Nach mehrjähriger konservativer Therapie und bei gleichzeitiger kürzlich eingetretener Beschwerdesteigerung ist die Fortführung der konservativen Therapie aus Sicht des Arztes keine Behandlungsalternative mehr. Über die Fortführung der konservativen Therapie muss der Patient dann - insbesondere wenn er von vorbehandelnden Ärzten über die Möglichkeit weiterer konservative Therapie aufgeklärt worden war - vor der Bandscheibenoperation nicht mehr gesondert aufgeklärt werden. Ein kurzer Operationsbericht lässt nicht vermuten, die Operation sei fehlerhaft gewesen (OLG Naumburg, Urteil vom 25.04.2013 - 1 U 67/12).

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom
8. April 2013 unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und Krause
sowie des Richters am Amtsgericht Dr. Papesch
für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. April 2012 verkündete Urteil des Landgerichts
Magdeburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Dieses, wie auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:
 

I.
Der bis dahin als Karosseriebauer tätige Kläger nimmt die Beklagte nach einer Bandscheibenoperation vom 19. Mai 2006 als Klinikbetreiberin auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und Feststellung ihrer Ersatzpflicht in Anspruch. Seit 2001 litt der Kläger zunehmend unter Rückenschmerzen. Bis Ende 2005 begab er sich in die Behandlung verschiedener Ärzte, die keinen akuten Bandscheibenvorfall feststellten, allerdings im Bereich LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 Fehlstellungen und Degenerationen diagnostizierten. Es kam zu vielfältigen konservativen Behandlungsversuchen (Kur, Physiotherapie, Medikamente, Schmerztherapie), ohne dass sich ein durchgreifender Erfolg zeigte.

Am 17. Januar 2006 begab sich der Kläger erstmals in die Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie der Beklagten und dort zum Zeugen Dr. B. . Der Kläger brachte umfangreiche Befunde mit (Übersichtsaufnahme LWS, Computertomographie, lumbale Myelographie, MRT). Punktuell gab der Kläger Blasenentleerungsstörungen und eine Dranginkontinenz an. Neurologische Ausfälle bestanden nicht. Aus der Anamnese ergab sich ein Kreuzschmerz mit Ausstrahlung in die Beine. Dr. B. entnahm dem eine ausgeprägte segmentale Degeneration der beiden unteren Wirbelsäulensegmente. Er diagnostizierte nach MRT chronische Lumbalgien bei symptomarmem medialem Bandscheibenvorfall LWK 4/5 mehr als in Höhe LWK 5/SWK 1. Die Notwendigkeit einer Operation wurde nicht gesehen.
Im Arztbrief vom 30. Januar 2006 hielt er einen Eingriff (Implantation einer Bandscheibenprothese) nur dann für erwägenswert, wenn fortgesetzte Beschwerden zu Einschränkungen führen würden.

Der Kläger stellte sich auf eine Überweisung des Facharztes Dr. S. am 15. Februar 2006 in der Ambulanz der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums M. vor. Dort sah man angesichts eines im Wesentlichen unauffälligen MRT-Befundes keinen Grund zur Operation. Der Kläger sollte trainieren und einseitige Belastungen vermeiden. Gleicher Auffassung war Dr. S., der dem Kläger im März 2006 einen Arbeitsplatzwechsel nahe legte. Auch der Arzt Dr. P. riet dem Kläger von einer Operation ab. Mit einer neuerlichen, nicht von Dr. S. stammenden Überweisung begab sich der Kläger am 6. April 2006 wieder in die Ambulanz der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums M. und klagte über eine Zunahme der Beschwerden. Der Arztbrief des Klinikums hält in diesem Zusammenhang fest, dass der Kläger die empfohlenen konservativen Maßnahmen nicht durchgeführt habe. Man riet dem Kläger weiter zum konservativen Vorgehen. Der Kläger suchte nun erneut die Klinik der Beklagten auf. Dort wurden am 26. April 2006 MRT-Aufnahmen gefertigt. Am 18. Mai 2006 nahm man den Kläger mit der Diagnose chronische Lumbalgien bei symptomarmem medialem Bandscheibenvorfall LWK 4/5 mit segmentaler Degeneration LWK 4/5 nebst Reizgefühl bei Blasenentleerung und Stuhlgang seit 2002 ohne neurologische Ursache in das Krankenhaus der Beklagten auf. Der Zeuge Dr. H. klärte den Kläger über den geplanten Eingriff „transabdominelle Discprothese LWK 5/SWK 1“ auf, worüber sich ein vom Kläger unterzeichnetes Aufklärungsformular verhält. 

