Wegen einer von den behandelnden Ärzten übersehenen Uterusruptur hat das in Folge der Geburt geistig behinderte Kind einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von EUR 250.000 EUR gegen die behandelnden Gynäkologen sowie Anspruch auf Ersatz der künftigen Schäden (LG Freiburg, Urteil vom 3.08.2007 - 5 O 10/05 -).
Aus den Gründen des Urteils:
Die Mutter der Klägerin - deren Ansprüche wegen des gleichen Geschehens gesondert verfolgt werden (5 O 12/05) - war wegen ihrer Schwangerschaft und der alsbald bevorstehenden Geburt ab Anfang Dezember 2000 in der H.-Klinik in M. zur Behandlung. Dort wurde sie mehrfach untersucht und schließlich stationär aufgenommen. Erstmals erschien die Mutter der Klägerin am 15.01.2001 zur stationären Aufnahme. Allerdings ging die Mutter gegen 16:30 Uhr wieder nach Hause, nachdem die zuvor durchgeführte CTG-Kontrolle unauffällig war und keine Wehen verspürt wurden. Obwohl die Geburt am 16.01.2001 eingeleitet werden sollte, kam die Mutter der Klägerin an diesem Tag erst gegen 17:25 Uhr zur CTG-Kontrolle in die Klinik, wurde danach auf ihren Wunsch aber wieder beurlaubt. Nachdem sie kurz nach 22:00 Uhr wieder in der Klinik erschienen war, wurde auf die Gel-Einlage verzichtet, die ursprünglich zur Einleitung der Geburt geplant war und die Geburtseinleitung auf den Morgen des 17.01.2001 geplant.
Am 17.01.2001 wurde um 8:15 Uhr Prostaglandin-Gel in das hintere Scheidengewölbe eingelegt, doch kam es trotzdem nicht zu Wehen. Um 16:00 Uhr verließ die Mutter der Klägerin das Krankenhaus wieder nach Hause und kam gegen 22 Uhr zurück in die Klinik. Am 18.01.2001gegen 1:30 Uhr traten erstmals Wehen auf, die die Mutter der Klägerin als äußerst schmerzhaft erlebte.
Im Geburtsbericht wurde am 18.01.2001 zwischen 6:15 Uhr und 7:45 Uhr festgehalten, dass die Mutter der Klägerin "sehr müde" sei und "am liebsten eine Sectio" möchte. Um 10:00 Uhr wurde bei der Mutter der Klägerin eine Periduralanästhesie gelegt und die Wehentätigkeit mit Syntocinon unterstützt. Um 12:45 Uhr wurde die Periduralanästhesie erneut nachgespritzt und um 14:50 Uhr war der Muttermund vollständig, der Kopf der Klägerin stand in Beckenmitte. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Pressdrang registriert und die Mutter der Klägerin klagte zugleich über Schmerzen. Daraufhin wurde die Periduralanästhesie nochmals nachgespritzt. Um 15:35 Uhr klagte die Mutter der Klägerin trotz der Periduralanästhesie über Schmerzen, die nach der Dokumentation des Geburtsverlaufs "kaum mehr auszuhalten" seien. Das CTG der Klägerin zeigte jedoch bis 15:53 Uhr noch einen unauffälligen Befund. Dann kam es jedoch zu einem deutlichen Abfall der Herztöne des Kindes, von dem sich das Kind trotz intrauteriner Reanimation mit Partusisten nicht mehr erholte. Um 16:12 Uhr wurde die Klägerin per Vakuum-Extraktion von der Beklagten Ziff. 1 entbunden, wobei der Apgar-Wert von 2/5/6 sehr schlecht war und der arterielle Nabelschnur-pH-Wert von 6,78 ebenfalls eine außerordentliche dramatisch schlechte Situation der Klägerin anzeigte.
