Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist unwirksam, wenn der aus der Gemeinschaftspraxis ausscheidende Arzt, der die eingebrachte Zulassung mitnimmt, im Rahmen der Auseinandersetzung keinen Abfindungsanspruch für den Patientenstamm (Goodwill) erhält (LG Heidelberg, Urteil vom 30. September 2013 · Az. 5 O 104/13).

Zum Anspruch auf Unterlassung ärztlicher Konkurrenztätigkeit nach dem Ausschluss eines Arztes aus einer Praxis-GbR

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Chirurgie in Form der GbR, deren Gesellschafterin die Beklagte ebenfalls bis 31.3.2013 war. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Unterlassung bestimmter ärztlicher Konkurrenz.

Die Klägerin wurde als ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft in Form der GbR von den inzwischen noch verbliebenen Gesellschaftern Dr. L. und Dr. B. am 2.1.2010 gegründet. Im Jahr 2011 wurde eine Aufnahme der Beklagten in die Berufsausübungsgemeinschaft bzw. die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft unter Einbeziehung der Beklagten in Aussicht genommen (Besprechungsprotokoll vom 21.4.2011, Anl. K 3). Die Beklagte, die zuvor als Klinikärztin tätig war, sollte hierfür einen hälftigen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag (Kassenzulassung bzw. Vertragsarztsitz) erlangen und in die Berufsausübungsgemeinschaft einbringen. Zu diesem Zweck wurde die Beklagte - auf Vermittlung der Gesellschafter der Klägerin - zunächst für die Zeit vom 1.4.2011 bis 30.9.2011 in eine Gemeinschaftspraxis mit dem Chirurgen M.C. aufgenommen mit dem Recht, bei Verlassen dieser Gemeinschaftspraxis einen hälftigen Vertragsarztsitz mitzunehmen; hierfür hatte die Beklagte aus eigenen Mitteln an Herrn C. 15.000 EUR zu zahlen. Der von der Beklagten erworbene und dann auch in die Berufsausübungsgemeinschaft eingebrachte Vertragsarztsitz ist beschränkt auf das Gebiet Mannheim-Stadt.

Wie vorgesehen wurde zum 1.10.2011 die ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft mit den Gesellschaftern Dr. L., Dr. B. und der Beklagten gegründet, und zwar auf der Basis zunächst eines Gesellschaftsvertrags vom 13.9.2011 (auszugsweise vorgelegt als Anl. K 2, K 23), sodann jedoch ab 11.10.2011 auf der Grundlage des modifizierten Gesellschaftsvertrags (im folgenden: GV) vom selben Datum (Anl. K 7). Wegen der Einzelheiten der Vertragsbestimmungen wird auf die Anl. K 7 Bezug genommen, insbesondere auf §§ 4, 12, 14 Abs. 2 und 5, 19 Abs. 18 GV. Nach § 14 Abs. 2 und 5 hatten die Gesellschafter Dr. L. und Dr. B. während einer Probezeit bis 30.9.2013 das Recht, die Beklagte mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres auszuschließen, ohne dass hierfür ein besonderer Kündigungsgrund vorliegen müsste. Nach § 19 Abs. 18 galt für den Fall des Ausscheidens der Beklagten während der Probezeit, dass diese entweder bei Zurücklassen ihres hälftigen Vertragsarztsitzes gegen eine pauschale Abfindung von 15.000 EUR oder bei Mitnahme ihres hälftigen Vertragsarztsitzes ohne Abfindung ausscheidet. In jedem Fall sollte es ihr untersagt sein, sich innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren gerechnet von ihrem Ausscheiden an innerhalb eines Radius von fünf Kilometern Luftlinie um den Standort R., ... Mannheim niederzulassen oder sich in einem MVZ oder bei einem anderen Arzt / einer anderen Gemeinschaftspraxis anstellen zu lassen (§ 19 Abs. 18.2, 18.3 GV). Wie vorgesehen brachte die Beklagte ihren hälftigen Vertragsarztsitz ein. Weiteres Kapital brachte die Beklagte nicht ein, sie wurde zunächst auch nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt (§ 4 GV).