Am 19. Mai 2006 fand die Operation über einen transperitonealen Zugang statt (transabdominelle/ transperitoneale Freilegung, Diskektomie LW5/SW1, Implantation einer aktiveL4Titan-Prothese XL-12-6º, mikrochirurgische Technik). Der Zeuge Dr. B. vermerkte im Operationsbericht, dass die verschiedenen MRT-Aufnahmen der vergangenen Jahre einmal eine segmentale Degeneration mit Schwerpunkt LWK 5/SWK 1 erkennen ließen, geringer auch in Höhe LWK 4/5. Es wurde eine zum Teil faserige, teils „matschige“ degenerierte Bandscheibe aus dem Zwischenwirbelraum entfernt und eine 12 mm hohe Prothese in den Zwischenwirbelraum eingefügt. Die endgültige Diagnose lautet, „chronische Lumboischialgie
bei ausgeprägter segmentaler Degeneration LW 5/SW 1“. Der nachoperative Verlauf zeigte sich unauffällig. Der Kläger wurde voll mobilisiert entlassen.
Vom 6. Juni 2006 bis 5. Juli 2006 erfolgte die Rehabilitation des Klägers in den ...-Kliniken K. . Der Kläger gab dort eine Besserung seiner Schmerzen an. Im Ergebnis der Rehabilitationsmaßnahme hielt man eine Rückläufigkeit der Beschwerden fest. Arztbriefe der Beklagten vom 18. Juli, 11. September und 26. September 2006 schildern die Beschwerden des Klägers als nahezu rückläufig, der Kläger werde seine Arbeit wieder aufnehmen, die Operation sei ordnungsgemäß erfolgt und das subjektive Empfinden des Klägers lasse sich nur schwer einschätzen. Der Kläger bewege sich nahezu einschränkungslos, verweise aber auf Schmerzen. 

Zum 31. Oktober 2006 hob der Kläger seinen Arbeitsvertrag aus gesundheitlichen Gründen auf.
In der Zeit vom 5. April bis 3. Mai 2007 nahm der Kläger an einer weiteren stationären orthopädischen Rehabilitationsmaßnahme in G. teil. Im hierzu gefertigten Bericht ist vermerkt, dass die Schmerzen ein Vierteljahr nach der Operation wieder zugenommen hätten.
Seit 2002 bestünden Blasenentleerungsstörungen. Es gäbe Potenzprobleme. Die Rehabilitation habe keinen Erfolg gehabt. 

Vom 10. September bis 2. Oktober 2007 wurde der Kläger stationär psychotherapeutischbehandelt. Der Arztbrief vom 1. Oktober 2007 diagnostiziert eine somatoforme Schmerzstörung bei unscharfer Veränderungsmotivation des Klägers. Die Orthopädische Universitätsklinik des Universitätsklinikums M. diagnostiziert im Jahre 2008 ein Pseudoradikulärsyndrom.

Der Kläger hat behauptet, die Operation sei nicht indiziert gewesen. Trotz der zwischen Januar und April 2006 gleich gebliebenen Beschwerden hätten die Ärzte der Beklagten sofort zur Operation geraten und dem Kläger keine Alternative z.B. in Form einer konservativen Behandlung aufgezeigt. Dr. B. und nicht der Kläger habe geradezu auf den Eingriff gedrungen. Der Kläger habe nur auf die Ärzte der Beklagten vertraut und sich auf deren Empfehlung verlassen.

