(17.4.2008) Die allgemeinen Regelungen zum Dienst- oder Werkvertrag gelten auch für die zahnärztlichen Tätigkeit, so dass die Beurteilung des Mangels einer prothetischen Versorgung dem werkvertraglichen Element mit der Folge zuzuordnen ist, dass die Nachbesserung § 634 BGB unterfällt und Schadensersatz unter den Voraussetzungen des § 281 BGB zu leisten ist. Trotz der Besonderheit des Arzt-Patienten-Verhältnisse ist es dem Patienten grundsätzlich zumutbar, die Nachbesserung zu dulden und an ihr mitzuwirken (OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. Februar 2007 (Az: 7 U 224/06)

Der Sachverhalt:

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Rückzahlung des Zahnarzthonorars, weil dieser angeblich eine Oberkieferbrücke behandlungsfehlerhaft erstellt und eingesetzt hat, ferner Schmerzensgeld und die Feststellung, dass er für die Mehrkosten der angeblich erforderlichen Neueingliederung einer Brücke haftet. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 EUR zugesprochen, weil der Beklagte bei der Fertigung der Brücke die Interdentalräume zwischen den Zähnen 14, 15 und 17 so schmal gestaltet hat, dass die Klägerin über einen Zeitraum von ca. 1 1/2 Jahren die Reinigung nicht richtig hat vornehmen können, woraufhin eine Paradontitis auftrat. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil die Voraussetzungen für eine Schadensersatzforderung mangels Fristsetzung zur Nachbesserung nicht vorlägen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren

Feststellungsantrag und den Rückzahlungsanspruch in vollem Umfang, den Schmerzensgeldanspruch nur noch in Höhe von weiteren 1.500,00 EUR weiterverfolgt. Sie greift die Annahme des Landgerichts an, eine Nachbesserung der Prothetik sei ihr zumutbar gewesen und der Beklagte habe eine solche Nachbesserung auch nicht endgültig verweigert. Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Originalkrankenunterlagen Bezug genommen.

Die Begründung:

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die weitergehende Klage abgewiesen. Das Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrundezulegenden Feststellungen eine anderweitige Entscheidung, § 513 ZPO.

1.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass eine Nachbesserung der Brücke durch den Beklagten der Klägerin zumutbar gewesen ist. Dabei hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Würdigung des Sachverständigen übernommen, sondern eine eigenständige Bewertung der Zumutbarkeit, die eine juristische Würdigung beinhaltet, vorgenommen. Dafür bedurfte es jedoch zunächst der sachverständigen Beratung, welche Maßnahmen erforderlich waren, um die Interdentalzwischenräume zu vergrößern. Dazu hat der Sachverständige auch für den Senat überzeugend ausgeführt, es bedürfe lediglich geringer Schleifarbeiten mittels eines Diamantschleifers und sodann einer Nachpolitur in den Zahnzwischenräumen. Da es sich nur um den Bereich von drei Zähnen handelte, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, warum diese Nacharbeiten der Klägerin nicht zuzumuten gewesen wären.

Bereits der Ansatz der Klägerin, wegen der Besonderheiten des Verhältnisses von Patient und Zahnarzt sowie der Eigenart der Dienst-/Werkleistung, dass die Maßnahmen in der Mundhöhle des Patienten vorzunehmen sind, sei die Zumutbarkeit der Nachbesserung von vorn herein nur beschränkt gegeben, ist so nicht zutreffend. Grundsätzlich gelten auch insoweit die allgemeinen Regelungen zum Dienst- oder Werkvertrag, je nachdem, welcher Bereich der zahnärztlichen Tätigkeit durch den Mangel betroffen ist. Hier ist die Gestaltung der Interdentalzwischenräume dem werkvertraglichen Element der Prothetik zuzuordnen, so dass die Beurteilung des Mangels und der Nachbesserung § 634 BGB unterfällt und Schadensersatz unter den Voraussetzungen des § 281 BGB zu leisten ist. Bereits zu § 634 BGB a.F. hat die Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass der Patient grundsätzlich die Nachbesserung des Werks zu dulden und an ihr mitzuwirken hat, soweit ihm dies nicht ausnahmsweise unzumutbar ist (vgl. nur Senatsurteil vom 25.02.1994 - 7 U 104/91, S. 26; OLG Oldenburg OLGR 1997, 153, 154; OLG München VersR 1995, 1103, 1104 [OLG München 14.07.1994 - 1 U 7018/93]; OLG Frankfurt OLGR 2005, 566 Tz. 27). Insoweit erforderte die Beurteilung eine Einzelfallabwägung, wie sie auch bei anderen Werkverträgen erfolgte. Daran hat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nichts geändert. Gem. § 281 Abs. 2, 2. Alt BGB ist eine sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanpruch nur möglich, wenn ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die das rechtfertigen. Auch nach dieser Regelung hat daher der Besteller, hier die Klägerin als Patientin, grundsätzlich die Nachbesserung zu dulden und an ihr mitzuwirken. Solche besonderen Umstände liegen hier - wie oben festgestellt – nicht vor.