Die Berufsausübungsgemeinschaft wurde alsbald über den ursprünglichen Standort R. hinaus ausgedehnt auf einen zweiten Standort in der L-Str., jeweils in Mannheim (Genehmigung des Zulassungsausschusses vom 2.11.2011, Anl. B 1a).

Im zweiten Halbjahr 2012 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den heute verbliebenen Gesellschaftern und der Beklagten, unter anderem wegen einer von den heute verbliebenen Gesellschaftern beklagten finanziellen Schieflage. Die heute verbliebenen Gesellschafter verlangten im November 2012 eine rückwirkende Deckelung des der Beklagten zustehenden Gewinnanteils auf 6.000 EUR monatlich. Im folgenden kam es zu einem Schriftwechsel (Anl. K 9, K 10, B 3). Die heute verbliebenen Gesellschafter Dr. L. und Dr. B. beschlossen am 21.12.2012 den Ausschluss der Beklagten aus der ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft zum 1.4.2013 (Anl. B 4). Die Beklagte nahm beim Ausscheiden ihren hälftigen Vertragsarztsitz mit und vertrat jedoch den Standpunkt, dass das vereinbarte Konkurrenzverbot unwirksam sei (Anwaltsschreiben vom 28.12.2012, Anl. K 12); außerdem erklärte sie die Anfechtung des Gesellschaftsvertrages wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, die Klägervertreterin habe bei Entwurf des Gesellschaftsvertrages gegen das berufsrechtliche Verbot der Mehrfachvertretung und das strafrechtliche Verbot des Parteiverrats verstoßen (Anwaltsschreiben vom 5.4.2013, Anl. B 7).

Die Beklagte beabsichtigte zunächst, ihre ärztliche Tätigkeit in der Tagesklinik G. - die sich ebenso wie die Zweigstelle der Klägerin in der L-Str. in Mannheim befindet - aufzunehmen. Die Klägerin forderte sie zur Unterlassung auf (Anl. K 14) und intervenierte sodann erfolgreich beim Vermieter. Jedenfalls seit Juni 2013 übt die Beklagte ihre ärztliche Tätigkeit als Fachärztin für Chirurgie in einer eigenen Praxis in der E-Str. in Mannheim aus. Dieser Standort befindet sich in ca. 2 km Entfernung (Luftlinie) vom Standort der Klägerin am R.. Die Beklagte versandte in diesem Zusammenhang an ehemalige Patienten und andere Personen in streitigem Umfang Postkarten mit Hinweis auf diese neue Praxis (Anl. K 23).