Bei der Klägerin liegen jetzt massive körperliche und geistige Behinderungen vor. Es besteht ein irreparabler Hirnschaden, der mit einer Vielzahl von Beeinträchtigungen verbunden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung in der Klageschrift Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, sie habe bereits bei den ersten Untersuchungen in der Klinik den Ärzten mitgeteilt, dass bei der Geburt ihres ersten Kindes ein Kaiserschnitt durchgeführt werden musste und man ihr damals - noch in Russland - geraten habe, jede weitere Geburt ebenfalls mit Kaiserschnitt durchzuführen. Grund sei der Bluthochdruck der Mutter sowie eine bei der ersten Geburt aufgetretene Gestose gewesen, weshalb die Mutter der Klägerin gegenüber Ärzten in der Klinik immer wieder den Wunsch geäußert habe, per Kaiserschnitt zu entbinden. Auch mit der Gynäkologin der Mutter - Frau Dr. K. - sei abgesprochen gewesen, dass ein Kaiserschnitt durchgeführt werden müsse. Pflichtwidrig hätten jedoch die Beklagten Ziffer 1 und 2 in den Vorgesprächen mit der Klägerin abgelehnt, einen Kaiserschnitt durchzuführen. Obwohl die Mutter der Klägerin mehrfach - auch noch im Kreißsaal - den Wunsch geäußert habe, per Kaiserschnitt zu entbinden, sei über diesen Wunsch der Mutter hinweggegangen worden. Die erheblichen Schmerzen der Mutter der Klägerin seien nicht ernst genommen worden und auf die von der Mutter geklagten Schmerzen seien nicht zum Anlass für sachgerechte Reaktionen genommen worden. Man habe daher einen Kaiserschnitt pflichtwidrig unterlassen. Die beklagten Ärzte hätten sich in erheblichem Umfang falsch verhalten, insbesondere unterlassen, sich nach der Art der Durchführung des ersten Kaiserschnittes in Russland zu erkundigen. Dort sei nämlich - entgegen der in Deutschland gängigen Methode - nicht nur der Bauch, sondern auch die Uterus längs geschnitten worden, was das Risiko einer Ruptur der Gebärmutter erhöht habe. Ferner habe sich aus den Ultraschallbildern das Anhaften der Plazenta an der Vorwand des Uterus ergeben, was die Gefahr einer Uterusruptur erhöht habe. Dieses Risiko habe sich tatsächlich auch verwirklicht, denn der Uterus der Mutter sei gerissen. Die Schmerzen der Mutter, die diese trotz der gelegten Periduralanästhesie geklagt habe, seien vernachlässigt worden und insbesondere sei die Klägerin auf die angesichts der Vorgeschichte erhöhten Risiken bei einer natürlichen Entbindung nicht hingewiesen worden. Der zwingende Kaiserschnitt sei nicht durchgeführt worden, woraus der schwere Schaden der Klägerin resultiere. Bei rechtzeitiger Durchführung eines Kaiserschnitts wäre die erhebliche geistige Behinderung der Klägerin vermeidbar gewesen.
Rechtlich ist die Klägerin der Auffassung, dass alle drei Beklagten deliktisch für den eingetretenen Schaden der Klägerin zu haften hätten. Die Klägerin habe nämlich ein Verfahren vor der Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht eingeleitet, das sich zwar gegen die Beklagten Ziffer 1 und 2 gerichtet habe, doch sei auch die Beklagte Ziffer 3 in diesem Verfahren beteiligt gewesen, weil die Klinik regelmäßig von den Ärzten in diesem Verfahren als rechtlich vertreten anzusehen sei. Wegen der Durchführung des Gutachterverfahrens sei die Verjährung zeitweise gehemmt gewesen, weshalb die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung unbegründet sei.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein in das gerichtliche Ermessen gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 18.01.2001 zu bezahlen;
2. Die Beklagten ferner gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 250,00 EUR ab 18.01.2001 vierteljährlich im Voraus jeweils zum 01.02., 01.05., 01.08. und 01.11. eines jeden Jahres bis zum Lebensende der Klägerin zu bezahlen sowie
3. Festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen wie immateriellen Schäden, die durch die Behandlungsfehler der Beklagten Ziffer 1 und Ziffer 2 vor, während und nach der Geburt der Klägerin am 18.01.2001 in der H.-Klinik in M. verursacht wurden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt ernsthaft den Wunsch geäußert habe, per Kaiserschnitt zu entbinden. Hätte sie diesen Wunsch nämlich geäußert, wäre diesem nachgekommen worden. Es habe allerdings auch keine Indikation für einen Kaiserschnitt bestanden, insbesondere führe nicht jede Kaiserschnittentbindung zur Notwendigkeit, künftige Entbindungen ebenfalls per Kaiserschnitt auszuführen.
