An dem vom SG Kassel (Urteil vom 20. Februar 2013 -S 12 KR 69/12-) zu Ungunsten des Arztes entschiedenen Fall, in dem ein Psychotherapeut als scheinselbständig und die Tätigkeit als sozialversicherungspflichtig angesehen wurde, zeigt sich einmal mehr die Schwierigkeit, Honorararztverträge so zu gestalten, dass diese nicht als Scheinselbständigkeit eingeordnet werden.

Ein ärztlicher PT war in einer Rehabilitationsklinik beschäftigt. Im Rahmen eines Honorararztvertrages betreute er dort stationäre Patienten. Die Deutsche Rentenversicherung führte eine nachträgliche Statusfeststellung durch und bewertete das Beschäftigungsverhältnis als Scheinselbständigkeit. Die von dem Arzt dagegen eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos.

Maßgebliche Umstände, die zu der Annahme einer Scheinselbständigkeit führten, waren:

  • Der Arzt war nicht weisungsfrei und selbständig
  • Er nahm an wöchentlichen Teamsitzungen teil. Dort gab es einen leitenden Vorgesetzten
  • der Arzt setzte kein eigenes Kapital oder Risiko ein
  • alleine das Risiko, dass der Arzt seinen Verdienst verliert, wenn ein Patient nicht erscheint, reicht nicht aus
  • keine freie Gestaltung der Arbeitszeiten sondern institutionelle Einbindung des Arztes in den Klinikbetrieb
  • keine Einflussmöglichkeit des Arztes bezüglich der Auswahl der zu behandelnden Patienten

Aus den Gründen:

Letztlich entscheidend bleibt also, ob der Beigeladene (Arzt) - wie von der Klägerin geltend gemacht - während seiner streitigen Tätigkeit nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur Klägerin und der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit wie ein sogenannter freier Mitarbeiter im Wesentlichen weisungsfrei und insoweit selbstständig war.

Insoweit hat die Beklagte unter Anwendung dieser Grundsätze zur Überzeugung der Kammer das Vorliegen einer versicherungs- und beitragspflichtigen abhängigen Beschäftigung auf Seiten des Beigeladenen in den o.a. Versicherungszweigen seit 1. März 2005 jedoch rechtsfehlerfrei bejaht.

Zwar geht auch die Kammer davon aus, dass der Beigeladene im Rahmen der ihm übertragenen bzw. von ihm übernommenen Aufgaben im täglichen Dienstbetrieb, seine konkrete therapeutische Arbeit betreffend, umfangreiche eigene Entscheidungsspielräume gehabt hat; wie der täglichen Tätigkeit eines Arztes im Klinikbetrieb ist dies auch der eines ärztlichen Psychotherapeuten, eines Psychologen oder auch eines Heilpraktikers für Psychotherapie nicht zuletzt auf der Grundlage der Ausübung ihrer Tätigkeit in einem Heilberuf aber gerade immanent und vermag somit für sich noch keine selbstständige Tätigkeit zu begründen, da - wie ausgeführt - allein selbstständiges Arbeiten eben gerade noch keine selbstständige, sozialversicherungsfreie Tätigkeit beinhaltet. Hier kann mit den weiteren Ausführungen und über die bereits von der Beklagten angeführten, ebenfalls für das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände hinaus z.B. nämlich auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Vergütung des Beigeladenen insgesamt nicht erfolgsbezogen war und der Beigeladene kein eigenes Kapital einzusetzen hatte, wobei insbesondere auch und gerade der (Arbeits-)Einsatz mit dem BSG dem Wagniskapital eines Unternehmers nicht gleichgesetzt werden kann (vgl. BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 18), ein wirtschaftliches Unternehmerrisiko als mitentscheidendes Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit auf Seiten des Beigeladenen im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klinik der Klägerin, auf die hier allein abzustellen ist, zur Überzeugung der Kammer mit der Beklagten also nicht vorlag.

Dabei sei zu letzterem noch weiter ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG maßgebliches Kriterium für ein Unternehmerrisiko gerade ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 mwN). Bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin ergibt sich aber nicht, dass der Erfolg des Einsatzes der Arbeitskraft des Beigeladenen für die von der Klägerin betriebene Klinik ungewiss war. Denn dieser schuldete eben "nur" den Einsatz seiner Arbeitskraft.

Selbst eine - wie auch hier vorliegende - Überbürdung des Risikos, bei krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen kein Entgelt zu erhalten, spricht nach der Rechtsprechung des BSG nur dann für Selbstständigkeit, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchancen gegenüberstehen, wovon hier jedoch nicht ausgegangen werden kann (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2003, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2008, a.a.O.).

Weiterhin kann z.B. auch selbst die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken ebenfalls noch nicht die Annahme von Selbstständigkeit rechtfertigen (vgl. BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 mwN).

