Ist als Vertragsstrafe für einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot die Rückerstattung des gesamten Kaufpreises vereinbart, kann die Unangemessenheit dieser Klausel durch eine gerichtliche Herabsetzung der konkret verwirkten Strafe korrigiert werden (OLG Koblenz, Urteil vom 22.02.2012 - Az. 5 U 1233/11 - ).

weiterer Leitsatz:

Ein räumlich auf 9 Kilometer und zeitlich auf 2 Jahre beschränktes Wettbewerbsverbot im Übertragungsvertrag einer Zahnarztpraxis ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

Tatbestand

Ein Zahnarzt, der spätere Beklagte, verpflichtete sich in einem Praxiskaufvertrag, "innerhalb von zwei Jahren nach dem Übergabezeitpunkt im Umkreis von 9 km Luftlinie vom Praxissitz keine zahnärztliche Tätigkeit auszuüben". Dies sollte "auch für eine nicht nur gelegentliche Vertretung ... bei einem Kollegen im geschützten Gebiet" gelten. "Bei einer Zuwiderhandlung gegen das Rückkehrverbot" war der "Kaufpreis für den ideellen Praxiswert (210.000,00 EUR) ... zurückzuerstatten", wobei der Beklagte für den Fall "einer einmaligen Zuwiderhandlung ... vor Rückforderung des ideellen Praxiswerts abzumahnen" sei. Der Beklagte verstieß durch weitere ärztliche Tätigkeit gegen das Wettbewerbsverbot. Der klagende Arzt verlangte die Zahlung einer Vertragsstrafe von EUR 210.000. Dies lehnte der Beklagte ab. Seiner Ansicht nach war das Wettbewerbsverbot in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht zu weitgehend und daher unwirksam.  

Entscheidung

Das OLG Koblenz verpflichtete den beklagten Arzt, dem klagenden Arzt eine Vertragsstrafe von EUR 50.000 zu zahlen. Eine weitergehende Vertragsstrafe lehnte das OLG ab.

Das Gericht war der Ansicht, dass sich das streitige Tätigkeitsverbot in zeitlicher, örtlicher und gegenständlicher Hinsicht in einem adäquaten Rahmen halte. Es stelle eine angemessene Gegenleistung des Beklagten für das für den ideellen Praxiswert gezahlte Entgelt von EUR 210.000 dar und schütze die berechtigten Belange des Klägers, dem genug Zeit gegeben werden müsse, ohne Störungen ein eigenes Vertrauensverhältnis zu dem durch Kaufvertrag übernommenen Patientenstamm aufbauen zu können. Räumlich sei die 9 km-Grenze nicht zu beanstanden. Diese Grenze hindere den Beklagten nicht, sich außerhalb dieses Bereiches neu niederzulassen.

Da dem Beklagten in dem betroffenen Gebiet nicht jedwede zahnärztliche Tätigkeit untersagt werde und er noch berechtigt sei, gelegentliche Assistenzen oder Vertretungen durchzuführen, sei die Wettbewerbsklausel auch sachlichen unbedenklich.

Das OLG Koblenz hielt aber die Vereinbarung, wonach der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot den beklagten Arzt zur Rückerstattung des gesamten Kaufpreises verpflichtete, für unangemessen. Das OLG sah sich als berechtigt an, die Unangemessenheit dieser Klausel durch eine gerichtliche Herabsetzung der konkret verwirkten Strafe zu korrigieren und setzte die Vertragsstrafe auf EUR 50.000 fest.

Die Revision ist beim BGH anhängig (Az: VIII ZR 84/12).

Anmerkung:

Es ist fraglich, ob der BGH die Auffassung des OLG Koblenz, das sich berechtigt sieht, die Vertragsstrafe geltungserhaltend anzupassen, gutheißen wird. Nur dann, wenn das Wettbewerbsverbot das zeitlich zulässige Maß überschreitet, ist eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch zu billigende Maß möglich; die Mißachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen dagegen hat die Nichtigkeit des Verbots zur Folge (vgl. BGH BGH, Urteil vom 10. 12. 2008 - KZR 54/08 -, NJW 2005, 3061, 3062; WM 2000, 1496, 1498; WM 1997, 1707, 1708). Hier wird daher davon ausgegangen, dass der BGH eine geltungserhaltende Reduktion der Höhe der Vertragsstrafe nicht zulassen wird, weil andernfalls jede auch noch so hohe (und damit an sich nach § 138 BGB gesetzwidrige) Vertragsstrafe vereinbart werden könnte, weil der Vertragsstrafenberechtigte ja davon ausgehen könnte, dass das Gericht im Streitfall die Strafe schon auf das noch zulässige Maß herabstürzen wird.

Einem Arzt, der eine Vertragsstrafe vereinbaren will - was immer sinnvoll ist - , ist daher zu raten, sich im Einzelfall wegen der Höhe anwaltlich beraten zu lassen. Setzt er den Wert nämlich zu hoch an, kann er ganz leer ausgehen.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Philip Christmann
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