Berufsunfähigkeitsversicherungen, Krankenversicherungen, Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungen lassen ihre Versicherten immer öfter im Regen stehen. Auch berechtigte Ansprüche der Versicherten werden verschleppt und zu Unrecht verneint. Was kann der Versicherte in solchen Fällen tun? 30-05-13

Unfallversicherungen

Die Unfallversicherungen weisen Ansprüche ihrer Versicherten in der Regel nach folgendem Muster ab: Es wird zuerst behauptet, der Unfall sei kein Unfall gewesen. Dann wird behauptet, die Folgen des Unfalls, dh die Verletzungen, seien gar keine Folge des Unfalles, sondern sie beruhten auf sogenannten Vorerkrankungen. Hier werden die abenteuerlichsten Behauptungen aufgestellt. So wird behauptet, ein Versicherter, der gestürzt ist und sich an der Schulter verletzte, habe schon vorher eine beschädigte Schulter gehabt, obgleich er zuvor gar keine Beschwerden an der Schulter hatte - eine 10 Jahre zurückliegende Verletzung der Schulter, die folgenlos ausgeheilt war wird von der Versucherung als Grund für die Beschwerden genannt. Weiter wird schließlich behauptet, die Folgen seien weniger schlimm, als von dem Versicherten behauptet. Gerne wirft die Versicherung dem Versicherten auch vor, er habe seine Anzeigepflichten verletzt oder er habe die Folgen des Unfalls nicht innerhalb der Fristen dargelegt. Im Ergebnis werden Ansprüche in der Regel erstmal abgelehnt. Die Versicherung spielt dann auf Zeit, weil sie weiss, dass viele Versicherte eine zeitaufwändige Auseinandersetzung mit der Versicherung scheuen.

Geht es um die Frage der Schwere des Unfalls oder der Vorerkrankungen, schalten die Unfallversicherungen von Ihnen bezahlte Gutachter ein. Diese kommen regelmäßig zu Ergebnissen, die ihrem Dienstherren, nämlich dem Versicherer, genehm sind. Andernfalls werden sie auch nicht weiter von der Versicherung beauftragt. Und da die Gutachtenaufträge für die Gutachter sehr lukrativ sind, sind diese gehalten, im Sinne des Versicherers zu entscheiden. Der Versicherter sollte diesen Parteigutachten (also von einer Seite beauftragten, nicht unabhängigen Gutachtern) deshalb nicht allzuviel Bedeutung beimessen. 

Der Versicherte ist gut beraten, früh zum Arzt zu gehen um seine Beschwerden zu dokumentieren. Er sollte so schnell wie möglich alle Unterlagen den Unfall betreffenden Unterlagen an seine Versicherung senden. Nach einer Leistungsablehnung sollte er sogleich einen Anwalt mit der weiteren Geltendmachung seiner Ansprüche beauftragen.    

Berufsunfähigkeitsversicherung

Wer berufsunfähig ist, hat Anspruch auf dauernde Leistungen (Renten). Das ist für die Versicherung sehr teuer. Die Motivation, Ansprüche abzuweisen, ist daher bei der Berufsunfähigkeitsversicherung besonders hoch.
Zuerst prüft die Versicherung die gesamte Krankengeschichte des Versicherten, fordert umfangreiche Unterlagen an und wertet diese aus. Gerne wird dann behauptet, der Versicherte habe bei Versicherungsabschluss Vorerkrankungen verschwiegen. Die Versicherung ist dann der Meinung, sie hätte die Versicherung gar nicht abgeschlossen mit dem Versicherten, wenn ihr diese Vorerkrankungen bekannt gewesen seien. Deshalb fechtet die Versicherung den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Bei Licht besehen sind die Vorerkrankungen aber oft Bagatellen, die zudem mit der Erkrankung, die schließlich zu der Berufsunfähigkleit führten, gar nichts zu tun haben. So wurde einer Mandantin von mir vorgeworfen, sie habe eine HWS-Erkrankung nicht angegeben. Diese war aber zum einen folgenlos ausgeheilt. Zum anderen stand sie mit der eigentlichen Erkrankung (einem Kurzdarmsyndrom) in überhaupt keinem Zusammenhang.

Auf der zweiten Stufe verneint die Versicherung, dass der versicherte überhaupt "berufsunfähig" sei. Er sei nur geringfügig beruflich beeinträchtigt. Auch hier berufen sich die Versicherer auf Parteigutachten, die teilweise haarsträubende Begründungen aufweisen. So wurde einem an krankheitsbedingten Durchfällen leidenden Mandanten von dem Gutachter erklärt, seine Erkrankung könne sich noch bessern, wenn er Beckenbodentraining mache. Zum einen hilft das gar nicht, zum anderen HATTE der Mandant lange Zeit Beckenbodentraining gemacht und dies dem Gutachter auch mitgeteilt.

Wer eine Anfechtungserklärung erhalten hat, sollte sich nicht alleine gegenüber der Versicherung erklären oder rechtfertigen. Dadurch kann der Versicherte die Sache teilweise noch schlimmer machen. Hier sollte man sich anwaltlich beraten lassen, um nicht in die üblichen Fettnäpfchen zu treten.

Leider lassen sich die Berufsunfähigkeitsversicherungen in der Regel auch von Anwaltsschreiben und Klageandrohungen beeindrucken. Hier muss der Versicherte in der Regel vor Gericht ziehen, um zu seinem Recht zu kommen.

