Zur Haftung des behandelnden Arztes sowie der Klinik wegen eines Geburtsfehlers, der durch schwerwiegende Organisiationsfehler (fehlende Vorbereitung der Klinik auf gynäkologische Notfälle) verursacht wurde (OLG Zweibrücken, Urteil vom 27. März 2012 – 5 U 7/08).

Der Fall:

Eine Frau wurde in einem Kreiskrankenhaus durch Notkaiserschnitt (Notsectio) entbunden. Dieser Kaiserschnitt verzögerte sich durch verschiedene organisatorische Probleme. Das Krankenhaus war grundsätzlich nicht auf die Versorgung geburtshilflicher Notfälle eingestellt. Insbesondere gab es keinen dauerhaft anwesenden Bereitschafts-Anästhesienotdienst, im Notfall musste ein Anästhesist aus einem nahegelegenen Krankenhaus anfahren, was eine Zeitverzögerung von 20-40 Minuten bedeutete. Es gab auch keinen gynäkologischen ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Seit der Geburt leidet das Kind unter einer schweren perinatale Asphyxie, die zu Bewegungsstörungen, Behinderungen in der Sprachentwicklung und zu  Hüftgelenksfehlstellungen führte.

Die Entscheidung:

Für diese Geburtsschäden stehen dem inzwischen zwölf Jahre alten Mädchen Schmerzensgeld und Schadensersatz zu, entschied jetzt das OLG Zweibrücken. Da es bei jeder Geburt zu erheblichen Komplikationen kommen kann, muss die Klinik einen entsprechenden Notfalldienst besitzen. 

Aus den Gründen:

1. Nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auf grobe Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) und grobe Organisationsmängel des Beklagten zu 3) zurückzuführen.

Die Geburt der Klägerin im Wege eines Notfallkaiserschnitts (nachfolgend: Notsectio) ist wegen mangelhafter Organisation der Notsectio und Nichtvorhaltens eines anästhesieärztlichen Bereitschaftsdiensts in der damaligen geburtshilflichen Abteilung des Kreiskrankenhauses A... nach Feststellung eines Nabelschnurvorfalls am ... gegen 23:20 Uhr nicht innerhalb einer E-E-Zeit (Zeit zwischen Entschluss zur Notsectio und der Entwicklung des Kindes) von höchstens 20 Minuten durchgeführt worden, sondern dauerte vielmehr mindestens 37 Minuten.

Der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 3) haften trotz des Grundsatzes der Haftungstrennung im sog. gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag gesamtschuldnerisch aus Vertrag und aus deliktischer Grundlage, da die gesundheitlichen Schäden der Klägerin aus Fehlleistungen resultieren, die sowohl aus dem Leistungsbereich des Beklagten zu 1) als Belegarzt, als auch dem Organisationsbereich des Beklagten zu 3) als ehemaligem Träger des Belegkrankenhauses stammen (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Auflage, A. Rn 45 ff.).

Der Beklagte zu 1) als Belegarzt haftet wegen positiver Forderungsverletzung des ärztlichen Vertrages über belegärztliche Behandlungsleistungen und aus Delikt gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 847 BGB a.F. wegen mehrerer Behandlungsfehler bei der Organisation der Notsectio. Der Beklagte zu 3) haftet ebenfalls sowohl aus positiver Forderungsverletzung des Vertrages über allgemeine Krankenhausleistungen, als auch deliktisch gemäß §§ 823 Abs. 1, BGB, 831, 847 BGB a.F. wegen fehlerhafter Organisation des ärztlichen Anästhesiebereitschaftsdiensts.

a. Bei einem Belegarztvertrag muss der Krankenhausträger zur Erfüllung seiner Leistungspflicht die Grund- und Funktionspflege des Patienten sicherstellen, wozu auch die Vorhaltung von medizinisch-technischem Gerät sowie von ärztlichem und nichtärztlichem Hilfspersonal in einem Maß und einer Qualität gehört, das eine ausreichende medizinische Behandlung durch den Belegarzt gewährleistet (BGH NJW 1996, 2429; 1993, 779; 1984, 1400; 1962, 1763).

