Niedergelassene Ärzte in Bayern werden seit Herbst letzten Jahres in großer Zahl zum Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetruges im Zusammenhang mit der Abrechnung fremder Laborleistungen als eigene. Teilweise ist es bereits zu Durchsuchungen und Beschlagnahmen gekommen.

Zum Hintergrund:

Nachdem die Staatsanwaltschaft ein medizinisches Labor in Augsburg durchsucht hat werden nun Ermittlungen gegen rund 1.300 bayrische Ärzte geführt, die zwischen 2007 und 2013 Proben in diesem Labor untersuchen ließen. In diesem Zusammenhang fragt die Süddeutsche Zeitung: Hat die Staatsanwaltschaft Einfluss genommen, um Ärzte zu schützen, die von einem betrügerischen Abrechnungssystem rund um den Laborunternehmer Schottdorf profitiert haben sollen? Im bayrischen Landtag spricht man von einem "Sumpf". Der Vorwurf lautet, die Ärzte hätten die dort untersuchten Proben gegenüber ihren Patienten als von ihnen selbst untersuchte Proben abgerechnet. Mit anderen Worten sollen sie also Leistungen abgerechnet haben, die sie selbst gar nicht erbracht haben.

Dies ist aus Sicht des Bundesgerichtshofes ein Fall des ärztlichen Abrechnungsbetruges, der nach § 263 StGB strafbar ist (Beschluss des BGH vom 25.01.2012, Az.: 1 StR 45/11). Nachdem sich die Ermittlungsbehörden vermehrt dem Vorwurf ausgesetzt sahen, Ärzte "laufen gelassen" zu haben, ermitteln die Staatsanwaltschaften nun mit Hochdruck. Seit Herbst 2014 hat eine der drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften in München für Medizinstrafrecht Ermittlungen aufgenommen.

Mittlerweile melden sich hier immer mehr betroffene Ärzte, die von der Polizei über laufende Ermittlungen informiert wurden (Betreff: "Strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen, Abrechnung von nicht selbst erbrachten M III und M IV Laborleistungen").

Der Schaden für die Versichertengemeinschaft, der auch durch das mehrfache Abrechnen nur einmal erbrachter und gar nicht erforderlicher Laborleistungen entstanden sein soll, wird auf rund 7 Millionen Euro geschätzt. Justizminister Winfried Bausback (CSU) hat Anfang Oktober Schwerpunktstaatsanwaltschaften in München, Nürnberg und Hof eingerichtet. Um Abrechnungsbetrug aufzudecken sei in "besonderem Maße spezifisches Fachwissen und Erfahrung von Nöten", erklärte ein Ministeriumssprecher. Die Kassenärztliche Vereinigung, die schon seit längerem die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften fordert, begrüßt den Einsatz.

Da die Laborleistung allerdings technisch einwandfrei erbracht ist, stellt sich die Frage, inwiefern dem Patienten tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Der BGH ist in der o.g. Entscheidung allerdings strikt: Einen Honoraranspruch nach GOÄ hätte danach nur der Laborarzt, der die Untersuchung durchgeführt hat, nicht dagegen der abrechnende Arzt. Obgleich es Stimmen in der Anwaltschaft gibt, die diese Rechtsprechung kritisieren, erscheint es wenig aussichtsreich, sich im Rahmen einer Verteidigung gegen den BGH zu stellen und darauf zu pochen, dass kein Schaden entstanden sei. Dies würde erst Sinn machen, wenn der BGH selbst von seiner Linie abrückte, was aber nicht zu erwarten ist.

Die Verurteilung eines Arztes wegen Abrechnungsbetruges kann zu Zulassungsentziehung, Approbationsentzug, Honorarrückforderungen und Geldbuße bzw. Haft führen. Schon die laufenden Ermittlungen können den betroffenen Ärzten massive wirtschaftliche Schäden verursachen und die ärztliche Reputation nachhaltig schädigen. Aus der eigenen Praxis sind Fälle bekannt, in denen die Ermittlungsbehörden durch intensive Befragungen der Patienten des Arztes und unter Berufskollegen der Ärzte schwere Rufschäden verursacht wurden. Insofern ist in Ermittlungsverfahren gegen Ärzte ein besonderes Verteidigungsverfahren erforderlich.

Naturgemäß geraten alle Ärzte, die Proben in dem betroffenen Labor untersuchen ließen, in das Visier der Ermittlungsbehörden. Die betroffenen Ärzte sollten sich auf Durchsuchungen und Befragungen einstellen und Maßnahmen treffen, um den Betrieb ihrer Praxis fortzuführen, auch wenn alle Behandlungsunterlagen und Computer beschlagnahmt wurden.

Zum Thema:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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