Es habe auch keinen Hinweis darauf gegeben, dass bei der ersten Kaiserschnittentbindung - bei der die Bauchdecke längs aufgeschnitten wurde - auch der Uterus längs aufgeschnitten worden sei. Vielmehr sei es üblich, auch beim Bauchlängsschnitt einen Uterusquerschnitt auszuführen, was ohne weiteres zulasse, bei einer späteren Geburt den Versuch einer natürlichen Entbindung zu erwägen. Es habe weder eine erhöhte Risikoaufklärung stattfinden müssen noch habe man die Schmerzen der Mutter vernachlässigt. Auch der Zeitraum der errechneten Übertragung habe keine Indikation für einen Kaiserschnitt zur Folge gehabt.
Die Beklagten erheben auch die Einrede der Verjährung, wobei die Beklagte Ziffer 3 darauf hinweist, dass sie an dem Verfahren der Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht nicht beteiligt gewesen sei. Insbesondere sei sie in diesem Verfahren nicht durch die Beklagten Ziffer 1 und 2 vertreten gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Ausdrücklich wird hingewiesen auf die im Original vorgelegten Krankenunterlagen sowie auf das Gutachten des Dr. M. im Gutachterverfahren.
Das Gericht hat auf der Grundlage eines Beweisbeschlusses vom 14. November 2005 (AS 197) das Gutachten des geschäftsführenden Direktors der Universitätsfrauenklinik in Heidelberg, Prof. Dr. Sohn eingeholt. Auf dessen Gutachten vom 30.05.2006 sowie auf das Ergänzungsgutachten vom 04.12.2006 wird ebenso Bezug genommen wie auf die ausführlichen Ausführungen des Sachverständigen im Termin zu seiner Anhörung am 19.04.2007 (Protokoll AS 409 ff).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet, da die deliktischen Ansprüche gegen die Beklagte Ziffer 3 verjährt sind.
I. Schmerzensgeld
Der Klägerin steht aus §§ 823 Abs. 1, 847 (heute § 253) BGB ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Beklagten Ziffer 1 und 2 zu, da der bei ihr eingetretene Körperschaden auf deren ärztliches Fehlverhalten im Verlauf der Geburt zurückzuführen ist.
Nach dem erhobenen Sachverständigengutachten, dem das Gericht nach eingehender Würdigung und ausführlicher Anhörung des Sachverständigen im Ergebnis und in der Begründung folgt, wurden im Verlauf der Geburt der Klägerin Fehler begangen, die den eingetretenen Körperschaden zur Folge hatten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Mutter der Klägerin wirklich den Wunsch nach einem Kaiserschnitt geäußert hatte, denn für diesen bestand zunächst keine medizinische Indikation. Auch wenn der erste Kaiserschnitt bei der Mutter der Klägerin durch einen Haut-Längsschnitt ausgeführt wurde, gab es keinen Hinweis darauf, dass auch der Uterus längs geschnitten wurde. Üblich und wahrscheinlicher ist, dass der Uterus quer aufgeschnitten wurde, weshalb zunächst keine medizinische Indikation für einen erneuten Kaiserschnitt bestand, was der Sachverständige klar dargestellt hat. Allerdings wäre - was der Sachverständige ebenfalls eindrücklich ausgeführt hat - wegen des Restrisikos hinsichtlich der unbekannten Schnittführung eine besondere Risikoaufklärung erforderlich gewesen, die allerdings im Rahmen des deliktischen Anspruchs gegen die Beklagten Ziffer 1 und 2 außer Betracht zu bleiben hat.
