Es kann behandlungsfehlerhaft sein, wenn ein Krankenhaus bei einer komplexen, fachgebietsübergreifenden Operation darauf verzichtet, einen dafür erforderlichen Spezialisten in sein Operationsteam aufzunehmen. Darauf weist Kollege Mathias Dumbs in seinem Aufsatz in der ZMGR 1/2014 (S. 15 - 21) hin.

Im vorliegenden Fall verzichtete die Klinik, die einen Tumor operativ entfernen lassen wollte, darauf einen Viszeralchirurgen, d.h. einen Spezialisten für Operrationen an den Eingeweiden mit in das Operationsteam aufzunehmen. Dies war aber erforderlich, weil der Tumor mit dem Darm verwachsen war. Stattdessen war (nur) ein plastischer Chirurg anwesend. Bei der Operation kam es zu starken Blutungen, als das Team versuchte, den Tumor vom Darm abzulösen. Die Operation musste ohne Ergebnis abgebrochen werden. Nicht einmal eine histologische Sicherung einer Gewebeprobe des Tumors erfolgte. Die Ärzte befürworteten dann eine Chemotherapie, die aber wegen des Fehlens einer Histologie wenig erfolgversprechend gewesen wäre. Die Patientin entschloss sich daher zu einem Behandlerwechsel.

Erst die operative Behandlung in einem anderen Krankenhaus unter Hinzuziehung eines entsprechenden Spezialisten führte zu der erfolgreichen Entfernung des Tumors.

Im Ergebnis kam es in der Verhandlung vor dem Landgericht Freiburg (AZ.: 6 O 480/10) am 8.2.2012 zu einem Vergleich, wonach die Beklagten der Klägerin ein Schmerzensgeld von EUR 6.250,00 für die nutzlose Operation und die damit verbundenen Sorgen um ihre Gesundheit zahlten.

Das Gericht hat also über die Frage des Behandlungsfehlers nicht entschieden. Gleichwohl weist Kollege Dumbs in seinem lesenswerten Aufsatz darauf hin, dass hier ein Behandlungsfehler bereits darin liege, dass entgegen der Erklärungen zweier medizinischer Fachgesellschaften ohne Hinzuziehung eines Viszeralchirurgen operiert wurde.  

Es bleibt anzumerken, dass sich die vom Gericht hinzugerufenen Sachverständigen oftmals nonchalant über die Erklärungen von Fachgesellschaften hinwegsetzen und das die Gerichte dies auch oftmals akzeptieren. Durch Berufung auf einen Verstoß gegen die "Anweisungen" einer Fachgesellschaft lässt sich also nicht ohne weiteres zu einem Behandlungsfehler kommen. Die Erklärungen der Fachgesellschaften haben daher mehr den Charakter einer "Richtschnur" aus Sicht vieler Gerichtsgutachter. Allerdings liefern die Erklärungen der Fachgesellschaften gute Munition für einen Vergleich, so wie es auch hier der Fall war.

Meiner Ansicht nach ist damit eine neue Arzthaftungskategorie "unvollständiges Operationsteam" noch nicht geboren. Es bleibt abzuwarten, ob es dazu in der Zukunft Urteile geben wird. Wie der Kollege Dumbs aufzeigt, gibt es zu der Fragestellung bisher noch keine Urteile. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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