Daran ändert auch die lange Dauer des Beweisverfahrens nichts. Die dort von der Klägerin behaupteten Fehler haben sich bis auf den vom Landgericht noch festgestellten relativ geringfügigen Mangel nicht bestätigt. Dann aber kann der auf die Vielzahl der Mängel und die zeitraubende Begutachtung gegründete Vertrauensverlust der Klägerin nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Auch der Umstand, dass der Sachverständige die Arbeiten für einen Nachbehandler für nicht zumutbar gehalten hat, hat mit der Zumutbarkeit für die Klägerin nichts zu tun. Dabei geht es allein um die (rechtlich nicht uneingeschränkt richtige) Auffassung des Sachverständigen, dass der Nachbehandler durch seine Tätigkeit die Verantwortung für den Zahnersatz übernimmt und damit auch das Risiko eines Fehlschlagens trägt, was diesem angesichts der komplexen Brückenkonstruktion nicht zumutbar sei.

2.

Das Landgericht hat nach umfangreicher Beweisaufnahme und auch den Senat überzeugender Beweiswürdigung, auf die verwiesen wird, angenommen, dass der Beklagte die Nachbesserung im Termin vom 29.04.2005 nicht ernsthaft und endgültig verweigert hat (§ 281 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB). Auch wenn der Beklagte in diesem Termin nach wie vor die fehlende Reinigungsfähigkeit der Brücke bestritten und deshalb vorgeschlagen hat, es zunächst mit zwei professionellen Zahnreinigungen und der Reinigung durch Interdentalbürsten durch die Klägerin selbst zu versuchen, kann darin keine Weigerung nachzubessern gesehen werden. Die Zeugin E. hat dazu ausgeführt, man habe der Klägerin gezeigt, dass die Brücke mit Interdentalbürsten zu reinigen sei. Dies widerspricht auch nicht dem Sachverständigengutachten. Dieser hat in seiner Anhörung klargestellt, dass die Reinigung zwar möglich, aber deutlich erschwert gewesen sei. Angesichts des Verlaufs dieses Termins, in dem der Klägerin gezeigt wurde, wie die Prothese zu reinigen ist, ist die Aussage der Zeugin E. , die per se nicht unlaubwürdiger ist als der Zeuge F. , der sich an den Termin auch nicht recht erinnern konnte, plausibel, der Beklagte habe der Klägerin vorgeschlagen, erstmal alles auf sich zukommen zu lassen und das mit der Reinigung erst einmal zu versuchen. Dem hat die Klägerin auch nach den Angaben des Zeugen F. nicht dezidiert widersprochen. Vielmehr habe die Klägerin ihm gegenüber später geäußert, damit sei das Problem, dass die Brücke nicht richtig sitze, nicht gelöst. Der Sitz der Brücke war aber nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu beanstanden. Offensichtlich war für die Klägerin aber dennoch die allgemeine Unzufriedenheit mit der Brücke auch bei dem "Nachbesserungstermin" das eigentliche Problem, das beseitigt werden sollte. Angesichts des Verlaufs des Termin hätte daher die anwaltlich beratene Klägerin dem Beklagten, wenn sie dessen Vorschlag ablehnen wollte, eine Frist zur Nachbesserung der Interdentalzwischenräume setzen müssen.

3.

Nach alldem kommt es nicht mehr darauf an, dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung des Honorars nicht vorliegen. Nach herrschender Rechtsprechung ist ein Fortfall des Honoraranspruchs nur anzunehmen, wenn und soweit wegen eines schuldhaften Behandlungsfehlers die zahnärztliche Leistung für den Patienten kein Interesse mehr hat. Dies wird dogmatisch unterschiedlich begründet (vgl. nur OLG Hamm, Urteil vom 02.11.2005 - 3 U 290/04 - Textziff. 13 mit zahlreichen Nachweisen). Eine Verwirkung der Honoraranspruchs wird nur bei groben regelmäßig vorsätzlichen und strafbaren Pflichtverletzungen angenommen, die hier überhaupt nicht in Betracht kommen (OLG München, VersR 1996, 233 [OLG München 04.08.1994 - 4 U 752/94]). Von einer vollständig unbrauchbaren Zahnprothetik kann angesichts der nur erschwerten Reinigung dreier Interdentalräume in der großen Brückenkonstruktion nicht die Rede sein. Es kommt daher auch nicht darauf an, dass das zurückgeforderte Honorar nicht nur Leistungen zur Brückenversorgung im rechten Oberkiefer enthält. So betrifft die Rechnung vom 27.03.2003 ausschließlich den Zahn 46, und in der Rechnung vom 21.11.2002 sind erhebliche Leistungen enthalten, die weder beanstandet werden noch sonst unnötig gewesen wären (wie die Behandlung der Mundschleimhaut, die Eröffnung des Abzesses, die Extraktion der Zähne etc.)

4.

Auch die Bemessung des Schmerzensgeldes mit 1.500,00 EUR für die erlittenen Schmerzen durch die Paradontitis im schwer zu reinigenden Bereich der Zähne 14, 15 und 17, weist jedenfalls keine Fehler zu Lasten der Klägerin auf. Auf die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils wird verwiesen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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