofort: Dieser Patient hat einen Bewacher am Bett, da muss ich aufpassen!

Je weniger ein Patient selbst in der Lage ist, Pfleger und Besucher zu überwachen, desto eher sind die Angehörigen gefragt. Die Angehörigen sollten dafür Sorge tragen, dass die Patienten mindestens einmal am Tag für mehrere Stunden besucht werden. Sie sollten dies innerhalb der Familie organisieren.

Ein besonderer Punkt bedarf der Erwähnung: Die leichtfertige oder fehlerhafte Behandlung mit Antibiotika. Es kommt immer wieder vor, dass Antibiotika präventiv verordnet werden. Besteht zum Beispiel ein gewisses Risiko für eine Bauchfellentzündung, so wird ein Antibiotikum vorsorglich verabreicht, ohne dass es gegen ein bestimmtes Bakterium wirken soll. Denn es besteht ja noch gar keine konkrete Infektion. Eigentlich sollen Antibiotika aber nur gezielt eingesetzt werden. An sich soll also zuerst der Keim mittels Abstrich im Labor ermittelt werden. Dann soll der konkrete Keim mittels Antibiogramm auf Resistenzen auf bzw. Sensibilitäten für die bekannten Antibiotika (von denen es eine Vielzahl gibt) getestet werden. Dann wird das Antibiotikum in ausreichender Menge und hinreichend lang verabreicht, um genau diesen Keim abzutöten. Bei der prophylaktischen Gabe von Antibiotika wird dagegen der Körper des Patienten mit dem Antibiotikum (also einem Zellgift) ohne konkretes Ziel geflutet.

Das zerstört zuersteinmal die für die primäre Immunantwort wichtige Darmflora. Im Darm leben Milliarden von Bakterien, die - vereinfacht gesagt - mit dem Körper in Symbiose leben. Sie bilden im Darm einen dichten Rasen. Atmet ein Mensch nun fremde Bakterien ein oder isst er sie mit der Nahrung, so gelangen diese - soweit sie das Säurebad im Magen überleben - in den Darm. Dort fühlen sie sich grundsätzlich sehr wohl, weil es warm ist und es genügend Nahrung gibt. Gerne würden diese Eindringlinge auch durch die Darmwand in die Blutbahn vordringen und dort weiteren Unsinn treiben. An der Darmwand haften allerdings bereits die "guten" Bakterien in großer Zahl. Diese sehen diese Fresskonkurrenten nicht gerne und bekämpfen sie mit brachialen Mitteln. Gute Bakterien töten also schlechte Bakterien, ohne dass die körpereigene Immunabwehr (z.B. T-Zellen im Blut) eingreifen muss. Überdies können diese "guten" Bakterien z.B. aus Kohlenhydraten oder Fetten Vitamine erzeugen, die der Körper dann verwerten kann. Die Masse dieser "guten" Bakterien kann bei einem Erwachsenen bis zu zwei Kilogramm betragen. Ein Antibiotikum tötet aber in der Regel alle kleinzelligen Organismen, also auch alle Darmbakterien. Danach liegt der Darm sozusagen "nackt" da. Dringen nun nach einer Antibiose weitere Bakterien ein, finden sie ein ideales Wohnklima vor. Im Darm ist es warm und es gibt Nahrung im Überfluss. Der Darm wird dann neu besiedelt. Handelt es sich bei den Eindringlingen um unerwünschte Bakterien, so kann der Patient eine Dysbiose erleiden, eine sog. Fehlbesiedelung des Darms. Damit entfällt nicht nur ein wesentlicher Teil der Immunabwehr. Der Patient holt sich sozusagen auch noch den Feind ins Haus, der dann das körpereigene Immunsystem auf Trab hält und möglicherweise sogar schwächt. Daher sind unnötige Gaben von Antibiotika unbedingt zu vermeiden.

Fragen Sie also den Arzt oder den Pfleger, was das für eine unbekannte Tablette ist, die Sie in der Medikamentenbox vorfinden. Falls eine gezielte Antibiose unvermeidbar ist, bitten Sie um eine probiotische Nachbehandlung. Bei der probiotischen Nachbehandlung erhält der Patient gefriergetrocknete "gute" Bakterien in Kapselform, die sich in dem Darm neu ansiedeln (z.B. lactobacillus casei). Notfalls besorgen Sie sich Probiotika in der Apotheke und verabreichen diese selbst. Probiotika gibt es in vielen Arten und sie sind recht preiswert.         

Die präventive Antiobiotikagabe wird auch oft zu kurz durchgeführt. Wirkt das Antibiotikum zu kurz ein, können sich Bakterien dem Zellgift entziehen oder einige überleben schlicht die kurze "Giftdusche". Abschließend sind diese gegen das eingesetzte Antibiotikum immun. Diese immunen Bakterien vermehren sich und der Patient hat einen teilweise immunisierten, nunmehr noch gefährlicheren Keim in sich.  

Zusammenfassung:

Die Verhinderung einer MRSA-Infektion ist auch Patientensache. Hier sind die Angehörigen gefragt. Wer allein in der Klinik liegt und nicht von wachen Angehörigen regelmäßig besucht wird, hat sozusagen Pech gehabt. Er ist Keimübertragungen durch überfordertes Pflegepersonal oder unvorsichtige Besucher schutzlos ausgeliefert und hat ein deutlich höheres Risiko, an einem MRSA-Keim zu erkranken und damit seine Heilungschancen erheblich zu verschlechtern. Antibiotika sollten mit Bedacht eingesetzt werden. Einer Antibiose sollte zwingend eine Probiose folgen.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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