Soweit schließlich sinngemäß unterstellt wird, es habe hier die soziale und rechtliche Schutzbedürftigkeit gefehlt, die es erforderte, den Beigeladenen zumindest dem Grunde nach der Versicherungspflicht als Arbeitnehmer zu unterstellen, wird mit dem BSG abschließend noch verkannt, dass die Annahme einer Beschäftigung nicht von der individuellen Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person abhängt (vgl. BSGE 40, 208, 209 = SozR 2200 § 169 Nr. 1; BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 19). Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts haben für die Beschäftigung insofern Bedeutung, als sie es ausschließen, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien und ihren Vereinbarungen zu entscheiden (vgl. BSGE 51, 164, 167/168 = SozR 2400 § 2 Nr. 16). Als Merkmal der Beschäftigung ist das Ziel der Sozialversicherung, die sozial Schwächeren vor den Wechselfällen des Lebens zu schützen, nicht geeignet. Das gilt auch für die wirtschaftliche Abhängigkeit, soweit diese als maßgeblich für eine soziale Schutzbedürftigkeit angesehen würde (vgl. BSGE 36, 262, 263; BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 19). Ebenso wenig kann eine Beschäftigung i.S. des Sozialversicherungsrechts mit dem Hinweis auf eine fehlende rechtliche Schutzbedürftigkeit und damit verneint werden, dass die Berufung auf die Versicherungspflicht der Beschäftigung im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander treuwidrig ist. Auch dies würde dem Charakter einer öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung widersprechen (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 25.1.2001, B 12 KR 17/00 R).

Letztlich hat der Beigeladene mit seiner Tätigkeit für die Klägerin nach alledem in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin gedient und damit, auch und gerade wirtschaftlich betrachtet, seine Tätigkeit nicht wie für ein eigenes, sondern wie für ein fremdes Unternehmen ausgeübt, was eine vom o.a. Regelfall abweichende Beurteilung mit der Beklagten nicht zulässt.

Insoweit kann die Klägerin schließlich und vor allem auch nicht erfolgreich einwenden, es habe keine persönliche Abhängigkeit, und kein umfassendes Weisungsrecht ihrerseits hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung und auch keine Eingliederung in deren Betrieb gegeben.

Für eine Einbindung in den Betrieb spricht neben dem Vortrag des Beigeladenen im Rahmen der Beantragung der Statusfeststellung zur tatsächlichen Ausgestaltung seiner Tätigkeit, den er in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigend in Bezug genommen hat, ohne dass dem mit dem Verwaltungsleiter der Klägerin zur tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit etwas entgegenzusetzen gewesen wäre, die Tatsache, dass die Verfügungsmöglichkeit des Beigeladenen über seine eigene Arbeitskraft im Klinikbetrieb deutlich eingeschränkt war. Die Möglichkeit, "Aufträge" anzunehmen oder abzulehnen, gilt zwar grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Doch sind auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen, ob er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er ein konkretes Angebot ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen beispielsweise wegen Erkrankung ständiger Mitarbeiter lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2008, a.a.O.). Nimmt der Betroffene das Angebot jedoch an, übt er die Tätigkeit mit der Beklagten in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und wird nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbstständig Tätigen.

Behandelt wurden vom Beigeladenen nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Kammer in der mündlichen Verhandlung dann aber auch vollstationär aufgenommene, in erster Linie privatversicherte Klinikpatienten im Rahmen und insoweit als integrierter Bestandteil des Behandlungskonzeptes der Klägerin, die damit innerhalb ihres Behandlungsplanes/Versorgungsauftrages die Behandlung ihrer - auch vom Beigeladenen als Gruppenleiter verantwortlich behandelten - Patienten nicht nur diesen, sondern ebenfalls dem jeweiligen Kostenträger gegenüber allein zu verantworten hatte. Selbst unter Berücksichtigung seiner therapeutischen Freiheiten war der Beigeladene durch diese institutionelle Einbindung in den Klinikalltag, dessen Organisation und seiner therapeutischen Orientierung an der ganzheitlichen Konzeption der Klägerin somit Erfüllungsgehilfe der Klinik und insoweit den "Weisungen" der Klinik unterlegen, was nicht zuletzt durch seine Teilnahme an Teambesprechungen mit andern Therapeuten und unter Beteiligung des verantwortlichen, angestellten Oberarztes verdeutlicht wird. Auch wenn diese selbst nicht in die eigentliche therapeutische Tätigkeit des Beigeladenen eingebunden waren, dann aber mit den Ausführungen des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung hierzu doch in die allgemeine und auch konkrete Therapieplanung, von der auch die Tätigkeit des Beigeladenen wiederum also solche abhängig war.