Im Gutachten hat der Sachverständige ausgeführt, dass die um 10:00 Uhr gelegte Periduralanästhesie frühzeitige Anzeichen einer Uterusruptur verdecken konnte, so dass die Überwachung der Patientin nach einem Kaiserschnitt mit Periduralanästhesie besonders sensibel erfolgen musste. Insbesondere dann, wenn trotz der Periduralanästhesie starke Schmerzen auftreten, sei sehr hellhörig auf die Symptomatik zu reagieren und die Differenzialdiagnose einer Uterusruptur zu bedenken. Nachdem um 15:35 Uhr trotz der Periduralanästhesie über Schmerzen geklagt wurde, die "kaum mehr auszuhalten" gewesen seien, könnte hierin der erste Hinweis auf eine sich anbahnenden Uterusruptur gesehen werden, die tatsächlich ja auch abgelaufen ist. Diese Komplikation sei aber offenbar nicht ins Kalkül genommen worden, da zweimal eine Reanimation des Kindes durchgeführt worden sei. 20 Minuten vor Geburt des Kindes seien die Herztöne nicht mehr ordentlich zu überwachen gewesen, d. h. es sei ein deutlicher Abfall der Herztöne des Kindes festzustellen gewesen. Die Mangelversorgung in der letzten Phase vor der Vakuum-Extraktion sei der kritische Punkt für das Kind gewesen, denn diese Zeit ohne Versorgung habe dazu geführt, dass der Nabelschnur-pH-Wert in derart dramatische Tiefen abgesunken und der Apgar-Wert entsprechend schlecht ausgefallen sei. Im Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige (dort Seite 7 ff), ausgeführt, dass sich die entscheidende Problematik aus seiner Sicht aus der Tatsache ergebe, "dass ab 15:35 Uhr nicht adäquat reagiert" worden sei. Bis 15:35 Uhr sei die Geburt regelrecht verlaufen. Die Tatsache, dass die Patientin trotz PDA über stärkste Schmerzen geklagt habe, hätte einen Geburtshelfer jedoch hellhörig machen müssen und er hätte "sofort und unmittelbar entsprechende Notfallmaßnahmen zur sofortigen Entbindung des Kindes einleiten" müssen. Dies sei nicht erfolgt, weshalb das CTG um 15:53 Uhr "maximal pathologisch" geworden sei und das Kind erst gegen 16:12 Uhr mit einer schwersten Schädigung geboren worden sei.
Zu den Einwendungen des Beklagtenvertreters hat der Sachverständige zusätzlich ausgeführt, dass er dessen Ausführungen nicht folgen könne, wonach keine Fehlbehandlung stattgefunden habe. Der Sachverständige hat vielmehr ausgeführt:
"Ab dem Zeitpunkt 15:35 Uhr hat sich Dramatisches abgespielt. Statt sofort zu reagieren wird die PDA aufgespritzt. Offensichtlich in der Annahme, es seien wehenbedingte Schmerzen. Zu diesem Zeitpunkt hätte eine vaginale Untersuchung durchgeführt werden müssen, um zu entscheiden, ob das Kind schnellstmöglich auf vaginalem Wege zu entbinden sei oder ob ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden müsste."
In seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige diese Einschätzungen sämtlich bestätigt. Er hat hierbei ausgeführt, dass dann, wenn eine Frau, die eine Schnittentbindung hinter sich habe, bei noch liegender Periduralanästhesie über fast nicht auszuhaltende Schmerzen klage, bei einem Geburtshelfer "die Alarmglocken rot aufleuchten" müssten. Er hat insbesondere auch daran festgehalten, dass die Uterusruptur - die tatsächlich stattgefunden hat - differenzialdiagnostisch nicht ins Kalkül gezogen worden sei, und nur dokumentiert worden sei, dass die Patientin sehr schmerzempfindlich sei. Man habe lediglich die Peridual-Anästhesie nachgespritzt, was man nicht tun dürfe, "wenn man differenzialdiagnostisch die Uterusruptur ins Kalkül zieht" (Seite 5 des Protokolls vom 19.04.2007). Der Sachverständige hat zwar auch ausgeführt, dass um 15:35 Uhr noch kein Sachverhalt vorlag, der für eine Notsectio gesprochen hätte, da das CTG noch bis 15:53 Uhr normal gewesen sei. Hätte man aber die Uterusruptur der Mutter ins Kalkül gezogen, dann hätte man berücksichtigt, dass man nicht wisse, wie lange es dem Kind noch gut geht, auch wenn das CTG noch gute Werte schreibt. Die Möglichkeit der Uterusruptur sei für das Kind ein erhebliches größeres Risiko als die mit einer Vakuum-Extraktion aus Beckenmitte verbundenen Risiken, wobei von einem Oberarzt oder einem Chefarzt eines Krankenhauses erwartet werden müsse, dass er Erfahrung mit Vakuum-Extraktionen auch aus Beckenboden/Beckenmitte hat. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreter hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Vakuum-Extraktion erst um 16:05 Uhr angelegt wurde, was er "eindeutig für zu spät" hielt, weil man eben differenzialdiagnostisch nicht die Möglichkeit einer Uterusruptur ins Kalkül gezogen hatte. Hätte man dies jedoch getan, so hätte man sofort bei Abfallen der Herztöne des Kindes, also um 15:53 Uhr, mit der Vakuum-Extraktion "als spätesten Zeitpunkt beginnen müssen". Es seien demnach 12 Minuten vor dem Extraktionsbeginn versäumt worden.