Der Kläger sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die Operation höchtens relativ indiziert gewesen sei und auch die Möglichkeit der Verschlechterung seines Zustandes bestanden habe. Er habe in den Eingriff nur in der Hoffnung auf Besserung eingewilligt. Während des Aufklärungsgesprächs habe der Kläger keine Gelegenheit gehabt, das Kleingedruckte auf dem Bogen zu lesen und die handschriftlichen Einfügungen, an die er sich nicht erinnern könne, bewusst zur Kenntnis zu nehmen. Angesichts des keineswegs unauffälligen postoperativen Verlaufs, der fortbestehenden Schmerzen und der eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers müsse die Operation fehlerhaft ausgeführt worden sein. Normalerweise hätte der Eingriff eine Besserung herbeiführen müssen. So wisse der Kläger nicht, ob die Bandscheibenprothese regelgerecht sitze. Es sei schon nicht ersichtlich, ob die Beklagte überhaupt den richtigen Wirbelsäulenbereich operiert habe. Nach dem Arztbrief vom 30. Januar 2006 habe es Degenerationen in den Bereichen LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 gegeben. Die Auswahl des richtigen Segments der Wirbelsäule sei daher von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg der Behandlung gewesen.
Die Schmerzen stammten nicht aus dem Bereich LWK 5/SWK 1. Notfalls habe in beiden Höhen operiert werden müssen. Außerdem sei der übrige Körper des Klägers während der Operation irreversibel geschädigt worden.

Nach der Operation hätten die Beschwerden des Klägers extrem zugenommen. Es sei zu
Blasen- und Darmempfindungsstörungen, häufigem Harndrang und Störungen bei der Blasenentleerung gekommen. Gartenarbeiten könne der Kläger nicht mehr erledigen und es sei ihm nicht mehr möglich, Fahrrad zu fahren. Die Beine seien kraftlos und es komme zu Kribbelparästhesien.
Durch die ständigen Rückenschmerzen habe der Kläger Schlafstörungen.
Die Operation habe zur Berufsunfähigkeit des Klägers geführt. Er könne nicht mehr als Karosseriebauer arbeiten. Seine vor der Operation uneingeschränkte Potenz sei nunmehr gestört.
Er habe Schmerzen im Unterleib. Nach Aussage des vom Kläger konsultierten Urologen seien Blasen- und Potenzprobleme des Klägers auf die fehlgeschlagene Operation zurückzuführen.

Die Beklagte hat behauptet, die Operation sei indiziert gewesen. Keine der verschiedentlich umfangreichst angewandten konventionellen Methoden habe den vom Kläger damals sehr akzentuiert dargestellten tief sitzenden lumbo-sakralen Kreuzschmerz lindern können. Es seien erhebliche Einschränkungen im privaten und beruflichen Alltag, bis hin zu lang andauernder Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Bei seiner solchen, durch klinische Untersuchungen und bildgebende Diagnostik untersetzten Konstellation sei zweifelsohne eine Operation angezeigt. Das in der Klinik der Beklagten gefertigte MRT habe die charakteristischen Zeichen einer degenerierten Bandscheibe mit Schwerpunkt in der Höhe zwischen LWK 5/SWK 1 (1. Kreuzbeinwirbel) gezeigt. Zu erkennen seien die charakteristischen Veränderungen einer sogenannten Signalverstärkung bzw. Abschwächung in den verschiedenen Sequenzen als Ausdruck einer sogenannten fettigen Degeneration entsprechend der international geläufigen Klassifikation nach MODIC II. In den sagittalen Abbildungen fänden sich Hinweise auf ein sog. mediales Bulging, was ebenfalls Ausdruck einer fortgeschrittenen Degeneration sei. Die Operation sei vor dem Hintergrund jahrelanger heftiger chronischer Schmerzen bei zahlreichen gescheiterten Behandlungsversuchen das Mittel zur Schmerzlinderung unter Erhaltung der Beweglichkeit der Wirbelsäule gewesen. Dennoch habe der Zeuge Dr. B. dem Kläger gerade keine absolute Indikation vermittelt. Dies verdeutliche bereits der Arztbrief vom 30. Januar 2006, der mit
dem Kläger besprochen worden sei.
Mit dem Kläger seien bei seiner ambulanten Vorstellung verschiedenste Behandlungsalternativen erörtert worden. Dabei sei es um konservatives und chirurgisches Vorgehen sowie die verschiedenen chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten einschließlich der Risiken, Komplikationen, Perspektiven und Prognosen gegangen. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, wieso mit dem Kläger anlässlich seiner erneuten Vorstellung nochmals über konventionelle Methoden habe gesprochen und ein solches Vorgehen habe empfohlen werden sollen, zumal sich diese als erfolglos erwiesen hätten.