Dies war nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W... weder hinsichtlich eines fachübergreifenden Bereitschaftsassistenzarztes, noch bezüglich eines ärztlichen Bereitschaftsanästhesisten gewährleistet.

Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin gab es in der geburtshilflichen Abteilung des Kreiskrankenhauses A... keinen ärztlichen Bereitschaftsdienst für den Bereich der Anästhesie. Dieser musste nach Eintritt eines Notfalls erst telefonisch im damaligen Kreiskrankenhaus B... B... angefordert werden, wobei naturgemäß mit entsprechenden Fahrtzeiten zu rechnen war.

In der Berufungsinstanz wurde zudem unstreitig, dass es damals im Kreiskrankenhaus A... keinen gynäkologischen ärztlichen Bereitschaftsdienst gab, sondern bei der Geburt der Klägerin gemäß einer jahrelangen Übung der in L... niedergelassene ambulant tätige Gynäkologe O... T... telefonisch über die Notwendigkeit einer Sectio und seiner ärztlichen Assistenz informiert wurde.

Der weitere Belegfrauenarzt des damaligen Kreiskrankenhaues A... Dr. H... L... wurde von dem Beklagten zu 3) mit Schreiben vom 15.06.1994 angewiesen, ab sofort Risikogeburten grundsätzlich nicht mehr in die Belegabteilung in A... aufzunehmen, da es aufgrund der Größe und der Ausstattung der Belegabteilung nicht möglich sei, dass ständig ein gynäkologischer Facharzt präsent sei.

Den gesetzlichen Vertretern des Beklagten zu 3) war zudem spätestens nach Erhalt des Schreibens der Chefärztin der Anästhesieabteilung des Kreiskrankenhauses B... B... Dr. H... S... vom 27.12.1999 bekannt, dass bei der Versorgung geburtshilflicher Notfälle am Standort A... mit einer Anfahrtszeit des Bereitschaftsanästhesisten von 20 bis 40 Minuten gerechnet werden musste und dies damals seit Jahren nicht mehr den geltenden Mindestanforderungen für geburtshilfliche Abteilungen entsprach.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann dahinstehen, ob dem Beklagten zu 1) die Dienstanweisung des Beklagten zu 3) vom 15.06.1994 an Dr. H... L... bekannt war oder nicht.

Der Beklagte zu 1) ist nämlich seit dem 01.04.1998 im Kreiskrankenhaus A... als Belegfrauenarzt tätig und ihm war deshalb aus seiner jahrelangen Tätigkeit bekannt, dass bei einer sich ergebenden Notwendigkeit einer Notsectio der oder die ärztliche Bereitschaftsanästhesist/in erst im Kreiskrankenhaus B... B... telefonisch angefordert werden musste und dass zudem keine ärztliche Bereitschaftsassistenz für die Gynäkologie zur Verfügung stand.

Die Dienstanweisung der Beklagten zu 3) vom 15.06.1994 an den damaligen Belegfrauenarzt Dr. L... war auch dann, wenn man eine positive Kenntnis des Beklagten zu 1) hiervon unterstellt, nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten zu 3) für die Geburtsschäden der Klägerin wegen grober Organisationsmängel auszuschließen.

Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. W... der Auffassung, dass das von dem Beklagten zu 3) im Jahre 1994 ausgesprochene Verbot einer Aufnahme von Risikogeburten in das Kreiskrankenhaus A... bei Fortführung einer „Nichtrisikogeburtshilfe“ realitätsfremd war, weil akute geburtshilfliche Risikosituationen jederzeit auch bei zunächst völlig komplikationslosen Spontangeburten auftreten können und auch in diesen Fällen die Mindestanforderungen der DGGG (Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) für alle geburtshilflichen Abteilungen einzuhalten sind.

