Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Ärzte dort tätig sein, wo sie für eine gute Versorgung gebraucht werden. Künftig soll eine Praxis in einem überversorgten Gebiet nur dann nachbesetzt werden, wenn dies für die Versorgung der Patienten auch sinnvoll ist. Diese Einzelfallentscheidung treffen Ärzte und Krankenkassen in den Zulassungsausschüssen vor Ort. Dazu soll im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes u.a. § 103 SGB V (Zulassungsbeschränkungen) geändert werden. Die Regelungen könnten die Nachbesetzung im überversorgten Bereich erschweren.

Um eine bessere geographische Verteilung der Vertragsärztinnen und -ärzte und eine
bessere Steuerung der Versorgung zu erreichen, werden die gesetzlichen Vorgaben zum Abbau von Überversorgung erweitert. Die bisherige - von den Zulassungsausschüssen kaum genutzte - „Kann“-Regelung in § 103 Absatz 3a SGB V, nach der die Zulassungsausschüsse den Antrag auf Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einem überversorgten Planungsbereich ablehnen können, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist, wird in eine „Soll“-Regelung überführt. Darüber hinaus werden die bisherigen Ausnahmeregelungen weiterentwickelt.

Aufgrund der geplanten Soll-Regelung haben die Zulassungsausschüsse nach wie vor die Möglichkeit, einem Antrag auf Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes auch in bedarfsplanungsrechtlich überversorgten Planungsbereichen zu entsprechen, wenn sie dies aus Versorgungsgründen für erforderlich halten. Versorgungsgründe für eine Nachbesetzung können beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn ein
besonderer lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf besteht oder ein Arztsitz einer speziellen Fachrichtung weiterhin benötigt wird. Weitere Versorgungsgründe sind denkbar. Dabei können auch Mitversorgungsaspekte, Versorgungsbedürfnisse von Menschen mit Behinderung oder der Erhalt des besonderen Versorgungsangebots eines Medizinischen Versorgungszentrums oder einer Berufsausübungsgemeinschaft eine Rolle spielen.

Gleichzeitig werden die bestehenden Ausnahme-Regelungen ergänzt: So wird zur Sicherstellung einer besseren Verteilung der Ärztinnen und Ärzte in einem Planungsbereich eine Ausnahmereglung für solche Ärztinnen und Ärzte geschaffen, die sich verpflichten, den zur Nachbesetzung anstehenden Vertragsarztsitz in ein schlechter versorgtes Gebiet des selben Planungsbereichs zu verlegen.

Die Möglichkeit des Zulassungsausschusses, einen Antrag auf Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes abzulehnen, ist nach geltendem Recht ausgeschlossen, wenn die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 5 und 6 genannten Personenkreis angehört. Hierdurch wird einerseits dem familiären Interesse des Praxisinhabers an der Weitergabe der Praxis an seine Kinder, den Ehegatten oder den Lebenspartner Rechnung getragen (Nummer 5). Andererseits wird verhindert,
dass Ärztinnen und Ärzte, mit denen die ausscheidende Vertragsärztin bzw. der ausscheidende Vertragsarzt zuvor gemeinsam tätig war, gezwungen werden, ggf. ihre vertragsärztliche Tätigkeit in der Praxis aufzugeben (Nummer 6).

Die im neuen Satz 4 getroffene Regelung soll verhindern, dass Vertragsärztinnen und Vertragsärzte die Regelungen zum Abbau von Überversorgung durch ein nur kurzzeitiges Anstellungs- oder Jobsharing-Verhältnis umgehen. Die Ablehnung eines Nachbesetzungsantrages bei Bewerbern nach Nummer 6 ist künftig daher nur noch dann ausgeschlossen, wenn zuvor eine längerfristige (mindestens dreijährige) gemeinsame Zusammenarbeit in der Praxis erfolgt ist. Die Regelung gilt aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht für Anstellungsverhältnisse bzw. gemeinschaftliche Praxisbetriebe, die vor der 1. Lesung dieses Gesetzes im Deutschen Bundestag begründet wurden (Satz 5 neu). Die für die Nachbesetzung einer Praxis durch Ehegatten, Lebenspartner oder Kinder des bisherigen Praxisinhabers geltenden Privilegierungen (Nummer 5) bleiben hingegen unberührt.

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, Pressemitteilung vom 17.12.2014

Anmerkung:

Da die Zulassungsausschüsse nun gehalten sein werden, Arztsitze in überversorgten Gebieten zu beseitigen anstatt sie nachzubesetzen, wird nun vermehrt Streit um die Frage entbrennen, wann eine Nachbesetzung (gleichwohl) erforderlich ist. Dies soll der Fall sein, wenn Versorgungsgründe für eine Nachbesetzung bestehen, sprich z.B. wenn ein besonderer lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf besteht oder ein Arztsitz einer speziellen Fachrichtung weiterhin benötigt wird. Über die Auslegung dieser Begriffe wird sicher heftig gestritten werden. Das "Schlupfloch" der gemeinsamen Tätigkeit zwischen Veräußerter und Erwerber der Zulassung soll dadurch gestopft werden, dass ein nur kurzzeitiges Anstellungs- oder Jobsharing-Verhältnis nicht ausreicht. Der Gesetzgeber will hier eine Drei-Jahres-Grenze ziehen: Erst wenn der Erwerber zuvor drei Jahre mit dem Veräußerer gemeinsam tätig war, kommt er in den Genuss der Privilegierung. Es soll aber Übergangsregelungen geben, um den Vertrauensschutz zu gewährleiten.

Die Nachfolgeplanung wird damit komplizierter. Mehr denn je wird eine längerfristige gemeinsame Arbeit zwischen Abgeber und Erwerber relevant sein.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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