Bei dieser Sachlage ist ein ärztliches Fehlverhalten der Beklagten Ziffer 1 und 2 gegeben, da nicht nur die Möglichkeit der Uterusruptur nichts ins Kalkül gezogen wurde, sondern aus diesem Grund auch nicht unmittelbar nach Abfallen der Herztöne reagiert wurde.
Aufgrund dieser Versäumnisse der Beklagten Ziff. 1. und 2. ist auch der beim Kind festgestellte erhebliche Schaden eingetreten, denn Anhaltspunkte dafür, dass das Kind bereits vor Beginn der kritischen Phase geschädigt gewesen sein könnte, fehlen. Schon im Gutachten des Dr. M. für die Gutachterkommission wird auf Seite 6 festgestellt, dass der "bestürzende Neugeborenenstatus" der Klägerin nach allen Befunden auf einem akuten Ereignis beruhte, wofür nur der Herztonabfall ab 15:53 Uhr in Betracht kommt.
Die Höhe des Schmerzensgeldes der Klägerin ist angesichts ihrer ganz erheblichen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, die ihr die Führung eines normalen Lebens auf Dauer unmöglich machen wird, mit 250.000,00 EUR anzusetzen.
In diesem Betrag ist jedoch bereits enthalten, dass nach der voraussichtlich unveränderlich schlechten Situation der Klägerin die immateriellen Beeinträchtigungen auch für die Zukunft abgegolten sind. Die Klägerin selbst hat eine Größenordnung von 200.000,00 EUR für angemessen erachtet und zusätzlich eine monatliche Schmerzensgeldrente verlangt. Für eine solche Rente besteht trotz der erheblichen Schäden der Klägerin dann kein Anlass, wenn der Schmerzensgeldbetrag in der Summe angemessen erhöht wird, was mit der Summe von 250.000,00 EUR erfolgt ist. Unter der Prämisse, dass auch nur ein Betrag von 100.000,00 EUR verzinslich angelegt wird, ist der von der Klägerin zusätzlich beantragte monatliche Betrag schon bei einem Zinssatz von nur 3 % zu erzielen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Zustand der Klägerin weitere Verschlechterungen erfahren könnte, ist auch dem insoweit gestellten Feststellungsantrag (Klageantrag Ziffer 3) gegen die Beklagten Ziffer 1. und 2. statt zu geben.
Ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte Ziffer 3 steht der Klägerin allerdings nicht zu, da nach der zum Zeitpunkt ihrer Geburt geltenden Rechtslage Schmerzensgeld nur auf der Grundlage deliktischer Ansprüche gewährt werden konnte, die auch nach altem Recht bereits nach drei Jahren verjährten. Verjährungseintritt ist demnach am 18.01.2004 erfolgt und verjährungsunterbrechende Maßnahmen gegen die Beklagte Ziffer 3 wurden versäumt. Das von den Eltern der Klägerin eingeleitete Verfahren vor der Gutachterkommission (Blatt 6 der Originalkrankenakte) war nicht geeignet, die Verjährung gegenüber der Beklagten Ziffer 3 zu unterbrechen. Wie die Gutachterkommission selbst geht das Gericht davon aus, dass Antragstellerin jenes Verfahrens die Klägerin war, die von ihren Eltern lediglich vertreten wurden. Das Verfahren hat zu einer Hemmung der Verjährung ihrer Ansprüche gegenüber den Beklagten Ziffer 1 und 2, die Gegner des Verfahrens waren, geführt, nicht aber gegenüber der Klinik, die an diesem Verfahren nicht beteiligt war. Im Schreiben der Gutachterkommission vom 30.01.2003 wurde frühzeitig darauf hingewiesen, dass Beteiligte des Gutachterverfahrens der Patient - also die Klägerin - und der betroffene Arzt, nicht aber die Klinik, ein Krankenhaus bzw. dessen Träger sei. Nachdem es an anderen verjährungsunterbrechenden Maßnahmen hinsichtlich der Beklagten Ziffer 3 vor dem 18.01.2004 gefehlt hat, sind sämtliche deliktischen Ansprüche gegen die Beklagte Ziffer 3 verjährt, so dass Schmerzensgeldansprüche gegen sie nicht in Betracht kommen.