Anlässlich der Operation sei der Kläger sehr ausführlich vom Zeugen Dr. H. über die Chancen und Risiken aufgeklärt worden. Anschließend habe der Kläger den Aufklärungsbogen unterschrieben. Die Operation sei fehlerfrei ausgeführt worden. Selbst wenn es stimme, dass es nicht zum erhofften Erfolg gekommen sei, lasse sich hieraus kein Fehler ableiten. Für das operative
Vorgehen maßgebend sei das jahrelange Krankheitsbild des Klägers unter Berücksichtigung der sich nach klinischer Untersuchung und Ausschöpfung der dem medizinischen Standard entsprechenden Diagnostik zeigenden schwerpunktmäßigen Degeneration lumbo-sakral gewesen. Es habe keinem Behandlungsstandard entsprochen, den Kläger auf zwei Höhen zu operieren.

Der postoperative Verlauf sei höchst zufriedenstellend und unauffällig gewesen. Keinesfalls habe sich der Zustand des Klägers verschlechtert. Der Kläger sei am 11. Juli, 31. August und 19. Oktober 2006 im Krankenhaus der Beklagten untersucht worden. Dabei habe man keine Verschlechterung festgestellt. Vielmehr habe sich in Bezug auf die Beweglichkeit und die Schmerzen eine deutliche Verbesserung ergeben. Folgerichtig habe beim letzten Besuch des Klägers die Wirbelsäulenproblematik nicht mehr im Mittelpunkt gestanden. Hauptsächlich sei es um die schon vor der Operation vorhandenen Blasenprobleme gegangen, was urologische Konsequenzen nach sich gezogen habe. 

Das Landgericht hat auf der Grundlage der Beschlüsse vom 18. März 2010 (Bd. I Bl. 48/49 d.A.) und 21. April 2010 (Bd. I Bl. 59 d.A.) ein Gutachten des Chefarztes der Klinik für Neurochirurgie des Städtischen Klinikums D. Dr. R. Sch. eingeholt, das der Sachverständige am 5. Januar 2011 schriftlich erstattet (Anlagenband), am 11. Oktober 2011 schriftlich ergänzt (Bd. I Bl. 116 d.A.) und am 14. März 2012 mündlich erläutert (Bd. I Bl. 159 ff. d.A.) hat. 