Berufsgenossenschaften

Arbeitnehmer sind wegen Arbeitsunfällen automatisch bei der Berufsgenossenschaft gegen Körperschäden versichert. Ein Dreher, der sich an der Werkbank die Hand einklemmt, hat also Anspruch auf Behandlungskostenersatz durch die Berufsgenossenschaft. Da die Behandlung in der Regel sehr teuer ist, behaupten die Versicherungen gerne, es handele sich nicht um einen Arbeitsunfall oder der Körperschaden beruhe auf einem Vorschaden, sprich der Versicherte sei schon vorher krank oder irgendwie geschädigt gewesen.

Ein Fall aus der Praxis mag dies erläutern. Ein Dreher hatte einen auf ihn fallenden, ca. 500 kg wiegenden Metallrahmen mit beiden Armen abgefangenen und sich dabei beide Schultern massiv überdehnt. Die Versicherung ließ den Arbeiter ärztlich untersuchen. Dieser kam zu dem Ergebnis, die Schultern seien durch einen angeborenen Defekt der Schultern derart vorbelastet gewesen, dass eben diese Vorbelastung die Überdehnung erst ermöglicht habe. Merkwürdig nur, dass der Dreher zuvor ohne Beschwerden seine Arbeit machte.Festzustellen ist auch, dass die Genossenschaften gerade schwere Fälle, wie zB die Asbestose, die oftmals in kurzer Zeit zum Tode führen, verschleppen. Da kann es vorkommen, dass der Arbeitnehmer zu schwach ist, um seinen Ansprüche zu verfolgen oder dass er sogar verstirbt.  

Hier hilft es, selber nach dem Unfall einen Facharzt aufzusuchen und sich dort untersuchen zu lassen. Der Arbeitnehmer muss diese Befunde der Versicherung sofort vorlegen. Notfalls muss er vor das Sozialgericht ziehen.

Krankenversicherungen

Die Krankenversicherungen verhalten sich in der überwiegenden Zahl der Fälle korrekt. Trotzdem kann es zu Problemen kommen:

Private Krankenversicherung

Die PKV begleicht Arztrechnungen, wenn die dazugehörige Behandlung medizinisch erforderlich war. Gefährlich ist es, sich bei größeren Behandlungen zuerst behandeln zu lassen und erst dann die Rechnung einzureichen. Sicherer ist es, sich von dem Arzt, der die Behandlung durchführen will, einen Arztbrief erstellen zulassen (über den Inhalt der Erkrankung und die erforderliche Behandlung, idealerweise verbunden mit einer Art Kostenvoranschlag) und diesen zusammen mit einer schriftlichen Bitte um Kostenübernahmeerklärung bei der PKV vorzulegen. Wenn dann diese Erklärung in schriftlicher Form vorliegt, kann der Patient die Behandlung starten.

Geht der Patient dagegen den Weg, sich zuerst behandeln zu lassen und dann erst die Rechnung einzureichen, so kommt es immer wieder vor, dass die PKV die Erstattung der Kosten ganz oder teilweise ablehnt. Als Gründe werden genannt: fehlende Erforderlichkeit der Behandlung oder zu hohe ärztliche Gebührenansätze (Steigerungssätze). In diesem Fall sollte der Patient sich anwaltlich beraten lassen, denn das ärztliche Gebührenrecht ist kompliziert. Teilweise kann es sogar erforderlich sein, gegen den Arzt vorzugehen. Dies in den Fällen, in denen der Arzt den Patienten nicht hinreichend über die wirtschaftliche Folgen der Behandlung aufgeklärt hat (etwa über die mangelnde Erstattungsfähigkeit der entstehenden Kosten) oder wenn der Arzt Kosten geltend macht, die er gar nicht verlangen kann. Auch hier sollte sich der Patient anwaltlich beraten lassen.

Gesetzliche Krankenversicherung

Auch die gesetzlichen Krankenkassen zahlen nicht jede Behandlung. Es kommt immer wieder vor, dass der Patient eine Behandlung wünscht, die von den Kassen nicht anerkannt wird. Zuletzt scheiterte eine Frau vor Gericht mit ihren Kosten wegen einer Haarentfernung. Sie litt unter krankhaftem Haarwuchs im Gesicht. Sie war nach einer Methode behandelt worden (Laserepilation), die nicht als medizinischer Standard anerkannt ist. Es gibt eine Behandlungsart (Nadelepilation), die zwar schmerzhafter ist als die Laserbehandlung, die aber von der Kasse aberkannt wird und deren Kosten auch getragen werden. Wer sicher gehen will, geht ebenso vor wie bei der privaten Krankenversicherung: Arztbrief einreichen bei der Kasse und um schriftliche Kostenübernahmeerklärung bitten.

Manchmal kommt es vor, dass der Kunde eine Behandlung wünscht, die Kasse aber auf seine Anfrage nicht antwortet. Hier hat der Patient unter bestimmten Voraussetzungen eine Art Nothilferecht: er kann die Behandlung durchführen lassen, wenn er zuvor erfolglos schriftlich um Kostenübernehmeerklärung bat und die Kasse darauf nicht in angemessener Zeit reagierte, die Behandlung aber dringend durchgeführt werden musste. Wer sich da unsicher ist, sollte sich ebenfalls anwaltlich beraten lassen. Ansonsten droht der Patient, auf teilweise erheblichen Behandlungskosten sitzen zu bleiben.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
Vertretung und Beratung im Medizinrecht und Arztrecht
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