Einem Patienten darf die Prozeßkostenhilfe nicht versagt werden, wenn ihm dadurch eine ernsthaft in Betracht kommende Beweiserhebung (insbesondere über die angeblich mangelnde Kooperation mit dem Arzt wegen Verständigungsschwierigkeiten) versagt wurde (BVerfG, Urteil vom 28.01.2013 - 1 BvR 274/12 -).

Der herzkranke fremdsprachige Beschwerdeführer hatte sich bei einem Transplantationszentrum vergeblich darum bemüht, auf die Warteliste für die Organvermittlung zur Herztransplantation gesetzt zu werden. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass aufgrund gravierender Verständigungsprobleme die Mitwirkung des Patienten bei der Vor- und Nachbehandlung ("Compliance") nicht gesichert sei. Streitig war zwischen den Parteien, ob ein Gespräch des Patienten mit einer psychologisch erfahrenen Person zur Beurteilung der Kooperationsfähigkeit des Patienten stattgefunden habe.

Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für eine Schmerzensgeldklage gegen das vorbehandelnde Krankenhaus. Diese wurde von den Vorsinstanzen abgelehnt. Der Patient legte Verfassungsbeschwerde ein.

Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe stattgegeben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Nach Auffassung des BVerfG verletzt der diesbezügliche Beschluss des Oberlandesgerichts die Grundrechte des Beschwerdeführers, weil es schwierige und bislang ungeklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden sowie eine ernsthaft in Betracht kommende Beweisaufnahme abgeschnitten hat.

Das BVerfG führt aus, dass eine Beweisaufnahme insbesondere über die von dem Transplantationszentrum behauptete mangelnde Kooperation des Patienten ernsthaft in Betracht kam. Auch lagen aus Sicht des BVerfG keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde. Hier gehe es um bisher ungeklärte Rechtsfragen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen dürften nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssten auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können.

Anmerkung:

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie die Rechtsschutzmöglichkeiten betroffener Patienten erweitert. Das erstinstanzliche Gericht hat aus Sicht des BVerfG die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu hoch angesetzt. In der anwaltlichen Praxis ist die Zurückhaltung der Gerichte bei der Gewährung einer Prozeßkostenhilfe in Arzthaftungsfragen immer wieder zu beobachten. Es kann dem Patienten aber nicht zugemutet werden, die komplexe Materie schon vor einem Prozess so zu durchtauchen, dass er auch ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen dem Gericht mundfertig aufdröselt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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