Der Kläger hält das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot für wirksam und begehrt deshalb von der Beklagten Unterlassung. Das Wettbewerbsverbot sei sachlich gerechtfertigt, obwohl die Beklagte keine Abfindung bei ihrem Ausscheiden erhalten habe. Denn sie habe sich am Vermögen der Klägerin nicht beteiligt und auch nicht nachhaltig am Aufbau eines immateriellen Wertes mitgewirkt; hiervon könne erst nach ca. drei Jahren Praxistätigkeit ausgegangen werden. Mit Ausnahme von etwa zehn Patienten, die die Klägerin von der Gemeinschaftspraxis mit Herrn C. mitgebracht habe, seien sämtliche von der Beklagten bei der Klägerin behandelten Patienten aufgrund des bereits langjährig bestehenden ausgezeichneten Rufes der Klägerin und ihrer heute noch verbliebenen Gesellschafter gekommen. Die Beklagte könne ihre ärztliche Tätigkeit auch unter dem Konkurrenzverbot fortführen, etwa in den außerhalb der Zone liegenden Stadtteilen von Mannheim.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, sich in einem Umkreis von 5 km Luftlinie um den Standort R., ... Mannheim, als Fachärztin für Chirurgie niederzulassen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, die Patientendaten der Gemeinschaftspraxis Dres. L. / B., insbesondere die Patientenadressen, zum Zweck der Abwerbung von Patienten, z.B. im Wege der Versendung von Postkarten, Praxisflyern und vergleichbaren Werbemitteln, zu verwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die ordnungsgemäße Vertretung der Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte. Sie trägt vor, die Prozessbevollmächtigte habe sich der Vertretung widerstreitender Interessen schuldig gemacht, weil sie bei Entwurf des Gesellschaftsvertrages für sämtliche künftigen Gesellschafter, also auch für die Beklagte, anwaltlich tätig gewesen sei, nunmehr aber im Auftrag der Klägerin gegen die Beklagte vorgehe. Wegen des Zu-Stande-Kommens des Gesellschaftsvertrages unter Verstoß gegen Berufsrecht sei der Gesellschaftsvertrag von der Beklagten auch wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden. Die Beklagte habe mit großem Einsatz den Standort der Klägerin in der L-Str. aufgebaut; dieser sei ohne die Tätigkeit der Beklagten und ihren hälftigen Vertragsarztsitz nicht realisierbar gewesen. Von der Beklagten seien mehr als 1.000 neue Patienten behandelt worden, die zuvor nicht Patienten der Klägerin gewesen seien. Die Beklagte habe somit den Goodwill der Gemeinschaftspraxis mit aufgebaut. Die ursprünglich vorgesehene Gewinnverteilung des Gesellschaftsvertrages sei unfair gewesen. Die Gesellschafter Dr. L. und Dr. B. hätten sich vertragswidrig und treuwidrig verhalten, indem sie vor dem in § 12 Abs. 13 GV vorgesehenen Zeitpunkt von der Beklagten die Deckelung ihrer Gewinnbeteiligung verlangt hätten. Die Beklagte meint, das im Gesellschaftsvertrag niedergelegte Konkurrenzverbot sei unwirksam. Es sei in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht übermäßig. Die Auferlegung eines Wettbewerbsverbotes ohne Entschädigung der Beklagten für den good will, welchen die Beklagte mit aufgebaut habe, sei unzulässig. Eine Verlegung ihres hälftigen Vertragsarztsitzes an einen anderen Praxisstandort außerhalb der Konkurrenzschutzzone sei der Beklagten nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachvortrag und zur Argumentation der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anl. Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin nach § 78 ZPO ordnungsgemäß durch eine Rechtsanwältin als Prozessbevollmächtigte vertreten. Insoweit bedarf es keiner Klärung und Entscheidung der Frage, ob der Vorwurf der Beklagten, es liege eine Vertretung widerstreitender Interessen vor, zutrifft. Denn ein etwaiger Verstoß des Rechtsanwalts gegen § 43a Abs. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung berührt ohnehin nicht die Wirksamkeit der ihm erteilten Prozessvollmacht und der von ihm namens der Partei vorgenommenen Prozesshandlungen (BGH NJW-RR 2010, 67).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

1) Zu Klageantrag Ziff. 1:

Die Klägerin stützt ihre Unterlassungsklage auf § 19 Abs. 18.3 des Gesellschaftsvertrages. Zweifelsfrei verstößt die Beklagte auch gegen die dort niedergelegte Unterlassungsverpflichtung, indem sie in einer Entfernung von 2 km (Luftlinie) vom Standort R. eine Praxis als niedergelassene Fachärztin für Chirurgie betreibt. Allerdings gilt dies nur für die Zeit bis 31.3.2015, weshalb der zeitlich unbeschränkte Klageantrag zu weit gefasst ist. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die im Gesellschaftsvertrag niedergelegte Unterlassungsverpflichtung ohnehin gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Denn sie schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Beklagten in unverhältnismäßiger Weise ein.

a) Dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote nach den genannten Vorschriften unwirksam sind, wenn sie das räumlich, zeitlich und gegenständlich notwendige Maß überschreiten, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH NJW 2000, 2584; BGH NJW-RR 1996, 741). Ihre Rechtfertigung finden sie allein darin, die Partner des ausgeschiedenen Gesellschafters vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit oder vor einem Missbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit zu schützen. Dagegen darf ein solches Wettbewerbsverbot rechtlich nicht dazu eingesetzt werden, den ehemaligen Partner als potenziellen Wettbewerber auszuschalten (BGH NJW 2000, 3584). Die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des ausscheidenden Gesellschafters ist mit dem ebenfalls grundrechtlich nach Art. 12 Abs. 1 GG und möglicherweise auch nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (vgl. BGH NJW 2002, 3538) geschützten Interesse der verbleibenden Gesellschafter an Erhalt und Weiterführung der Gemeinschaftspraxis durch Herstellung praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen (BGH a. a. O.).