Mit Urteil vom 18. April 2012 (Bd. I Bl. 167-172 d.A.), auf das wegen der dort im Übrigen getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Im Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Behandlung des Klägers fehlerfrei erfolgt. Die Beklagte habe keine gebotene Diagnostik unterlassen und der Kläger sei bei bestehender relativer Indikation ausreichend aufgeklärt und anschließend nach den Regeln der ärztlichen Kunst operiert worden. Vor der Operation sei eine Discographie nicht geboten gewesen, da
diese diagnostische Maßnahme nicht risikolos sei, in nur 60 Prozent der Fälle zu einem richtigen Ergebnis führe und nicht in allen Kliniken durchgeführt werde. Angesichts dessen habe der Kläger über diese Methode auch nicht aufgeklärt werden müssen. Die Operation sei nach den Feststellungen des Sachverständigen indiziert gewesen und korrekt verlaufen. Die
Beschwerden des Klägers ließen die Operation im Bereich LWK 5/SWK 1 vertretbar erscheinen. Die Schmerzursache habe man nicht präziser lokalisieren können. Angesichts einer eher relativen Indikation sei es im Interesse der Minimierung des Risikos besser gewesen, nicht gleich zwei Segmente zu operieren, sondern sich auf eines zu beschränken und dabei
statt LWK 4/5 LWK 5/SWK 1 zu wählen. Selbst wenn der Kläger nach wie vor Schmerzen habe, spreche das nicht für einen Behandlungsfehler, denn der Arzt schulde keinen Behandlungserfolg. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei der Kläger gut aufgeklärt worden. Die Aufklärung habe alles erfasst, auch die Risiken. Über die konventionelle Therapie
als Alternative sei der Klägerin hinreichend aufgeklärt gewesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Landgerichts hätten sich die Ärzte der Beklagten gegen die Operation entscheiden müssen. Es sei überflüssig und wohl nur wirtschaftlich motiviert gewesen, zu operieren. Schließlich habe der Sachverständige, an dessen Neutralität zu zweifeln sei, geäußert, er hätte nicht operiert. Ursprünglich habe die Etage LWK 4/5 operiert werden sollen. Stattdessen habe man sich für den Bereich LWK 5/SWK 1 entschieden, was ohne Einwilligung des Klägers passiert sei.
Seine Aufklärung habe sich nicht auf das tatsächliche Operationsgebiet bezogen. Überhaupt sei die Schmerzursache nicht hinreichend aufgeklärt worden. So habe die Gefahr bestanden, dass der nicht operierte Bereich LWK 4/5 weiterhin Schmerzen bereite. Der Kläger hätte deshalb auf die Discographie hingewiesen werden müssen. Tatsächlich sei die ursprüngliche Diagnose, dass eine Operation an der Wirbeletage LWK 4/5 notwendig sei, richtig gewesen. Zutreffend habe man dann aber auch dem anderen Wirbelsäulenbereich Aufmerksamkeit gewidmet. Die alleinige Operation im Gebiet LWK 5/SWK 1 habe die Schmerzen und die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht verhindern können. Sie habe den ursprünglich diagnostizierten Bereich außer Acht gelassen. Deshalb handele es sich um keinen Diagnoseirrtum, sondern um ein Übergehen von einem Schmerzbereich auf den anderen, ohne dass der erste Bereich behandelt worden sei. Zumindest habe man beide Bereiche operieren müssen, was ohne wesentliche Risikoerhöhung möglich gewesen sei.
Es sei nicht richtig anzunehmen, der Kläger habe die Beklagte mit dem Ziel der Operation aufgesucht. Er habe sich vielmehr Klarheit verschaffen wollen. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation obliege immer noch dem Arzt.
Der kurze Operationsbericht führe zu der Vermutung einer misslungenen Operation.

Der Kläger beantragt, 

das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 18. April 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Dezember 2009 zu zahlen, 

sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der Operation vom 19. Mai 2006 zu ersetzen, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen. 

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor, bereits zum Zeitpunkt der Erstkonsultation hätten beim Kläger Verschleißerscheinungen mit Schwerpunkt an den unteren beiden Bewegungssegmenten der Lendenwirbelsäule vorgelegen. Es sei weder das falsche Segment operiert worden noch habe man sich mit dem Eingriff beiden Segmenten zuwenden müssen. Beide Bandscheibenräume zwischen LWK 4/5 und LKW 5/SWK 1 seien als sog. schwarze Bandscheiben erkennbar gewesen. Die charakteristischen, mit starken Rückenschmerzen und lumbalem Bewegungsschmerz einher gehenden Zeichen einer degenerierten Bandscheibe in Form einer sog. Signalverstärkung bzw. Abschwächung in den verschiedenen
Sequenzen als Ausdruck fettiger Degeneration seien allerdings mehr in Höhe LWK 5/SWK 1 (5. Lendenwirbelkörper/1. Kreuzbeinwirbel) auszumachen gewesen. In den sagittalen Abbildungen hätten sich darüber hinaus Hinweise auf ein sog. mediales Bulging als Ausdruck fortgeschrittener Degeneration gefunden. Danach habe das Bewegungssegment LWK
5/SWK 1 als Schmerzgenerator angesehen werden müssen. Das Bestimmende sei der tief sitzende lumbo-sakrale Kreuzschmerz gewesen. Dagegen sei eine prophylaktische Sanierung aller bildmorphologisch möglicherweise beteiligten Wirbelsäulenabschnitte nicht zu vertreten. Damit wäre auch eine nicht unerhebliche Erhöhung des Operationsrisikos, beispielsweise durch Verletzung der Nervenwurzeln, verbunden gewesen. 