II. Schadensersatz
Wegen der oben beschriebenen fehlerhaften Behandlung der Klägerin haften die Beklagten Ziffer 1 und 2 nach § 823 Abs. 1 BGB nicht nur auf Schmerzensgeld, sondern auch auf Ersatz des gesamten materiellen Schadens der Klägerin, den diese mit dem Klageantrag Ziffer 3 im Wege der Feststellung der Ersatzpflicht gegen alle drei Beklagten geltend macht. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist gegeben, da der Schaden ersichtlich nicht abgeschlossen ist, sondern mit fortschreitender Zeit sich ständig vergrößert. Schon jetzt ist absehbar, dass möglicherweise bei größerem Alter des Kindes eine Heimunterbringung erforderlich werden könnte sowie Verdienstausfall in beträchtlicher Höhe droht.
Auch hierfür haben die Beklagten Ziffer 1 und 2 aufgrund ihres Fehlverhaltens einzustehen.
Hinsichtlich der materiellen Schäden haftet allerdings auch die Beklagte Ziffer 3, da das Kind als geschützte Person in den Behandlungsvertrag zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhausträger einbezogen ist und die Klinik für sämtliches Fehlverhalten ihrer Ärzte als ihren Erfüllungsgehilfen einzustehen hat. Neben dem Fehlverhalten, das unmittelbar für den Verlauf der Geburt nachgewiesen ist, kommt hinzu, dass eine mangelhafte Risikoaufklärung stattgefunden hat. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass wegen des verbleibenden Restrisikos hinsichtlich der Operationsmethode des ersten Kaiserschnitts eine besonders sorgfältige Risikoaufklärung erforderlich gewesen wäre. Dass diese stattgefunden hat, wird nicht einmal behauptet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei einer ausreichenden Aufklärung über das erhöhte Risiko einer natürlichen Geburt die Mutter der Klägerin - wie sie dies ohnehin behauptet - auf der Durchführung eines weiteren Kaiserschnitts bestanden hätte.
Vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte Ziff. 3. sind auch nicht verjährt. Nach altem Recht verjährten solche Ansprüche in dreißig Jahren, nach dem Schuldrechtsreformgesetz wurde diese Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt - gerechnet ab 01.01.2002 -, weshalb diese Ansprüche zum 31.12.2004 verjährt wären. Zwar wurde die Klage erst im Januar 2005 eingereicht, doch hat insoweit die Klägerin für eine ausreichende Verjährungsunterbrechung Sorge getragen. Im Parallelverfahren der Eltern der Klägerin (5 O 12/05) wurde ein Schreiben der Haftpflichtversicherung der Beklagten vorgelegt, in dem diese für ihre Versicherungsnehmer auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, soweit Verjährung noch nicht eingetreten war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Verjährungsverzicht vom 29. Juli 2004 (Beiakte 5 O 12/05 Band I, Aktenseite 191) Bezug genommen. Das diesem Verzicht zugrunde liegende Anschreiben vom 29.07.2004 betraf sowohl die Verfahren der Eltern der Klägerin als auch ausdrücklich das Verfahren der Klägerin, vertreten durch ihre Eltern. Wegen der Einzelheiten des Aufforderungsschreibens wird auf das Schreiben auf AS 189 der Beiakte 5 O 12/05 verwiesen. Da vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte Ziffer 3 im Sommer 2004 noch nicht verjährt waren, war der Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch ihre mit der Schadensabwicklung betraute Haftpflichtversicherung wirksam und hat dazu geführt, dass mit Erhebung der Klage solche vertraglichen Ansprüche in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnten.
III. Teilklageabweisung
Die Klageabweisung bezieht sich lediglich auf die Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Beklagten Ziffer 3, da im Übrigen die Klage erfolgreich ist. Aus der Tatsache, dass dem Klageantrag Ziffer 2 nicht stattgegeben wurde, folgt nicht, dass die Klage auch insoweit abgewiesen wurde, da anstelle der beantragten Rente der für angemessen erachtete Schmerzensgeldbetrag im Klageantrag Ziffer 1 entsprechend erhöht wurde. Hierin ist eine teilweise Abweisung der Klage nicht zu sehen, jedenfalls kann die Klägerin insoweit nicht mit Kosten belastet werden.