b) Die somit gebotene Abwägung führt nach Überzeugung des Gerichts zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung der ärztlichen Berufsausübungsfreiheit der Beklagten nicht durch schutzwürdige Interessen der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafter gerechtfertigt werden kann und deshalb übermäßig ist. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

Ausgangspunkt der Überlegungen muss die Frage nach einer möglicherweise illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit sein. Im vorliegenden Fall einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis besteht der immaterielle Wert, der good will, in erster Linie aus Patientenbindungen und Verbindungen zu den so genannten ärztlichen Zuweisern, also zu Haus- oder Fachärzten, die Patienten an die Gemeinschaftspraxis überweisen. Diese Bindungen wiederum beruhen auf dem ärztlichen Ruf der Praxis, beruhen also auf positiven Erfahrungen von Patienten und Zuweisern mit der ärztlichen Behandlung in der Gemeinschaftspraxis einschließlich des Service und der Betreuung durch Ärzte und Personal.

Wenn die Beklagte in räumlicher Nähe der Gemeinschaftspraxis erneut fachärztliche chirurgische Leistungen anbietet, besteht die Möglichkeit, dass sowohl Patienten als auch ärztliche Zuweiser, die bisher an die Gemeinschaftspraxis gebunden waren, nunmehr der Beklagten als ehemaligem Mitglied dieser Gemeinschaftspraxis folgen. Da ärztliche Behandlung regelmäßig in Wohnortnähe wahrgenommen wird, ist diese Gefahr umso größer, je geringer der räumliche Abstand der neuen ärztlichen Tätigkeit der Beklagten zum Standort der Klägerin ist. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand sinkt dann jedoch wieder die Gefahr, dass Patienten oder ärztliche Zuweiser eine gedankliche Verbindung zwischen der Beklagten und der Klägerin herstellen. Dem Anliegen der Klägerin, ihren good will vor Ausnutzung durch die Beklagte zu schützen; wird somit grundsätzlich durch das räumlich und zeitlich begrenzte Wettbewerbsverbot des GV Rechnung getragen.

Entscheidend ist sodann jedoch, ob ein solcher Schutz der Klägerin gegen Ausnutzung ihres good will gerechtfertigt ist. Dies würde nach der dargestellten Rechtsprechung voraussetzen, dass eine solche Ausnutzung seitens der Beklagten als illoyal anzusehen wäre.

Der Bundesgerichtshof (NJW 2000, 2584) hat entschieden, dass eine illoyale Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit vorliegen würde, wenn ein ausscheidender Gesellschafter eine Abfindung erhält, welche auch den Wert des good will umfasst, und sodann durch Konkurrenztätigkeit in zeitlicher, räumlicher und gegenständlicher Nähe zur Gesellschaft, insbesondere durch Mitnahme von Geschäftsbeziehungen, dennoch am gemeinsam aufgebauten good will partizipiert. In diesem Fall ist ein auf das notwendige Maß beschränktes nachvertragliches Wettbewerbsverbot gerechtfertigt. Dem ausscheidenden Gesellschafter muss nicht gestattet werden, sich zugleich für das Zurücklassen der immateriellen Werte entschädigen zu lassen und diese dennoch auszunutzen.

Diese Konstellation ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. Denn die Beklagte hat dafür, dass die immateriellen Werte, der so genannte good will, bei der Klägerin verbleibt, keine Abfindung erhalten. Sie hat zwar den hälftigen Vertragsarztsitz beim Ausscheiden mitgenommen, dieser war jedoch von ihr eingebracht. Sie hat mithin beim Ausscheiden aus der Gesellschaft nichts mitgenommen oder erhalten, was nicht auch ursprünglich von ihr eingebracht wurde.