Der Sachverständige hat mehrfach ausgeführt, dass die Mindestanforderungen der DGGG aus dem Jahre 1992 auch für Belegkrankenhäuser galten und auch für kleine Krankenhäuser mit geringer finanzieller und personeller Ausstattung.

Es ist daher nicht möglich, zur Vermeidung einer Haftung des Krankenhausträgers wegen eines Organisationsmangels im Bereich der allgemeinen Krankenhausleistung nur eine geburtshilfliche Abteilung für Normalgeburten vorzuhalten, da sich jede Normalgeburt jederzeit zu einer Risikogeburt entwickeln kann.

Der Beklagte zu 3) durfte insoweit die Situation von Patienten eines gynäkologischen Belegkrankenhauses nicht mit denen einer Hausgeburt gleichsetzen (vgl. die vom Sachverständigen Prof. Dr. W... zitierte Thesen des Beklagten zu 3) für die Geburtshilfe vom 12.03.2001), bei der den Eltern bekannt ist, dass jederzeit mögliche Komplikationen bei der Geburt nicht sofort wie in einer Klinik ärztlich behandelt werden können.

Ein Verstoß des Krankenhausträgers gegen die ihm obliegenden Organisationspflichten kann im Einzelfall einen groben Fehler darstellen, wenn hierdurch wie bei groben ärztlichen Fehlern das Spektrum der Schadensursachen derart verbreitert oder verschoben worden ist, dass dem Patienten billigerweise die Beweisführung der Kausalität des Organisationsmangels für den erlittenen Gesundheitsschaden nicht mehr zugemutet werden kann (BGH NJW 1996, 2429-2431).

Das von dem Beklagten zu 3) auf der gynäkologischen Belegstation praktizierte Verfahren zur Organisation des ärztlichen Bereitschaftsdiensts im Bereich der Anästhesie und der gynäkologischen Assistenz stellte ein erhebliches Gefahrenpotential für die Patienten dar und war zudem durch die Mitteilungen des Belegarztes Dr. L... und der Anästhesistin Dr. S... erkennbar und unmittelbar zu beseitigen.

Die Narkose der Mutter der Klägerin hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L... durch einen Anästhesisten mit Facharztstandard unter Assistenz einer Anästhesiepflegekraft durchgeführt werden müssen.

Da der Beklagte zu 3) aufgrund eines groben Organisationsmangels bei der Notsectio keine rechtzeitige ärztliche Bereitschaftsanästhesie zur Verfügung stellten konnte, kam es nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten anästhesiologischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. L... bei Einleitung der Narkose zu einer Zeitverzögerung von mindestens zwei bis drei Minuten, da der Zeuge und Anästhesiepfleger B... B... die Narkose der Mutter der Klägerin allein vornehmen musste und damit Maßnahmen, die in Notfällen parallel vom Anästhesisten und der Anästhesiepflegekraft durchgeführt werden, zwangsläufig nacheinander erfolgten.

Hierzu gehört das Einführen der zweiten Venenkanüle, das Anlegen der Blutdruckmanschette, das Aufkleben der EKG-Elektroden, der Anschluss an den EKG-Monitor, der Anschluss des Pulsoxymeters, die Sauerstoffvoratmung für ca. drei Minuten, das Anreichen des Tubus und die Assistenz bei der endotrachealen Intubation, das Blocken der Tubusmanschette, die Überprüfung der korrekten Tubuslage durch Auskultation des Brustkorbes und die Kontrolle der ordnungsgemäßen Funktion des Narkosegerätes.

Der Zeuge B... musste bei der Geburt der Klägerin ohne eigenes Verschulden allein tätig werden, wobei ohne Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Vorgehen des Anästhesiepflegers allein wegen des Nichtvorhandenseins von zwei parallel handelnden Personen bei der Einleitung der Narkose eine zeitliche Verzögerung von mindestens 2 – 3 Minuten eingetreten ist.