Mit dem Kläger seien die Befunde und die damit zusammenhängende Frage, auf welcher Höhe zu operieren sei, ausdrücklich besprochen worden. Die Operationsaufklärung habe sich dann, wie dokumentiert, auf den Bereich LWK 5/SWK 1 bezogen. Die postoperativ eingetretene Besserung des Schmerzzustandes, wie sie der Bericht der Kontrolluntersuchung vom 11. Juli 2006 belege, bestätige die Richtigkeit der damals getroffenen Operationsentscheidung. Bei keiner der bis zum 19. Oktober 2006 stattgefundenen Kontrolluntersuchung sei eine Verschlechterung festgestellt worden. Das röntgenologische
Ergebnis der Operation sei hervorragend. Alle vom Kläger dargestellten Folgen seien daher mit Nichtwissen bestritten, was bei der bisherigen Begutachtung keine Rolle gespielt habe. Die Operation sei ausreichend dokumentiert und nicht misslungen, sondern habe zumindest zu einer relativen Beschwerdelinderung geführt.

Der Senat hat dem Kläger am 22. Oktober 2012 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben, auf die Einwände des Klägers den Zeugen Dr. B. vernommen und sich das Gutachten vom Sachverständigen erläutern lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 8. April 2013 verwiesen.

II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich im Ergebnis ergänzender Feststellungen des Senats als richtig. 

Der Kläger hat keinen vertraglichen oder deliktischen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 278 Satz 1, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es verbleibt bei den im Hinweis vom 22.Oktober 2012 dargestellten Gründen, auf die Bezug genommen wird. Auch nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme des Senats operierten die Ärzte
der Beklagten den Kläger zu Recht und ihnen unterlief dabei kein Fehler. Hiervon ist der Senat angesichts der Bekundungen des Zeugen Dr. B. und der Feststellungen des Sachverständigen Dr. Sch. überzeugt.

1. Es spricht nichts für eine fehlerhafte Ausführung der Operation.

a) Abgesehen von den bereits erörterten Tatsachen, dass die Ärzte der Beklagten keinen Erfolg schuldeten und es nicht möglich ist, von fortbestehenden Beschwerden auf einen Behandlungsfehler zu schließen, versprechen nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht alle Bandscheibenoperationen Schmerzfreiheit. Gerade die durch mehrere in Frage
kommende Schmerzgeneratoren geprägte Situation des Klägers ließ dies nicht unbedingt erwarten (vgl. auch Seite 8 der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen vom 11. Oktober 2011). Selbst die Operation beider Segmente (LWK 4/5, LWK 5/SWK 1) hätte nicht selbstverständlich mit höherer Wahrscheinlichkeit Schmerzfreiheit bedeutet. Demgemäß hat auch der Zeuge Dr. B. glaubhaft bekundet, dem Kläger sicher nicht versprochen zu haben, nach dem Eingriff beschwerdefrei zu sein. Das wird vom Kläger nicht einmal behauptet. Der Kläger hatte aus Sicht des Senats nur eine echte Chance. Gerade für
Chancen ist es charakteristisch, sich nicht beherrschen zu lassen, was ihrer Nichterfüllung jede Indizwirkung im Hinblick auf ein ursächliches Verhalten oder gar eine Pflichtverletzung nimmt.

b) In erster Instanz sah sich der Sachverständige nicht in der Lage, belastbare Feststellungen zur gewählten Bandscheibenhöhe von 12 mm zu treffen. Ihm standen die hierfür erforderlichen Originalaufnahmen nicht zur Verfügung (vgl. Seiten 2 ff. der schriftlichen Erläuterungen vom 11. Oktober 2011). Der Senat hat dies zum Anlass für ergänzende Feststellungen genommen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und dem Sachverständigen mit Beschluss vom 22. Januar 2013 das benötigte Bildmaterial zur Verfügung stellen lassen. Dennoch ließ sich die ideale Höhe und damit eine Fehlerhaftigkeit der verwendeten Prothese nicht feststellen (vgl. Seite 3 des Protokolls vom 8. April 2013). Da der Kläger für den Behandlungsfehler beweispflichtig ist, geht dieses Beweisergebnis zu seinen Lasten.