Die Klägerin verkennt dies nicht und argumentiert dahin gehend, dass der immaterielle Wert der Klägerin nicht oder jedenfalls nicht nennenswert auf der Leistung und Tätigkeit der Beklagten beruhe und es deshalb auch ohne Zahlung einer Abfindung illoyal wäre, wenn die Beklagte nach Ausscheiden an diesem immateriellen Wert partizipieren könne, insbesondere durch Mitnahme von Patienten. Insoweit hält das Gericht indessen die Argumentation der Klägerin für widersprüchlich. Die Klägerin befürchtet, dass Patienten zur Beklagten abwandern könnten (AS 165), meint aber andererseits, dass die Beklagte keinen Anteil am immateriellen Wert der Praxis habe, weil praktisch sämtliche von ihr behandelten Patienten ausschließlich wegen des ausgezeichneten Rufs der bereits zuvor bestehenden Gemeinschaftspraxis Dr. L. / Dr. B. gekommen seien (AS 29). Die Befürchtung eines Abwanderns von Patienten kann nach Ansicht des Gerichts jedoch nur dann begründet sein, wenn eine Patientenbindung zur Beklagten entstanden ist, weil Patienten mit deren Behandlung zufrieden waren, oder wenn entsprechende Zufriedenheit bei ärztlichen Zuweisern eingetreten ist. Ist dies jedoch der Fall, so hat die Beklagte durch ihre Tätigkeit auch einen gewissen Anteil an Bestand und Fortentwicklung dieser Bindungen geleistet, der nunmehr bestehende good will beruht zu einem gewissen Anteil auch auf ihrer Tätigkeit. Wenn sie diesen zurücklassen müsste, ohne hierfür entschädigt zu werden, würde sie illoyal benachteiligt. Entweder es ist zutreffend, dass die Beklagte keinen oder nur in vernachlässigbarem Umfang Anteil am good will der Klägerin hat; dann ist aber auch eine Ausnutzung desselben durch die Beklagte nicht zu befürchten. Oder es bestehen doch schon nennenswerte Bindungen von Patienten und ärztlichen Zuweisern an die Beklagte, welche sie ausnutzen und mitnehmen kann; dann hat sie aber auch hierdurch zumindest in gewissem Umfang Anteil am immateriellen Wert der Klägerin und es wäre nicht zu rechtfertigen, dass sie diesen entschädigungslos zurücklassen müsste.

Bei der Abwägung kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass gerade während der Probezeit der Beklagten ihr jederzeitiger Ausschluss aus der Berufsausübungsgemeinschaft ohne Vorliegen von Gründen möglich war (§ 14 Abs. 2 und 5 GV). In Verbindung mit dem in § 19 Abs. 18 GV niedergelegten Konkurrenzverbot folgte hieraus für die Beklagte als neu eintretende Gesellschafterin die Gefahr, schon nach kürzester Zeit einer bezahlten Tätigkeit von weiterer ärztlicher Berufsausübung in einem großen Teil des Stadtgebiets von Mannheim entschädigungslos vorläufig ausgeschlossen zu werden, obwohl sie gerade erst durch nicht unerhebliche Eigenmittel einen Vertragsarztsitz für den Zulassungsbezirk Mannheim-Stadt erworben hatte. Letztendlich vom Gutdünken der übrigen Gesellschafter war deshalb nicht nur - was selbstverständlich für eine Probezeit unbedenklich ist - ihr Verbleiben in der Gemeinschaftspraxis, sondern darüber hinaus überhaupt ihre weitere ärztliche Tätigkeit in einem großen Teil des Stadtgebiets von Mannheim abhängig. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Verbot zeitlich auf zwei Jahre beschränkt ist. Denn diese Zeitspanne kann offenkundig nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise überbrückt werden; vielmehr muss die ärztliche Tätigkeit dann auf einen Standort außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Wettbewerbsverbots verlagert werden, und diese Verlagerung wird aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel auch dauerhaft sein. Der durch das Wettbewerbsverbot bezweckte Ausschluss der ärztlichen Tätigkeit für einen großen Teil des Stadtgebiets von Mannheim, namentlich die Kernstadt, ist auch keineswegs in räumlicher Hinsicht für die Beklagte unerheblich, weil sie gegebenenfalls andernorts oder in Außenbezirken tätig werden könnte. Selbstverständlich ist es Teil ihrer grundrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit, gerade auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Standort ihrer ärztlichen Tätigkeit zu wählen und hierbei die besonderen Chancen einer Innenstadtlage in der Großstadt Mannheim zu nutzen.