Damit lässt sich die Tätigkeit des Beigeladenen im Klinikalltag der Klägerin nicht losgelöst von der Behandlung der Patienten als solcher einordnen, wobei der Beigeladene auch keinen Einfluss darauf hatte, welche Patienten von ihm bzw. innerhalb seiner Gruppe konkret behandelt wurden. Diese wurden ihm stattdessen zugewiesen. D.h., dem Beigeladenen "fehlte im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit die Möglichkeit, den Patientenstrom selbst zu steuern" (vgl. hierzu SG Mannheim, Urteil vom 16. Juni 2011, S 15 R 2545/09), wobei der Beigeladene den Patienten gegenüber dann insoweit auch wie ein angestellter Arzt der Klägerin aufgetreten ist. Anders als diese mag der Beigeladene dabei dann zwar von gewissen "arbeitsvertraglichen" Pflichten "befreit" gewesen sein, die unauflösliche Einbindung seiner Tätigkeit im Rahmen der Behandlung der Patienten der Klägerin, die eben nicht seine Privatpatienten waren, in den fremdbestimmten Klinikalltag und damit die Organisation der Klägerin, lässt dies jedoch unberührt (vgl. weiter u.a. zur abhängigen Beschäftigung eines Schiffsarztes LAG Hamm (Westfalen), Beschluss vom 2. Juli 2012, 2 Ta 71/12; zur abhängigen Beschäftigung von Pflegefachkräften bei Nachtwachen in und im Auftrag von Pflegeeinrichtungen LSG Hamburg, Urteil vom 10. Dezember 2012, L 2 R 13/09, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2012, L 4 R 761/11 und LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 20. Juli 2011, L 8 (3,5,16) R 55/06 und L 8 R 531/10 und abschließend zur abhängigen Beschäftigung eines für die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits tätigen Heilpraktikers für Psychotherapie SG Kassel, Urteil vom 21. September 2011, S 12 KR 395/10). Gleiches gilt für die vorgeblich ohne Einbindung der Verwaltung der Klägerin zwischenzeitlich erfolgte o.a. Reduzierung der Tätigkeit des Beigeladenen aus gesundheitlichen Gründen. Diese Reduzierung ist nämlich nicht einseitig durch den Beigeladenen ohne Rücksicht auf die Belange der Klägerin erfolgt, sondern war nach den Ausführungen des Beigeladenen hierzu unter Abwägung betrieblicher Belange Ergebnis von Absprachen im Team, also eines Kommunikationsprozesses, in den die Verwaltung der Klägerin als Arbeitgeberin bereits durch ihren teamleitenden, angestellten Oberarzt als Vertreter der Klägerin und "Vorgesetztem" des Beigeladenen eingebunden war. Auch insoweit besteht kein Unterschied zu entsprechenden Vereinbarungen in "herkömmlichen" Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen.

Bestätigt wird all dies dann letztlich auch durch den aktuellen Internetauftritt der Klägerin (vgl. http://www.a-klinik.de), in dem es zur Organisation z.B. der dortigen Psychosomatik u.a. heißt, dass die Psychosomatische Abteilung in drei relativ eigenständige Abteilungen mit eigenen Stationszimmern untergliedert sei, jede dieser Abteilungen von einer Oberärztin/einem Oberarzt geleitet und neben den allgemeinen Therapieindikationen einen eigenen Schwerpunkt (frauenspezifische Traumatherapie, integrierte Tinnitustherapie und Psychoonkologie, spezifische Therapie junger Erwachsener sowie kognitive Verhaltenstherapie) habe, wobei die Behandlung durch ein multiprofessionelles Team erfolge, das neben den vorgenannten Oberärzten 5 ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten/innen, 1-2 Ärzte/innen, 5 Schwestern bzw. Pfleger, 2 Atemtherapeutinnen, 1 Kunsttherapeutin und 1 Sekretärin umfasse, was die Einbindung des Beigeladenen in diese Organisation mehr als verdeutlicht.

Den Beigeladenen insoweit einem Subunternehmer im herkömmlichen Sinne gleichzustellen, würde zur Überzeugung der Kammer abschließend die aufgezeigten o.a. rechtlichen Grundsätze verkennen, die Bedeutung der therapeutischen Arbeit des Beigeladenen entwerten und allein wirtschaftlichen Interessen geschuldet sein, insoweit dann aber auch das Gesamtgefüge verkennen, in dem sich die Tätigkeit des Beigeladenen vollzieht.

Damit hat es sich bei der hier streitigen Tätigkeit des Beigeladenen abschließend aber auch nicht nur um eine Tätigkeit als abhängig Beschäftigter gehandelt, sie war u.a. auf der Grundlage der abgerechneten aktenkundigen Entgelte mit der Beklagten auch in den o.a. Zweigen der Sozialversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung versicherungs- und beitragspflichtig. Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Hinweis:
Die Entscheidung verdeutlicht die Problematik des Honorararztvertrages und die damit verbundenen Risiken. Tipps zur sicheren Gestaltung dieser Verträge erhalten Sie hier: Der Vertrag des Honorararztes 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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