c) Dass die Operation relativ indiziert und in der angegangenen Höhe nicht fehlerhaft war, hat der Sachverständige nochmals gegenüber dem Senat deutlich gemacht. Es gibt keinen Standard, wann welche Bandscheiben zu operieren sind (Seite 3 des Protokolls vom 8. April 2013). Die Wahl des Vorgehens unterlag dem weiten Beurteilungsermessen des Zeugen Dr. B. . Sie entsprach nach den Feststellungen des Sachverständigen dem Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und fachärztlicher Erfahrung und war zum Erreichen des Behandlungsziels geeignet.
Es stellte keinen Fehler dar, die Höhe LWK 5/SWK 1 zu operieren. Der Zeuge Dr. B. traf diese nicht einfache Entscheidung nach seiner Aussage unter Ausschöpfung der gebotenen Diagnostik und anhand seiner ärztlichen Erfahrung mit Rücksicht auf das Ergebnis seiner klinischen Untersuchung. Die Entscheidung war, wie auch der Sachverständige bestätigt, vertretbar. Auf die komplikations- und schmerzhafte sowie nicht uneingeschränkt aussagefähige Discografie musste Dr. B. weder zurückgreifen noch hinweisen.
Nach der Diagnose der Ärzte der Beklagten, die Schmerzen stammten aus dem Bereich LWK 5/SWK 1, war die Operation beider Segmente keine in Betracht zu ziehende Alternative, zumal man sich mit der risikoärmeren Operation LWK 5/SWK 1 ohne jede Einschränkung die Option für die Operation LWK 4/5 offen hielt.

Die Fortsetzung der konservativen Therapie stelle sich im April/Mai 2006 ebenso wenig als Alternative dar. Der Kläger hatte vielfältige Behandlungen hinter sich und kannte die Aussage seiner Ärzte, er solle Physiotherapien in Anspruch nehmen, trainieren und den Arbeitsplatz wechseln. Auch der Zeuge Dr. B. hat eine Operation nur für den Fall anhaltender rezidivierender Beschwerden, sofern sie doch zu einer deutlichen Einschränkung führen sollten, für erwägenswert gehalten. Nach seiner Aussage wurde der Kläger vor dem Hintergrund des Eintretens eben dieser Bedingung wieder vorstellig, indem er klagte, die Schmerzen nicht mehr aushalten zu können. Dies konnten die Ärzte nur so interpretieren, dass das konservative Vorgehen keinen Erfolg gebracht hatte und für den Kläger keine Option mehr war. Ansonsten hatte der Kläger keinen Anlass, den Zeugen Dr. B. aufzusuchen. Er kannte die Alternativen, zu denen ihm schon die anderen Ärzte geraten hatten. Von der Beklagten erwartete der Kläger ersichtlich nur noch die Beantwortung der Frage, ob man ihm operativ helfen könne. Diese Frage hat der Sachverständige Dr. Schu. , wie präoperativ bereits der Zeuge Dr. B. bejaht.

d) Der knappe Operationsbericht steht für keinen Behandlungsfehler. Die Dokumentation ist kein Selbstzweck. Sie folgt medizinischen Ansprüchen und stellt für sich keinen Haftungsgrund dar. Es ist nicht behauptet, während der Operation sei es zu fehlerhaften Unterlassungen gekommen, die der Operationsbericht nicht widerlege, sondern durch seine Lücken eher
bestätige.