Diese schwerwiegenden Folgen für die Beklagte werden hier auch nicht durch eine Karenzentschädigung analog § 74 Abs. 2 HGB ausgeglichen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird mit guten Gründen vertreten, dass § 74 Abs. 2 HGB auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die in einem Gesellschaftsvertrag über eine ärztliche Gemeinschaftspraxis enthalten sind, analog anzuwenden ist (OLG Stuttgart, OLGR 1998, 275). Es kann offen bleiben, ob dem in voller Konsequenz - auch hinsichtlich der durch § 74 Abs. 2 HGB vorgegebenen Höhe der Entschädigung - zu folgen ist. Jedenfalls gilt aber, dass die Folgen des Wettbewerbsverbotes für die Berufsausübung der Beklagten besonders schwer wiegen, weil sie durch keinerlei Entschädigung abgemildert werden.

Insgesamt ist das Wettbewerbsverbot somit nicht gerechtfertigt, weil der Beklagten eine schwer wiegende Einschränkung ihrer ärztlichen Berufsausübung auferlegt wird, obwohl sie gerade nach der Argumentation der Klägerin allenfalls in geringfügiger Weise noch nachvertraglich am good will und damit am immateriellen Wert der Klägerin partizipieren kann, bzw., soweit Bindungen von Patienten und ärztlichen Zuweisern an die Beklagte doch erwachsen sein sollten, sie diesen auch auf ihrer Tätigkeit beruhenden Anteil am good will entschädigungslos zurücklassen müsste.

2) Zu Klageantrag Ziff. 2:

Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der im Klageantrag Ziff. 2 genannten Handlungen zu:

a) Eine Anspruchsgrundlage aus dem Gesellschaftsvertrag über die Berufsausübungsgemeinschaft ist nicht erkennbar. Insbesondere kann der Anspruch nicht als Annex aus dem Wettbewerbsverbot hergeleitet werden, da dieses, wie dargestellt, nicht wirksam ist. Aufgrund der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots ist auch die einschränkende Regelung über die Benachrichtigung von Patienten in § 19 Abs. 18.3 Satz 3 GV unwirksam; die dortigen Regelungen in den Sätzen 2 und 3 stehen in wechselseitigem Zusammenhang und können nicht isoliert bestehen bleiben (vgl. § 139 BGB).

b) Grundsätzlich kommt als Anspruchsgrundlage §§ 8 Abs. 1 und 3, 3 UWG in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitbewerber die Unterlassung unlauterer geschäftlicher Handlungen verlangen. Die Vorschrift erstreckt sich auch auf geschäftliche Handlungen von freiberuflich tätigen Personen, insbesondere auch von Ärzten (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 2 Rn. 29). Ein solcher Anspruch der Klägerin besteht aber deshalb nicht, weil die Beklagte keine unlautere geschäftliche Handlung vorgenommen hat und eine solche auch nicht droht.

i) Unstreitig hat die Beklagte zum Zweck der Bekanntmachung und Bewerbung Ihrer neu eröffneten Praxis die in Anlage K 23 abgebildeten Postkarten zumindest an Patienten verschickt, welche sie zuvor in der Gemeinschaftspraxis behandelt hatte. Dieses Vorgehen kann jedoch nicht als unlauter im Sinne des § 3 UWG angesehen werden.

Dass die Beklagte durch ihre Handlung gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hätte, was nach umstrittener Ansicht zur Einordnung als unlautere geschäftliche Handlungen nach § 4 Nr. 11 UWG führen würde (OLG Köln, CR 2011, 680; a. A. OLG München, GRUR-RR 2012, 395), ist nicht vorgetragen und behauptet.