Hinzu kam, dass nach der überzeugenden Aussage des zweimal vom Senat vernommenen Zeugen B... B... vor Beginn der Operation noch ca. zwei bis vier Minuten zugewartet wurde, ob die aus B... B... herbeigerufene Anästhesistin Dr. S... doch noch im Operationssaal erscheint.

Das behandlungsfehlerhafte Zuwarten auf das Eintreffen von Dr. S... wurde auch dadurch verursacht, dass dem für die Organisation der Notsectio zuständigen Beklagten zu 1) von dem Beklagten zu 3) als Träger des damaligen Belegkrankenhauses A... wegen des langen Anfahrtswegs aus B... B... nicht rechtzeitig ein Anästhesist zur Verfügung gestellt werden konnte.

Die durch den Organisationsfehler des Beklagten zu 3) in Bezug auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Anästhesie zumindest mitverursachte Überschreitung der EE-Zeit der Notsectio hätte sich in der Belegabteilung eines Kreiskrankenhauses auch im Jahr 2001 schlechterdings nicht ereignen dürfen.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann dahinstehen, ob die ärztliche Assistenz durch den erst telefonisch herbeigerufenen niedergelassenen Gynäkologen O... T... gemäß einer jahrelangen Übung im Kreiskrankenhaus A... noch zu einer weiteren zeitlichen Verzögerung bei der Durchführung der Notsectio geführt hat.

Gleiches gilt für die Frage, ob O... T... kurz vor oder nach der Entwicklung der Klägerin im Operationssaal eingetroffen ist und wer für die Hinzuziehung der gynäkologischen ärztlichen Assistenz haftungsrechtlich verantwortlich war.

b. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen zudem mehrere Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) bei der Organisation der durch den eingetretenen Nabelschnurvorfall notwendigen Notsectio vor, die in ihrer Gesamtheit als grob zu qualifizieren sind, da sie einem gynäkologischen Facharzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfen.

Der Beklagte zu 1) hat zunächst behandlungsfehlerhaft in Kenntnis der mangelhaften Organisationsstrukturen der gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses A... in Bezug auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst eine stationäre Aufnahme der Mutter der Klägerin telefonisch gegenüber der Beklagten zu 2) angeordnet, obwohl bei Eintritt eines (bei jeder Geburt möglichen spontan eintretenden) Notfalls die Mindestanforderungen der DGGG nicht eingehalten werden konnten.

Der Sachverständige Prof. Dr. W... hat es darüber hinaus als fehlerhaft gesehen, dass der Beklagte zu 1) nicht durch entsprechende Anweisungen sichergestellt hat, dass die Umbettung der Mutter der Klägerin von der nicht fahrbaren Aufnahmeliege in ein Krankenbett und der Transport vom Kreissaal in den direkt daneben liegenden Operationssaal nicht neun Minuten dauert.

Des Weiteren hat der Beklagte zu 1) hat behandlungsfehlerhaft die Beklagte zu 2) beim vaginalen Hochdrücken des Köpfchens der Klägerin vor der Operation abgelöst, damit sich die Beklagte zu 2) in sterile Operationskleidung umziehen konnte, was eine weitere unnötige Verzögerung von vier Minuten verursacht hat.

Auch die Entscheidung des Beklagten zu 1), dass die Mutter der Klägerin vor Beginn der Notsectio rasiert und zudem der Operationsbereich noch desinfiziert wurde, hat zu einer weiteren nicht notwendigen Verzögerung der spätestens innerhalb von 20 Minuten durchzuführenden Notsectio geführt.

Hinzu kam, dass nach der glaubhaften Aussage des zweimal vom Senat vernommenen Zeugen B... B... vor Beginn der Operation noch ca. zwei bis vier Minuten zugewartet wurde, ob die aus B... B... herbeigerufene Anästhesistin Dr. S... doch noch im Operationssaal erscheint, was einen weiteren Organisationsfehler des Beklagten zu 1) darstellt.