2. Die Operation beruhte auf keiner Einwilligung des Klägers, die den Eingriff wegen unzureichender Selbstbestimmungsaufklärung nicht zu rechtfertigen vermochte. Der Kläger wusste in ausreichendem Maße, worauf er sich einließ. Das geht bereits aus dem Hinweis des Senats vom 22. Oktober 2012 hervor. Nach den Bekundungen des Zeugen Dr. B. , der nicht den wenig glaubhaften Versuch unternahm, dem Senat präsentes Wissen von der
Aufklärung des Klägers zu vermitteln, sondern seine übliche Aufklärung wiedergab, stand der angestrebte Erfolg nicht fest, was dem Kläger unter Darlegung der befundgestützten Auffassung der Ärzte, die Schmerzen stammten aus dem zu operierenden Bereich, auch so gesagt worden sei. Das glaubt ihm der Senat. Denn ohne Erörterung dessen konnte dem Kläger angesichts seines durch vielfältige Befunde und Diagnosen gestützten Wissens kaum die Notwendigkeit ausgerechnet eines Eingriffs im Bereich LWK 5/SWK 1 vermittelt werden. Weil die Ärzte den Schmerzgenerator aber im operierten Bereich vermuteten, musste nicht auch darauf hingewiesen werden, dass es noch andere Ursachen geben könne (so auch der
Sachverständige - Seite 3 des Protokolls vom 8. April 2013), wenn dies in der Konsequenz nicht sogar bereits auf der Hand lag.

Auf die Fortsetzung der konservativen Behandlung war der Kläger nicht mehr aufmerksam zu machen. Er kannte diese Alternative und aus seinem Verhalten war der Schluss zu ziehen, dass sie sich für ihn nicht mehr stellte.

3. Nach alledem folgt der Senat der eher durch aktuelle Medienberichte als durch den Verlauf seiner Behandlung genährten Behauptung des Klägers nicht, die Operation sei ausschließlich wirtschaftlichen Erwägungen geschuldet. Die Ärzte der Beklagten haben es sich mit der Operation nicht einfach gemacht und dem Kläger zunächst abgeraten. Erst als der Kläger wieder vorsprach und nicht mehr zu ertragende Beschwerden schilderte, bejahte man die Notwendigkeit eines Eingriffs nach Überprüfung und Korrektur der zunächst getroffenen Diagnose. Der Kläger wurde ordnungsgemäß aufgeklärt. Er kannte die Risiken und Chancen, die in einem angemessenen Verhältnis zueinander standen. Die Operationsentscheidung war angesichts der Befunde, der Situation des Klägers und seiner geschilderten Beschwerden
medizinisch vertretbar, womit ihr medizinische Kriterien zugrunde lagen. 

4. Eine parteiliche Erstattung des Gutachtens durch den Sachverständigen Dr. Sch. vermag der Senat nicht zu erkennen. Das dahingehende Vorbringen des Klägers veranlasste den Senat, sich einen persönlichen Eindruck vom Sachverständigen zu verschaffen. Dem Senat erschien der Sachverständige sehr um die medizinischen Fakten bemüht, ohne auch nur ansatzweise Sympathie für die Position der Beklagten erkennen zu lassen. Im Gegenteil, der Sachverständige hat sehr deutlich gemacht, sich als Arzt des Klägers anders entschieden zu haben. Hieraus nicht den vom Kläger gewünschten Schluss zu ziehen, die Ärzte der Beklagten hätten fehlerhaft gehandelt, deutet auf keine Parteinahme für Kollegen hin, sondern entspricht der Achtung der dem behandelnden Arzt eingeräumten Ermessens- und Beurteilungsspielräume, was der Rechtslage entspricht.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. 

Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Der Streitwert ist nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 40, 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1GKG; § 3 ZPO festgesetzt.

Anmerkung:

Die Entscheidung definiert die Aufklärungspflichten bezüglich der Behandlungsalternative konservative Therapie und den Risiken bei einer Bandscheibenoperation. Der beklagten Klinik kam hier zugute, dass der Kläger bereits jahrelang konservativ behandelt worden war, ohne dass sich die Beschwerden nennenswert besserten. Man kann daher sagen, die Beschwerden (Fehlstellung und Degenerationen der Wirbelsäule ohne Bandscheibenvorfall) waren konservativ ausbehandelt. Weiter kam ihr zugute, dass der Kläger bereits von den vorbehandelnden Ärzten Informationen zu der konservativen Theapie erhalten hatte.

Bemerkenswert ist, dass der Patient sehr lange konservativ behandelt wurde. Dies entspricht der neuen Linie in der Medizin, die in diesen Fällen verstärkt auf konservative Therapien setzt. 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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