Die Beklagte hat auch nicht gegen § 17 UWG verstoßen. Zwar sind Kundenlisten, auch selbstgefertigte, als Geschäftsgeheimnis in diesem Sinne zu werten (BGH NJW 2006, 3424). Die Beklagte war jedoch nicht eine bei der Klägerin beschäftigte Person; die Vorschrift erfasst nicht Tätigkeiten von Mitgesellschaftern (Köhler/Bornkamm, § 17 Rn. 14). Das Handeln der Beklagten kann auch nicht in Analogie zu § 17 UWG bzw. nach dessen Rechtsgedanken als unlauter gewertet werden.

Die Beklagte war als Gesellschafterin Teil der Berufsausübungsgemeinschaft und hat somit in Form der Patientendaten nicht fremde, sondern auch-eigene Geschäftsgeheimnisse an sich genommen und später verwendet. Zwar war dies entgegen der Ansicht der Beklagtenvertreterin nicht nach § 17 Abs. 3 GV ausdrücklich erlaubt, denn § 17 GV regelt ausdrücklich die Folge der Beendigung der Gesellschaft, während vorliegend die Beklagte durch Ausschluss ausgeschieden ist, die Gesellschaft jedoch fortbesteht. Andererseits gilt aber auch, dass der Gesellschaftsvertrag die Nutzung von Patientendaten durch einen ausscheidenden Gesellschafter weder regelt noch gar ausdrücklich verbietet.

Ohne besondere gesellschaftsvertragliche Regelung kann es nicht als unlauter angesehen werden, dass die Beklagte solche Patienten in sachlicher Weise über die Neueröffnung ihrer Arztpraxis informiert hat, welche auch von ihr selbst bei der Klägerin behandelt wurden. Denn in diesem Fall handelte es sich um gemeinsame Patienten und damit - auch - um Patienten der Beklagten als Mitgesellschafterin der Berufsausübungsgemeinschaft. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass nach Ausscheiden der Beklagten die Klägerin mit den verbliebenen Gesellschaftern ein besseres Recht hinsichtlich dieser Patienten hätte als die Beklagte als ausscheidende Gesellschafterin.

Insoweit gilt erneut eine bereits oben angestellte Erwägung. Die Versendung der Postkarten ist der Versuch, etwa vorhandenen good will in Form von Patientenbindungen zu realisieren. Grundlage ist die Annahme oder Hoffnung der Beklagten, dass Patienten auf Grund zufriedenstellender Erfahrungen mit ihrer Behandlung sich auch künftig von der Beklagten behandeln lassen und auf diese Weise zu ihr abwandern. Da die Beklagte nicht dafür entschädigt wurde, dass sie auch auf ihrer Tätigkeit beruhende Patientenbindungen zurücklässt, kann ihr auch nicht untersagt werden, an diesen weiter zu partizipieren.

ii) Soweit der Unterlassungsantrag darüber hinausgehende Handlungen umfasst, fehlt es mangels einer Wiederholungs- oder Begehungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 UWG an einem Unterlassungsanspruch. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob insoweit auch unerlaubte geschäftliche Handlungen umfasst wären.

Insbesondere ist von Klägerseite weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass die Beklagte auch Patientendaten von solchen Patienten, die nicht von ihr behandelt wurden, verwendet hat oder verwenden will. Namentlich gilt dies für Patientendaten aus der Zeit nach Ausscheiden der Beklagten. Ebenso wenig ist dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Beklagte außer den unstreitig versandten Postkarten andere Werbemittel, insbesondere Praxisflyer, unter Verwendung derartiger Daten versandt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Anmerkung:
Die Gestaltung eines wirksamen Wettbewerbsverbotes liegt im Interesse der Ärzte einer Gemeinschaftspraxis. Allerdings sind die Anforderungen, die die Gerichte an eine wirksames Wettbewerbsverbot stellen, hoch. Insbesondere muss der Ausscheidende, soweit er nicht in der Probezeit ausscheidet, entweder entschädigungslos ausscheiden können (und dann frei um die Patienten werben können) oder er darf mit einem Wettbewerbsverbot belegt werden, muss dann aber auch angemessen entschädigt werden. Da die Wettbewerbsverbote insbesondere in älteren Verträgen oftmals fehlerhaft sind, empfiehlt sich eine Überprüfung sowie erforderlichenfalls eine Nachvereinbarung des geänderten Wettbewerbsverbotes.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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