Der Senat legt dabei als Beginn der E-E-Zeit die telefonische Benachrichtigung des Beklagten zu 1) von der Notwendigkeit einer Notsectio spätestens um 23.26 Uhr durch die Beklagte zu 2) zugrunde.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W... hat mehrfach ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) nach telefonischer Mitteilung des Nabelschnurvorfalls die Indikation zur Notsectio gestellt hat und damit auch die E-E-Zeit begann.

Nach den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. W... musste nach dem zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin geltenden ärztlichen Standard spätestens innerhalb einer Zeitspanne von 20 Minuten die Notsectio abgeschlossen sein, wobei die vorliegend benötigte Zeit von insgesamt mindestens 37 Minuten einen groben Organisationsmangel des Beklagten zu 1) bei Durchführung der Sectio belege.

Da die notwendige E-E-Zeit von 20 Minuten um insgesamt 16 Minuten überschritten wurde, kann für die Entscheidung des Rechtsstreits auch dahinstehen, ob die Uhr im Operationssaal, wie von den Beklagten behauptet, um vier Minuten vor gegangen ist, da selbst bei Unterstellung des Sachvortrags die E-E-Zeit um 12 Minuten überschritten wurde.

2. Die Beklagte zu 2) als Beleghebamme haftet hingegen weder aus Vertrag, noch aus deliktischer Grundlage der Klägerin für den von ihr erlittenen Geburtsschaden, da die verbindliche Entscheidung über eine stationäre Aufnahme der Mutter der Klägerin im Kreiskrankenhaus A... durch den Beklagten zu 1) als behandelndem Gynäkologen getroffen wurde.

a. Die Mutter der Klägerin hatte ausweislich des Ergebnisses ihrer Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 01.09.2009 bereits bei der ärztlichen Betreuung ihrer Schwangerschaft mit dem Beklagten zu 1) eine Geburt im Kreiskrankenhaus A... abgesprochen, da sie mit der früheren Kaiserschnittgeburt ihres Sohnes, die ebenfalls von dem Beklagten zu 1) durchgeführt wurde, zufrieden gewesen war.

Selbst wenn man unterstellt, dass sowohl der Beklagte zu 1), als auch die Beklagte zu 2) vor dem ... verpflichtet gewesen wären, die Mutter der Klägerin bereits während der Schwangerschaft vor Eintritt der Wehen darüber aufzuklären, dass bei einer Geburt im Kreiskrankenhaus A... die Mindestanforderungen der DGGG von 1992 nicht erfüllt werden können, haftet die Beklagte zu 2) nicht für die vom Beklagten zu 1) getroffene verbindliche ärztliche Entscheidung der stationären Aufnahme der Mutter der Klägerin, die ihren Pflichtenkreis als Hebamme überlagert.

Aus der verbindlichen Dienstanweisung des früheren Belegarztes Dr. L... vom 15.09.1994 an die im Kreiskrankenhaus tätigen Hebammen ergibt sich nämlich, dass die Hebamme nach ihrer Verständigung durch das Krankenhauspersonal die weitere Betreuung der Schwangeren übernimmt und sodann in Absprache mit dem ärztlichen Dienst die weiteren Veranlassungen trifft.

Daraus folgt, dass die vom Beklagten zu 1) getroffene ärztliche Entscheidung über die stationäre Aufnahme der Kindesmutter in das Kreiskrankenhaus A... nach Eintritt der Wehen eine Leistung aus dem ärztlichen Bereich darstellt, für die die Hebamme nicht haftet.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass ihre Mutter wegen eines Zustandes nach Sectio und damit einer anamnestischen Risikoschwangerschaft von vornherein nicht im Kreiskrankenhaus A... hätte aufgenommen werden dürfen, fehlt es an der erforderlichen Kausalität zu dem eingetretenen Schaden, da der später bei der Klägerin eingetretenen Nabelschnurvorfall in keiner kausalen Beziehung zu dem Risikomerkmal „Zustand nach früherer Sectio“ stand.

Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W... beinhaltete die Tatsache einer dreifachen Nabelschnurumschlingung um den Hals des Kindes bei der ersten Entbindung der Mutter der Klägerin im Jahr 1999 auch kein erhebliches zusätzliches Risikopotential für einen Nabelschnurvorfall bei der Entbindung von der Klägerin. Ein Nabelschnurvorfall als höchstdringliche Notfallsituation kann vielmehr bei jeder Geburt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1,2 Promille bis 4 Promille auftreten.

b. Nach dem Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten ist der Beklagten zu 2) bei der Betreuung der Mutter der Klägerin bei der Geburt auch kein Behandlungsfehler unterlaufen.

Die Beklagte zu 2) hat nach Feststellung eines Nabelschnurvorfalles bei einer vaginalen Untersuchung der Mutter der Klägerin mit spontanem Blasensprung vielmehr sofort das ungeborene Köpfchen der Klägerin kontinuierlich hochgedrückt und die notfallmäßige Benachrichtigung des Operationsteams, der Anästhesieärztin Dr. S... in B... B..., der Kinderklinik in L... und des Beklagten zu 1) veranlasst.

Soweit der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W... einen Fehler des Beklagten zu 1) bei der Organisation der Notsectio der Klägerin insoweit festgestellt hat, dass kein Anlass für ein Ablösen der Beklagten zu 2) beim vaginalen Hochdrücken des Köpfchens zum Umkleiden in OP-Bekleidung bestanden habe, beruhte dies auf einer fehlerhaften ärztlichen Entscheidung, für die die Beklagte zu 2) nicht haftet, da es nicht ihren Pflichtenkreis betrifft.

3. Grundsätzlich trifft die Klägerin nicht nur die Beweislast für die von ihr behaupteten Behandlungs- bzw. Organisationsfehler, sondern auch für den Kausalzusammenhang zwischen den Behandlungsfehlern und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden.

Vorliegend kam es schicksalshaft wegen Auftretens eines Nabelschnurvorfalls zur Notwendigkeit einer Notsectio, wobei zur Vorbereitung eines Kaiserschnitts naturgemäß auch bei Fehlen von Organisationsmängeln des Gynäkologen und des Krankenhauses eine gewisse Vorbereitungszeit erforderlich ist.

Da nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch grobe Organisationsfehler des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 3) vorliegen, kommt der Klägerin bei der noch durchzuführenden Beweisaufnahme über das Ausmaß ihres erlittenen gesundheitlichen Schadens eine Beweiserleichterung dahingehend zugute, dass der Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 3) nachweisen müssen, dass die heute feststellbaren gesundheitlichen Schädigungen der Klägerin nicht auf der verzögerten Durchführung der Notsectio beruhen, sondern Folge eines schicksalshaft eingetretenen Nabelschnurvorfalls sind.

Der Rechtsstreit ist in Bezug auf die Höhe des Schadens der Klägerin noch nicht entscheidungsreif.

Zum einen ist nicht nachvollziehbar, inwieweit das mit dem zunächst vorgelegten Gutachten von Frau S... fast identische Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. K... vom 09.07.2007 auf deren eigener Urteilsbildung beruht, zum anderen kann die Bewertung der bei der Klägerin eingetretenen Gesundheitsschäden und deren prognostische Auswirkung in der Zukunft heute genauer als erstinstanzlich getroffen werden.

Praxishinweis:

Kommt es bei einer Geburt zu Schäden des Kindes, ist bei einer Prüfung der Behandlungsakte auch darauf zu schauen, ob die Klinik organisatorisch auf Notfälle vorbereitet war. Da auch bei medizinisch unproblematischen Fällen eine Komplikation immer auftreten kann, hat eine Klinik, die Geburtshilfen durchführt, immer einen entsprechenden Notfalldienst bereit zu halten. Ansonsten liegt ein grober Behandlungsfehler vor, der die Beweislast von dem Patienten zu den Ärzten verschiebt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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